10.05.2011
Finanzgericht Köln: Urteil vom 23.02.2011 – 9 K 286/06
1) Der Begriff der Betriebsstätte in Art. 5 Abs. 1 DBA/Spanien hat nicht nur Bedeutung für (gewerbliche) Unternehmensgewinne i.S.v. Art. 7 Abs. 1 DBA/Spanien (gegen BMF v. 23.03.1982, BStBl. I 1982, 372), vielmehr können auch land- und forstwirtschaftliche Einrichtungen und zugehöriger Grund und Boden eine solche Betriebsstätte darstellen.
2) Auch land- und forstwirtschaftliche Einrichtungen und zugehöriger Grund und Boden können als Unternehmen i.S.v. Art. 7 Abs. 1 DBA/Spanien angesehen werden.
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 9. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 23.02.2011 für Recht erkannt:
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Behandlung von ausländischen Einkünften bei der deutschen Einkommensbesteuerung.
Die Kläger sind in L lebende Eheleute, die zusammen zur deutschen Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger ist gebürtiger Spanier und erzielte in den Streitjahren neben inländischen Einkünften Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung in Spanien. Hinsichtlich der Behandlung der spanischen Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie Vermietung und Verpachtung konnte in der mündlichen Verhandlung Übereinstimmung herbeigeführt werden.
Für 1997 erklärten die Kläger in der Anlage AUS die Einkünfte des Klägers aus Spanien als nach DBA steuerfreie Einkünfte, die dem Progressionsvorbehalt unterlägen. Der Beklagte folgte dem im unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid 1997 vom 30.08.2000.
In der im Rahmen eines Einspruchs gegen einen Schätzungsbescheid für 1998 eingereichten Steuererklärung wurde ebenso verfahren. Anlässlich der Erörterung dieser Erklärung wies der Beklagte mit Schreiben vom 19.02.2001 darauf hin, dass für die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen – also aus Land- und Forstwirtschaft – nach Art. 23 Abs. 1 b) ee) DBA Spanien die Anrechnungsmethode anzuwenden sei. Die in Spanien gezahlte Einkommensteuer sei nachzuweisen. Da die Kläger hierauf nicht reagierten, erließ der Beklagte am 09.05.2001 einen weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid, in welchem die Einkünfte aus Spanien in voller Höhe angesetzt wurden.
Für 1999 erklärten die Kläger – ebenfalls wieder nach Ergehen eines Schätzungsbescheides – die Einkünfte aus Spanien wie inländische Einkünfte; zugleich legten sie die Anlage AUS vor, mit welcher sie die Anrechnung der spanischen Steuer geltend machten, ohne jedoch weitere Belege über die Zahlung spanischer Steuer beizufügen. Daher erließ der Beklagte am 23.11.2001 einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid, in welchem die spanischen Einkünfte ohne Anrechnung von Steuern erfasst wurden. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Entscheidung vom 24.05.2002 als unbegründet zurückgewiesen, der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufrecht erhalten.
Für 2000 verfuhren die Kläger ebenso wie für 1999. Der Beklagte erließ am 29.11.2002 einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid, in welchem eine Anrechnung von ausländischen Steuern erfolgte; dieser Bescheid wurde am 06.02.2003 aus hier nicht streitigen Gründen abgeändert.
Für die Jahre 1997 bis 2000 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung L bei den Klägern eine Außenprüfung durch. Hierbei gelangte es zu der Erkenntnis, dass die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft aus Spanien im Jahr 1997 nicht wie bisher nach der Freistellungsmethode, sondern nach der Anrechnungsmethode zu erfassen seien. Für das Jahr 1999 verbleibe es bei der vom Finanzamt vorgenommenen Nichtberücksichtigung der als anrechenbare ausländische Steuern geltend gemachten Beträge, im Jahr 2000 seien die bisher vom Finanzamt angerechneten ausländischen Steuern nicht mehr zu berücksichtigen. Die Prüfung wurde ohne Schlussbesprechung abgeschlossen, da der Kläger an den erforderlichen Sachverhaltsaufklärungen nicht mitgewirkt und die benötigten Nachweise bis zum letztmalig vereinbarten Zeitpunkt nicht vorgelegt hatte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 01.12.2004 verwiesen.
Auf der Basis dieser Feststellungen erließ der Beklagte am 13.10.2005 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Steuerbescheide für die Jahre 1997 bis 2000. Die hiergegen eingelegten Einsprüche wies der Beklagte mit verbundener Entscheidung vom 15.12.2005 als unbegründet zurück.
Hiergegen erhoben die Kläger die vorliegende Klage; sie tragen vor, der Kläger sei in den Streitjahren sowohl in Spanien als auch in Deutschland als unbeschränkt Steuerpflichtiger geführt worden. Die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland sei unstrittig. In Spanien hätte der Kläger eine Erklärung zur beschränkten Steuerpflicht abgeben müssen, was der spanische Berater nicht richtig erkannt habe und nun nicht mehr korrigiert werden könne.
Die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft seien in Spanien mit dem Regelsteuersatz besteuert worden. Die Grundstücke, aus denen die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bezogen würden, seien insgesamt im Familienbesitz. Der Kläger betreibe diese gemeinsam mit seinen Familienangehörigen. Aus dem Urteil des Finanzgerichts (FG) Hamburg vom 22.08.2006 7 K 139/03 ergebe sich, dass das Betriebsstättenprinzip auch auf eine in Spanien ansässige Personengesellschaft mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft anzuwenden sei. Die Einkünfte seien unter dem Progressionsvorbehalt zu erfassen.
Die Kläger beantragen,
die Einkommensteuerbescheide 1997 bis 2000 vom 13.10.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.12.2005 dergestalt zu ändern, dass die spanischen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft unter Anwendung des Progressionsvorbehalts nicht der deutschen Besteuerung unterworfen werden.
Der Beklagte beantragt für alle Streitjahre,
die Klage als unbegründet abzuweisen, soweit die Kläger über die Anrechnung hinaus eine Freistellung der spanischen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft begehren,
im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
Er bezieht sich auf seine hierzu ergangene Einspruchsentscheidung sowie auf die während des Klageverfahrens erstmalig vorgelegten Übersetzungen der spanischen Steuererklärungen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist – soweit noch Streit besteht – begründet.
Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1997 bis 2000 sind insoweit rechtswidrig, als die spanischen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach der Anrechnungsmethode und nicht nach der Freistellungsmethode der deutschen Besteuerung unterworfen worden sind. Nach Art. 23 Abs. 1 b) ee) DBA Spanien ist die Freistellungsmethode anzuwenden. Der Kläger hat seine land- und forstwirtschaftlichen Einkünfte aus einer spanischen Betriebsstätte bezogen.
Zwischen den Beteiligten besteht zu Recht kein Streit darüber, dass die Kläger im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind. Denn sie haben ihren Wohnsitz in Deutschland.
Nach Art. 23 Abs. 1 b) ee) DBA Spanien wird auf die deutsche Steuer von den aus Spanien stammenden Einkünften oder von dem in Spanien gelegenen Vermögen die spanische Steuer angerechnet, die nach diesem Abkommen gezahlt worden ist von Einkünften aus unbeweglichem Vermögen oder diesem Vermögen selbst, sofern dieses Vermögen nicht zu einer in Spanien gelegenen Betriebstätte tatsächlich gehört. Streitentscheidend ist damit die Frage, ob die in Spanien erzielten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im Rahmen einer dortigen Betriebsstätte erzielt worden sind, weil dann die Freistellungsmethode unter Anwendung des Progressionsvorbehalts nach § 32b EStG eingreifen würde.
Die in Spanien erzielten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sind mangels Nennung in einer anderen Vorschrift als Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen i.S. des Art. 6 Abs. 1 DBA Spanien anzusehen. Dies folgt nicht zuletzt aus Art. 6 Abs. 2 DBA Spanien, wonach auch das lebende und tote Inventar land- und forstwirtschaftlicher Betriebe zum unbeweglichen Vermögen gezählt werden. Außerdem wird in Art. 6 der noch nicht verabschiedeten, aber bereits verhandelten Neufassung des DBA Spanien in Art. 6 Abs. 1 durch einen Klammerzusatz klar gestellt, dass zu den Einkünften aus unbeweglichem Vermögen auch solche aus Land- und Forstwirtschaft zählen.
Diese Einkünfte hat der Kläger aus einer in Spanien belegenen Betriebsstätte erzielt. Art. 5 Abs. 1 DBA Spanien definiert als Betriebsstätte eine feste Geschäftseinrichtung, in der die Tätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. In Art. 5 Abs. 2 DBA Spanien folgt sodann eine beispielhafte Aufzählung. Land- und forstwirtschaftliche Einrichtungen bzw. der so genutzte Grund und Boden werden in dieser Aufzählung nicht genannt. Daraus folgert die Finanzverwaltung, dass die Betriebsstätte i.S. des Art. 5 Abs. 1 DBA Spanien ausschließlich Bedeutung hat für die Besteuerung der (gewerblichen) Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 DBA Spanien (BMF v. 23.03.1982, BStBl I 1982, 372). Der Senat hält diese Auslegung des DBA Spanien nicht für zwingend. Denn im DBA selbst ist nicht definiert, was ein Unternehmen ist. Daher ist nach Art. 3 Abs. 2 DBA Spanien dem Begriff die Bedeutung beizumessen, die ihm nach dem Steuerrecht des Anwenderstaates – im Streitfall also Deutschland – zukommt. Im vorliegenden Kontext ergibt sich die steuerrechtliche Definition aus den Tatbestandsmerkmalen des § 15 Abs. 2 EStG. Danach ist eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, „unternommen” wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, Gewerbebetrieb, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Bereits aus der Verwendung des Begriffs „unternommen” im Gesetzestext wird erkennbar, dass das Gesetz von einem Unternehmen ausgeht. Da vorliegend unstreitig ist, dass der Kläger Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt und somit ein negatives Tatbestandsmerkmal der Definition des Gewerbebetriebs nicht erfüllt ist, handelt es sich demnach um ein land- und forstwirtschaftliches Unternehmen. Nach dem Vortrag der Kläger und nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist des Weiteren davon auszugehen, dass ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb auch eine ihm dienliche feste Geschäftseinrichtung hat. Anders kann ein Plantagenbetrieb nicht bewirtschaftet werden. Im Übrigen verwendet auch das deutsche Steuerrecht den Begriff der land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätte (vgl. § 2a Abs. 1 Nr. 1 EStG). Nach der gemäß Art. 3 Abs. 2 DBA Spanien gebotenen Auslegung nach inländischen Maßstäben ist somit festzuhalten, dass auch eine land- und forstwirtschaftliche Einrichtung ein Unternehmen sein kann. Daher findet Art. 5 Abs. 1 DBA Spanien auch hierauf Anwendung. Es ist für den Senat vor diesem Hintergrund nicht erkennbar, weshalb bei Vorliegen einer Betriebsstätte im ausländischen Vertragsstaat daraus bezogene gewerbliche Unternehmensgewinne von der deutschen Steuer befreit sein sollen, nicht jedoch, wenn Unternehmensgegenstand die Land- und Forstwirtschaft ist (ebenso FG Hamburg v. 22.08.2006 7 K 134/03, EFG 2007, 96 v. 22.08.2006 7 K 139/03, EFG 2007, 101; Debatin, DB 1988, 1285, 1291).
Ferner regelt Art. 5 Abs. 1 DBA Spanien nur den Begriff der Betriebsstätte, er nimmt hingegen keine Eingrenzung auf Betriebsstätten für eine bestimmte Einkunftsart vor (Herlinghaus in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 23 DBA Spanien Rn. 25; Grotherr in Becker/Höppner/Grotherr/Kroppen, DBA, Art. 23 DBA Spanien Rn. 27; a.A. Ellsel in Becker/Höppner/Grotherr/Kroppen, DBA, Art. 7 DBA Spanien Rn. 9, 10). Allein schon deshalb vermag sich der Senat nicht der o.g. Auslegung der Vorschrift durch die Finanzverwaltung anzuschließen.
Da nach allem die Einkünfte aus einer in Spanien belegen Betriebsstätte bezogen wurden, greift nach Art. 23 Abs. 1 b) ee) DBA Spanien die Freistellungsmethode ein. Die der Höhe nach unstreitigen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sind demnach von der deutschen Besteuerung unter Anwendung des Progressionsvorbehalts auszunehmen. Die Steuerberechnung wird nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO für sämtliche Streitjahre dem Beklagten übertragen.
Wegen der Steuerfreiheit der spanischen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft insgesamt brauchte auf den eingeschränkten Klageabweisungsantrag des Beklagten nicht eingegangen zu werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO i.V.m. § 137 FGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S.1 ZPO.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).