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  • 22.09.2011

    Finanzgericht Hamburg: Beschluss vom 22.06.2011 – 4 K 42/10

    Ist unter den im Ausgangsverfahren gegebenen Umständen, dass die Behörde des Drittlandes nicht mehr überprüfen kann, ob die von ihr ausgestellte Bescheinigung auf einer richten Darstellung der Fakten beruht, dem Abgabenschuldner die Berufung auf Vertrauensschutz nach Art. 220 Abs. 2 lit. b) Unterabsatz 2 und 3 ZK zu versagen, wenn die Umstände hinsichtlich der Nichtaufklärbarkeit der inhaltlichen Richtigkeit der Ursprungsbescheinigung in die Sphäre des Ausführers fallen, oder setzt der Übergang der Beweislast im Rahmen des Art. 220 Abs. 2 lit b) Unterabsatz 3 erster Teil ZK von der Zollbehörde auf den Abgabenschuldner lediglich bzw. vielmehr voraus, dass die Nichtaufklärbarkeit ihre Ursache außerhalb der Sphäre der Behörde des Ausfuhrlandes bzw. in einer allein dem Ausführer zuzurechnenden Nachlässigkeit hat?


    Gründe

    I.

    Die Klägerin wendet sich gegen die Nacherhebung von Einfuhrabgaben durch das beklagte Hauptzollamt.

    Die Klägerin ließ in der Zeit von Februar bis September 2007 mit mehreren Zollanmeldungen Schuhe in den zollrechtlich freien Verkehr der Europäischen Union überführen. Als Ursprungsland der Waren war Macau angegeben, als Beleg für den Ursprung waren den Anmeldungen jeweils Ursprungszeugnisse nach Formblatt A beigefügt, die die Firma S. bzw. V. als Hersteller und Macau als Ursprungsland auswiesen. Das beklagte Hauptzollamt akzeptierte jeweils die beantragte Präferenzbehandlung und erhob lediglich den Präferenzzoll auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 980/2005 des Rates vom 27.06.2005 über ein Schema allgemeiner Zollpräferenzen (ABl. Nr. L 169/1).

    Nach Hinweisen, dass für bestimmte Waren mit Ursprung in China zur Umgehung einer zusätzlichen Einfuhrabgabe zu Unrecht Macau als Ursprungsland angeben worden sei, veranlasste das beklagte Hauptzollamt die Einleitung von Nachprüfungsersuchen gemäß Art. 94 ZK-DVO. Die zuständige Behörde in Macau bestätigte in der Folge bezüglich der von der Klägerin eingereichten Ursprungszeugnisse ihre Urheberschaft und damit die Echtheit der vorgelegten Bescheinigungen, teilte aber auf weitere Nachfrage der deutschen Behörden mit, die inhaltliche Richtigkeit der ausgestellten Bescheinigungen nicht mehr überprüfen zu können, weil die in den Ursprungszeugnissen genannten Ausführer ihre Produktion eingestellt und ihren Betrieb geschlossen hätten; die von der Klägerin vorgelegten Ursprungszeugnisse wurden von der Behörde in Macau nicht für ungültig erklärt.

    Mit drei Einfuhrabgabenbescheiden vom 21., 22. bzw. 25.08.2008 forderte das beklagte Hauptzollamt daraufhin unter Hinweis auf Art. 220 Abs. 1 Zollkodex die Differenz zwischen dem Präferenzzollsatz (3,5 %) und dem regulären Zollsatz (7 %) mit der Begründung nach, dass eine nachträgliche Überprüfung der Präferenznachweise keine Bestätigung des angegebenen Ursprungs der Waren ergeben habe.

    Mit ihrer nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage beruft sich die Klägerin vor allem auf Vertrauensschutz nach Art. 220 Abs. 2 lit. b) ZK. Die Schließung der Herstellungsbetriebe und die dadurch bedingte Nichtnachprüfbarkeit der Präferenznachweise stelle für sie als Einführer ein unvorhersehbares Ereignis und einen Akt höherer Gewalt dar. Die Betriebsschließungen seien durch die Ausweitung der Antidumpingmaßnahmen auf die aus Macau versandten Waren verursacht oder doch befördert worden. Ihre Folgen habe sie trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht vermeiden können.

    Die Klägerin beantragt,

    die drei Einfuhrabgabenbescheide vom 21., 22. und 25.08.2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 01.02.2010 aufzuheben.

    Das beklagte Hauptzollamt beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Es verteidigt die angefochtenen Bescheide und betont u. a., dass Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) ZK einer Nacherhebung nicht entgegenstehe, weil davon ausgegangen werden müsse, dass die Ausstellung der Ursprungsnachweise auf einer unrichtigen Darstellung der Fakten durch den Ausführer beruhe. Insoweit obliege es dem Einführer, den Beweis für eine richtige Darstellung der Fakten zu erbringen, weil die Nichtverfügbarkeit der erforderlichen Unterlagen infolge der Betriebsschließung dem Verantwortungsbereich des Ausführers und damit der Sphäre des Einführers zuzurechnen sei. Da dieser Beweis nicht erbracht worden sei, müsse von einer unrichtigen Darstellung der Fakten ausgegangen werden.

    II.

    Der beschließende Senat setzt das Verfahren in analoger Anwendung des § 74 Finanzgerichtsordnung (FGO) aus und legt dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union die im Tenor genannte Frage zur Vorabentscheidung vor. Denn die rechtliche Würdigung des Falles ist unionsrechtlich zweifelhaft.

    1. Rechtlicher Rahmen

    Nach Ansicht des beschließenden Senats sind folgende unionsrechtlichen Vorschriften für die Lösung des Streitfalles von Bedeutung.

    Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. Nr. L 302, S. 1) in der sich aus der Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.11.2000 (ABl. Nr. L 311, S. 17) ergebenden Fassung (im Folgenden: ZK):

    Art. 220:

    (1) Ist der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht nach den Artikeln 218 und 219 buchmäßig erfasst oder mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden, so hat die buchmäßige Erfassung des zu erhebenden Betrags oder des nachzuerhebenden Restbetrags innerhalb von zwei Tagen nach dem Tag zu erfolgen, an dem die Zollbehörden diesen Umstand feststellen und in der Lage sind, den gesetzlich geschuldeten Betrag zu berechnen sowie den Zollschuldner zu bestimmen (nachträgliche buchmäßige Erfassung). Diese Frist kann nach Artikel 219 verlängert werden.

    (2) Außer in den Fällen gemäß Artikel 217 Absatz 1 Unterabsätze 2 und 3 erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn

    a) ...

    b) der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat.

    Wird der Präferenzstatus einer Ware im Rahmen eines Systems der administrativen Zusammenarbeit unter Beteiligung der Behörden eines Drittlands ermittelt, so gilt die Ausstellung einer Bescheinigung durch diese Behörden, falls sich diese Bescheinigung als unrichtig erweist, als ein Irrtum, der im Sinne des Unterabsatzes 1 vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte.

    Die Ausstellung einer unrichtigen Bescheinigung stellt jedoch keinen Irrtum dar, wenn die Bescheinigung auf einer unrichtigen Darstellung der Fakten seitens des Ausführers beruht, außer insbesondere dann, wenn offensichtlich ist, dass die ausstellenden Behörden wussten oder hätten wissen müssen, dass die Waren die Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung nicht erfüllten.

    Der Abgabenschuldner kann Gutgläubigkeit geltend machen, wenn er darlegen kann, dass er sich während der Zeit des betreffenden Handelsgeschäfts mit gebotener Sorgfalt vergewissert hat, dass alle Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung erfüllt worden sind.

    Der Abgabenschuldner kann Gutgläubigkeit jedoch nicht geltend machen, wenn die Kommission in einer Mitteilung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften darauf hingewiesen hat, dass begründete Zweifel an der ordnungsgemäßen Anwendung der Präferenzregelung durch das begünstigte Land bestehen;

    c) ...

    Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 02.07.1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung eines Zollkodex der Gemeinschaften (ABL. Nr. L 253/1) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1875/2006 der Kommission vom 18.12.2006 (ABl. Nr. L 360/64, im Folgenden: ZK-DVO):

    Artikel 94

    (1) Eine nachträgliche Prüfung der Ursprungszeugnisse nach Formblatt A oder der Erklärungen auf der Rechnung erfolgt stichprobenweise oder immer dann, wenn die Zollbehörden in der Gemeinschaft begründete Zweifel an der Echtheit des Papiers, der Ursprungseigenschaft der betreffenden Erzeugnisse oder der Erfüllung der übrigen Voraussetzungen dieses Abschnitts haben.

    (2) In Fällen nach Absatz 1 senden die Zollbehörden in der Gemeinschaft das Ursprungszeugnis nach Formblatt A und die Rechnung, wenn sie vorgelegt worden ist, die Erklärung auf der Rechnung oder eine Abschrift dieser Papiere an die zuständige Regierungsbehörde des begünstigten Ausfuhrlandes zurück, gegebenenfalls unter Angabe der Gründe, die eine Untersuchung rechtfertigen. Zur Begründung des Antrags auf nachträgliche Prüfung übermitteln sie alle Unterlagen und teilen alle bekannten Umstände mit, die auf die Unrichtigkeit der Angaben in dem Ursprungsnachweis schließen lassen.

    Beschließen die genannten Zollbehörden, bis zum Eingang des Ergebnisses der Nachprüfung die Zollpräferenzbehandlung nach Artikel 67 für die betreffenden Erzeugnisse nicht zu gewähren, so können sie dem Einführer vorbehaltlich der für notwendig erachteten Sicherungsmaßnahmen die Erzeugnisse überlassen.

    (3) Wenn ein Antrag auf nachträgliche Prüfung gemäß Absatz 1 gestellt worden ist, ist diese Prüfung innerhalb von höchstens sechs Monaten durchzuführen und ihr Ergebnis den zuständigen Zollbehörden in der Gemeinschaft zur Kenntnis zu bringen. Aufgrund dieses Ergebnisses muss eine Entscheidung darüber möglich sein, ob der angefochtene Ursprungsnachweis die tatsächlich ausgeführten Erzeugnisse betrifft und ob diese Erzeugnisse als Ursprungserzeugnisse eines der begünstigten Länder oder der Gemeinschaft angesehen werden können.

    (4) Im Fall von Ursprungszeugnissen nach Formblatt A, die gemäß Artikel 91 ausgestellt werden, ist eine Abschrift der berücksichtigten Warenverkehrsbescheinigung(en) EUR.1 oder gegebenenfalls der Erklärung(en) auf der Rechnung zurückzusenden.

    (5) Ist bei begründeten Zweifeln nach Ablauf des in Absatz 3 genannten Zeitraums von sechs Monaten noch keine Antwort erfolgt oder enthält die Antwort keine ausreichenden Angaben, um über die Echtheit des betreffenden Papiers oder den tatsächlichen Ursprung der Erzeugnisse entscheiden zu können, so ist ein zweites Schreiben an die zuständigen Behörden zu richten. Wenn nach diesem zweiten Schreiben das Ergebnis der Nachprüfungen den Behörden, die den Antrag gestellt haben, nicht innerhalb von vier Monaten zur Kenntnis gebracht wird oder wenn das Ergebnis keine Entscheidung über die Echtheit des betreffenden Papiers oder den tatsächlichen Ursprung der Erzeugnisse zulässt, lehnen diese Zollbehörden die Gewährung der Zollpräferenzbehandlung ab, es sei denn, es liegen außergewöhnliche Umstände vor.

    Unterabsatz 1 gilt für die Zwecke der nachträglichen Prüfung der nach Maßgabe dieses Abschnitts erteilten Ursprungszeugnisse nach Formblatt A zwischen den Ländern eines Regionalzusammenschlusses.

    (6) Lassen das Prüfungsverfahren oder andere verfügbare Angaben darauf schließen, dass die Vorschriften dieses Abschnitts nicht eingehalten worden sind, so führt das begünstigte Ausfuhrland von sich aus oder auf Antrag der Gemeinschaft die erforderlichen Ermittlungen durch oder trifft die erforderlichen Vorkehrungen dafür, dass diese Ermittlungen mit der gebotenen Dringlichkeit durchgeführt werden, um solche Zuwiderhandlungen festzustellen und zu verhüten. Die Gemeinschaft kann an solchen Ermittlungen mitwirken.

    (7) Für die nachträgliche Prüfung der Ursprungszeugnisse nach Formblatt A müssen die Abschriften dieser Zeugnisse sowie gegebenenfalls die diesbezüglichen Ausfuhrpapiere von der zuständigen Regierungsbehörde des begünstigten Ausfuhrlandes mindestens drei Jahre lang auf bewahrt werden.

    2. Rechtliche Überlegungen des Senats

    a) Als Rechtsgrundlage für die von der Klägerin angefochtenen Einfuhrabgabenbescheide kommt allein die Vorschrift des Art. 220 Abs. 1 ZK in Betracht. Danach erfolgt die nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht oder in einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden ist. Der beschließende Senat hält es für zweifelsfrei, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 220 Abs. 1 ZK im Streitfall erfüllt sind. Denn es steht nach Abschluss des nach Art. 94 ZK-DVO eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens nicht fest, dass die von der Klägerin eingeführten Waren ihren präferenzbegründenden Ursprung tatsächlich in Macau hatten. Der Umstand, dass die von der Klägerin vorgelegten Ursprungszeugnisse von den Behörden in Macau nicht für ungültig erklärt wurden, ist insoweit unbeachtlich. Auch ist es der Klägerin im zu betrachtenden Kontext nicht behilflich, dass ebenfalls nicht festgestellt werden konnte, welchen anderen Ursprung als Macau die von ihr eingeführten Waren hatten. Der Unionsverordnungsgeber hat durch das in Art. 94 ZK-DVO normierte Prüfungsverfahren eine klare Beweislastverteilung in der Weise getroffen, dass nicht auszuräumende Zweifel, ob die Ware die vom Einführer im Rahmen der von ihm beantragten Präferenzbehandlung behauptete Ursprungseigenschaft erfüllt, zu Lasten des Abgabenschuldners gehen mit der Folge, dass die Ursprungszeugnisse als zu Unrecht ausgestellt und der Präferenzzoll als zu Unrecht gewährt anzusehen ist. In Art. 94 Abs. 5 Satz 2 ZK-DVO heißt es unzweideutig, lässt das Ergebnis der Nachprüfungen keine Entscheidung über die Echtheit des betreffenden Papiers oder den tatsächlichen Ursprung der Erzeugnisse zu, lehnen die Zollbehörden die Gewährung der Präferenzbehandlung ab. Der Abgabenschuldner kann kein geschütztes Vertrauen in die Gültigkeit von Ursprungsbescheinigungen daraus herleiten, dass sie von den Zollbehörden eines Mitgliedstaats zunächst angenommen wurden, denn die Rolle dieser Dienste bei der ersten Entgegennahme der Erklärungen steht späteren Prüfungen nicht entgegen (vgl. EuGH, Urteil vom 09.03.2006, C-293/04, Rz. 33; Urteil vom 14.05.1996, C-153/94, Rz. 93).

    Der beschließende Senat hat auch keinen vernünftigen Zweifel, dass sich die Klägerin im Streitfall nicht auf das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände im Sinne des Art. 94 Abs. 5 Satz 2 letzter Halbsatz ZK-DVO berufen kann. Insbesondere besteht kein Anhalt dafür, dass im Ausfuhrstaat keine ordnungsgemäße Verwaltung existiert, so dass von einer sachgerechten Bearbeitung der Nachprüfungsersuchen nicht zuverlässig ausgegangen werden könnte. Auch steht der von der Klägerin behauptete Ursprung der Waren nicht aufgrund anderer Umstände objektiv fest.

    b) Unionsrechtlich zweifelhaft erscheint dem Senat allerdings, ob einer Nacherhebung die Regelung des Art. 220 Abs. 2 lit. b) ZK entgegensteht. Diese Zweifel betreffen die Auslegung des Art. 220 Abs. 2 lit. b) Unterabsatz 3 ZK und insoweit die Frage, wem der Nachweis obliegt, dass das Ursprungserzeugnis auf einer unrichtigen Darstellung der Fakten seitens des Ausführers beruht.

    Der Unionsgesetzgeber hat einerseits in Art. 220 Abs. 2 lit. b) Unterabsatz 1 ZK geregelt, dass keine nachträgliche buchmäßige Erfassung erfolgt, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vernünftigerweise vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung beachtet hat, wobei im Rahmen eines Systems der administrativen Zusammenarbeit unter Beteiligung einer drittländischen Behörde die Ausstellung einer Präferenzbescheinigung durch diese Behörde, falls sich die Bescheinigung später als unrichtig erweist, als ein Irrtum gilt, der vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte (Art. 220 Abs. 2 lit. b) Unterabsatz 2 ZK). Vor dem Hintergrund der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 09.03.2006 (C-293/04, Rz. 35 sowie Rz. 48 Leitsatz 2) nimmt der beschließende Senat hinsichtlich des Streitfalles an, dass die streitgegenständlichen Ursprungszeugnisse als unrichtige Bescheinigung im Sinne des Art. 220 Abs. 2 lit. b) Unterabsatz 2 ZK gelten, denn der in ihnen angegebene Warenursprung konnte aufgrund der nachträglichen Überprüfung nicht bestätigt werden. Zugunsten der Klägerin ist mithin zunächst von einem Irrtum auszugehen, der von ihr vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte.

    Andererseits hat der Unionsgesetzgeber in Art. 220 Abs. 2 lit. b) Unterabsatz 3 ZK bestimmt, dass die Ausstellung einer unrichtigen Bescheinigung keinen Irrtum darstellt, wenn die Bescheinigung auf einer unrichtigen Darstellung der Fakten seitens des Ausführers beruht. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seiner sog. Beemsterboer-Entscheidung (Urteil vom 09.03.2006, C-293/04) zwar daran erinnert, dass es nach den herkömmlichen Regeln über die Beweislastverteilung den Zollbehörden, die sich auf Art. 220 Abs. 2 lit. b) Unterabsatz 3 ZK berufen, um eine Nacherhebung vorzunehmen, obliegt, für ihre Forderung den Nachweis zu erbringen, dass die Ausstellung der unzutreffenden Bescheinigungen auf einer unrichtigen Darstellung der Fakten durch den Aussteller beruht (Rz. 39). Er hat aber auch geurteilt, dass es, ist den Zollbehörden die Beweisführung darüber, ob die Ausstellung der Ursprungsbescheinigung auf einer richtigen oder unrichtigen Darstellung der Fakten durch den Ausführer beruht, jedoch aufgrund einer allein diesem zuzurechnenden Nachlässigkeit unmöglich, dem Abgabenschuldner obliegt, nachzuweisen, dass diese von den Behörden des Drittlandes ausgestellte Bescheinigung auf einer richtigen Darstellung der Fakten beruht (Rz. 46). Der Gerichtshof der Europäischen Union geht in seinem Urteil vom 09.03.2006 (C-293/04) folglich von einer Beweislastumkehr aus, dessen Grenzziehung nach dem Dafürhalten des Senats unionsrechtliche Zweifel aufwirft.

    Diese unionsrechtlichen Zweifel des Senats rühren zunächst her aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der in seinem Vorabentscheidungsbeschluss vom 29.06.2010 (VII R 31/09, Az. des EuGH C-409/10) einem bestimmten Normverständnis zuneigt: Weil die Fragen der Gültigkeit der erteilten Warenverkehrsbescheinigungen und des Vertrauensschutzes - so führt der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom 29.06.2010 aus - in einem engen unlösbaren Zusammenhang stünden, komme es nicht in Betracht, aus dem fehlenden Nachweis des Warenursprungs jeweils unterschiedliche Rechtsfolgen abzuleiten. Die Feststellung, dass die Ursprungseigenschaft der Ausfuhrwaren aufgrund der nachträglichen Prüfung nicht habe bestätigt werden können, die Waren somit unbekannten Ursprungs und die Präferenzbescheinigungen zu Unrecht ausgestellt seien, habe auch bei der Frage des Vertrauensschutzes Bedeutung mit der Folge, dass sich der Abgabenschuldner bei der Prüfung der Voraussetzungen des Art. 220 Abs. 2 lit. b) Unterabsatz 2 und 3 ZK nicht darauf berufen könne, gerade in seinen Fällen seien die Warenverkehrsbescheinigungen möglicherweise zu Recht erteilt worden. Verfüge der Ausführer also nicht über Unterlagen, welche die Richtigkeit der erteilten Warenverkehrsbescheinigungen bestätigten, habe dies in der Regel zugleich zur Folge, dass sich der Zollbeteiligte auf Vertrauensschutz nicht berufen könne, weil in diesem Fall aufgrund der Beweislastverteilung grundsätzlich davon auszugehen sei, dass die zu widerrufenden Warenverkehrsbescheinigungen auf unrichtigen Angaben des Ausführers beruhten. Zwar unterscheidet sich das vom Bundesfinanzhof zu entscheidende Verfahren vom vorliegenden Sachverhalt dadurch, dass in dem dortigen Fall die erteilten Präferenznachweise vom Ausfuhrland für ungültig erklärt wurden, während im hiesigen Ausgangsverfahren die Behörde in Macau die streitgegenständlichen Ursprungsnachweise nicht widerrufen oder aufgehoben hat. Allerdings ist beiden Sachverhalten gemein, dass nach dem Ergebnis des jeweils durchgeführten Nachprüfungsverfahrens davon auszugehen ist, dass die Ware unbekannten Ursprungs ist und dass die Bescheinigungen demnach zu Unrecht ausgestellt und der Präferenzzollsatz zu Unrecht gewährt worden ist. Folgt man dem vorstehend skizzierten Normverständnis des Bundesfinanzhofs müsste dieses Ergebnis auch im Rahmen der Prüfung des Art. 220 Abs. 2 lit. b) Unterabsatz 3 ZK Geltung beanspruchen mit der Folge, dass der Klägerin Vertrauensschutz zu versagen wäre.

    Anders verhielte es sich hinsichtlich des Streitfalles freilich dann, wenn man die Frage der Gültigkeit der erteilten Ursprungsbescheinigung im Rahmen des Art. 220 Abs. 1 ZK einerseits und die Frage des schützenswerten Vertrauens auf Seiten des Zollschuldners im Rahmen des Art. 220 Abs. 2 ZK andererseits voneinander getrennt beantwortet, wozu der beschließende Senat unter Berücksichtigung des Aufbaus der Norm des Art. 220 ZK neigt. Ausgehend von einem solchen Normverständnis käme es entscheidungserheblich dann darauf an, nach welchen Differenzierungskriterien die Beweislast im Rahmen des Art. 220 Abs. 2 lit. b) Unterabsatz 3 ZK zwischen den Beteiligten zu verteilen ist.

    Ausgehend von der Beemsterboer-Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ließe sich die Auffassung vertreten, dass die Beweislast dafür, dass die Bescheinigung auf einer unrichtigen Darstellung der Fakten seitens des Ausführers beruht, nur dann auf den Zollschuldner übergeht, wenn den Zollbehörden die Beweisführung allein aufgrund eines dem Ausführer vorwerfbaren Verhaltens unmöglich ist. Für dieses Verständnis spricht die Bemerkung des Gerichtshofs in seinem Urteil vom 09.03.2006 (C-293/04), wonach die Europäische Union nicht die nachteiligen Folgen des rechtswidrigen Verhaltens der Lieferanten von Einführern zu tragen habe (Rz. 43). Im Streitfall lässt sich indes ein in diesem Sinne vorwerfbares oder rechtswidriges Verhalten der Klägerin bzw. ihres Lieferanten nicht feststellen. Insbesondere fehlt es an einem Verstoß gegen Nachweis- oder Aufbewahrungspflichten, wodurch der dem Urteil des Gerichtshofs zugrunde liegende Sachverhalt geprägt war.

    Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 09.03.2006 (C-293/04) allerdings auch daran erinnert, dass es Sache der Wirtschaftsteilnehmer sei, im Rahmen ihrer vertraglichen Beziehungen die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um sich gegen die Risiken einer Nacherhebung abzusichern (Rz. 41). Diese Feststellung des Gerichtshofs gibt dem beschließenden Senat Anlass, eine Beweislastverteilung im Rahmen des Art. 220 Abs. 2 lit. b) Unterabsatz 3 ZK nach Sphären zu erwägen, wobei der Sphärengedanke eine Beweislastverteilung sowohl in dem Sinne zulässt, dass die Beweislast erst auf den Abgabenschuldner übergeht, wenn die Umstände hinsichtlich der Nichtaufklärbarkeit der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben des Ausführers in dessen Sphäre fallen, als auch in der Weise, dass die Beweislast schon dann von der Zollbehörde auf den Ausführer verlagert wird, wenn die Nichtaufklärbarkeit des Sachverhalts ihre Ursache außerhalb der Sphäre der Behörde des Ausfuhrlandes hat. Nur bei Letzterem ginge ein non-liquet zu Lasten des Abgabenschuldners. Eine Beweislastverteilung im zuletzt skizzierten Sinne würde überdies nicht nur den in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union verankerten Gedanken, dass es Sache der Wirtschaftsteilnehmer ist, im Rahmen ihrer vertraglichen Beziehungen die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um sich gegen die Risiken einer Nacherhebung abzusichern (vgl. EuGH, Urteil vom 14.05.1996, C-153/94, Rz. 114; Urteil vom 17.07.1997, C-97/95, Rz. 60; Urteil vom 09.03.2006, C-293/04, Rz. 43), aufgreifen und fortführen. Sie würde auch den Weg ebnen, Fallgestaltungen, die unter den Gesichtspunkt „höhere Gewalt” zu subsumieren wären, einer sachgerechten Risikoverteilung zuzuführen. Sind etwa die Unterlagen bezüglich des Nachweises der Ursprungseigenschaft des betreffenden Erzeugnisses aufgrund eines Hurrikans oder Brandes beim Lieferanten untergegangen, sollten diese nicht vorhersehbaren und durch entsprechende Vorsorgemaßnahmen nicht vermeidbaren Ereignisse nach dem Dafürhalten des beschließenden Senats im Rahmen der Nacherhebung nach Art. 220 ZK letztlich nicht vom Abgabenschuldner zu tragen sein.

    Abhängig davon, wie die Beweislastverteilung gewichtet wird, könnte sich die Klägerin im Ausgangsverfahren auf die Vertrauensschutzvorschrift des Art. 220 Abs. 2 ZK berufen oder nicht.

    c) Wegen der vorstehend erläuterten Zweifel hat der Senat beschlossen, dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union die im Tenor dieses Beschlusses gestellte Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen.