15.12.2011
Finanzgericht Thüringen: Urteil vom 01.09.2011 – 1 K 355/10
1. Nach § 34 Abs. 3 S. 1 AO hat ein Vermögensverwalter die steuerlichen Pflichten wie ein gesetzlicher Vertreter nach § 34 Abs. 1 AO zu erfüllen, wenn eine Vermögensverwaltung einer anderen Person als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zusteht. Vermögensverwalter in diesem Sinn ist insbesondere der Insolvenzverwalter.
2. Den Verwalter treffen in der Insolvenz einer GmbH die Erklärungs- und Bilanzierungspflichten auch dann, wenn das Honorar eines Steuerberaters für die Erstellung dieser Erklärungen durch die Insolvenzmasse nicht gedeckt sein sollte.
3. Es erscheint ermessensfehlerhaft, die formelle Verpflichtung des Insolvenzverwalters zur Abgabe von Bilanzen und Steuererklärungen, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine (positive) Steuerschuld auslösen, mittels Zwangsgeldfestsetzung durchzusetzen.
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
hat der I. Senat des Thüringer Finanzgerichts … auf Grund mündlicher Verhandlung am 1. September 2011 für Recht erkannt:
1. Die Bescheide über die Festsetzung von Zwangsgeld betreffend die Zeiträume 3. September 2001 bis 31. Dezember 2004 sowie die Kalenderjahre 2005 bis 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung werden aufgehoben.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
4. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Umstritten sind Zwangsgeldfestsetzungen gegenüber dem Kläger in seiner Funktion als Insolvenzverwalter über das Vermögen der TKB GmbH.
Über das Vermögen der TKB GmbH hat das Amtsgericht G im September 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Insolvenzverwalter ernannte das Gericht den Kläger.
Der Beklagte forderte den Kläger mehrfach auf, die Körperschaft- und Gewerbesteuererklärungen, die Bilanzen sowie die Gewinn- und Verlustrechnungen der Insolvenzschuldnerin für die Kalenderjahre 2004 bis 2008 abzugeben. Nachdem der Kläger auf diese Aufforderungen nicht reagiert hatte, drohte der Beklagte mit jeweils gesonderten Bescheiden dem Kläger die Festsetzung von Zwangsgeld an, soweit er nicht für die Zeiträume 3. September 2001 bis 31. Dezember 2001 sowie die Kalenderjahre 2005 bis 2008 Steuererklärungen nebst Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen vorlegen werde. Je einzureichender Steuererklärung drohte er ein Zwangsgeld i. H. v. 200 Euro an (600 Euro je Androhungsbescheid; insgesamt 3.000 Euro).
Der Kläger legte gegen die Zwangsgeldandrohungen Einspruch ein. Er machte geltend, gegenwärtig den Schlussbericht zu fertigen. Danach ergab sich aus der verfügbaren Zahlungsmasse ein Massebestand i. H. v. 10.357,41 Euro. Im März 2010 wies der Beklagte die Einsprüche gegen die Zwangsgeldandrohungen vom Oktober 2009 als unbegründet zurück.
Im Dezember 2009 erließ der Beklagte jeweils gesonderte Bescheide, in denen er gegenüber dem Kläger Zwangsgelder in der angedrohten Höhe (jeweils 600 Euro je Kalenderjahr insgesamt) festsetzte. Mit seinem Einspruch gegen die Festsetzungsbescheide machte der Kläger geltend, er halte die Zwangsgeldfestsetzungen für unbillig und unangemessen. Das Insolvenzverfahren sei abschlussreif. Die Schlussunterlagen habe er dem Beklagten bereits übermittelt. Er lege nochmals die entsprechenden Kontenjournale vor.
Der Beklagte hat die Einsprüche des Klägers mit Entscheidung unter Hinweis auf § 34 Abs. 3 der Abgabenordnung 1977 (AO) als unbegründet zurückgewiesen. Der Insolvenzverwalter bleibe auch nach einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen ve rpflichtet, die Steuererklärungen für eine Insolvenzschuldnerin zu erstellen. Darüber hinaus hätten die regulären Termine zur Abgabe der geforderten Unterlagen weit vor der Fertigung des Schlussberichts gelegen (31. Mai bzw. 30. September/31. Dezember – bei unterstellter allgemeiner Fristverlängerung).
Der Kläger hat dem Amtsgericht G im März 2010 die Masseunzulänglichkeit der Insolvenzschuldnerin gem. § 208 der Insolvenzordnung (InsO) angezeigt. Im Juli 2011 hat beim Amtsgericht der Schlusstermin stattgefunden. Der Kläger hatte dem Gericht insofern mitgeteilt und dargelegt, dass die vorhandene Masse zur Deckung der Kosten nach § 54 InsO nicht hinreichend sei. Es war daher beabsichtigt, das Verfahren nach § 207 InsO einzustellen. Eine Einstellung des Verfahrens ist bisher nicht erfolgt.
Der Kläger ist der Ansicht, die Zwangsgeldfestsetzungen seien rechtswidrig. Das Insolvenzverfahren sei massearm. Bei der Insolvenzschuldnerin lägen die Voraussetzungen des § 207 InsO vor. Der aktuelle Kontoauszug des RechtsanwaltAnderkontos weise ein Guthaben i. H. v. 5.419,08 Euro aus. Ferner verweise er auf die Vermögensverhältnisse nebst entsprechendem Kontoauszug vom Juli 2001.
Er sei der Ansicht, dass nach Einstellung des Insolvenzverfahrens gem. §§ 207, 211 InsO die Steuererklärungspflicht des Insolvenzverwalters rückwirkend wegfalle (Hinweis auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 8. August 1995 VII R 25/94, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 1996, 13).
Der Insolvenzverwalter habe darüber hinaus keinen Einfluss auf die Bearbeitung und den Zeitpunkt der Erstellung des Einstellungsbeschlusses gem. § 207 InsO durch das Insolvenzgericht. Seines Erachtens sei es daher ermessensfehlerhaft, bei einer Massearmut gem. § 207 InsO dennoch dem Insolvenzverwalter vor Einstellung des Verfahrens gem. § 207 InsO ein Zwangsgeld für die Abgabe der Steuererklärungen aufzuerlegen.
Die Steuererklärungen, die das Finanzamt angefordert habe, seien mit sehr umfangreichen Buchführungs- und Abschlussarbeiten verbunden. Solche Arbeiten seien einem Insolvenzverwalter selbst nicht zumutbar. Ferner sei das vorliegende Insolvenzverfahren abschlussreif. Er habe dem Beklagten insoweit die Schlussunterlagen einschließlich der entsprechenden Kontojournale übermittelt. Wegen des weiteren Vortrags wird auf den Schriftsatz vom April 2010 sowie dem Beklagten vorgelegte Schlussrechnung verwiesen.
Zuvor habe er keinen Schlussbericht erstellen können. Es seien zuvor Quotenausschüttungen im Parallelverfahren über das Vermögen der TKB GmbH & Co. KG in G zu klären gewesen. Die sich aus den Forderungsanmeldungen ergebenden Korrekturarbeiten hätten Zeit in Anspruch genommen.
Der Beklagte beziehe sich auf einen Überschussbetrag i. H. v. 10.357,41 Euro. Dabei lasse er jedoch unberücksichtigt, dass die beantragte Insolvenzverwaltervergütung, die noch nicht zum Ansatz gekommen sei, sich auf 18.778,39 Euro belaufe. Ohne Gerichtsgebühren betrage der Fehlbetrag im Verfahren der Insolvenzschuldnerin daher 8.282,11 Euro. Insoweit sei die Differenzierung, die der Beklagte vornehme, in dem er zwischen Masselosigkeit und Masseunzulänglichkeit (§ 207 und § 208 InsO) unterscheide, nicht entscheidend.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide über die Festsetzung von Zwangsgeld vom Dezember 2009 betreffend die Zeiträume 3. September 2001 bis 31. Dezember 2004 sowie die Kalenderjahre 2005 bis 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist zunächst auf seine Einspruchsentscheidung, auf die Bezug genommen wird. Im Weiteren macht er geltend, dass der Kläger seine Klage auf die Voraussetzungen des § 207 InsO stütze und meine, nicht verpflichtet zu sein, Steuererklärungen zu erstellen. § 207 InsO umfasse ausschließlich Fälle der Masselosigkeit. Diese liege vor, wenn die Insolvenzmasse nicht zur Deckung der Verfahrenskosten gem. § 54 InsO ausreiche. Masselosigkeit führe zur Abweisung des Verfahrens mangels Masse oder – im bereits eröffneten Verfahren – zur sofortigen Einstellung durch das Insolvenzgericht, wenn ein Gläubiger nicht den zur Deckung der Kosten erforderlichen Geldbetrag vorschieße. Hiervon strikt zu unterscheiden seien hingegen die Fälle der Masseunzulänglichkeit. Hier seien zwar die Verfahrenskosten gedeckt. Die Masse reiche jedoch nicht aus, um die übrigen Masseverbindlichkeiten zu decken. Weder im Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung noch bis zum jetzigen Zeitpunkt sei das Vorliegen der Voraussetzungen der Masselosigkeit i. S. d. § 207 InsO erkennbar. Das Amtsgericht habe das Insolvenzverfahren bereits am 3. September 2001 eröffnet. Der Kläger selbst habe nach Erlass der Einspruchsentscheidung beim Amtsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 208 InsO (Masseunzulänglichkeit) angezeigt. Insoweit gehe auch der Verweis des Klägers auf die lange Bearbeitungsdauer beim Amtsgericht ins Leere.
Selbst die nunmehr erfolgte Anzeige nach § 208 InsO führe nicht zu einem Erlöschen der Steuererklärungspflichten des Klägers. Der Kläger sei zu dem Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung verpflichtet gewesen, die den Zwangsgeldern zu Grunde liegenden Steuererklärungen und Jahresabschlüsse zu erstellen und einzureichen. Sein Verweis auf die baldige Abschlussreife des Verfahrens und die Vorlage eines „vorläufigen” Schlussberichtes führe zu keinem anderen Ergebnis.
Der Kläger berufe sich auch zu Unrecht auf den Beschluss des BFH vom 8.August 1997. Diesem Beschluss ist nicht zu entnehmen, dass die Einstellung des Insolvenzverfahrens die steuerlichen Pflichten des Verwalters rückwirkend entfallen lasse. Vielmehr entfallen demnach die steuerlichen Pflichten mit der Einstellung des Verfahrens mit Wirkung für die Zukunft „ex nunc”). Das Amtsgericht habe das Insolvenzverfahren bisher auch nicht eingestellt.
Dem Kläger sei es als Rechtsanwalt mit der persönlichen Befähigung zu unbeschränkten Hilfeleistungen in Steuersachen auch zumutbar, die Jahresabschlüsse und Steuererklärungen der Insolvenzschuldnerin zu erstellen, wenn die Insolvenzmasse zur Beauftragung eines Steuerberaters nicht ausreiche (Hinweis auf das Urteil des BFH vom 23. August 1994 VII R 143/92, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1994, 194 noch zur Konkursordnung).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der Beklagte hat von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (§ 102 Satz 1 FGO).
Die Finanzbehörden können Verwaltungsakte, mit denen eine Geldleistung, eine sonstige Handlung, eine Duldung oder Unterlassung gefordert wird, im Verwaltungsweg vollstrecken (§ 249 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung 1977 – AO –). Gemäß § 328 Abs. 1 Satz 1 AO kann die Abgabe von Steuererklärungen mit Zwangsmitteln, darunter u. a. Zwangsgeld durchgesetzt werden (§ 328 Abs. 1 Satz 1 AO).
Soweit die Finanzbehörde – wie in § 328 Abs. 1 AO – ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, beschränkt sich die Prüfungskompetenz des Gerichtes darauf, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsaktes rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 102 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung im Sinne des § 102 FGO ist regelmäßig die letzte Verwaltungsentscheidung. Maßgeblich ist insofern die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. Gräber/v. Groll, Kommentar zur Finanzgerichtsordnung, 6. Auflage, § 102 Anm. 13 m. w. N.). Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen (§ 102 Satz 2 FGO).
Das Gericht ist grundsätzlich weder zu eigenen Tatsachenermittlungen noch zur Eigenermessensausübung befugt, weil es damit letztlich seine Erwägungen an die Stelle der hier allein maßgeblichen Ermessenserwägungen der Verwaltung setzen würde.
Der Beklagte hat sein Ermessen in nicht rechtmäßiger Art und Weise ausgeübt.
Das Finanzamt hat den Kläger zu Recht grundsätzlich als verpflichtet angesehen, für die Insolvenzschuldnerin die Steuererklärungen nebst den dazugehörigen Bilanzen sowie den Gewinn- und Verlustrechnungen und Gewerbesteuererklärungen zu erstellen. Nach § 34 Abs. 3 Satz 1 AO hat ein Vermögensverwalter die steuerlichen Pflichten wie ein gesetzlicher Vertreter nach § 34 Abs. 1 AO zu erfüllen, wenn eine Vermögensverwaltung einer anderen Person als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zusteht. Vermögensverwalter in diesem Sinn ist insbesondere der Insolvenzverwalter (BFH-Urteil vom 28. November 2002 VII R 41/01, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2003, 337).
Bereits für die bis zum 31. Dezember 1998 geltende Konkursordnung (KO) hat der BFH entschieden, dass der (Konkurs) Verwalter nach § 34 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 AO, soweit seine Verwaltung reicht, dieselben steuerlichen Pflichten zu erfüllen hat wie die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen sowie die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen. Ihn treffen daher alle Pflichten, die dem Gemeinschuldner oblägen, wenn über sein Vermögen nicht das Konkursverfahren eröffnet worden wäre. Dazu gehört auch die Steuererklärungspflicht gemäß § 149 Satz 1 AO, die Pflichten gemäß § 150 Abs. 2 AO i. V. m. § 14a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) sowie § 31 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i. V. m. § 25 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie die §§ 56, 60 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV). Handelt es sich bei dem Konkursschuldner um eine gewerbesteuerpflichtige Gesellschaft, umfasst die Verpflichtung auch die Buchführung und Bilanzierung. Dies betrifft sogar Steuerabschnitte, die vor der Eröffnung des Konkursverfahrens liegen (BFH-Urteil vom 23. August 1994 VII R 143/92, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFHE – 175, 309, BStBl II 1995, 194, m. w. N.). An diesen Erklärungspflichten hat sich unter der Geltung der Insolvenzordnung nichts geändert.
Der Beklage weist auch zu Recht darauf hin, dass der Kläger von seinen Erklärungspflichten grundsätzlich nicht entbunden war, da die Insolvenzmasse nicht ausgereichte, um einen Steuerberater mit der Erstellung von Steuererklärungen, Jahresabschlüssen usw. zu beauftragen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BFH treffen den Verwalter in der Insolvenz einer GmbH die Erklärungs- und Bilanzierungspflichten auch dann, wenn das Honorar eines Steuerberaters für die Erstellung dieser Erklärungen durch die Konkursmasse nicht gedeckt sein sollte. Der Gesichtspunkt, dass weitere Kosten anfallen werden, entbindet den Konkurs-/Insolvenzverwalter – ebenso wie den Steuerpflichtigen selbst – nicht von der Wahrnehmung seiner öffentlich-rechtlichen Pflichten, die ihm die Steuergesetze i. V. m. § 34 Abs. 3 AO auferlegen. Er hat diese Pflichten auch dann zu erfüllen, wenn die Insolvenzmasse mit Kosten belastet wird, denen keine vermögensmäßigen Vorteile gegenüberstehen (BFH-Beschluss vom 19. November 2007 VII B 104/07, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 2008, 334, m. w. N.).
Die Androhung und Festsetzung von Zwangsgeldern gegenüber dem Kläger stellte jedoch in Anbetracht der Situation der Insolvenzschuldnerin ein ungeeignetes Zwangsmittel dar. Der Beklagte hat von einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.
Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung steht fest, dass (auch) der Beklagte davon überzeugt war, dass die Insolvenzschuldnerin, für die der Kläger Steuererklärungen und Bilanzen hätte einreichen sollen, eine Verwaltungsgesellschaft ohne Aussicht auf Einkünfte bzw. Mehrung der Bilanzpositionen betraf. Die bilanziellen Verhältnisse waren dem Beklagten durch das Gutachten aus dem Insolvenzeröffnungsverfahren bekannt. Nach der Eröffnung der Insolvenz über ihr und das Vermögen der verwalteten Gesellschaften hat die Klägerin keine Geschäftstätigkeit mehr entfaltet, aus der steuerlich relevante Vorgänge hätten entstehen können. Der Beklagte hat folgerichtig die Steuern mit 0 Euro geschätzt.
Der Beklagte hat mit dem Zwangsmittel Zwangsgeld (§ 328 Abs. 1 AO) somit Steuererklärungen (sowie Bilanzen ohne maßgebliche Änderungen) eingefordert, bei denen ihm bekannt war, dass sich keine steuerlichen Auswirkungen ergeben. Es erscheint bei dieser Sachlage als verfehlt (und unzweckmäßig), eine formelle Pflicht mit Zwangsmitteln durchzusetzen, die mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keinem Erfolg (Steuern) führen und lediglich Kosten verursachen wird. Das Zwangsmittel wird vorliegend von dem eigentlichen Ziel der Steuererhebung entkoppelt, Steuern vollständig und richtig zu ermitteln. Es kann nicht allein darauf reduziert werden, die Abgabe von Steuererklärungen und Bilanzen zu sichern. Nach Ansicht des Senats gilt dies auch dann, wenn der Insolvenzverwalter lediglich sog. Nullmeldungen und aufbereitete Bilanzen hätte vorlegen können. In Anbetracht der konkreten Umstände wäre eine Schätzung das probate und weniger belastende Mittel gewesen, von dem der Beklagte im Nachhinein auch Gebrauch gemacht hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird zugelassen, § 115 Abs. 2 FGO.