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  • 20.07.2012 · IWW-Abrufnummer 122345

    Finanzgericht Köln: Urteil vom 20.04.2012 – 4 K 1027/09

    § 62d Abs. 2 Satz 2 EStDV enthält - entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung - keinen allgemeinen Grundsatz, dass auch bei durchgehender Zusammenveranlagung verbleibende negative Einkünfte von Ehegatten für den Verlustvortrag nach dem Verhältnis aufzuteilen sind, in dem die auf die einzelnen Ehegatten entfallenden Verluste im Veranlagungszeitraum der Verlustentstehung zueinander stehen.


    Im Namen des Volkes
    URTEIL
    In dem Rechtsstreit
    hat der 4. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 20.04.2012 für Recht erkannt:
    Tatbestand
    Die Kläger wurden für beide Streitjahre zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Sie erzielten in beiden Streitjahren Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. des § 23 EStG.
    In den Jahren 2005 und 2006 erwirtschafteten die Kläger die folgenden Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften:
    im Jahr 2005 der Ehemann einen Verlust i. H. v. 34,00 EUR und die Ehefrau einen Gewinn i. H. v. 4.445,00 EUR und
    im Jahr 2006 der Ehemann einen Verlust i. H. v. 543,00 EUR und die Ehefrau einen Gewinn i. H. v. 14.507,00 EUR.
    Zunächst wurden in beiden Jahren die Verluste des Ehemannes mit den Gewinnen der Ehefrau verrechnet, danach wurden die verbleibenden Gewinne mit den festgestellten Verlustvorträgen zum 31.12.2004 und zum 31.12.2005 verrechnet, so dass die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in beiden Jahren insgesamt steuerfrei blieben. In den Bescheiden über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2005 und auf den 31.12.2006 wurden die verbrauchten Verlustvorträge verhältnismäßig i. S. des § 62d Abs. 2 Satz 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung in der für die Veranlagungszeiträume 2005 und 2006 geltenden Fassung (EStDV) verteilt. Die verbrauchten Verlustbeträge i. H. v. 4.411,00 EUR (2005) und 13.964,00 EUR (2006) wurden so aufgeteilt, dass die verbleibenden Gewinne der Ehefrau nicht in vollem Umfang von den bestehenden Verlustvorträgen der Ehefrau abgezogen wurden, sondern in dem Verhältnis von den bestehenden Verlustvorträgen der Eheleute abgezogen wurde, in dem diese zueinander standen. Diese Verrechnung erfolgte im Einzelnen wie folgt:

    EhemannEhefrau
    verbleibender Verlustvortrag zum 31.12.200418.658,00 EUR(22,71%)63.493,00 EUR(77,29%)
    abzüglich Verlustabzug im Jahr 20051.002,00 EUR(22,71%)3.409,00 EUR(77,29%)
    verbleibender Verlustvortrag zum 31.12.200517.656,00 EUR(22,71%)60.084,00 EUR.(77,29%)
    abzüglich Verlustabzug im Jahr 20063.171,00 EUR(22,71%)10.793,00 EUR(77,29%)
    verbleibender Verlustvortrag zum 31.12.200614.485,00 EUR(22,71%)49.291,00 EUR(77,29%)
    Gegen die Aufteilung des verbrauchten Verlustabzugs erhoben die Kläger für beide Streitjahre Einspruch und nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage.
    Die Kläger begehren den verbrauchten Verlustabzug wie folgt zu verrechnen:
    EhemannEhefrau
    verbleibender Verlustvortrag zum 31.12.200418.658,00 EUR(22,71%)63.493,00 EUR(77,29%)
    abzüglich Verlustabzug im Jahr 20050,00 EUR(0,00%)4.411,00 EUR(100,00%)
    verbleibender Verlustvortrag zum 31.12.200518.658,00 EUR59.082,00 EUR
    abzüglich Verlustabzug im Jahr 20060,00 EUR(0,00%)13.964,00 EUR(100,00%)
    verbleibender Verlustvortrag zum 31.12.200618.658,00 EUR45.118,00 EUR
    Die Kläger machen geltend, die verhältnismäßige Aufteilung des Verlustabzugs nach § 62d EStDV sei nur für die Verlustverrechnung bei einem Wechsel der Veranlagungsart von Ehegatten vorgesehen. Dieser liege jedoch nicht vor. Die Verrechnung der Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften habe mit den für die Eheleute getrennt festgestellten Verlustvorträgen für jeden Ehegatten zunächst gesondert zu erfolgen.
    Das Finanzamt (FA) habe sich bei seinen Begründungen der Ablehnung der Einsprüche wie auch schon vorher bei seinen jeweiligen Stellungnahmen im Rahmen der Veranlagungen inhaltlich auf die Verfügung der OFD Münster vom 04.04.2006, Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 009/2006, DStR 2006, 758 bezogen. Dem Vernehmen nach sei eine gleich lautende Verfügung mit gleichem Datum auch von der OFD Rheinland ergangen. Vom sachlichen Inhalt her seien die Verfügungen und die in ihnen vertretene Rechtsauffassung nicht schlüssig und bedeuteten eine unzulässige Rechtssetzung durch die Finanzverwaltung, die durch die zugrunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen nicht gedeckt sei.
    Rechtsgrundlage für die Verrechnung von Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. des § 23 des Einkommensteuergesetztes der in den Jahren 2005 und 2006 geltenden Fassung (EStG) mit entsprechenden vorgetragenen Verlusten sei § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG, in dem auf die Anwendung der Regelungen des § 10d EStG verwiesen werde. Für die Veranlagung von Ehegatten sei für den Fall des Übergangs von der getrennten Veranlagung zur Zusammenveranlagung und von der Zusammenveranlagung zur getrennten Veranlagung in § 26a Abs. 3 EStG eine Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung für die Anwendung des § 10d EStG bei Vorliegen nicht ausgeglichener Verluste bei beiden Ehegatten enthalten.
    Aus dieser Spezialvorschrift, für die in § 26 a Abs. 3 EStG eine genau definierte gesetzliche Ermächtigung bestehe, werde in den Verfügung der OFDEURen ein weit über diese Ermächtigung hinausreichender Rechtsgedanke abgeleitet, der im Gesetz keine Stütze finde.
    Die Kläger beantragen,
    unter Aufhebung der Einspruchsentscheidungen vom 24.02.2009 die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31.12.2005 vom 20.09.2007 und auf den 31.12.2006 vom 04.08./02.09.2008 abzuändern und die Zuordnung der gegen die verbleibenden Verlustvorträge zu verrechnenden Beträge auf die beiden Eheleute so vorzunehmen, wie es sich aus dem Einkommensteuerbescheid für das betreffende Jahr unter Berücksichtigung der vorweg erfolgten Saldierung von Verlusten und Gewinnen ergibt;
    hilfsweise, die Revision zuzulassen.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen;
    hilfsweise, die Revision zuzulassen.
    Der Beklagte macht geltend, Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften seien nach einem Ausgleich zwischen Ehegatten nur nach § 10d EStG rück- und vortragsfähig (sog. besonderer Verrechnungskreis). Die Verteilung des verbrauchten Verlustvortrags sei bei Ehegatten unabhängig von der Art der Veranlagung im Verhältnis der Verlustentstehung aufzuteilen. Abgeleitet werde dieser Rechtsgedanke aus der Regelung des § 62d Abs. 2 Satz 2 EStDV.
    Die erläuternde Darstellung von Einkünften, und damit die Verteilung von Verlusten aus vorangegangenen Zeiträumen auf Ehegatten bei ihrer Ermittlung, diene im Einkommensteuerbescheid zur Begründung der festgesetzten Steuer. Diese Erläuterungen seien nicht selbständig anfechtbare Teile des Steuerbescheids (§ 157 Abs. 2 der Abgabenordnung – AO –). Unabhängig davon, wie im Einkommensteuerbescheid die Verteilung des Verlustvortragsvolumens im besonderen Verrechnungskreis dargestellt werde, erwachse auch bei einer Zusammenveranlagung lediglich die festgesetzte Steuer in Bestandskraft. Bei der Feststellung des vortragsfähigen Verlustes könne die Begründung des Einkommensteuerbescheides nicht binden.
    Entscheidungsgründe
    Die Klage ist begründet.
    Zu Unrecht hat der Beklagte die Gewinne der Klägerin aus privaten Veräußerungsgeschäften auch anteilig von den für den Kläger festgestellten Verlustvorträgen aus privaten Veräußerungsgeschäften abgezogen.
    1. Zwar hat der Beklagte zu Recht die in den Jahren 2005 und 2006 erwirtschafteten Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften der Klägerin mit den in diesen Jahren erwirtschafteten Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften des Klägers verrechnet. Denn § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG bestimmt, dass Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäfte bis zur Höhe des Gewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Kalenderjahr aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat, ausgeglichen werden dürfen. Zwar handelt es sich bei Eheleuten nicht um einen Steuerpflichtigen sondern um zwei verschiedene Steuerpflichtige. Die Befugnis zur Verrechnung von negativen Einkünften eines Ehegatten mit positiven Einkünften des anderen Ehegatten in ihrem Entstehungsjahr ergibt sich jedoch aus § 26b EStG. Nach § 26b EStG werden bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt haben, zusammengerechnet und den Ehegatten gemeinsam zugerechnet und, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, die Ehegatten sodann gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt. § 26b EStG regelt die Zusammenveranlagung in drei Abschnitten: Erstens die von Ehegatten erzielten Einkünfte werden unter Beachtung des Prinzips der Individualbesteuerung auch bei der Zusammenveranlagung als jeweils individuell erzielte Einkünfte anerkannt und als solche jeweils für sich ermittelt. Zweitens werden diese so ermittelten individuellen Einkünfte der jeweiligen Ehegatten zusammengerechnet und ihnen gemeinsam zugerechnet. Drittens werden die Ehegatten – wie es § 26b EStG im letzten Halbsatz formuliert – sodann als ein Steuerpflichtiger behandelt (Schneider in Kirchhof/Söhn, EStG, § 26b EStG Rz. B 2).
    Im Streitfall erfolgte die Verrechnung der Gewinne der Klägerin aus privaten Veräußerungsgeschäften mit den Verlusten des Klägers aus privaten Veräußerungsgeschäften auf der zweiten Stufe der Zusammenveranlagung, die darin besteht, dass die Einkünfte den Ehegatten gemeinsam zugerechnet werden. Diese gemeinsame Zurechnung beinhaltete auch die Verrechnung von Verlusten des einen Ehegatten mit Gewinnen des anderen Ehegatten in ihrem jeweiligen Entstehungsjahr.
    2. Zu Recht hat der Beklagte auch die verbleibenden Gewinne der Klägerin aus privaten Veräußerungsgeschäften mit den zum 31.12. des jeweiligen Vorjahres festgestellten Verlustvorträgen aus privaten Veräußerungsgeschäften verrechnet. Dies gilt jedenfalls insoweit, als er sie von den Verlustvorträgen der Klägerin abzog. Diese Verrechnung folgt unmittelbar aus § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG. Nach dieser Vorschrift mindern die Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nach Maßgabe des § 10d EStG die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 EStG erzielt hat.
    3. Zu Unrecht hat der Beklagte jedoch die Gewinne der Klägerin aus privaten Veräußerungsgeschäften auch anteilig von den für den Kläger festgestellten Verlustvorträgen aus privaten Veräußerungsgeschäften abgezogen. Da die für die Ehefrau zum 31.12. des jeweiligen Vorjahres festgestellten Verlustvorträge aus privaten Veräußerungsgeschäften höher als ihre im Folgejahr erwirtschafteten Gewinne waren, waren diese Gewinne vielmehr in vollem Umfang von den für die Klägerin festgestellten Verlustvorträgen abzuziehen. Die von dem Beklagten vorgenommene anteilige Verrechnung von Gewinnen der Klägerin aus privaten Veräußerungsgeschäften mit für den Kläger festgestellten Verlustvorträgen aus privaten Veräußerungsgeschäften verstieß gegen den Grundsatz der Individualbesteuerung. Dieser besagt, dass Einkünfte derjenigen Person zuzurechnen sind, die sie erzielt hat. Dieser Grundsatz wird auch durch die Bestimmung des § 26b EStG nicht beeinträchtigt.
    4. Demgegenüber kann der Beklagte sich nicht auf § 62d EStDV berufen.
    Zwar bestimmt § 62d Abs. 2 Satz 2 EStDV, dass verbleibende negative Einkünfte aus einem Zeitraum der Zusammenveranlagung für den Verlustvortrag in Veranlagungszeiträume, in denen eine Zusammenveranlagung nicht stattfindet, auf die Ehegatten nach dem Verhältnis aufzuteilen sind, in dem die auf die einzelnen Ehegatten entfallenden Verluste im Veranlagungszeitraum der Verlustentstehung zueinander stehen.
    Diese Vorschrift betrifft aber nur den speziellen Fall, dass Ehegatten von der Zusammenveranlagung zur getrennten Veranlagung übergehen. Sie beruht auf der Ermächtigung des § 26a Abs. 3 EStG. Ihr Anwendungsbereich ist entsprechend dieser Ermächtigung eng begrenzt. § 26a Abs. 3 EStG bestimmt, dass die Anwendung des § 10d EStG für den Fall des Übergangs von der getrennten Veranlagung zur Zusammenveranlagung und von der Zusammenveranlagung zur getrennten Veranlagung, wenn bei beiden Ehegatten nicht ausgeglichene Verluste vorliegen, durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates geregelt wird.
    Im Streitfall liegt kein derartiger Wechsel der Veranlagungsart vor. Sowohl in den Streitjahren als auch in den Jahren davor und danach wurden die Kläger zusammenveranlagt. Für eine Anwendung des § 62d Abs. 2 Satz 2 EStDV ist deshalb kein Raum.
    Entgegen der Ansicht des Beklagten enthält § 62d Abs. 2 Satz 2 EStDV auch keinen allgemeinen Rechtsgedanken dergestalt, dass bei durchgehender Zusammenveranlagung verbleibende negative Einkünfte von Ehegatten für den Verlustvortrag nach dem Verhältnis aufzuteilen sind, in dem die auf die einzelnen Ehegatten entfallenden Verluste im Veranlagungszeitraum der Verlustentstehung zueinander stehen. Eine derartig weite Auslegung des Geltungsbereichs des § 62d EStDV ist nicht zulässig. Denn bei ihr würden die Grenzen der durch § 26a Abs. 3 EStG eingeräumten Ermächtigung (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) überschritten.
    5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
    Die Revision war zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Es ist von grundsätzlicher Bedeutung, ob die Finanzverwaltung zu Recht aus § 62d Abs. 2 Satz 2 EStDV den allgemeinen Rechtsgedanken ableitet, dass auch bei durchgehender Zusammenveranlagung verbleibende negative Einkünfte von Ehegatten für den Verlustvortrag nach dem Verhältnis aufzuteilen sind, in dem die auf die einzelnen Ehegatten entfallenden Verluste im Veranlagungszeitraum der Verlustentstehung zueinander stehen (vgl. R 10d Abs. 7 Satz 4 EStR 2005, R 10d Abs. 6 Satz 5 EStR 2008, OFD Rheinland vom 04.04.2006, Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 026/2006 und OFD Münster vom 04.04.2006, Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 009/2006, DStR 2006, 758).

    VorschriftenEStDV § 62d Abs. 2 Satz 2, EStG § 23