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  • 29.08.2013

    Finanzgericht Köln: Gerichtsbescheid vom 04.03.2013 – 3 K 132/10

    1) Im Rahmen einer verbindlichen Auskunft hat der Antragsteller lediglich den Anspruch, mitgeteilt zu bekommen, wie das FA
    den Sachverhalt künftig beurteilen wird.


    2) Die abschließende materiell-rechtliche Beurteilung, ob eine übernommene Rechtsauffassung des BMF, mit dem Gesetz vereinbar
    ist, ist ausschließlich dem Steuerfestsetzungsverfahren vorbehalten.


    3) Etwas anderes gilt im Verfahren über eine sog. Negativauskunft auch dann nicht, wenn es gewichtige Anhaltspunkte dafür
    gibt, dass eine Gesetzesauslegung des BMF und deren Übernahme durch das FA zu einem evident rechtsfehlerhaften Ergebnis führt.


    Im Namen des Volkes


    GERICHTSBESCHEID

    In dem Rechtsstreit


    hat der 3. Senat in der Besetzung: Vizepräsident des Finanzgerichts … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht
    … am 04.03.2013 für Recht erkannt:


    Gründe

    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte verpflichtet ist, eine verbindliche Auskunft mit dem von der Klägerin
    erwünschten Inhalt zu erteilen.


    Die Klägerin ist eine Investment-Aktiengesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 5 des Investmentgesetzes (InvG). Sie wurde am …
    November 2007 gegründet. Die Besteuerung der Klägerin entspricht der eines Publikumsfonds im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des
    Investmentsteuergesetzes (InvStG) i.V.m. § 2 Abs. 1 InvG. Die Klägerin wird unter ihrer Steuernummer a geführt und als Rechtsgebilde
    behandelt, das als Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse unter § 11 Abs. 2 InvStG fällt.


    Die bei der Gründung der Klägerin ausgegebenen Aktien wurden im Zuge gesellschaftsrechtlicher Änderungen bei der Klägerin
    zu Unternehmensaktien (Gattung: UA) im Sinne des § 96 Abs. 1 Satz 2 InvG i.d.F. des Gesetzes vom 29. Dezember 2007. Die Erlaubnis
    zum Geschäftsbetrieb wurde der Klägerin von der Bundesaufsicht für Finanzdienstleistungen am … April 2008 erteilt und die
    Gesellschaft am … Juli 2008 in das Handelsregister beim Amtsgericht A (HRB b) eingetragen. Der Geschäftsbetrieb der Klägerin
    als Investment-Aktiengesellschaft wurde am … September 2008 mit Ausgabe von Anlage Aktien aufgenommen. Die Verwaltung des
    Finanzportfolios wird durch eine beauftragte Gesellschaft durchgeführt.


    Zum … September 2008 gab die Klägerin erstmals Anlageaktien (Gattung: AA) aus im Sinne des § 96 Abs. 1 Satz 2 InvG aus. Zum
    Zeitpunkt des Antrags der Klägerin auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft wurden die Aktien der Gesellschaft in der folgenden
    Zusammensetzung gehalten.


    AktionärAnzahlGattungErwerbsdatumPreis (EUR)
    Gründungsaktionär A60.000UA27.11. 2007270.000
    Gründungsaktionär A102.100AA30.09. 2008458.429
    Gründungsaktionär A5.400AA31.10. 200823.652
    Gründungsaktionär B40.000UA27.11. 2007180.000
    Gründungsaktionär B68.000AA30.09. 2008305.320
    Gründungsaktionär B3.600AA31.10. 200815.768
    Erwerber 19.000AA31.10. 200839.420
    Erwerber 29.000AA31.10. 200839.420
    Erwerber 33.000AA31.10. 200813.140
    Summe300.1001.345.149
    Für die weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Schriftsatz der Klägerin zur Begründung der Klage vom 9. März 2010
    (abgelegt in der Gerichtsakte unter Blatt 40 ff) sowie die Satzung der Klägerin (abgelegt als Anl. 1 unter Blatt 51 ff der
    Gerichtsakte) und den Prospekt der Klägerin (abgelegt als Anl. 2 unter Blatt 66 ff der Gerichtsakte).


    Die Klägerin begehrte mit Antrag vom 6. Oktober 2009 vom Beklagten die Erteilung einer verbindlichen Auskunft. Für den zur
    Überprüfung gestellten Sachverhalt wird für die Einzelheiten Bezug genommen auf die Antragsbegründung der Klägerin vom 6.
    Oktober 2009 (abgelegt in der Sonderakte verbindliche Auskunft des Beklagten).


    Die Klägerin begründete ihr Interesse an der Erteilung einer verbindlichen Auskunft mit der unklaren steuerlichen Behandlung
    von Aktienrücknahmen, zu deren Durchführung sie nach den Regelungen des Investmentgesetzes (§ 105 Abs. 2 Satz 1 InvG) verpflichtet
    sei. Die von der Klägerin ausgegebenen Aktien seien nach dem 9. November 2007 und vor dem 1. Januar 2009 erworben worden.
    Mache einer der Aktionäre von seinem gesetzlichen Rückgaberecht zu einem Zeitpunkt Gebrauch, der nach dem 31. Oktober 2009
    liege, habe der jeweilige Aktionär die Papiere länger als ein Jahr gehalten. Gleichwohl werde die Anteilsrückgabe als Veräußerung
    gemäß § 18 Abs. 2a InvStG i.V.m. § 8 Abs. 5 InvStG aus Sicht der Finanzverwaltung im Rahmen der Abgeltungssteuer besteuert.
    Die Klägerin sei aus ihrer Sicht verpflichtet, einen solchen Veräußerungsvorgang im Rahmen der Einbehaltungspflichten zur
    Kapitalertragsteuer zu beachten.


    Zweifel bestünden an der Auslegung des § 18 Abs. 2a Satz 1 und Satz 2 InvStG durch die Finanzverwaltung. Nach § 18 Abs. 2a
    Satz 2 InvStG solle für die Veräußerung von Anteilen an bestimmten Investmentvermögen, unter die auch die Klägerin falle,
    bei denen durch Gesetz, Satzung, Gesellschaftsvertrag oder die Vertragsbedingungen für eine Beteiligung natürlicher Personen
    die „besondere Sachkunde” des Anlegers oder einer Mindestanlagesumme von 100.000 EUR verlangt werde und deren Anteile zwischen
    dem 9. November 2007 und vor dem 1. Januar 2009 erworben worden seien, die Rechtsfolge des § 8 Abs. 5 InvStG i.V.m. § 18 Abs.
    2a Satz 1 gelten.


    Zur Auslegung dieser Vorschrift habe das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ein Schreiben vom 22. Oktober 2008 (BStBl. I
    2008, 960) veröffentlicht. Hiernach sei § 18 Abs. 2a Satz 2 InvStG anzuwenden, wenn ein Investmentvermögen einer kleinen Zahl
    von bis zu zehn Anlegern zuzuordnen sei, da – so das BMF – in diesem Fall bei jedem Anleger, dessen tatsächliche Anlagesumme
    sich auf einen Betrag von 100.000 EUR belaufe, unterstellt werden könne, dass Vorbedingung für seine Investitionen eine besondere
    Sachkunde und eine Mindestanlagesumme von 100.000 EUR gewesen sei.


    Die Klägerin legte zur Begründung ihres Auskunftsbegehrens ferner dar, dass die Beteiligung von natürlichen Personen als Aktionären
    weder in ihrer Satzung noch in den Vertragsbedingungen davon abhängig gemacht werde, ob diese über eine besondere Sachkunde
    verfügten. Auch werde keine Mindestanlagesumme in Höhe von 100.000 EUR verlangt. Die Auffassung des BMF in BStBl. I 2008,
    960 führe dazu, dass die Klägerin vom Beklagten als Investmentvermögen mit einer Anzahl von weniger als zehn Anlegern eingestuft
    werde, dass unter § 18 Abs. 2a Satz 2 InvStG falle.


    Im Einzelnen beantragte die Klägerin eine verbindliche Auskunft zu der Frage, ob Anteile an der Klägerin vom Beklagten als
    Anteile im Sinne des § 18 Abs. 2a Satz 2 InvStG angesehen würden, obwohl keiner der beiden abschließend formulierten gesetzlichen
    Alternativtatbestände (statuarisches Erfordernis einer Mindestanlagesumme oder einer besonderen Sachkunde) bei der Klägerin
    vorliege. Ferner begehrte sie eine Auskunft des Beklagten zu der Frage, ob bei Anwendung des § 18 Abs. 2a Satz 2 InvStG aus
    Sicht des Beklagten die Anteile aller Anteilsklassen (Unternehmensaktien und Anlageaktien) hiervon betroffen wären und ob
    aus Sicht des Beklagten für das Überschreiten der Mindestanlagesumme der Wert aller Anteile im Zeitpunkt des Erwerbs (die
    Anschaffungskosten) oder der Kurswert bei Veräußerung oder zu einem anderen Zeitpunkt maßgeblich sei (vgl. Tz. 24 zum Schriftsatz
    der Klägerin vom 6. Oktober 2009 abgelegt als Anl. 3 unter Blatt 97 ff der Gerichtsakte und Schriftsatz der Klägerin vom 26.
    Oktober 2009, abgelegt als Anl. 5 unter Bl. 111 der Gerichtsakte).


    Der Beklagte erteilte der Klägerin unter dem 8. Dezember 2009 die Auskunft, dass die Anteile der Gründungsgesellschafter,
    die jeweils zu mehr als 100.000 EUR am Kapital der Klägerin beteiligt waren, in vollem Umfang der Beteiligung (Unternehmensaktien
    und Anlageaktien) im Fall der Anteilsrückgabe gemäß § 18 Abs. 2a Satz 2 InvStG unter die Besteuerung gemäß § 8 Abs. 5 InvStG
    fielen. Für die Ermittlung des wesentlichen Vermögens sei auf die Anschaffungskosten der Anteilseigner abzustellen und nicht
    auf einen späteren Kurswert der Aktien. Daher seien die Erwerber 1-3 (laut der oben im Tatbestand angeführten Tabelle) nicht
    von der Anwendung des § 18 Abs. 2a InvStG betroffen, selbst wenn der Wert Ihrer Aktien nach der Anschaffung auf einen Kurswert
    von mehr als 100.000 EUR ansteige.


    Hiergegen hat die Klägerin die vorliegende Sprungklage erhoben, der der Beklagte zugestimmt hat.

    Die Klägerin begehrt, den Beklagten zu verpflichten, eine verbindliche Auskunft des Inhalts zu erteilen, dass Anteilsrückgaben
    aller ihrer Gesellschafter dem Grunde nach nicht unter den Anwendungsbereich des § 18 Abs. 2a InvStG fallen.


    Die Klägerin wiederholte die bereits im Verfahren über die verbindliche Auskunft vorgebrachten rechtlichen Bedenken gegen
    die Auslegung des § 18 Abs. 2a InvStG durch das BMF-Schreiben vom 22. Oktober 2008 (BStBl. I 2008, 960). Für die umfangreiche
    unter Hinweis auf den Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens, die Gesetzgebungsmaterialien und die im Schrifttum geäußerte Kritik
    an der Auslegung der Norm durch das BMF-Schreiben in BStBl. I 2008, 960 wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 9. März
    2010 (Bl. 40 ff der Gerichtsakte) Bezug genommen.


    Im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. Februar 2012 IX R 11/11, BStBl. II 2012, 651 zum Prüfungsmaßstab
    der Finanzgerichte bei Negativauskünften vertritt die Klägerin die Auffassung, dass die vom Beklagten erteilte Auskunft evident
    rechtsfehlerhaft sei, weil sie nicht mit dem Gesetzeswortlaut des § 18 Abs. 2a InvStG vereinbar sei. Der Beklagte habe den
    Sachverhalt zutreffend erfasst. Der genannten Entscheidung des BFH in BStBl. II 2012, 651 sei lediglich zu entnehmen, dass
    ein Steuerpflichtiger bei einer offenen Rechtsfrage keinen Anspruch darauf habe, inhaltlich eine verbindliche Auskunft zu
    erhalten, die seiner Rechtsauffassung entspreche, wenn die seitens des Finanzamts vertretene Rechtsauffassung vertretbar sei.
    Dieser Fall liege im Streitfall gerade nicht vor, sodass die volle rechtliche Prüfung durch den erkennenden Senat eröffnet
    sei.


    Die Klägerin beantragt,

    dass beklagte Finanzamt zu verpflichten, eine verbindliche Auskunft dergestalt zu erteilen, dass die Klägerin dem Grunde nach
    nicht unter den Anwendungsbereich des § 18 Abs. 2a InvStG fällt, da in ihrer Person keines der beiden Tatbestandsmerkmale
    der Norm erfüllt ist.


    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte stützt sich zur Begründung der von ihm vertretenen Rechtsauffassung bei Erteilung der verbindlichen Auskunft
    auf das BMF-Schreiben vom 22. Oktober 2008 (BStBl. I 2008, 960). Er bleibe dabei, dass die Gründungsgesellschafter der Klägerin
    in vollem Umfang mit all ihren Anteilen unter die Regelung des § 18 Abs. 2a Satz 2 InvStG fielen.


    Da der Beklagte den vorgetragenen künftigen Sachverhalt zutreffend erfasst habe, seine Auskunft rechtlich begründet habe und
    sich auch nicht sehenden Auges gegen eine höchstrichterliche Rechtsprechung gewendet habe, sei dem Beklagten kein Ermessensfehler
    unterlaufen. An die im BMF-Schreiben vom 22. Oktober 2008 (BStBl. I 2008, 960) vertretene Rechtsauffassung sei der Beklagte
    gebunden.


    Das Finanzgericht habe somit nur eine eingeschränkte Prüfungskompetenz hinsichtlich der Richtigkeit der verbindlichen Auskunft.

    Demnach habe das Finanzgericht im Streitfall nur zu prüfen, ob die gegenwärtige rechtliche Einordnung des zutreffend erfassten
    Sachverhalts in sich schlüssig und nicht evident rechtsfehlerhaft sei. Der Beklagte habe der Klägerin, weil er an den Inhalt
    des Schreibens des BMF vom 22. Oktober 2008 (BStBl. I 2008, 960) gebunden sei, in der verbindlichen Auskunft dargelegt, wie
    er die rechtliche Einordnung des zur Überprüfung gestellten Sachverhalts unter Anwendbarkeit der für ihn bindenden Grundsätze
    des BMF-Schreibens in BStBl. I 2008, 960 würdigen werde.


    II.

    Die Klage ist unbegründet.

    Die Weigerung des Beklagten, der Klägerin die verbindliche Auskunft mit dem begehrten Inhalt zu erteilen, ist rechtmäßig und
    verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Erteilung einer solchen verbindlichen
    Auskunft noch auf eine Neubescheidung durch den Beklagten (§ 101 der FinanzgerichtsordnungFGO).


    1. Gemäß § 89 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) kann der Steuerpflichtige aus Gründen der Planungs- und Entscheidungssicherheit
    eine verbindliche Auskunft (Zusage) darüber verlangen, wie ein in der Zukunft liegender Besteuerungstatbestand steuerlich
    zu beurteilen ist. Dabei handelt es sich um einen Verwaltungsakt nach § 118 Satz 1 AO (dazu die Urteile des Bundesfinanzhofs
    – BFH – vom 30. April 2009 VI R 54/07, BFHE 225, 50, BStBl II 2010, 996, m.w.N.; vom 29. Februar 2012 IX R 11/11, BStBl. II
    2012, 651). Hieraus hat der BFH abgeleitet, dass der die Auskunft Begehrende sich gegen eine sogenannte Negativauskunft im
    Wege der Verpflichtungsklage – wie im Streitfall – zur Wehr setzen kann (BFH-Urteil in BStBl. II 2012, 651).


    2. Die gerichtliche Kontrolldichte hängt nach dem BFH-Urteil in BStBl. II 2012, 651, dem der erkennende Senat folgt, von der
    Regelungsaussage dieses Verwaltungsakts ab. Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle einer verbindlichen Auskunft ist nur ihre
    Regelung. Entsprechend der Funktion der verbindlichen Auskunft im Besteuerungsverfahren, dem Steuerpflichtigen Planungs- und
    Entscheidungssicherheit, d.h. Rechtssicherheit hinsichtlich der Einschätzung eines geplanten Sachverhalts bzw. Vertragsmodells
    durch die Finanzbehörde zu verschaffen, regelt die verbindliche Auskunft – so der BFH – lediglich, wie die Finanzbehörde eine
    ihr zur Prüfung gestellte hypothetische Gestaltung gegenwärtig beurteilt, nicht aber trifft sie die – dem Steuerbescheid vorbehaltene
    – endgültige Aussage über die materielle Rechtmäßigkeit einer Steuerfestsetzung.


    3. Hieraus hat der BFH in der Entscheidung in BStBl. II 2012, 651 als finanzgerichtlichen Prüfungsmaßstab für die Beurteilung
    sog. Negativauskünfte abgeleitet, die Finanzgerichte hätten zu prüfen, ob das Finanzamt den zur Prüfung gestellten Sachverhalt
    zutreffend zu erfasst habe und ob die Behörde eine Auskunft erteilt habe, deren Beständigkeit im Festsetzungsverfahren von
    vornherein in Frage stehe. Dies bedeute, – so der BFH –, dass die rechtliche Einordnung des zu beurteilenden Sachverhalts
    durch das Finanzamt in sich schlüssig sein müsse und nicht evident rechtsfehlerhaft sein dürfe. Dem folgt der erkennende Senat.


    4. Die Ermessensentscheidungen des Beklagten, ob er eine verbindliche Auskunft erteilt (Entschließungsermessen „ob”) und welchen
    Inhalt er seiner verbindlichen Auskunft gibt (Auswahlermessen „wie”) ist vom erkennenden Senat somit nur im Rahmen der Prüfungskompetenz
    des Finanzgerichts gemäß § 102 FGO unter Berücksichtigung der vorstehend dargelegten Wertungen überprüfbar. Hiernach kann
    der Senat im Streitfall weder erkennen, dass der Beklagte im Hinblick auf das Entschließungsermessen noch im Hinblick auf
    das Auswahlermessen ermessensfehlerhaft gehandelt habe könnte.


    a) Die Klägerin selbst ist der Auffassung, dass der Beklagte jedenfalls sein Auswahlermessen nicht verletzt hat. Denn der
    Beklagte hat der Klägerin auf Ihre Anfrage hin eine konkrete verbindliche Auskunft erteilt.


    b) Auch der von der Klägerin geltend gemachte Fehler bei der Ausübung des Auswahlermessens liegt nicht vor. Die Klägerin hat
    im Rahmen der verbindlichen Auskunft eine zutreffende Auskunft des Beklagten erhalten, die schlüssig und nicht evident rechtsfehlerhaft
    ist.


    aa) Der BFH betont in der Entscheidung in BStBl. II 2012, 651, die materielle Richtigkeit einer solchen Auskunft werde erst
    im Besteuerungsverfahren – ggf. im Rahmen der Anfechtung des Steuerbescheids – vom Finanzgericht umfassend geprüft. Die verbindliche
    Auskunft diene der Planungssicherheit des Steuerpflichtigen, dies aber – so der BFH – nur insoweit, als er die Rechtsauffassung
    der Finanzbehörde zur Grundlage seiner Entscheidung machen und ggf. absehen könne, inwieweit er die gewünschte steuerliche
    Behandlung im Wege gerichtlichen Rechtsschutzes durchsetzen wolle. Nicht aber solle das Institut der verbindlichen Auskunft
    – so der BFH weiter – einen Prozess im Besteuerungsverfahren vermeiden und insoweit den Steuerpflichtigen das Prozessrisiko
    abnehmen.


    Der erkennende Senat leitet aus diesen Ausführungen des BFH im Urteil in BStBl II 2012, 651 zur Funktion der verbindlichen
    Auskunft im Verhältnis zur Steuerfestsetzung, der mangelnden Bindungswirkung einer erteilten verbindlichen Auskunft für die
    spätere Steuerfestsetzung und der weiteren Vorgabe des BFH, dass nur evidente Rechtsverletzungen einen Ermessensfehler begründen
    können, für Konstellationen wie im Streitfall folgendes ab: Hat die Verwaltung durch ein Schreiben des BMF ihre Rechtsauffassung
    bzw. Gesetzesauslegung zu einer steuerrechtlichen Vorschrift kundgetan, ist, da das Finanzamt, welches die verbindliche Auskunft
    erteilen soll, an ein solches Schreiben gebunden ist, dem Anspruch des Antragstellers auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft
    genügt, wenn das Finanzamt ihm im Rahmen der verbindlichen Auskunft – wie im Streitfall – mitteilt, dass es auf den zutreffend
    erfassten Sachverhalt das als einschlägig angesehene BMF-Schreiben anwenden werde. Hierin liegt dann eine schlüssige und nicht
    evident rechtsfehlerhafte Beantwortung des Auskunftsbegehrens im Sinne des BFH-Urteils in BStBl. II 2012, 651.


    So liegen die Dinge im Streitfall. Das Finanzamt hat in der erteilten verbindlichen Auskunft und bereits im Vorfeld hierzu
    dargelegt, dass es sich durch das BMF-Schreiben in BStBl. I 2008, 960 zur Auslegung des § 18 Abs. 2a Satz 1 und Satz 2 InvStG
    gebunden sehe. Es hat der Klägerin zudem mitgeteilt, dass der zu beurteilende Sachverhalt von der Gesetzesauslegung des BMF
    Schreibens in BStBl. I 2008, 960 zu § 18 Abs. 2a Satz 1 und 2 InvStG erfasst werde und es bei der Rücknahme von Anteilen der
    Gründungsaktionäre (jeder Gattung) von den Rechtsfolgen des § 18 Abs. 2a i.V.m. § 8 Abs. 5 InvStG ausgehen werde. Hierdurch
    hat der Beklagte das Auskunftsbegehren der Klägerin in vollem Umfang beantwortet. Denn auf Grundlage der erteilten verbindlichen
    Auskunft hat die Klägerin nunmehr für den Fall der Rückgabe von Anteilen durch die zu mehr als jeweils 100.000 EUR beteiligten
    Gesellschafter die gewünschte Planungssicherheit, da sie die Rechtsauffassung des Beklagten kennt und zur Grundlage ihrer
    Entscheidung machen kann.


    bb) Hingegen kommt es nach Auffassung des erkennenden Senats nicht darauf an, ob die im BMF-Schreiben in BStBl. I 2008, 960
    geäußerte Rechtsauffassung zur Auslegung des § 18 Abs. 2a Satz 1 und 2 InvStG, welche sich der Beklagte zu eigen macht, ihrerseits
    unschlüssig oder evident rechtsfehlerhaft ist. Der Senat kann somit auch die Frage dahin stehen lassen, ob sich – wofür manches
    spricht – das Vorliegen einer „evident rechtsfehlerhafte Gesetzesauslegung” für die finanzgerichtliche Prüfung einer Negativauskunft
    am Maßstab des § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. FGO und der in der Rechtsprechung des BFH hierzu entwickelten Fallgruppe „des schwerwiegenden
    Rechtsanwendungsfehlers” zu orientieren hat.


    Ob die Auslegung des BMF-Schreibens in BStBl. I 2008, 960 zu § 18 Abs. 2a Satz 1 und Satz 2 InvStG mit dem Gesetz vereinbar
    ist, ist allerdings nach Auffassung des Senats zweifelhaft, ohne dass diese Frage hier zu vertiefen oder abschließend zu entscheiden
    wäre. Denn in diesem BMF-Schreiben wird eine unwiderlegbare tatsächliche Vermutung des Inhalts aufgestellt, dass für Anleger,
    deren Anlagesumme sich tatsächlich auf einen Betrag in Höhe von mindestens 100.000 EUR beläuft, ohne Gegennachweis unterstellt
    werden könne, dass eine solche Mindestanlagesumme und die erforderliche besondere Sachkunde Voraussetzung für die Investitionen
    sei, obwohl sich dies im konkreten Einzelfall gerade nicht aus der Satzung, einem Gesetz oder aus besonderen Vertragsbedingungen
    ergibt (vgl. z.B. Bäuml in Berger/Steck/Lübbehüsen, Investmentgesetz und Investmentsteuergesetz (Kommentar 2010), InvStG §
    18 Tz. 55 f.; Patzner/Wiese in Haase, Investmentsteuergesetz (2010), InvStG § 18, Tz. 25 bis 28; sowie die einhellig kritischen
    Stellungnahmen im Schrifttum, die im Schriftsatz der Klägerin vom 9. März 2010, Bl. 40 ff der Gerichtsakte zitiert werden).
    Das BMF weist die Finanzämter im BMF-Schreiben in BStBl. I 2008, 960 als Rechtsanwender an, auf Grundlage der Größe des Anlegerkreises
    und des Überschreitens der Mindestanlagesumme von 100.000 EUR durch einzelne Anleger zu unterstellen, dass ein anderer „verschleierter”
    Sachverhalt verwirklicht worden ist, ohne die Möglichkeit eines Gegenbeweises zuzulassen. Anhaltspunkte im Gesetzeswortlaut,
    die als Rechtsgrundlage einer solchen unwiderlegbaren tatsächlichen Vermutung dienen könnten, sind dem Senat, der diese Frage
    mangels Entscheidungserheblichkeit nicht abschließend zu beurteilen hat, jedoch nicht ersichtlich.


    Selbst wenn für die vorbeschriebene unwiderlegbare tatsächliche Vermutung des BMFSchreibens in BStBl. I 2008, 960 in § 18
    Abs. 2a Satz 1 und Satz 2 InvStG keine gesetzliche Grundlage vorhanden sein sollte und die Beachtung dieser Grundsätze durch
    ein Finanzamt im Einzelfall eine evident rechtsfehlerhafte Rechtsanwendung begründen könnte, kann die abschließende materiell-rechtliche
    Prüfung der Vereinbarkeit der tatsächlichen Vermutung im BMF-Schreiben in BStBl. I 2008, 960 mit dem Gesetzeswortlaut und
    Gesetzeszweck des § 18 Abs. 2a Satz 1 und Satz 2 InvStG nicht im vorliegenden Verfahren stattfinden. Denn im Rahmen einer
    verbindlichen Auskunft hat der Antragsteller (hier: die Klägerin) – wie dargelegt – lediglich den Anspruch, mitgeteilt zu
    bekommen, wie der Beklagte auf Basis der Vorgabe des BMF den künftigen Sachverhalt beurteilen wird. Die abschließende materiell-rechtliche
    Beurteilung der Frage, ob eine übernommene Rechtsauffassung des BMF, die durch das einzelne Finanzamt im Einzelfall angewendet
    wird, mit dem Gesetz vereinbar ist, ist ausschließlich dem Steuerfestsetzungsverfahren vorbehalten. Etwas anderes gilt im
    Verfahren über eine sog. Negativauskunft – wie hier – auch dann nicht, wenn es gewichtige Anhaltspunkte dafür gibt, dass eine
    Gesetzesauslegung des BMF und deren Übernahme durch ein Finanzamt zu einem evident rechtsfehlerhaften Ergebnis führen könnte.


    5. Der Senat entscheidet durch Gerichtsbescheid (§ 90a FGO). Dies erscheint zweckmäßig und sachdienlich, weil im Streitfall
    der entscheidungserhebliche Sachverhalt unstreitig ist und es ausschließlich um die Beurteilung von Rechtsfragen geht.


    6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Der Senat lässt die Revision zu (§ 90a Abs. 2 Satz 2 FGO). Die Rechtsfrage, ob im Verfahren wegen einer Verpflichtungsklage
    auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft mit einem bestimmten Inhalt die in einem BMF-Schreiben geäußerte und für die Beantwortung
    der verbindlichen Auskunft zugrunde gelegte Gesetzesauslegung materiellrechtlich durch das Finanzgericht geprüft und verworfen
    werden kann, wenn Anhaltspunkte für deren fehlende Schlüssigkeit oder evidente Rechtsfehlerhaftigkeit bestehen, hat grundsätzliche
    Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

    VorschriftenAO § 89