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  • 18.09.2013

    Finanzgericht Nürnberg: Gerichtsbescheid vom 18.07.2013 – 2 K 1341/11

    Mit der Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts durch das Insolvenzgericht verliert
    der Schuldner nicht die Verfügungsbefugnis über
    sein Vermögen, sondern nur die Fähigkeit, diese
    Rechtsmacht ohne Mitwirkung des vorläufigen Insolvenzverwalters
    wirksam auszuüben. Die Unternehmensleitung bleibt jedoch
    in den Händen des Schuldners. Der „schwache” vorläufige
    Insolvenzverwalter ist verpflichtet, sich an der Organisation der
    Betriebsfortführung zu beteiligen und den Schuldner dabei
    zu unterstützen. Daher endete die Organschaft nicht mit
    der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters, sondern erst
    mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.


    Tatbestand

    Streitig ist, ob der aus der Beendigung einer umsatzsteuerlichen
    Organschaft resultieren­de Vorsteuerrückforderungsanspruch
    gegenüber dem früheren Organträger oder
    gegen­über der insolventen früheren Organgesellschaft
    geltend zu machen ist. Streitig ist insbe­sondere, ob die
    Organschaft bereits mit der Bestellung eines (schwachen) vorläufigen
    Insolvenzverwalters oder erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens
    endet.


    Zwischen dem Einzelunternehmen des Klägers als Organträger
    und der „A. GmbH” (im Folgenden „GmbH”)
    als Organgesellschaft bestand eine umsatzsteuerliche Organschaft.


    Im Verfahren über den Antrag der GmbH auf Eröffnung
    des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen -Az.
    09- ordnete das Amtsgericht
    1
    -Insolvenzgericht- mit
    Beschluss vom 25.02.2009 die vorläufige Insolvenzverwaltung
    an und bestellte einen vorläufigen Insolvenzverwalter.
    Weiter ordnete es gemäß § 21 Abs. 1 und
    Abs. 2 Nr. 2 Insolvenzordnung (InsO) an, dass Verfügungen
    der Schuldnerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters
    wirksam sein sollten. Mit Ergänzungsbeschluss vom 09.03.2009
    ordnete es gemäß § 21 Abs. 1 und Abs.
    2 Nr. 2 InsO an, dass der Schuldnerin der Abschluss von Darlehensverträgen,
    von Verträgen, die Verpflichtungen zur Sicherung von Darlehensver­trägen
    begründen und/oder Verträgen, die eine
    Sicherung von Darlehensverträgen voll­ziehen,
    untersagt wird.


    Mit Beschluss vom 30.04.2009 wurde über das Verfahren
    der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.


    Bei der Klägerin wurde daraufhin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung
    durchgeführt. Gemäß Tz. 3 des Prüfungsberichts
    vom 19.10.2009 war der Vorsteuerabzug des Organträgers
    aufgrund der Zahlungsunfähigkeit der Organgesellschaft und
    der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren
    Vermögen nach § 17 Umsatzsteuergesetz (UStG) hinsichtlich
    von der GmbH noch nicht bezahlter Eingangsrechnungen i.H.v. 86.372,43 € gemäß der
    offenen Posten laut Liste der Organgesellschaft zum 30.04.2009 zu
    berichtigen.


    Nachdem ein erster Bescheid vom 08.01.2010 wegen fehlerhafter
    Adressierung aufgeho­ben werden musste, erließ das
    Finanzamt am
    02.06.2010
    einen an den Kläger
    gerichte­ten Bescheid über die Festsetzung der
    Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat April 2009 und
    setzte die Umsatzsteuer i.H.v. 96.959,52 € fest (Berichtigung
    nach § 17 UStG: Vorsteuerbeträge aus Rechnungen
    von anderen Unternehmern, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG:
    86.372,43 €). Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der
    Nachprüfung, § 164 Abs. 1 AO.


    Mit Schreiben vom 13.12.2010 beantragte die Kanzlei Z für
    den Kläger u.a. die Änderung des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheides
    April 2009 vom 02.06.2010 nach § 164 Abs. 2 AO, weil die
    umsatzsteuerliche Organschaft bereits mit Bestellung des vorläufigen
    Insolvenzverwalters am 25.02.2009 geendet habe, da dieser wie ein
    starker Insolvenzverwalter sämtliche Belange der Unternehmensleitung übernommen
    habe.


    Das Finanzamt lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 19.01.2011
    ab.


    Am 24.02.2011 übermittelte die Kanzlei kommentarlos
    eine berichtigte Umsatzsteuer-Voranmeldung für April 2009
    mit den ursprünglich angemeldeten Werten.


    Das Finanzamt stimmte der Erklärung nicht zu, sondern
    erließ am
    31.03.2011
    einen nach § 164
    Abs. 2 AO geänderten Bescheid über die Festsetzung
    der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für April 2009, dem es die
    Zahlen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung zu­grunde
    legte. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.


    Der Einspruch vom 15.04.2011 wurde mit
    Einspruchsentscheidung
    vom 07.09.2011

    , auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen
    wird, als unbegründet zurückgewiesen.


    Im Klageverfahren vertritt der Kläger weiter die Auffassung,
    die umsatzsteuerliche Organ­schaft habe schon zum
    25.02.2009 geendet, weil sich der zwar formal schwache vorläufi­ge
    Insolvenzverwalter tatsächlich wie ein starker benommen
    habe. Insbesondere seien der Geschäftsführung
    der GmbH, vertreten durch den Kläger, sämtliche Entscheidungs­freiheiten
    entzogen worden. In unternehmerische Entscheidungen sei sie nicht
    mehr ein­bezogen worden. Sämtliche Steuererklärungen
    und Umsatzsteuer-Voranmeldungen seien vom Insolvenzverwalter abgegeben
    worden, ohne dass der Kläger darauf habe Einfluss nehmen
    können. Der Insolvenzverwalter habe ohne Rücksprache
    mit dem Kläger und dessen Steuerberater auch die Bilanz
    2008 erstellt.


    In der Literatur (Hölzle, Umsatzsteuern und umsatzsteuerliche
    Organschaft in der Insol­venz, im Sonderdruck Steueranwalt
    2009/2010) werde die Auffassung vertreten, dass auch im
    Falle eines „schwachen” vorläufigen Insolvenzverwalters
    die für die Annahme ei­ner umsatzsteuerlichen
    Organschaft erforderliche finanzielle Eingliederung nicht mehr ge­geben
    sei. Die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung
    gemäß § 21 Abs. 1 und 2 InsO und die
    Bestellung eines „schwachen” vorläufigen
    Insolvenzverwalters dienten der Sicherung der Insolvenzmasse, nämlich
    vorrangig dazu, bis zu einer Entscheidung über den Insolvenzantrag
    eine für die Gläubiger nachteilige Veränderung
    der Vermögenslage des Schuldners zu verhindern. Vermögensverfügungen
    der Insolvenzschuldnerin, also nahezu alle Entscheidungen mit Vermögenswirkung,
    seien ohne die Zustimmung des vor­läufigen Insolvenzverwalters
    unwirksam. Im Tagesgeschäft einer noch operativ tätigen
    Gesellschaft habe aber nahezu jede geschäftsleitende Entscheidung
    Vermögenswirkung in diesem Sinne. Zukäufe, Verkäufe,
    Vertragsabschlüsse, Zahlungsanweisungen und die Entgegennahme von
    Zahlungen seien ohne die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters
    nicht mehr möglich. Damit verliere der Organträger
    bereits mit Anordnung der schwachen vorläufigen Insolvenzverwaltung
    in wesentlichen Bereichen der Unterneh­mensführung
    jede (alleinige) Einflussnahmemöglichkeit auf das Unternehmen,
    während der Insolvenzverwalter - insbesondere z.B. bei
    der Entgegennahme von Zahlungen - auch alleinige Befugnisse ausüben
    könne.


    Die weitere Voraussetzung der wirtschaftlichen Eingliederung
    der Organgesellschaft in den Organträger entfalle, weil
    erstere mit der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung
    nicht länger die wirtschaftliche Betätigung des Organträgers
    fördere und ergänze. Ihr gehe es kraft gesetzlicher
    Anordnung nur noch um eine möglichst hohe Befriedigungs­quote
    für die Gläubiger.


    Schließlich entfalle im Streitfall auch die organisatorische
    Eingliederung, weil der Wille des beherrschenden Gesellschafters
    in der laufenden Geschäftsführung der Organgesell­schaft
    nicht mehr maßgeblich gewesen und nicht mehr durchgeführt
    worden sei. Der ver­meintlich „schwache” Insolvenzverwalter
    sei in der täglichen Abwicklungspraxis als „star­ker
    Mann” aufgetreten und habe seinen Willen in der Organgesellschaft
    durchgesetzt. Insbesondere sei auch der „schwache” vorläufige
    Insolvenzverwalter berechtigt, Konten­guthaben auf ein von
    ihm eingerichtetes Anderkonto zu übertragen, Debitorenforderungen
    einzuziehen und Drittschuldnern zu verbieten, an die Insolvenzschuldnerin
    zu zahlen. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Ergänzungsbeschluss
    vom 09.03.2009, der den vorläufigen Insolvenzverwalter
    noch weiter in die Stellung eines „starken” vorläufigen
    Verwalters erhoben habe. Der Zustimmungsvorbehalt wirke sich auch
    auf die Kassenfüh­rung der Insolvenzschuldnerin
    aus. Sämtliche Buchungstätigkeiten seien ab dem
    Zeit­punkt seiner Bestellung von der Kanzlei des vorläufigen
    Insolvenzverwalters erledigt wor­den.


    Der BFH habe zudem mit Urteil vom 24.08.2011 V R 53/09 (BStBl II 2012,
    256) entschie­den, dass die organisatorische Eingliederung
    auch dann ende, wenn - wie im vorliegen­den Fall - die
    Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zwar nicht in vollem
    Umfang auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen werde,
    wohl aber faktisch für den gesamten noch verbleibenden
    operativen Geschäftsbereich, und der übrige Geschäftsbereich,
    in dem der vorläufige Insolvenzverwalter auf die Mitwirkung
    der Geschäftsführer angewiesen sei, gleichsam
    nur eine leere Hülle sei. Für das Fortbestehen
    der organisatorischen Eingliederung sei
    umsatzsteuerrechtlich
    entscheidend,
    ob dem vorläufigen Insolvenzverwalter hinsichtlich der
    steuerrechtlich erheblichen Sachverhalte eine vom Willen des Organ­trägers
    abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft möglich
    sei.


    Das Finanzamt habe somit die Vorsteuerberichtigung zu Unrecht
    gegenüber dem Kläger statt gegenüber
    der GmbH vorgenommen.


    Zwar seien Vorsteuer-Rückforderungsansprüche
    nach § 17 UStG, die infolge der Insol­venz der
    Organgesellschaft entstünden, grundsätzlich gegenüber
    dem bisherigen Organ­träger geltend zu machen,
    der den Vorsteuerabzug erhalten habe. Dagegen sei die Vor­steuer-Berichtigung
    gegenüber der früheren Organgesellschaft geltend
    zu machen, wenn die von ihr geschuldeten Entgelte erst nach Beendigung
    der Organschaft uneinbringlich geworden seien. Werde über
    das Vermögen eines Unternehmers das Insolvenzverfahren
    eröffnet, würden die gegen ihn gerichteten Forderungen
    spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens
    in voller Höhe uneinbringlich, wenn nicht schon zuvor die
    Zahlungsun­fähigkeit oder Zahlungseinstellung
    der Insolvenzschuldnerin festgestellt worden sei.


    Die von der früheren Organgesellschaft geschuldeten
    Entgelte seien im Streitfall erst mit der Insolvenzeröffnung
    am 30.04.2009 und damit nach Beendigung der Organschaft (25.02.2009)
    uneinbringlich geworden.


    Schließlich habe das Finanzamt neben der Vorsteuerberichtigung
    nach § 17 UStG i.H.v. 86.372,34 € für
    den Monat April auch eine Korrektur nach § 15 Abs. 1 Satz
    1 Nr. 3 UStG i.H.v. 10.458,08 € aus der Demontage und Verladung eines
    Umrollers vorgenommen. Da die Organschaft zum 25.02.2009 beendet worden
    sei, hafte nicht der Kläger, sondern der Insolvenzverwalter,
    der die Rechnung veranlasst habe, für die Steuer.


    Nach den Prüfungsfeststellungen handelt es sich bei
    den 10.458,08 € (im April eingege­bene Vorsteuer)
    um einen Fehleintrag bei den Vorsteuern aus Erwerben. Die Vorsteuern
    seien bei den Vorsteuern aus Rechnungen von anderen Unternehmern
    zu berücksichti­gen.


    Der Kläger beantragt, den Bescheid über die
    Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat
    April 2009 vom 31.03.2011 in Gestalt der Einspruchs­entscheidung
    vom 07.09.2011 aufzuheben.


    Die Revision sei wegen der grundsätzlichen Bedeutung
    der Frage, ob rein aufgrund der insolvenzrechtlichen Regelungen,
    ohne Beurteilung der faktischen Verhältnisse im Einzelfall,
    eine Organschaft bereits mit Bestellung eines „schwachen” vorläufigen
    Insolvenzverwalters beendet werde, zuzulassen.


    Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

    Wie bereits in der Einspruchsentscheidung ausgeführt,
    sei für die Frage, ob dem Kläger der maßgebliche
    Einfluss auf die Organgesellschaft entzogen worden sei, auf die
    rechtli­chen Befugnisse des Insolvenzverwalters abzustellen.
    Nach dem Beschluss vom 25.02.2009 sei ein sog. „schwacher” Insolvenzverwalter eingesetzt
    worden. Der Ergän­zungsbeschluss vom 09.03.2009
    habe ebenfalls nicht dazu geführt, dass die Verwaltungs-
    und Verfügungsbefugnis des Organträgers insgesamt
    auf den Insolvenzverwalter übergegangen sei („starker” Insolvenzverwalter).


    Wenn der Kläger sich seine verbleibenden Befugnisse
    vom vorläufigen Insolvenzverwalter habe entziehen lassen
    oder wenn er sie aus anderen Gründen tatsächlich
    nicht mehr wahrgenommen habe, führe dies nicht dazu, dass
    der „schwache” vorläufige Insolvenzverwalter
    faktisch die Rechtsposition eines „starken” erlangt
    habe. Solange der Kläger noch Geschäftsführer
    der GmbH gewesen sei, hätte der Insolvenzverwalter gegen
    dessen Willen rechtlich keine abweichende Willensbildung im Organkreis
    durchsetzen können.


    Das Amt habe die Vorsteuer-Rückforderungsansprüche,
    die infolge der Insolvenz der Or­gangesellschaft entstanden
    seien, jedenfalls zu Recht gegenüber dem früheren
    Organträ­ger geltend gemacht, der den Vorsteuerabzug
    erhalten habe. Im Streitfall sei der Rückfor­derungsanspruch
    schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden,
    weil die Or­gangesellschaft selbst den Antrag auf Eröffnung
    des Insolvenzverfahrens gestellt habe. Daraus folge, dass mit einer
    Bezahlung der offenen Rechnungen der GmbH, für die der
    Kläger als Organträger den Vorsteuerabzug in Anspruch
    genommen habe, bereits zu die­sem Zeitpunkt nicht mehr
    zu rechnen gewesen sei.


    Gründe

    Die Klage ist unbegründet. Die umsatzsteuerliche Organschaft
    endete im Streitfall erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über
    das Vermögen der früheren Organgesell­schaft.
    Das Finanzamt hat die Vorsteuer-Rückforderungsansprüche
    zu Recht gegenüber dem Kläger geltend gemacht. Der
    angefochtene Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für April
    2009 vom 02.06.2010 in Gestalt des Änderungsbescheides
    vom 31.03.2011, die­ser in Gestalt der Einspruchsentscheidung
    vom 07.09.2011 ist rechtmäßig und verletzt den
    Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).


    1. Das Finanzamt hat die gesamten
    hier streitigen Vorsteuern zu Recht vom Kläger zu­rückgefordert.


    Die 10.458,08 €, die nach Auffassung des Klägervertreters
    gegenüber dem vorläufi­gen Insolvenzverwalter
    geltend zu machen sind, sind entgegen den Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung
    (Tz. 3 Abs. 1 und 2 Prüfungsbericht: „Berichtigung
    der Vorsteuern um 96.830,51 €”!) nicht in den Bescheiden
    des Finanzamts enthalten.


    Die festgesetzte Steuer i.H.v. 96.959,52 € setzt sich
    zusammen aus Umsatzsteuer (19 %) i.H.v. 10.336,95 € aus
    steuerpflichtigen Umsätzen i.H.v. 54.405 € (Tz.
    2 Prü­fungsbericht) und der Vorsteuerkorrektur
    i.H.v. 86.372,43 € (Tz. 3 Tab. 1 Prüfungsbe­richt).


    2. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG hat
    der Unternehmer, an den ein Umsatz ausgeführt worden ist,
    den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug zu berichtigen,
    wenn sich die Bemessungsgrundlage für diesen steuerpflichtigen
    Umsatz geändert hat. Die Berichtigungen sind für
    den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in den die Änderung
    der Bemessungsgrundlage fällt (§ 17 Abs. 1 Satz
    7 UStG). Dies gilt sinngemäß, wenn das vereinbarte
    Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung
    oder ei­nen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb
    uneinbringlich geworden ist (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG).


    2.1. Eine Forderung ist nicht erst dann uneinbringlich, wenn
    sie schlechthin keinen Wert mehr hat, sondern bereits dann, wenn
    sie für geraume Zeit nicht durchsetzbar ist. Das ist insbesondere
    der Fall, wenn über das Vermögen des Schuldners
    das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Spätestens
    zu diesem Zeitpunkt werden die gegen den Schuldner gerichteten Forderungen
    unbeschadet einer möglichen Insolvenzquote in voller Höhe
    uneinbringlich (vgl. BFH-Urteil vom 28.06.2000 V R 45/99, BStBl II 2000,
    703).


    Im Streitfall wurde das Insolvenzverfahren über das
    Vermögen der GmbH am 30.04.2009 eröffnet.
    Spätestens zu diesem Zeitpunkt waren die gegen die GmbH
    gerichteten Forderungen uneinbringlich.


    2.2. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger noch Unternehmer
    i.S.d. § 17 Abs. 1 UStG, weil auch die umsatzsteuerliche
    Organschaft erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens
    endete.


    2.2.1. Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG,
    wer eine gewerbliche oder berufli­che Tätigkeit
    selbständig ausübt. Nach § 2 Abs. 2 Nr.
    2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht
    selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person
    nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse
    finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert
    ist (Organgesellschaft).


    Im Streitfall bestand unstreitig zwischen dem Kläger
    als Organträger und der GmbH als Organgesellschaft eine
    solche umsatzsteuerliche Organschaft. Der Klä­ger
    war als Organträger Unternehmer, ihm wurden die Umsätze
    der GmbH zuge­rechnet, er machte den Vorsteuerabzug aus
    den Rechnungen der GmbH geltend.


    2.2.2. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
    bewirkte (unstreitig) keinerlei Veränderung hinsichtlich
    der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung
    der GmbH in das Unternehmen des Klägers und war daher nicht
    geeignet, das Organschaftsverhältnis zu beenden.


    2.2.3. Die GmbH war nach dem Gesamtbild der Verhältnisse
    auch noch nach der Bestel­lung des vorläufigen
    Insolvenzverwalters am 25.02.2009 in das Unternehmen des Klägers
    eingegliedert.


    2.2.3.1. Nach dem Grundsatzurteil des BFH vom 01.04.2004 V R 24/03, BStBl II 2004,
    905, endet die Organschaft bei Bestellung eines vorläufigen
    Insolvenzverwalters nur, wenn diesem die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übertragen
    wurde (§ 22 Abs. 1 InsO). Dabei sind allein die Befugnisse
    und Rechte des vorläufigen Insolvenzverwalters maßgebend,
    die ihm durch Beschluss des Insolvenzgerichtes zugewiesen werden.
    Das Gericht schließt sich dem ausdrücklich an,
    da die Anknüpfung an den Beschluss des Insolvenzgerichtes
    insbesondere der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit dient.
    - So auch das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt in seinem Urteil
    vom 18.10.2012 1
    K 1061/07 (in juris).


    Nach der im Geltungszeitraum der Konkursordnung vertretenen Ansicht
    des BFH (vgl. Urteil vom 06.08.2001 V R 34/01, BFH/NV
    2002, 233) kam es für die Been­digung
    der organisatorischen Eingliederung durch Anordnung einer Sequestrati­on
    dagegen auf die Umstände des Einzelfalles an. Dies hatte
    zur Folge, dass u.U. erst nach einer Beweisaufnahme und damit im
    Laufe eines finanzgerichtli­chen Verfahrens (Jahre später...)
    geklärt werden konnte, welche Rechte der Sequester tatsächlich
    wahrgenommen und welche Befugnisse er ausgeübt hatte. Bis
    dahin blieb offen, ob überhaupt und ggf. zu welchem Zeitpunkt
    die Organ­schaft beendet wurde. In Frage kommt hierfür nicht
    nur der Zeitpunkt des Be­schlusses über die Bestellung
    des vorläufigen Insolvenzverwalters oder eines (o­der
    mehrerer) Ergänzungsbeschlüsse. Jede weitere behauptete „Amtsanma­ßung” des
    vorläufigen Insolvenzverwalters wäre bei Anwendung
    dieser Recht­sprechung dahin zu prüfen, ob sie
    allein oder zusammen mit vorherigem Verhal­ten dazu geeignet
    wäre, dem pro forma „schwachen” vorläufigen
    Insolvenzverwalter tatsächlich die Stellung eines „starken” zu
    verschaffen. Zu prüfen wäre wohl auch, inwieweit
    der vorläufige Insolvenzverwalter aus eigenem Antrieb sei­ne
    Kompetenzen überschreitet („den starken Mann gibt”)
    oder inwieweit der an sich zuständige Geschäftsführer
    der GmbH nach Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens
    die rechtlich gebotene Mitwirkung verweigert und den Ande­ren dadurch
    in die faktische Stellung eines „starken” vorläufigen
    Insolvenzverwalters drängt. Ein solches Verhalten (mit
    dem Ziel der vorzeitigen Beendigung der umsatzsteuerlichen Organschaft)
    wäre wohl als missbräuchlich anzusehen. Mög­licherweise
    könnte der „erstarkte” vorläufige
    Insolvenzverwalter auch in die „schwache” Stellung
    zurückfallen, wenn der Geschäftsführer
    seine Rechte doch wieder wahrnimmt. All diese insbesondere in steuerrechtlicher
    Hinsicht missli­chen Unklarheiten werden vermieden, wenn hinsichtlich
    der organisatorischen Eingliederung auf den Beschluss des Insolvenzgerichtes
    abgestellt wird. Rechts­sicherheit und Rechtsklarheit sind gerade
    im unsicheren Zeitraum zwischen der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens
    und der Eröffnung (oder Nichter­öffnung)
    des Insolvenzverfahrens notwendig - auch, weil eine (vorzeitig)
    beende­te umsatzsteuerliche Organschaft wieder aufleben
    würde, wenn das Insolvenzverfahren mangels Masse nicht
    eröffnet wird.


    Etwas anderes ergibt sich für den Streitfall nach Auffassung
    des Gerichts auch nicht aus dem vom Kläger zitierten Urteil
    des BFH vom 24.08.2011 V R
    53/09 (BStBl II 2012, 256). Dort hatte der
    BFH entschieden, die organisatorische Ein­gliederung einer
    Organgesellschaft ende, wenn die Verwaltungs- und Verfü­gungsbefugnis
    zwar nicht in vollem Umfang auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen
    werde (so § 22 Abs. 1 InsO), aber faktisch für
    den gesamten noch verbleibenden operativen Geschäftsbereich übergehe. Anders
    als im dortigen Fall wurde hier der vorläufige Insolvenzverwalter
    - auch im ergänzenden Be­schluss vom 09.03.2009
    - aber nicht ermächtigt, zu Lasten der späteren
    Insolvenzmasse Masseverbindlichkeiten zu begründen und
    zu erfüllen, wie sie im Ur­teilsfall des BFH für
    die Fertigstellung der beiden letzten dort verbliebenen Bau­stellen
    notwendig waren.


    2.2.3.2. Im Streitfall wurde dem vorläufigen Insolvenzverwalter
    nicht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übertragen,
    sondern lediglich ein Zustimmungsvorbehalt an­geordnet.
    Mit der Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts durch das Insolvenzgericht
    verliert der Schuldner nicht die Verfügungsbefugnis über
    sein Vermögen, sondern nur die Fähigkeit, diese Rechtsmacht
    ohne Mitwirkung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam
    auszuüben. Die Unternehmensleitung bleibt jedoch in den
    Händen des Schuldners. Der „schwache” vorläufige
    Insolvenzverwalter ist verpflichtet, sich an der Organisation der
    Betriebsfortführung zu beteiligen und den Schuldner dabei
    zu unterstützen. Daher endete die Organschaft nicht mit
    der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters, sondern
    erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 30.04.2009.


    2.2.4. Auch der ergänzende Beschluss vom 09.03.2009
    hat dem vorläufigen Insolvenzverwalter nicht die Befugnisse
    eines „starken” vorläufigen Insolvenzverwalters
    nach § 22 Abs. 1 Insolvenzordnung verliehen.


    Dass der vorläufige Insolvenzverwalter im Streitfall
    nach dem Vorbringen des Klä­gers - abweichend
    von der tatsächlichen Beauftragung durch das zuständige
    Amtsgericht - eine viel stärkere Stellung innegehabt haben
    soll, kann nach Auffas­sung des Gerichts nicht zu einer
    Beendigung der Organschaft vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens
    führen. Rechtlich hatte der Kläger nach wie vor
    die Führung inne. Nimmt er seine Rechte nicht in vollem
    Umfang wahr, kann dies an der Rechtslage nichts ändern
    (so im Ergebnis auch das FG des Landes Sachsen-Anhalt im Urteil
    vom 18.10.2012 1
    K 1061/07).


    Die Revision wird zugelassen, weil der BFH die Revision gegen
    das oben zitierte Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt zugelassen
    hat. Das Beschwerdeverfahren wird dort unter dem Az. V R 18/12
    als Revisionsverfahren fortgeführt mit der Rechtsfrage: „Wann endet
    das Organschaftsverhältnis bei der Bestellung eines vorläufigen
    Insolvenzverwalters, wenn der Insolvenzverwalter nicht als schwacher
    Insolvenzverwalter, sondern entge­gen seines Beschlusses
    als starker Insolvenzverwalter auftritt?”


    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenUStG § 17 Abs. 1 S. 2, UStG § 17 Abs. 1 S. 7, UStG § 17 Abs. 2 Nr. 1, InsO § 22 Abs. 1