30.04.2008 | Anfechtungsrecht
Zur Anfechtbarkeit von Globalzessionen
Es ist allgemein bekannt, dass die Eigenkapitalquote im deutschen Mittelstand gering ist. Der Finanzbedarf der Unternehmen wird in hohem Maße durch Fremdkapital gedeckt, wofür regelmäßig Sicherheiten erforderlich sind. In der Praxis lassen sich die Banken dann vielfach sämtliche bestehenden und künftigen Forderungen des Kreditnehmers aus Warenlieferungen und Leistungen abtreten. Gerät der Bankkunde in die Krise und schließlich in die Insolvenz, stellt sich dann immer die Frage, inwieweit die eingeräumten Sicherheiten anfechtbar sind. Zur Anfechtbarkeit von Globalzessionen als einem der wichtigsten Sicherungsmittel hat sich der BGH jüngst nochmals umfassend geäußert (BGH 29.11.07, IX ZR 30/07, Abruf-Nr. 080313). |
Sachverhalt
Ein Insolvenzverwalter hatte ein Kreditinstitut auf Rückzahlung von Geldern in Anspruch genommen, die auf ein bei der Bank geführtes Konto des Insolvenzschuldners eingezahlt worden waren und die die Bank mit eigenen Kreditforderungen verrechnet hatte. Die Bank hatte der Insolvenzschuldnerin eine hohe Kreditlinie eingeräumt. Zur Besicherung hatte sie sich alle bestehenden und künftigen Forderungen der Insolvenzschuldnerin aus Warenlieferungen und Leistungen abtreten lassen. Nachdem die Bank Kenntnis von der Überschuldung und der unmittelbar bevorstehenden Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin erlangt hatte, kündigte sie noch am selben Tag den Kredit fristlos und stellte ihn zur sofortigen Rückzahlung fällig. Die Forderungen der Bank beliefen sich zu diesem Zeitpunkt auf über 2,5 Mio. EUR. Innerhalb der nächsten zwei Monate gingen bei der Bank Zahlungen auf Forderungen der Insolvenzschuldnerin von rund 950.000 EUR ein, die sie mit ihren Forderungen gegen die Insolvenzschuldnerin verrechnete. Der Insolvenzverwalter vertrat jedoch den Standpunkt, die erklärte Verrechnung sei gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unwirksam, da die Globalzession eine anfechtbare inkongruente Deckung i.S. von § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO darstelle.
Anmerkungen
Der BGH hat in seiner Entscheidung eine Reihe von wichtigen Aussagen zur Anfechtbarkeit von Globalzessionen gemacht. Er hat zunächst klargestellt, dass die Vorschrift des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO, nach der eine Aufrechnung unzulässig ist, wenn die Aufrechnungsmöglichkeit durch eine anfechtbare Rechtshandlung erworben wurde, auch auf die Herstellung von Verrechnungslagen Anwendung findet. Sodann war die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt i. S. von § 140 InsO zu beantworten. Diese Vorschrift bestimmt in Absatz 1, dass eine Rechtshandlung als in dem Zeitpunkt vorgenommen gilt, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. Bei Verrechnungen ist entscheidend, wann das Gegenseitigkeitsverhältnis begründet worden ist. Ohne Bedeutung ist hingegen, ob die Forderung des Insolvenzschuldners oder seines Gläubigers früher entstanden oder fällig geworden ist. Bei Fällen wie hier gilt somit Folgendes: Die Forderung des Kreditinstituts entsteht in dem Augenblick, in dem der Kredit zur Rückzahlung fällig gestellt wird. Das Entstehen der Forderung des Kontoinhabers hängt davon ab, wann dessen Schuldner Einzahlungen auf sein Konto tätigen, da der Kontoinhaber in diesem Augenblick einen Herausgabeanspruch gegen seine Bank erwirbt.
Immer dann, wenn die Zahlungseingänge zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem die Bank Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Kontoinhabers hat, sind die Anfechtungsvoraussetzungen erfüllt. Da Kreditinstitute in dem Augenblick, in dem sie Kenntnis vom Vorliegen eines Insolvenzgrundes haben, standardmäßig bestehende Darlehens- bzw. Kontokorrentforderungen fällig stellen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass nach Kündigung der Geschäftsbeziehung aus diesem Grunde eine Verrechnung mit danach eingehenden Zahlungen anfechtbar ist.
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