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  • 01.02.2006 | Bundesfinanzhof

    Beschränkter Sonderausgabenabzug für KV-Beiträge verfassungsmäßig?

    von Dipl.-Finw. Dr. Volker Kreft, Richter am Nieders. FG, Bielefeld

    Im Beschluss vom 14.12.05 (X R 20/04, Abruf-Nr. 060205) hat der X. Senat des BFH zum Ausdruck gebracht, dass er die betragsmäßige Beschränkung des Sonderausgabenabzugs von Krankenversicherungsbeiträgen für verfassungswidrig hält. Denn die gesetzlichen Höchstbeträge ermöglichen es dem Steuerpflichtigen nicht, in angemessenem Umfang Krankenversicherungsschutz zu erlangen. Der BFH hat daher die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung erneut angezweifelt und die Frage dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt. Der folgende Beitrag stellt die Entscheidung des BFH vor und erörtert deren Auswirkungen auf Einkommensteuerbescheide nach altem und neuem Recht (ab VZ 2005). Für die Fälle, in denen Handlungsbedarf besteht, finden Sie am Ende des Beitrags einen Formulierungsvorschlag für einen Musterrechtsbehelf. 

    1. Ausgangslage

    Privatausgaben sind nach dem System des EStG steuerlich nur abzugsfähig, wenn das Gesetz dies wegen der unvermeidbaren bzw. förderungswürdigen Minderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausdrücklich vorsieht (sog. subjektives Nettoprinzip). So lässt § 10 Abs. 2u. 3 EStG a.F. bis VZ 2004 Versicherungs-, Alters- und Vorsorgeaufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG a.F. der Höhe nach begrenzt zum Abzug zu. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Deckelung des Sonderausgabenabzugs ist seit vielen Jahren heftig umstritten (siehe dazu Schmidt/Heinicke, EStG, § 10 Rz. 212). Der BFH hielt die Höchstbetragsregelung des § 10 Abs. 3 EStG a.F. bisher immer für verfassungsgemäß, und zwar unabhängig von der Höhe der tatsächlich geleisteten Vorsorgeaufwendungen, soweit dem Steuerpflichtigen ausreichende Mittel für seinen gegenwärtigen Grundbedarf und für die Mindestversorgung im Alter verbleiben (vgl. BFH, BStBl II 03, 179). Der BFH hat dem jedoch im o.g. Beschluss widersprochen.  

    2. Sachverhalt

    Die Kläger sind ein freiberuflicher Rechtsanwalt und seine Ehefrau, die Eltern von 6 minderjährigen Kindern sind. Im Streitjahr 1997 erzielte der Kläger Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit von 431.000 DM; der Gesamtbetrag der Einkünfte betrug unter Berücksichtigung von Verlusten aus Vermietung und Verpachtung ca. 269.000 DM. In ihrer Einkommensteuererklärung 1997 machten sie für sich und ihre Kinder entrichtete Krankenversicherungsbeträge in Höhe von 66.000 DM geltend. Das Finanzamt berücksichtigte im Rahmen der gesetzlichen Höchstbetragsregelung gemäß § 10 Abs. 3 EStG a.F. nur 19.830 DM als Sonderausgaben. Mit der Klage machten die Kläger geltend, die Beschränkung des Sonderausgabenabzugs von Krankenversicherungsbeiträgen sei verfassungswidrig. Insbesondere Steuerpflichtige mit Einkünften aus selbstständiger Arbeit müssten im Vergleich zu Arbeitnehmern höhere Beträge für die Zukunftssicherung ausgeben, die steuerlich aber nicht berücksichtigt würden. Ein existenzsichernder Versicherungsschutz sei mit Beiträgen in Höhe des Sonderausgaben-Höchstbetrages nicht zu erreichen. Außerdem bliebe der erhöhte Aufwand von Steuerpflichtigen mit mehreren Kindern unberücksichtigt. Die Klage vor dem FG hatte zwar keinen Erfolg. Im anschließenden Revisionsverfahren ist der BFH aber dem Vorbringen der Kläger weitgehend gefolgt und hat beschlossen, das Verfahren auszusetzen und insoweit das BVerfG anzurufen.  

    3. Anmerkungen

    Nach Ansicht der BFH-Richter verstößt die gegenwärtige Deckelung des Sonderausgabenabzugs von Krankenversicherungsbeiträgen gegen das subjektive Nettoprinzip. Dieses Unterprinzip des Leistungsfähigkeitsprinzips hat Verfassungsrang und gebiete es, dass existenznotwendige Aufwendungen des Steuerpflichtigen von der Besteuerung verschont werden. Auch Krankenversicherungsbeiträge gehören zu diesen Aufwendungen, soweit sie dazu dienen, Versicherungsschutz in dem von den gesetzlichen Krankenversicherungen gewährten Umfang zu erlangen. Die Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 EStG a.F. reichen – so der BFH – jedoch insbesondere bei Familien mit Kindern zur Erlangung eines Krankenversicherungsschutzes nicht aus. Somit müssen Steuerpflichtige die Beiträge aus ihrem versteuerten Einkommen zahlen. Dies führe aber dazu, dass im Ergebnis existenznotwendige Aufwendungen besteuert werden.  

     

    Nach Auffassung des BFH ist der Gesetzgeber verpflichtet, dem individuellen Vorsorgebedarf durch eine realitätsgerechte Bemessung des Sonderausgabenabzugs Rechnung zu tragen. Zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Benachteilung von Familien mit Kindern habe der Gesetzgeber in angemessener Weise zu berücksichtigen, dass den Eltern eine besondere Belastung durch die Zahlung der Krankenversicherungsbeiträge für ihre Kinder im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht entstünde. Eine entsprechende Entlastung der Eltern sieht aber das geltende Steuerrecht – so die Kritik des BFH – weder im Rahmen des Familienleistungsausgleichs noch beim Sonderausgabenabzug vor.