05.01.2009 | Bundesfinanzministerium
„Rolle rückwärts“ bei der Umsatzsteuerpflicht von Grundstücksentnahmen
von Georg Nieskoven, Troisdorf
Nach der früheren Rechtsbeurteilung waren sowohl Grundstücksveräußerungen als auch Grundstücksentnahmen gleichermaßen nach § 4 Nr. 9a UStG umsatzsteuerfrei. Davon abweichend vertrat das BMF allerdings die Auffassung, im Hinblick auf die „Seeling-Entscheidung“ (EuGH 8.5.03, C-269/00, BStBl II 04, 378) könnten Grundstücksentnahmen den Grundstücksveräußerungen nicht länger gleichgestellt werden und behandelte solche Entnahmen fortan als umsatzsteuerpflichtig (BMF 13.4.04, IV B 7 -S 7300 - 26/04, BStBl I 04, 469) . Diese für die Gestaltungspraxis äußerst bedeutsame Rechtsverschärfung hat das BMF nun erfreulicherweise wieder revidiert (BMF 22.9.08, IV B 8 -S 7109/07/10002, Abruf-Nr. 083143).
1. Die Praxisfolgen der „alten“ BMF-Sichtweise
Infolge der zum 13.4.04 erfolgten Weisung zur Umsatzsteuerpflicht von Grundstücksentnahmen drohten dem Unternehmer insbesondere in „Seeling-Gestaltungsfällen“ erhebliche Besteuerungsspätfolgen:
Beispiel 1 |
Steuerberater S betreibt seine Kanzlei in Innenstadtlage. Er nutzt für diese Tätigkeit zudem einen Raum (15 v.H. der Gesamtfläche) seines 2005 für 500.000 EUR zzgl. 80.000 EUR USt errichteten Einfamilienhauses als Arbeitszimmer. Das Haus wird ansonsten ausschließlich privat genutzt.
Im Hinblick auf sein Zuordnungswahlrecht (Abschn. 192 Abs. 21 Nr. 2 UStR 2005) konnte S auch den über die Arbeitszimmerfläche hinausgehenden Gebäudeanteil seinem umsatzsteuerlichen Unternehmensvermögen zuordnen und demzufolge die gesamten 80.000 EUR als Vorsteuer geltend machen. In dieser als „Seeling-Modell“ bekannt gewordenen Gestaltungsvariante musste S dann den Privatnutzungsanteil (85 v.H.) jährlich als unentgeltliche Wertabgabe i.S. von § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG versteuern. Der S sicherte sich so ein „Vorsteuerdarlehen des Fiskus mit zinsloser Rückzahlung über zehn Jahre“ und profitierte damit von massiven Liquiditätsvorteilen. Dem stand nach bisheriger BMF-Sichtweise allerdings das Risiko gegenüber, bei einer späteren Entnahme den dann gültigen Entnahmewert des Gebäudes vollumfänglich der Umsatzsteuer unterwerfen zu müssen, sodass sich der Gestaltungsvorteil ins Gegenteil verkehrte. |
Zur Vermeidung dieser massiven Umsatzsteuerlast wurde dem „Seeling-Unternehmer“ der - unstreitig unverändert nach § 4 Nr. 9a UStG umsatzsteuerfreie - Verkauf des Grundstücks empfohlen, was jedoch praktische und zivilrechtliche Nachteile zur Folge haben konnte.
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