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  • Bundesfinanzministerium
    Umsatzsteuerliche Behandlung der Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen
    von Dipl.-Finw. Jürgen Serafini, Troisdorf
    Die gesondert entgoltenen Geschäftsführungsleistungen des Gesellschafters einer Personengesellschaft stellen nach neuerer Auffassung umsatzsteuerbaren und -pflichtigen Leistungsaustausch dar (BFH 6.6.02, BStBl II 03, 36). Der Rechtsprechungsänderung ist die Finanzverwaltung dem Grunde nach gefolgt (vgl. GStB 03, 140). Nun hat sie ein Anwendungsschreiben herausgegeben, das auf zahlreiche Zweifelsfragen eingeht. Zudem wird die Übergangsfrist letztmalig bis zum 31.3.04 verlängert. Das BMF-Schreiben wird nachfolgend anhand von zahlreichen Praxisbeispielen erläutert (BMF 22.12.03, GStB 04, R 10).
    1. Das BMF-Schreiben vom 23.12.03
    Nach der einleitenden Kurzwiedergabe der maßgeblichen BFH-Entscheidung verfügt das BMF Folgendes:
    1.1 Selbstständigkeit natürlicher Personen
    Nimmt eine natürliche Person als Gesellschafter einer Personengesellschaft Geschäftsführungs- und Vertretungsaufgaben gegen gesondertes Entgelt wahr, so ist diese Tätigkeit selbstständig, da angesichts der Mitunternehmerstellung i.S. von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG keine Weisungsgebundenheit (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG) vorliegt. Die Weisungsungebundenheit (= Selbstständigkeit) bleibe auch dann erhalten, wenn ein gesellschaftsvertragliches Weisungsrecht der Personengesellschaft gegenüber ihrem Gesellschafter besteht. So übe zum Beispiel der Komplementär einer aus natürlichen Personen bestehenden Kommanditgesellschaft mit der gegen Tätigkeitsvergütung erbrachten Geschäftsführungsleistung eine selbstständige Tätigkeit aus. Dies gelte jedoch nur bei Tätigkeiten für Personengesellschaften. Natürliche Personen, die als Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft für diese Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen wahrnehmen, üben unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG keine selbstständige Tätigkeit aus. Im Übrigen indiziere vor allem die ertragsteuerliche Einordnung der Einkünfte (selbstständig/gewerblich oder nichtselbstständig) auch deren umsatzsteuerliche Behandlung.
    1.2 Selbstständigkeit juristischer Personen
    Juristische Personen, die als Gesellschafter - gesondert vergütete - Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen an ihre Gesellschaft erbringen, werden grundsätzlich selbstständig tätig, da das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung keine Unselbstständigkeit begründen könne. Unselbstständigkeit liege demgegenüber vor, wenn die juristische Person im Rahmen einer Organschaft i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in ein anderes Unternehmen eingegliedert ist. Bei der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG sei eine solche Eingliederung als Organgesellschaft jedoch nicht anzunehmen (BFH 14.12.78, BStBl II 79, 288 u. A 21 Abs. 2 S. 4 UStG). Diese Beurteilung bleibe auch dann unverändert, wenn bei der GmbH & Co. KG der Kommanditist zugleich Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ist und die KG die der GmbH geschuldete Geschäftsführungsvergütung unmittelbar an den GmbH-Geschäftsführer zahlt; auch in diesen Fällen liege eine umsatzsteuerbare Leistung der Komplementär-GmbH an die KG vor.
    1.3 Leistungen eines Gesellschafters an die Gesellschaft
    Leistungen eines Gesellschafters an seine Gesellschaft können ihren Grund im gesellschaftsrechtlichen Beitrags- oder in einem gesonderten schuldrechtlichen Austauschverhältnis haben. Die umsatzsteuerliche Beurteilung richtet sich danach, ob die betreffenden Leistungen als Gesellschafterbeitrag durch die Beteiligung am Gewinn oder Verlust der Gesellschaft abgegolten sind oder gegen Sonderentgelt und damit im Leistungsaustausch erbracht werden. Nur im zweiten Fall ist die Leistung des Geschäftsführers umsatzsteuerbar, wenn seine Tätigkeit zudem nach den oben genannten Kriterien als selbstständig zu werten ist.
    Die Steuerbarkeit der Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen setzt das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen Leistung und erlangtem Sonderentgelt voraus (BFH 6.6.02, a.a.O.; BFH 16.1.03, BStBl II, 732). Bedeutungslos bleibt für die Beurteilung aber, wie die Gegenleistung vertraglich bezeichnet wird (z.B. "Aufwendungsersatz", "Umsatzbeteiligung", "Kostenerstattung" o.ä.). Ein "Gewinnvorab", den der Gesellschafter-Geschäftsführer im Rahmen der Ergebnisverwendung aus dem Bilanzgewinn erhält, ist grundsätzlich kein umsatzsteuerlich relevantes Sonderentgelt im vorgenannten Sinne. Ein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch liegt demgegenüber bei einer gesonderten Vergütung für die Geschäftsführungs- und Vertretungstätigkeit vor, wenn diese im Rahmen der Ergebnisermittlung in der Handelsbilanz als Aufwand behandelt wird. Dies gilt selbst dann, wenn diese Vergütung als "Gewinnvorab" bezeichnet wurde. Unerheblich ist bei dieser Betrachtung, dass der Gesellschafter bei der Tätigkeit zugleich seine Mitgliedschaftsrechte ausübt.
    Selbst gewinnabhängige Vergütungen können ein zur Steuerbarkeit führendes Sonderentgelt darstellen, wenn sie nicht nach den vermuteten, sondern nach den tatsächlich erbrachten Gesellschafterleistungen bemessen werden (z.B. für Gesellschafterbeiträge gegenüber Arbeitsgemeinschaften des Baugewerbes).
    Wird neben einem Sonderentgelt für die Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen auch eine gewinnabhängige Vergütung gezahlt ("Mischentgelt"), so sind beide Komponenten getrennt zu beurteilen: Während das Sonderentgelt als umsatzsteuerbares Entgelt gilt, scheidet die Steuerbarkeit für den gewinnabhängigen Vergütungsteil aus.
    Neben den Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen kann auch bei anderen gesellschaftsrechtlich zu erbringenden Leistungen bei Zahlung eines Sonderentgelts ein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch anzunehmen sein. Bei einer Haftungsvergütung, die ein Gesellschafter von seiner Gesellschaft erhält, ist ein solcher jedoch grundsätzlich zu verneinen.
    1.4 Anwendung
    Die neuen Rechtsprechungsgrundsätze sind auf nach dem 31.3.04 ausgeführte Leistungen anzuwenden. Vor diesem Zeitpunkt kann dies auf Antrag des Steuerpflichtigen erfolgen, jedoch nur, soweit nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 UStG die entsprechende Umsatzsteuer noch festgesetzt werden kann.
    2. Anmerkungen und Praxishinweise
    Bislang reduzierte sich die Verlautbarung der Finanzverwaltung zur Umsatzbesteuerung der Geschäftsführungsvergütung auf die Allgemeinaussage der Anerkennung der Rechtsprechungsänderung. Auf Drängen der Kammern und Verbände hat das BMF nun auch im Detail Stellung bezogen.
    2.1 Zur Selbstständigkeit
    Nach dem BMF-Schreiben soll die umsatzsteuerliche Einordnung einer Geschäftsführungstätigkeit grundsätzlich im Einvernehmen mit der ertragsteuerlichen Abgrenzung erfolgen. Erzielt der geschäftsführende Gesellschafter demnach als Mitunternehmer Gewinneinkünfte, so indiziert dies die Selbstständigkeit, so dass sich die eventuelle Umsatzbesteuerung in diesen Fällen letztlich an der Vergütungsfrage entscheidet. Umgekehrt lässt der Bezug von Einkünften i.S. von § 19 EStG auch umsatzsteuerlich auf den Charakter der Unselbstständigkeit i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG schließen. Diese Anknüpfung an die ertragsteuerliche Einkunftsart soll jedoch offenbar nicht ausnahmslos gelten, denn in seinen Ausführungen zum Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft relativiert das BMF seine zuvor getroffene Aussage zur Maßgeblichkeit der ertragsteuerlichen Zuordnung durch den Zusatz "vor allem".
    Beispiel 1
    G ist einziger Kommanditist der G-GmbH & Co. KG und zugleich Alleingesellschafter der Komplementär-GmbH. Die GmbH nimmt für die KG die Geschäftsführungsaufgaben wahr und erhält hierfür von der KG eine Vergütung von 100.000 EUR jährlich. Die GmbH hat mit den Geschäftsführungsaufgaben G betraut, der ausweislich seines Dienstvertrags hierfür jährlich 90.000 EUR von der GmbH erhält.
    Nach ständiger Rechtsprechung (z.B. BFH 2.8.60, BStBl III, 408) wird die Geschäftsführungsvergütung des G als Sonderbetriebseinnahme i.S. von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG umqualifiziert. Trotz dieser ertragsteuerlichen Würdigung als "mitunternehmerische Einkünfte" liegt m.E. umsatzsteuerlich bei G Nichtselbstständigkeit vor, denn als Geschäftsführer der GmbH ist G weisungsgebunden i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG, während die GmbH ihre Vergütung von 100.000 EUR der Umsatzsteuer zu unterwerfen hat.
    Die Zuordnung der an den Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft gezahlten Vergütung zum nichtselbstständigen Bereich ist m.E. zwingend und dürfte auch von der Rechtsprechung geteilt werden: Das FG Köln ist in seiner Entscheidung vom 30.4.03 (DStRE 03, 1409) zum selben Ergebnis gekommen und hat dies mit der Organstellung des Geschäftsführers begründet. Auch der Umstand, dass im entschiedenen Sachverhalt der Geschäftsführer frei über Ort, Zeit und Umfang seiner Tätigkeit entscheiden konnte und vorwiegend projektbezogen tätig wurde, rechtfertigte für das FG keine andere Entscheidung. Es hielt jedoch gegebenenfalls eine Selbstständigkeit des GmbH-Geschäftsführers für denkbar, wenn dieser - abweichend vom Normalstatut der GmbH in § 37 Abs. 1 GmbHG - von Weisungen der Gesellschaft umfassend freigestellt worden wäre.
    Auch in folgendem Fall können nach dem aktuellen BMF-Schreiben Probleme bei der umsatzsteuerlichen Abgrenzung zwischen selbstständiger und unselbstständiger Tätigkeit auftreten:
    Beispiel 2
    Wie Beispiel 1, die GmbH & Co. KG ist in der Versicherungsbranche tätig. Daher soll die Umsatzsteuerpflicht der Geschäftsführungsvergütung gestalterisch noch vor dem 31.3.04 vermieden werden, weil die zusätzliche Umsatzsteuerbelastung keine korrespondierende Vorsteuer der KG nach sich zieht. Nach Rücksprache mit dem Steuerberater wird der Gesellschaftsvertrag geändert: Die GmbH behält zwar ihre Geschäftsführungskompetenz, sie erhält hierfür jedoch nur noch eine Tätigkeitsvergütung von 10.000 EUR pro Jahr. Neben der Komplementärin wird nun gesellschaftsvertraglich auch dem Kommanditisten Vertretungs- und Geschäftsführungskompetenz - durch Einräumung entsprechender Handlungsvollmacht (vgl. §§ 164 u. 170 HGB) - übertragen. Hierzu schließt die KG mit ihrem Kommanditisten einen gesonderten Anstellungsvertrag ab, der eine Jahresvergütung von 90.000 EUR vorsieht.
    Das von den Beteiligten gewünschte Ziel ist klar: Die der Komplementär-GmbH zufließende Jahresvergütung von 10.000 EUR soll auf Grund der Kleinunternehmerschwelle umsatzsteuerlich unbelastet bleiben (§ 19 Abs. 1 UStG). Die Tätigkeit des G soll zudem durch den Anstellungsvertrag als unselbstständig i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu werten sein. Offenbar scheint die Finanzverwaltung aber hier nicht mitspielen zu wollen: Da G trotz des Anstellungsvertrages "mitunternehmerische Einkünfte" i.S. von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG erzielt, will die Finanzverwaltung diese ertragsteuerliche Einordnung nun offenbar auch umsatzsteuerlich als Indiz für die Selbstständigkeit i.S. von § 2 UStG werten. Das heißt, auf den Anstellungsvertrag würde es dann nicht mehr ankommen und die 90.000 EUR wären umsatzsteuerpflichtig.
    M.E. ist diese Interpretation allerdings nicht zu halten, denn die Tätigkeit des G ist umsatzsteuerlich eindeutig als unselbstständig zu werten - daran darf systematisch die ertragsteuerliche Einordnung der Einkünfte nichts ändern. Eine entsprechende Auffassung hatte das BMF sogar in seinem Schreiben vom 13.12.02 (GStB 03, R 7) noch ausdrücklich vertreten.
    Anders als bei einer natürlichen Person ist die von einer GmbH als Gesellschafter ausgeübte Geschäftsführungstätigkeit grundsätzlich als selbstständig zu werten - unabhängig davon, ob die Gesellschaft, deren Geschäfte sie führt, eine Personen- oder Kapitalgesellschaft ist. Durchbrochen wird dieser Grundsatz der Selbstständigkeit einer juristischen Person nur bei der Organschaft i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Die Finanzverwaltung hält allerdings an ihrer Auffassung fest, dass die an einer KG beteiligte Komplementär-GmbH nicht als Organgesellschaft in das Unternehmen der KG eingegliedert sein kann. Demnach liegt bei der Geschäftsführung eine umsatzsteuerbare Leistung der Komplementär-GmbH an die KG vor.
    Das BMF begründet seine Haltung mit der BFH-Entscheidung vom 14.12.78 (BStBl II 79, 288). In der Literatur wird in diesen Fällen dagegen nahezu ausschließlich die Organschaft bejaht (z.B. Heidner, DStR 02, 1890), so dass die Geschäftsführungsleistung der GmbH nicht umsatzsteuerbar wäre. M.E. ist dieser Auffassung mit Blick auf die BFH-Urteile vom 17.1.02 (BStBl II, 373) und vom 20.1.99 (BFH/NV 99, 1136) zuzustimmen. Hier hat der BFH die organisatorische bzw. die finanzielle Eingliederung bejaht. Die wirtschaftliche Eingliederung dürfte angesichts der gegenseitigen wirtschaftlichen Beziehungen von KG und Komplementär-GmbH ebenfalls gegeben sein. Die wünschenswerte Klärung könnte insofern das vor dem BFH anhängige Revisionsverfahren V R 31/03 bringen.
    Die Haltung des BMF kann in einigen Fällen zu großen Steuernachteilen führen, so dass sie nicht immer klaglos hingenommen werden sollte.
    Beispiel 3
    G ist einziger Kommanditist der G-GmbH & Co. KG und zugleich Alleingesellschafter der Komplementär-GmbH. Die GmbH nimmt für die KG die Geschäftsführungsaufgaben wahr und erhält hierfür ein festes Entgelt. Die GmbH hat mit den Geschäftsführungsaufgaben G betraut, der hierfür jährlich 100.000 EUR von der GmbH erhält. Die KG erbringt ausschließlich steuerfreie, den Vorsteuerabzug ausschließende Umsätze.
    Ohne Organschaft ist die Geschäftsführungsleistung der Komplementär-GmbH umsatzsteuerbar und -pflichtig, ohne dass die KG einen entsprechenden Vorsteuerabzug hat.
    2.2 Zu Leistungen eines Gesellschafters an die Gesellschaft
    Einer der zentralen - bislang offenen - Streitpunkte war die Frage, wann die Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen als gewinnabhängig (nicht umsatzsteuerbar) oder gewinnunabhängig und damit umsatzsteuerbar gewertet werden müssen. Dies galt insbesondere für das "Gewinnvorab". Wie bereits zu vermuten, hat die Finanzverwaltung auch hier die ertragsteuerliche Sichtweise für die Umsatzsteuer zum Vorbild genommen: Am 13.10.98 hat der BFH zu § 15a EStG entschieden (BStBl II 99, 284), dass für die Abgrenzung zwischen "Gewinnvorab" und gesonderter Tätigkeitsvergütung unerheblich bleibe, ob die Vergütung auf einer gesonderten schuldrechtlichen Vertragsbeziehung basiere oder bereits im Gesellschaftsvertrag geregelt sei. Entscheidend sei vielmehr, ob die Vergütung nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags "handelsrechtlich stets als Unkosten" zu verbuchen und damit auch in Jahren zu zahlen sei, in denen ein Verlust erwirtschaftet werde. Das BMF wendet diese Urteilsgrundsätze entsprechend auch für die umsatzsteuerliche Abgrenzung an. Die Rechtslage für die Personenhandelsgesellschaften ist damit geklärt. Entsprechende Anpassungen oder Änderungen des Gesellschaftsvertrages sind bis zum 31.3.04 ratsam. Handelt es sich bei dem Unternehmen um eine KG, so sollten bei einer Vertragsumstellung aber auch die kongruenten ertragsteuerlichen Folgen für § 15a EStG im Auge behalten werden (Steuerlast auf die Sonderbetriebseinnahmen auch in Verlustjahren, wenn nicht-ausgleichsfähige Verluste i.S. von § 15a EStG vorliegen).
    Bei den Personenhandelsgesellschaften stellt die Gewinnzuweisung häufig (auch) eine Verzinsung für das jeweils eingebrachte Eigenkapital dar. Bringt ein Gesellschafter darüber hinaus auch seine Arbeitskraft aktiv in den betrieblichen Alltag ein, so wird dies daher regelmäßig zusätzlich vergütet - zumindest dann, wenn dieser Arbeitseinsatz in unterschiedlicher Qualität oder Intensität oder nicht von allen Gesellschaftern gleichermaßen erbracht wird. Hiervon weicht die Betriebssituation bei freiberuflichen Sozietäten grundlegend ab: Statt der Verzinsung des Eigenkapitals dominiert hier die geistige Arbeitsleistung der (aller) Gesellschafter (gleichermaßen). Fraglich ist daher, inwieweit die neuen Recht-sprechungsgrundsätze auf freiberufliche Sozietäten übertragbar sind - das BMF-Schreiben enthält hierzu keine Ausführungen.
    Vorab ist zu bemerken, dass man zum Beispiel bei einer Steuerberatungs- oder Rechtsanwaltssozietät zwar die Anmietung neuer Büroräume, den Einkauf von Einrichtungsgegenständen oder den Abschluss eines Arbeitsvertrags mit einer Bürokraft umgangssprachlich unter den Begriff der "Geschäftsführungs- und Vertretungstätigkeit" fassen wird, wohl weniger jedoch die alltägliche Rechtsberatung der einzelnen Sozien gegenüber ihren Mandanten. Juristisch betrachtet sind jedoch auch letztere Handlungen Ausfluss der Vertretungskompetenz. Zudem hat das BMF (in anderem Zusammenhang) in seinem jüngsten Schreiben klargestellt, dass neben den Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen auch "andere gesellschaftsrechtlich" zu erbringende Leistungen der Gesellschafter an die Gesellschaft der geänderten Rechtsprechung unterfallen. Insofern sind zahlreiche Fallgestaltungen denkbar:
    Beispiel 4a
    A, B und C betreiben eine Steuerberatungskanzlei in der Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft. Der Jahresgewinn wird nach Köpfen verteilt.
    Die Ergebniszuteilung erfolgt insgesamt im Rahmen der Gewinnverteilung; die Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen sind wegen ihrer ausschließlichen Gewinnabhängigkeit nicht umsatzsteuerbar.
    Beispiel 4b
    Wie 4a, für ihre Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft erhalten die Gesellschafter eine feste Tätigkeitsvergütung (A und B je 80.000 EUR und C 50.000 EUR jährlich). Der sich nach Abzug dieser Ausgaben ergebende Jahresgewinn/-verlust wird nach Köpfen verteilt.
    Die Tätigkeitsvergütung ist m.E. ein umsatzsteuerpflichtiges Sonderentgelt. Dies gilt zumindest dann, wenn - wie hier - der für die Gesellschaft zur Gewinnverteilung zur Verfügung stehende Jahresgewinn/-verlust sich erst nach Abzug der garantierten Tätigkeitsvergütungen ergibt. Insofern ist die Verfahrensweise nämlich der "in der Handelsbilanz als Aufwand verbuchten" Tätigkeitsvergütung der Personenhandelsgesellschaften ähnlich, da die Vereinbarung die Zuweisung der Tätigkeitsvergütung auch in Verlustjahren garantiert. Der durch Verteilung nach Köpfen zugewiesene Jahresgewinn/-verlustanteil ist demgegenüber nicht umsatzsteuerbar. Das BMF hat insofern klargestellt, dass bei einem so genannten "Mischentgelt" eine getrennte umsatzsteuerliche Beurteilung vorzunehmen ist.
    Beispiel 4c
    Wie 4a, nach dem Gesellschaftsvertrag ist aber am Jahresende eine Auflistung jener Ertragsbeiträge zu erstellen, die die einzelnen Sozien aus den von ihnen betreuten Mandaten jeweils zum gemeinsamen Gesamtergebnis beigesteuert haben. Anhand des sich danach jährlich neu errechnenden "Profit-Schlüssels" erhält jeder Sozius eine seinem Ertragsbeitrag entsprechende Tätigkeitsvergütung zugewiese
    Die Tätigkeitsvergütung ist ausschließlich gewinnabhängig, denn der jährlich schwankende "Profit-Schlüssel" wird - ohne garantiertes "Fixum" - für alle Gesellschafter auf den Jahresgewinn oder -verlust angewandt. Wegen dieser Gewinnabhängigkeit kann daher grundsätzlich kein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch vorliegen. In den Ausführungen des jüngsten BMF-Schreibens findet sich jedoch die Aussage, "auch gewinnabhängige Vergütungen können ein zur Steuerbarkeit führendes Sonderentgelt darstellen, wenn sie sich nicht nach den vermuteten, sondern nach den tatsächlich erbrachten Gesellschafterleistungen bemessen". Diese Aussage ist zwar abstrakt formuliert und steht wohl im Zusammenhang mit der Neubeurteilung bei den Arbeitsgemeinschaften des Baugewerbes ("Das gilt z.B. für ... Arbeitsgemeinschaften des Baugewerbes"). Das BMF-Schreiben enthält jedoch keine Einschränkung derart, dass dieser Passus auf freiberufliche Sozietäten nicht anzuwenden ist. Nach dem Wortlaut muss daher bis zu einem eventuellen Dementi des BMF davon ausgegangen werden, dass die Finanzverwaltung in der Variante 4c eine Umsatzsteuerpflicht der rein erfolgsabhängigen Tätigkeitsvergütung bejaht.
    Auch zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Arbeitsgemeinschaften des Baugewerbes hat die Finanzverwaltung ihre bisherige Sichtweise überarbeitet. Nach bisheriger Auffassung war bei dem Tätigwerden eines geschäftsführenden Gesellschafters einer Arbeitsgemeinschaft zu unterscheiden, ob sich die jeweilige Handlung darin erschöpfte, die eigene gesellschaftsrechtliche Rechtsposition wahrzunehmen (nicht-steuerbar) oder demgegenüber eine andersartige Leistung an die ARGE gegen Sonderentgelt zu erbringen (umsatzsteuerbar). Diese Abgrenzung war stets eine schwierige Einzelfallentscheidung.
    Die bauwirtschaftlichen Spitzenverbände hatten einen "Muster-Arbeitsgemeinschaftsvertrag" entwickelt, der u.a. auch die verschiedenen Bereiche der Geschäftsführungsaufgaben beschreibt und abgrenzt (technische oder kaufmännische Geschäftsführung, Bauleitung). Aus Vereinfachungsgründen hatte das BMF bislang zugelassen, bei sämtlichen der in §§ 7-9 des Muster-Arbeitsgemeinschaftsvertrags aufgeführten Tätigkeiten von nicht-steuerbaren Leistungen auszugehen. Der Vorsteuerabzug des geschäftsführenden Gesellschafters blieb dabei ungekürzt, da das BMF unterstellte, sämtliche Leistungsbezüge - auch die der Geschäftsführung zuzuordnenden - dienten dem eigenen Bauunternehmen des geschäftsführenden Gesellschafters (vgl. BMF 12.9.88, UR 88, 362; erweitert auf Arbeitsgemeinschaften außerhalb der Baubranche: BMF 11.11.99, UR 00,127). Im vorliegenden Schreiben verfügt das BMF nun, dass bei Gesellschafterbeiträgen gegenüber Arbeitsgemeinschaften des Baugewerbes auch gewinnabhängige Vergütungen ein zur Steuerbarkeit führendes Sonderentgelt darstellen können, wenn sie sich nicht nach den vermuteten, sondern nach den tatsächlich erbrachten Gesellschafterleistungen bemessen.
    Kontrovers diskutiert wurde in der Literatur bislang auch die Frage, ob bei einer GmbH & Co. KG die der Komplementär-GmbH gezahlte Haftungsvergütung auch von der neuen Rechtsprechung berührt sei. Während die Kommentatoren dies überwiegend bejahten, aber eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 8g UStG (mit Optionsmöglichkeit) annahmen, ist das BMF der Auffassung, die Haftungsvergütung werde nicht im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustausches erbracht. Die Frage der Haftungsvergütung war insofern von Belang, als bei bejahter Steuerfreiheit der Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen der GmbH gegebenenfalls hätte gekürzt werden müssen. Nach der Verneinung der Steuerbarkeit durch das BMF ist diese Frage für die Haftungsvergütung nicht mehr akut, wohl aber für andere Leistungsarten. Regelmäßig wird zum Beispiel in der Praxis das in die GmbH eingezahlte Stammkapital der KG darlehensweise zur Verfügung gestellt, so dass hierbei § 4 Nr. 8a UStG einschlägig ist. Der drohenden Vorsteuerkürzung nach § 15 Abs. 2 u. 4 UStG kann die Komplementär-GmbH jedoch durch eine Option zur Umsatzsteuerpflicht i.S. von § 9 UStG entgehen.
    2.3 Zu den Anwendungsgrundsätzen
    Das BMF hat die Übergangsregelung bis zum 31.3.04 verlängert. Sie ermöglicht es den Beteiligten damit, durch die Anpassung ihrer Vertragsbeziehungen an die neuen Grundsätze das optimale steuerliche Ergebnis zu erzielen. Dabei ist Folgendes zu berücksichtigen: Sofern die Geschäftsführungsleistungen steuerbar und steuerpflichtig werden, führt dies regelmäßig zum korrespondierenden Vorsteuerabzug der Personengesellschaft und zur Vorsteuerabzugsberechtigung des betroffenen Geschäftsführers. Bei Gesellschaften mit vorsteuerschädlichen Umsätzen (z.B. Versicherungsunternehmen) ist die neue Rechtslage indes nachteilig, denn es entsteht kein korrespondierender Vorsteuerabzug der Personengesellschaft. Zur Vermeidung dieser Folgen sind gegebenenfalls folgende Maßnahmen angezeigt:
    =>Geschäftsführervergütung gewinnabhängig ausgestalten oder unter die Grenzen des § 19 Abs. 1 UStG absenken,
    =>Begründung der Unselbstständigkeit des Geschäftsführers (Anstellungsvertrag; siehe aber Beispiel 2).
    Bei Personengesellschaften mit vorsteuerunschädlichen Umsätzen ist es dagegen oft von Vorteil, die Geschäftsführungsleistungen mit Umsatzsteuer zu belegen. Um dieses Ergebnis zu erreichen, sind gegebenenfalls folgende Maßnahmen ratsam:
    =>Gewährung der Geschäftsführungsvergütung als gewinnunabhängiges Sonderentgelt,
    =>Sicherstellung des Status der "Selbstständigkeit" des Geschäftsführers (bei natürlicher Person: kein Anstellungsvertrag).
    Die Vorteile für den geschäftsführenden Gesellschafter können - im Einzelfall - beachtlich sein:
    Beispiel 5
    G ist einziger Kommanditist der G-GmbH & Co. KG und zugleich Alleingesellschafter der Komplementär-GmbH, die die Geschäfte führt. Die G-GmbH & Co. KG tätigt nur umsatzsteuerpflichtige Geschäfte. G plant aktuell die Errichtung eines Eigenheims für 400.000 EUR. Im Seitentrakt dieses Gebäudes will er einen Arbeitsbereich mit eigenem Eingang einrichten, um abends und am Wochenende noch Büroarbeiten für den Betrieb abzuwickeln und Geschäftskunden zu empfangen. Bislang geht er keiner selbstständigen Tätigkeit nach.
    Überträgt die KG durch Änderung ihres Gesellschaftsvertrags die Geschäftsführungsaufgaben von der Komplementär-GmbH auf ihren Kommanditisten G (durch Einräumung entsprechender Handlungsvollmacht, vgl. §§ 164 u. 170 HGB) gegen entsprechende Vergütung, so wandelt sich dadurch die bislang nichtselbstständig ausgeübte Tätigkeit des G in eine selbstständige Tätigkeit um. G erlangt dadurch Unternehmereigenschaft und das grundsätzliche Recht auf Vorsteuerabzug.
    Da er Teile des geplanten Einfamilienhauses für die Geschäftsführertätigkeit verwenden möchte, kann er aus dem entsprechenden Flächenanteil die Vorsteuer aus Herstellungskosten und laufenden Kosten geltend machen. Auf Grund der jüngsten EuGH- bzw. BFH-Rechtsprechung ist der Vorsteuerabzug sogar zu 100 Prozent möglich, wenn er das Gesamtgebäude seinem Unternehmensvermögen zuordnet und den Privatnutzungsanteil jährlich umsatzversteuert. Voraussetzung hierfür ist lediglich, dass der unternehmensbezogene Gebäudeanteil mindestens zehn Prozent des Gesamtgebäudes ausmacht (§ 15 Abs. 1 S. 2 UStG). Die Finanzverwaltung hat diesem Modell zwar noch nicht offiziell ihre Zustimmung erteilt, aber die Rechtslage ist insofern eindeutig (vgl. ausführlich GStB 03, 317 u. 436). Durch diese Gestaltung führt eine simple und aufkommensneutrale Umstellung der Geschäftsführungskompetenz zu zusätzlicher Vorsteuer von über 50.000 EUR!
    Hinweis: Auf einen Anstellungsvertrag zwischen G und der KG sollte verzichtet werden, auch wenn das BMF die Tätigkeit des G offenbar trotz eines solchen Vertrages als selbstständig werten würde (vgl. Beispiel 2).
    Neben den vorgenannten zukunftsorientierten Gestaltungen erlaubt das BMF durch die wahlweise Anwendung der neuen Rechtslage in Altjahren auch vergangenheitsbezogene Umstellungen. Im Einzelfall muss durchgerechnet werden, ob dies Sinn macht. In GStB 04, 59 wurde insoweit bereits auf die Gestaltung aufmerksam gemacht, man solle die Geschäftsführungsvergütung für die vergangenen 30 Jahre nachträglich mit Umsatzsteuer belegen, da dies Vorsteuer bei der Gesellschaft entstehen lasse, aber die korrespondierende Umsatzsteuer vom FA wegen eingetretener Festsetzungsverjährung überwiegend nicht mehr erhoben werden könne. Allerdings wurde auch gleichzeitig darauf hingewiesen, dass das Modell - wenn überhaupt - wohl nur im Klageweg durchgesetzt werden kann, da das BMF eine rückwirkende Anwendung der geänderten Rechtsprechung nur für solche Jahre zulassen will, bei denen die entsprechende Umsatzsteuer auch noch festgesetzt werden kann.
    Eine rückwirkende Versteuerung ist ansonsten eher nachteilig, da die vom FA nachgeforderte Umsatzsteuer verzinst wird (§ 233a AO), während der korrespondierende Vorsteuerabzug erst aktuell - und damit unverzinst - auflebt. Da müsste sich bei den Beteiligten - wie im obigen Beispiel 5 - schon für die Vergangenheit erhebliches Vorsteuerpotenzial auftun.
    Zu guter Letzt soll noch auf zwei Punkte zur Rechnungsausstellung hingewiesen werden: Der Geschäftsführungsvertrag gilt für Zwecke des Vorsteuerabzugs als "Dauerrechnung". Daher muss der ab 1.1.04 abgeschlossene Geschäftsführungsvertrag nach neuem Recht sowohl Steuernummer bzw. Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (zwingend ab 1.1.04, vgl. GStB 04, 54) des Leistungserbringenden sowie eine fortlaufende Rechnungsnummer oder zumindest eine "Kundennummer" enthalten. Lediglich bei vor dem 1.1.04 abgeschlossenen Altverträgen will die Finanzverwaltung auf den nachträglichen Zusatz dieser beiden Rechnungspflichtangaben verzichten (vgl. BMF 29.1.04, Az. IV B 7 - S 7280 - 19/04, Rz. 40 u. 43). Auch den bislang schwelenden Streit über die "Konkretisierung des jeweiligen Teilleistungszeitpunkts" (vgl. z.B. FG Köln 20.2.03, EFG 03, 1205) hat das BMF für die "Dauerrechnungen" nun entschärft: Es bedarf - entgegen der BFH-Forderung (7.11.00, BFH/NV 01, 402) - für den Vorsteuerabzug keines Umsatzsteuerausweises in den Überweisungsbelegen des Teilleistungszeitraums (vgl. BMF 29.1.04, a.a.O., Rz. 47).
    Quelle: Gestaltende Steuerberatung - Ausgabe 03/2004, Seite 94
    Quelle: Ausgabe 03 / 2004 | Seite 94 | ID 103911