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  • 01.07.2005 | Bundesverfassungsgericht

    Kindergeld: Sozialversicherungsbeiträge mindern die Einkünfte des Kindes

    von Dipl.-Finw. Dr. Volker Kreft, Richter am Niedersächsischen FG, Bielefeld
    Vielen Steuerbürgern wurde in der Vergangenheit Kindergeld versagt, weil die eigenen Einkünfte der Kinder zu hoch waren. Als besonders ungerecht wurde dabei immer empfunden, dass das Kindergeld auch dann vollständig „gestrichen“ wurde, wenn die schädlichen Einkünfte nur geringfügig über dem Grenzbetrag von aktuell 7.680 EUR lagen. Nun hat das BVerfG mit seinem bürgerfreundlichen Beschluss vom 11.1.05 (2 BvR 167/02, Abruf-Nr. 051397) entschieden, dass Sozialversicherungsbeiträge des Kindes nicht in den Grenzbetrag einbezogen werden dürfen (hierzu ausführlich: Balke, NWB Fach 3, 13455). Dies sollte sich zumindest für Steuerpflichtige lohnen, die ablehnende Bescheide bislang offen gehalten haben. Aber auch für schon bestandskräftige „Altfälle“ besteht zumindest wieder Hoffnung.

     

    Sachverhalt

    Die Beschwerdeführerin bezog bis 1997 für ihren Sohn Kindergeld. Im August 1997 begann der Sohn eine Ausbildung zum Industriemechaniker. Nach Abzug des Arbeitnehmerpauschbetrages in Höhe von 2.000 DM errechnete die Familienkasse im Streitjahr 1998 Einkünfte von 12.489 DM. Da die Freigrenze des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG von damals 12.000 DM überschritten war, setzte sie das Kindergeld ab 1.1.98 auf 0 DM fest. Ein Abzug der Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 3.078 DM erfolgte nicht. Im Klage- und Revisionsverfahren machte die Klägerin geltend, ihr jährlicher Kindergeldanspruch von 2.640 DM dürfe aus verfassungsrechtlichen Gründen nur um den den Grenzbetrag übersteigenden Betrag gekürzt werden – allerdings vergeblich. Erst die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Das BVerfG hob die Entscheidung des BFH auf, da die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG (allgemeiner Gleichheitssatz) verletzt sei. 

     

    Anmerkungen

    Das BVerfG sieht in der Einbeziehung der Sozialversicherungsbeiträge in den Grenzbetrag eine Benachteiligung der unterhaltsverpflichteten Eltern gegenüber Eltern, deren Kinder keine eigenen Bezüge haben. Auch Eltern, deren Kinder solche Mittel beziehen, die noch unterhalb des Grenzbetrages liegen, jedoch dieselbe Höhe erreichen, die sich bei sozialversicherungspflichtigen Einkünften oberhalb der Freigrenze nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge ergeben, würden somit besser behandelt. Das Gericht stellt entscheidend darauf ab, dass die Sozialversicherungsbeiträge keine Entlastungswirkung bei den betroffenen Eltern entfalten. Die Beträge werden vom Arbeitgeber abgeführt und stehen weder dem Kind noch dessen Eltern zur Verfügung. Stelle man aber beim Jahresgrenzbetrag auf Mittel ab, die keine effektive Entlastung bewirken, so werde einer Teilgruppe von Eltern die staatliche Entlastung zweckwidrig verweigert.  

     

    Das BVerfG beendet damit den jahrelangen Streit um die Auslegung des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift sind nur Einkünfte und Bezüge zu berücksichtigen, „die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind“. Der BFH wandte diesen Relativsatz bislang jedoch nur auf die Bezüge des Kindes an, für den Einkünftebegriff sei dagegen allein § 2 Abs. 2 EStG maßgebend mit der Folge, dass Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen unberücksichtigt bleiben. Das BVerfG schloss sich insoweit aber der für den Steuerpflichtigen günstigeren Auffassung des Niedersächsischen FG (16.4.03, EFG 03, 1250) an, wonach diese Einschränkung nicht nur für Bezüge, sondern auch für Einkünfte des Kindes gilt.