04.02.2008 | Europäischer Gerichtshof
Einbehalt einer Anzahlung bei Buchungsstornierung als Schadenersatz
Wird ein Vertragspartner gegen Zahlung einer „Entschädigung“ aus einem bestehenden Vertrag entlassen, wirft dies die Frage auf, ob die „Entschädigung“ umsatzsteuerbares Entgelt oder nicht steuerbaren Schadenersatz darstellt. In einem vom EuGH jüngst zu beurteilenden Fall hatte der Betreiber eines Hotels eine vom Besteller geleistete Anzahlung für eine Hotelreservierung einbehalten, nachdem dieser seine Buchung stornierte. Der EuGH hat diesen Einbehalt als pauschalierten Schadenersatz gewertet und damit eine Belastung des Betrages mit Umsatzsteuer verneint (EuGH 18.7.07, C-277/05, Abruf-Nr. 072892). |
Das Vorlageverfahren
Die französische Gesellschaft G nahm als Betreiberin eines Kurhotels Reservierungen für einen Aufenthalt nur nach Leistung einer Anzahlung vor. Nach französischem Verbraucherschutzrecht hat ein Kunde stets ein Rücktrittsrecht von einer solchen Buchungsvereinbarung, verliert damit zugleich aber auch das bereits geleistete „Angeld“. Infolge einer Außenprüfung unterwarfen die französischen Steuerbehörden diese „verlorenen Anzahlungen“ der Umsatzsteuer, da sie von einem Leistungsaustausch (Vergütung für das exklusive „Bereithalten“ der gebuchten Kapazitäten) ausgingen. Im Einspruchs- und Klageverfahren blieb G erfolglos. In dritter Instanz legte der französische Gerichtshof dem EuGH die Frage vor, ob dem Angeld eine Dienstleistung gegenüberstehe oder ob darin eine pauschalierte Entschädigung für den entstandenen Schaden zu sehen sei. Der EuGH verneinte insofern einen Leistungszusammenhang und damit die Umsatzsteuerbarkeit.
Anmerkungen
Im vorliegenden Fall hatten die beiden Vorinstanzen die Umsatzsteuerpflicht der Anzahlung damit begründet, dem Angeld stehe eine Leistung des Hotels – nämlich das Anlegen einer Gästeakte und die Reservierung eines Aufenthalts – gegenüber. Dieser Sichtweise ist der EuGH jedoch mit überzeugender Begründung entgegengetreten:
Der Abschluss eines Leistungsvertrags sei üblicherweise auch in der Beherbergungsbranche nicht von der Leistung einer Anzahlung abhängig. Der Anzahlung komme daher nicht die Qualität eines konstitutiven, sondern nur eines fakultativen Vertragselements zu. Auch ohne Leistung einer Anzahlung bleibe Aufwand und Verpflichtung des Hoteliers gleich. In beiden Fällen müsse er nämlich eine Gästeakte anlegen und Raumkapazitäten freihalten. Diese anzahlungsunabhängige Notwendigkeit der Zimmerreservierung verdeutliche, dass Angeld und Reservierung nicht als Elemente eines wechselseitigen Leistungsaustauschs eingestuft werden können. Die Reservierungsverpflichtung des Hoteliers ergebe sich vielmehr bereits unmittelbar aus dem Beherbergungsvertrag.
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