01.01.2007 | Europäischer Gerichtshof
„Seeling-Modell“: Herstellungskosten fließen mit 10 v.H. in die Privatnutzungsbesteuerung ein
Seit der EuGH-Entscheidung in der Rechtssache „Seeling“ (EuGH 9.5.03, C-265/00) erfreut sich die volle Zuordnung eines auch privat genutzten Unternehmensgebäudes zum Unternehmensvermögen großer Beliebtheit. Denn die dadurch erlangte höhere Vorsteuer wirkt in der Investitionsphase wie ein zinsloses Darlehen des Fiskus. Entscheidender Faktor bei der Rentabilität dieser Gestaltung ist aber die Frage, mit welchem Anteil die Gebäudeherstellungskosten in die Bemessungsgrundlage der „Privatnutzungsbesteuerung“ einfließen. Der EuGH hat nun klargestellt, dass die 6. EG-RL einer Einbeziehung der Gebäudeherstellungskosten mit jährlich 10 v.H. in die Bemessungsgrundlage in Anlehnung an § 15a UStG nicht entgegen steht (EuGH 14.9.06, C-72/05, Abruf-Nr. 062975). |
Sachverhalt
Die Eheleute M und F errichteten gemeinschaftlich (Anteil je ½) auf gemeinsamem Grundstück in 2003 ein Gebäude. 20,33 v.H. der Immobilie wurden nach Fertigstellung an M umsatzsteuerpflichtig vermietet, der dort seine Anwaltskanzlei betreibt; die anderen Räume dienten den Eheleuten zu eigenen Wohnzwecken. Die M+F-Hausgemeinschaft entschied sich dabei für eine vollumfängliche Zuordnung des Gebäudes zum Unternehmensvermögen und machte den Vorsteuerabzug aus den Gebäudeerrichtungskosten ungekürzt geltend. Die Privatnutzung unterwarf sie der Umsatzbesteuerung, ließ dabei aber die Herstellungskosten des Gebäudes nur mit einer jährlichen AfA von 2 v.H. in die Bemessungsgrundlage einfließen. Das FA bezog demgegenüber – in Anlehnung an den Korrekturzeitraum i.S. von § 15a UStG – 10 v.H. der Herstellungskosten ein. Das FG legte dann im weiteren Verfahren dem EuGH die Frage vor, wie der Begriff der „Ausgaben“ in Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c) der 6. EG-RL auszulegen sei. Der EuGH kam zu dem Ergebnis, das Gemeinschaftsrecht stehe einer Anlehnung an die jährliche Vorsteuerkorrekturquote i.S. von Art. 20 der 6. EG-RL (§ 15a UStG) nicht entgegen.
Anmerkungen und Praxishinweise
Nach früherer Verwaltungsauffassung war hinsichtlich der Bemessungsgrundlage bei unentgeltlichen Wertabgaben „…grundsätzlich von den bei der Einkommensteuer zugrunde gelegten Kosten auszugehen…“ (A. 155 Abs. 2 S. 2 UStR 2000). Hinsichtlich der Gebäudeherstellungskosten war damit die ertragsteuerliche Regelabschreibung von 2 v.H. jährlich maßgebend (A. 158 Abs. 3 S. 2 UStR 2000). Seit der „Seeling-Entscheidung“ des EuGH hat die Finanzverwaltung insofern jedoch 10 v.H. der Gebäudeherstellungskosten angesetzt, wenn der Unternehmer unter Hinweis auf die EuGH-Rechtsprechung auch hinsichtlich der außerunternehmerisch genutzten Flächen den Vorsteuerabzug geltend macht (BMF 13.4.04, BStBl I, 468).
Mit Wirkung ab 1.7.04 bestimmt der durch das EU-Richtlinienumsetzungsgesetz modifizierte § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG, dass die Anschaffungs- oder Herstellungskosten jener Wirtschaftsgüter auf den sich nach § 15a UStG ergebenden Zeitraum zu verteilen sind. Insofern hat der EuGH nun die Befugnis Deutschlands ausdrücklich bestätigt, in § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG eine an den Zehnjahreszeitraum in § 15a UStG angelehnte Investitionskostenverteilung für Zwecke der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage vorzunehmen.
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