30.09.2009 | FG Niedersachsen
Vorsteueraufteilung nach Ausgangsumsätzen: Gesetzesverschärfung ist EU-rechtswidrig
von Georg Nieskoven, Troisdorf
Aus Eingangsleistungen für teils vorsteuerschädlich, teils vorsteuerunschädlich genutzte Gebäude ist der Vorsteuerabzug nur anteilig möglich. Hierzu schreibt § 15 Abs. 4 S. 3 UStG allerdings vor, dass eine Aufteilung der Vorsteuerbeträge anhand der mit dem Gebäude erwirtschafteten Ausgangsumsätze nur dann zulässig ist, wenn sich eine andere wirtschaftliche Zurechnung - z.B. nach Flächenrelationen - nicht finden lässt. Das FG Niedersachsen hat diese zum 1.1.04 eingeführte Gesetzesverschärfung nun als gemeinschaftsrechtswidrig eingestuft (FG Niedersachsen 23.4.09, 16 K 271/06, Abruf-Nr. 092187). Die Auswirkungen auf die Praxis werden nachfolgend dargestellt. |
Sachverhalt
Vermieterin V errichtete in 2003/2004 ein Wohn- und Geschäftshaus, das nach Fertigstellung Ende 2004 teils umsatzsteuerfrei zu Wohnzwecken und teils umsatzsteuerpflichtig als Geschäftsräume vermietet wurde. Der Flächenanteil der Gewerberäume belief sich auf 34,4 %. Im Zuge der Gebäudeplanung hatte V in 2003 mit einem Mietumsatzanteil von 54,07 % bezüglich der Gewerbeflächen kalkuliert. Nach Abschluss der schrittweisen Vermietung in 2005 ergab sich letztlich ein Umsatzanteil der Gewerbeflächen von nur noch 45,24 %. Die für das Jahr 2004 angefallenen Vorsteuerbeträge teilte V - soweit nicht zuordenbar - nach den in 2003 erwarteten Nettomieterlösen auf und machte demnach 241.480 EUR (54,07 % von 446.600 EUR) geltend. Im Zuge einer USt-Sonderprüfung vertrat das FA unter Hinweis auf § 15 Abs. 4 S. 3 UStG die Ansicht, ab 2004 sei der Umsatzaufteilungsschlüssel unzulässig; für 2004 müsse daher nach Flächenanteilen aufgeteilt werden. Außerdem ergebe sich bezüglich der noch nach Umsatzverhältnissen aufgeteilten Vorsteuerbeträge aus 2003 ab der Ende 2004 einsetzenden Erstvermietung eine Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG. Hiergegen wehrte sich die V im Klageverfahren mit Erfolg.
Anmerkungen zur Entscheidung
Das FG stellt zunächst klar, dem Unternehmer stehe gemäß § 15 Abs. 4 S. 2 UStG die Entscheidungsfreiheit zu, hinsichtlich einer notwendigen Vorsteueraufteilung eine Schätzungsmethode zu wählen. Die Finanzverwaltung habe insofern nur das Recht zu prüfen, ob die gewählte Aufteilungsmethode „sachgerecht" sei. Die BFH-Rechtsprechung habe in der Vergangenheit schon gegen den Widerstand der Finanzverwaltung die Zulässigkeit des Umsatzschlüssels als Aufteilungsmaßstab bestätigt (so schon BFH 12.3.92, V R 70/87, BStBl II 92, 755). Der Gesetzgeber habe daraufhin zwar zum 1.1.04 mit der hier umstrittenen Gesetzesänderung eine Subsidiarität des Umsatzaufteilungsschlüssels verfügt. Damit sei er aber über die ihm gemeinschaftsrechtlich eingeräumte Regelungskompetenz hinausgegangen.
Art. 19 Abs. 1 der 6. EG-RL sehe den Umsatzschlüssel nämlich als Regelaufteilungsmaßstab vor, während § 15 Abs. 4 S. 3 UStG genau entgegengesetzt die Aufteilung nach Umsätzen zur Ausnahme ohne faktischen Anwendungsbereich degradiere. Zwar ermächtige Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-RL die Mitgliedsstaaten ausdrücklich, vom Umsatzschlüssel als Regelaufteilungsmaßstab abzuweichen. Die Abweichungsmöglichkeiten seien aber in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. a) bis e) der 6. EG-RL abschließend aufgezählt und keine der dortigen Varianten enthalte nach dem Auslegungsverständnis des FG einen Ausschluss oder die Subsidiarität des Umsatzaufteilungsschlüssels.
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