02.08.2010 | Gesellschaftsrecht
Haftungsrisiken bei einer KG nicht unterschätzen: Auch der Kommanditist ist in Gefahr!
von RA Dr. Jochen Blöse, MBA, Mediator (CfM), FA für Handels- und Gesellschaftsrecht, Köln
Die GmbH & Co. KG ist in der Praxis eine äußerst beliebte Rechtsform. Die Gesellschafter, die sich für eine solche Gestaltung entscheiden, gehen jedoch oft fälschlicherweise davon aus, dass sich ihr wirtschaftliches Engagement auf die Leistung der Kommanditeinlage und der Stammeinlage in die Komplementär-GmbH beschränkt. Dabei wird regelmäßig übersehen, dass auch den Kommanditisten eine - unter Umständen sogar unbeschränkte - Außenhaftung treffen kann. Was hier alles „schiefgehen“ kann, wird nachfolgend anhand typischer Praxisfälle erläutert.
1. Allgemeines zur Haftung in der KG
Hinsichtlich der Haftung einer und in einer KG gilt prinzipiell, dass den Gläubigern die KG mit ihrem Gesellschaftsvermögen sowie der Komplementär persönlich und unbeschränkt mit seinem Vermögen haften. Kommanditisten sind hingegen von einer Außenhaftung frei, wenn sie als solche im Handelsregister eingetragen sind, sie ihre Kommanditeinlage vollständig und wirksam erbracht haben und ihnen die Kommanditeinlage auch nicht zurückgezahlt wurde. Nur wenn diese drei Voraussetzungen kumulativ gegeben sind, greift diese Haftungsprivilegierung.
2. Kommanditistenhaftung vor Eintragung
Insofern sind zwei Fälle zu unterscheiden, nämlich
- die Haftung vor Eintragung bei einer Neugründung und
- die Haftung beim Eintritt in eine bereits bestehende KG.
Beispiel |
A und B kennen sich seit vielen Jahren, da sie im selben Unternehmen angestellt waren. Nachdem sie lange und häufig darüber gesprochen haben, sich selbstständig zu machen, haben sie diesen Entschluss endlich in die Tat umgesetzt. Auf Anraten ihrer Steuerberaterin gründen sie ihr Unternehmen in der Rechtsform der GmbH & Co. KG. An der Komplementär-GmbH sind sie jeweils mit einer Stammeinlage von 12.500 EUR beteiligt, und sie sind auch beide Geschäftsführer der Gesellschaft. Auf Ebene der KG haben sie sich zur Leistung einer Kommanditeinlage von ebenfalls je 12.500 EUR verpflichtet.
Die Gesellschaftsverträge sind im März abgeschlossen und sämtliche Einlagen sofort in voller Höhe geleistet worden. A und B sind sich einig, dass sie die Geschäfte unverzüglich aufnehmen wollen, um sobald als möglich Einnahmen zu erzielen.
Nach Absprache mit A bestellt B telefonisch bei einem Lieferanten, den er von früher kennt, Vormaterialien für insgesamt 10.000 EUR. Bei der Bestellung gibt er an, dass die Rechnung auf die „A & B KG“ lauten soll. Die Ware wird noch im März geliefert und in Rechnung gestellt. Im April werden sowohl die Komplementär-GmbH als auch die KG ins Handelsregister eingetragen. Zwei Wochen nach Eintragung bestellt die KG bei demselben Lieferanten wieder Vormaterialien, diesmal für 5.000 EUR.
Nachdem beide Lieferungen unbezahlt bleiben, verlangt der Lieferant von A persönlich Zahlung des gesamten Kaufpreises in Höhe von 15.000 EUR. A fragt seinen Rechtsanwalt, ob er dafür einstehen muss. |
Im Beispielsfall hat die KG ihre Geschäfte begonnen, bevor sie in das Handelsregister eingetragen wurde. Nach § 176 Abs. 1 S. 1 HGB haftet ein Kommanditist in einem solchen Fall persönlich und unbeschränkt. Dies gilt nur dann nicht, wenn dem Gläubiger positiv bekannt war, dass der in Anspruch genommene Gesellschafter ein Kommanditist war. Dies ist nicht der Fall, wenn der Gläubiger überhaupt nicht wusste, dass der Kommanditist an der Gesellschaft beteiligt war bzw. wenn ihm unbekannt war, dass es sich überhaupt um eine KG handelte (Röhricht/Graf v. Westphalen-v. Gerkan-Haas, HGB, 3. Aufl. 08, § 176, Rz. 18). Hingegen ist von einer positiven Kenntnis auszugehen, wenn der Gläubiger die Zusammensetzung der Komplementäre kennt und sich daraus für ihn der Schluss ergeben muss, dass die weiteren Gesellschafter nur Kommanditisten sein können (BGH 7.7.86, II ZR 167/85, WM 86, 1280).
Hinweis: Von Letzterem ist regelmäßig dann auszugehen, wenn der Gläubiger mit einer GmbH & Co. KG kontrahiert und diese auch als solche aufgetreten ist. Bei einer GmbH Co. & KG ist gerade wesenhaft, dass die beteiligten natürlichen Personen nicht Komplementäre, sondern Kommanditisten sind.
Entscheidender Zeitpunkt für die Frage der Kenntnis ist die Begründung der Verbindlichkeit, hinsichtlich derer der Kommanditist in Anspruch genommen wird. Beruft sich ein Kommanditist auf die Kenntnis des Gläubigers von seiner lediglich beschränkten Haftung als Kommanditist, so trägt er für die Kenntnis die Beweislast (BGH 28.10.81, II ZR 129/80, BGHZ 82, 209, 212 f.).
Im vorliegenden Fall hatte der Lieferant im Zeitpunkt der Begründung der Gesellschaftsschuld im März keine Kenntnis von der Kommanditistenstellung des A. Die Bestellung war telefonisch aufgegeben worden, so dass dem Lieferanten kein Briefpapier der Gesellschaft vorlag, aus dem er hätte ersehen können, dass es sich um eine GmbH & Co. KG handelte. Auch hatte B bei seiner Bestellung als Rechnungsempfänger ausdrücklich die „A & B KG“ benannt.
A wird auch nicht durch die spätere Eintragung von seiner Haftung für die Altverbindlichkeiten der Gesellschaft befreit. Die Eintragung verhindert lediglich die Haftung für zukünftig begründete Verbindlichkeiten (Röhricht-Graf v. Westphalen-v. Gerkan/Haas, a.a.O., § 176 Rz. 27). Im Ergebnis bedeutet dies, dass A hinsichtlich des Teilbetrages von 10.000 EUR aus der ersten Bestellung und Lieferung persönlich haftet. Seine Haftung dauert nach § 160 Abs. 3 HGB analog fünf Jahre an. Die Fünf-Jahres-Frist beginnt mit der Eintragung der KG.
Außer von dem Kommanditisten A kann der Lieferant natürlich auch von der KG selbst auf Grundlage des kaufvertraglichen Anspruches und von der Komplementärin nach § 128 HGB Zahlung verlangen.
Abwandlung |
Nachdem die „A & B GmbH & Co. KG“ einige Zeit erfolgreich am Markt tätig ist, denkt man über eine Expansion nach. Das dafür nötige Kapital soll durch die Aufnahme neuer Kommanditisten beschafft werden, die ebenfalls jeweils eine Einlage von 12.500 EUR leisten sollen. C und D erklären in diesem Zusammenhang im Januar den Beitritt zu der Gesellschaft. Wenige Wochen später wird bei einem Lieferanten eine schriftliche Bestellung auf dem Briefpapier der Gesellschaft aufgegeben. Eine Woche danach wird der Beitritt von C und D ins Handelsregister eingetragen.
Der Lieferant überlegt, ob er D wegen seiner Kaufpreisforderung in Haftung nehmen kann. |
Im Grundsatz ist die Haftung des D begründet. Nach § 176 Abs. 2 HGB gilt für denjenigen, der als Kommmanditist in eine bestehende Handelsgesellschaft eintritt, die vorstehend erörterte Haftung bei Gründung der Gesellschaft entsprechend. Allerdings wird man davon ausgehen müssen, dass dem Lieferanten die Kommanditisteneigenschaft des D bekannt war. Hier wurde die Bestellung auf dem Briefpapier der Gesellschaft aufgegeben. Wird vorliegend davon ausgegangen, dass das Briefpapier der Gesellschaft die nach § 177 HGB erforderlichen Angaben enthält, wusste der Lieferant also, dass es sich um eine GmbH & Co. KG handelt. Wie vorstehend ausgeführt, musste ihm aus diesem Grund auch bekannt sein, dass die an der Gesellschaft beteiligten natürlichen Personen Kommanditisten waren. Damit hatte er die erforderliche positive Kenntnis von der Kommanditistenstellung des D, die dessen Haftung für die Gesellschaftsschulden ausschließt.
3. Haftung vor Einlageleistung
Auch wenn eine KG ihre Geschäfte nicht vor Eintragung ins Handelsregister aufnimmt, besteht eine Außenhaftung des Kommanditisten. Nach § 171 Abs. 1, 1. HS HGB haftet der Kommanditist den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar. Diese Haftung entfällt jedoch, wenn der Kommanditist die Einlage - wirksam - geleistet hat (§ 171 Abs. 1, 2. HS HGB). In diesem Zusammenhang ist zunächst zu klären, was unter Einlage i.S. der Vorschrift zu verstehen ist. Der Abgrenzung bedarf es deshalb, weil zwischen der sogenannten Haftsumme und der Pflichteinlage zu unterscheiden ist:
- Die Haftsumme ist die im Außenverhältnis zu den Gläubigern der Gesellschaft relevante summenmäßige Begrenzung der Kommanditistenhaftung, die nach § 162 Abs. 1 HGB im Handelsregister einzutragen ist.
- Die Pflichteinlage hingegen besitzt Bedeutung im Innenverhältnis zu der Gesellschaft und bezeichnet die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebende Leistungsverpflichtung des Kommanditisten gegenüber der Gesellschaft.
Keine Probleme ergeben sich, wenn Haftsumme und Pflichteinlage betragsgleich sind. Im Außenverhältnis ebenfalls unproblematisch ist es, wenn die Haftsumme geringer ist als die Pflichteinlage. In einem solchen Fall befreit sich der Kommanditist von seiner Außenhaftung vollständig, wenn er eine Einlage in Höhe der Haftsumme leistet. Er bleibt jedoch aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Regelung gegenüber der Gesellschaft verpflichtet, den Differenzbetrag zwischen Haftsumme und Pflichteinlage an die Gesellschaft zu zahlen.
Problematischer ist jedoch der - praktisch nicht so häufige - Fall, dass die Pflichteinlage niedriger ist als die Haftsumme. Leistet der Gesellschafter in einem solchen Fall den vollen Betrag der Pflichteinlage, zu der er sich gesellschaftsvertraglich verpflichtet hat, bleibt seine Außenhaftung gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft in Höhe des Differenzbetrages zwischen Haftsumme und Pflichteinlage bestehen (§ 171 Abs. 1 HGB).
Beispiel |
Die aus dem Ausgangsbeispiel bekannten Gesellschafter A und B der A & B GmbH & Co. KG haben gesellschaftsvertraglich vereinbart, dass die ins Handelsregister einzutragende Haftsumme von 12.500 EUR zugleich die Pflichteinlage darstellt. Beide haben unmittelbar mit Gründung der Gesellschaft jeweils die Hälfte ihrer Einlageverpflichtung erfüllt. Kurze Zeit nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister waren angemietete Büroräume bezogen worden. Dabei war davon ausgegangen worden, dass ein personelles Wachstum der Gesellschaft in absehbarer Zeit nicht stattfinden würde. Nachdem jedoch die Kommanditisten C und D aufgenommen wurden und diese auch bereits aktiv in der Gesellschaft tätig waren, stellte sich heraus, dass der vorhandene Raum nicht ausreicht.
Nach Kündigung und Beendigung des Mietverhältnisses sowie Auszug aus den Räumen teilte der Vermieter mit, dass die bei Beginn des Mietverhältnisses von der Gesellschaft gestellte Mietsicherheit in Form einer Barkaution nicht ausreichend sei, die noch bestehenden Forderungen aus dem Mietverhältnis abzudecken. Neben einer erheblichen Betriebskostennachzahlung bestünden auch Schadenersatzansprüche wegen einer überobligatorischen Abnutzung der Mietsache.
Der Vermieter tritt an B heran und verlangt von diesem 2.000 EUR; dies entspricht dem Differenzbetrag zwischen der geltend gemachten - und als berechtigt zu unterstellenden - Forderung gegen die KG und der gestellten Mietsicherheit. B fragt nach, ob er zur Zahlung verpflichtet ist. |
Eine Zahlungspflicht des B besteht nach § 171 Abs. 1, 1. HS HGB. Seine Außenhaftung ist nur in Höhe von 6.250 EUR erloschen, weil er nur insoweit die Haftsumme geleistet hat. Befriedigt er den Gläubiger der Gesellschaft, so erwirbt er allerdings gegenüber der KG einen Erstattungsanspruch nach § 110 Abs. 1 HGB. Erklärt er insoweit die Aufrechnung mit der (restlichen) Einlageforderung der Gesellschaft, so geht der Einlageanspruch in Höhe von 2.000 EUR unter, so dass eine Einlageschuld des B gegenüber der Gesellschaft von 4.250 EUR verbleibt.
4. Rückzahlung der Einlage und Überentnahmen
Nach § 172 Abs. 4 HGB gilt eine Einlage gegenüber den Gläubigern der KG als nicht geleistet, wenn sie dem Kommanditisten zurückgezahlt wird. Gleiches gilt, wenn ein Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, obwohl sein Kapitalanteil durch Verluste unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist bzw. soweit dies durch die Entnahme erfolgt. Dies ist auch konsequent. Denn würde die Haftung im Außenverhältnis bei einer Rückzahlung der Einlage an den Kommanditisten nicht wieder aufleben, wäre der Umgehung des § 171 Abs. 1 HGB Tür und Tor geöffnet. Die vom Gesetzgeber erstrebte vermögensmäßige Mindestausstattung der Gesellschaft in Höhe des aus dem Handelsregister ersichtlichen Kommanditkapitals würde dann leerlaufen.
Als Rückzahlung i.S. des § 172 Abs. 4 HGB sind dabei nicht nur Zahlungsvorgänge, sondern Zuwendungen jeder Art an den Kommanditisten zu betrachten, mit denen der Gesellschaft Vermögenswerte ohne angemessenen Gegenwert entzogen werden (Röhricht/Graf v. Westphalen-v. Gerkan/Haas, a.a.O., § 172 Rz. 19). Insbesondere bei Drittgeschäften zwischen der Gesellschaft und dem Kommanditisten ist daher immer zu prüfen, ob die KG eine angemessene und vollwertige Gegenleistung erhält.
Beispiel |
Nach Auszug aus ihren bisherigen Geschäftsräumen bezieht die A & B GmbH & Co. KG neue Büroräume mit einer Gesamtfläche von 200 m², die im Eigentum des D stehen. Zwischen diesem und der KG ist ein Mietvertrag geschlossen worden, nach dem die Gesellschaft einen Quadratmeter-Preis von 12 EUR zzgl. Betriebskosten zu zahlen hat. Für Räume der entsprechenden Ausstattung und Lage werden sonst durchschnittlich 11 EUR Mietzins gezahlt.
Nachdem das Mietverhältnis ein Jahr lang bestanden hat, tritt ein Gläubiger der Gesellschaft an D heran und verlangt von diesem den Ausgleich seiner Forderung gegen die Gesellschaft in Höhe von 1.000 EUR. D fragt sich, ob er zur Zahlung verpflichtet ist. |
Im vorliegenden Beispiel hatte die von D an die Gesellschaft erbrachte Leistung - Überlassung der Bürofläche - einen aus dem Drittvergleich gewonnenen objektiven Wert von 11 EUR/m². Tatsächlich zahlte die Gesellschaft jedoch 12 EUR/m². Dies bedeutet, dass die Gesellschaft monatlich 200 EUR mehr zahlte, als es dem objektiven Wert der Leistung des D entsprochen hätte. Über einen Zeitraum von einem Jahr ergab sich daraus ein Betrag von 2.400 EUR. In dieser Höhe ist D seine Einlage zurückgezahlt worden, so dass er nach § 172 Abs. 4 S. 1 i.V.m. § 171 Abs. 1, 1. HS HGB den Gläubigern der Gesellschaft haftet.
Abwandlung |
Das Mietverhältnis zwischen der Gesellschaft und D besteht schon seit zehn Jahren, so dass die KG mittlerweile insgesamt 24.000 EUR gezahlt hat, die über den objektiven Nutzwert der Fläche hinausgehen.
Nun verlangt wieder ein Gläubiger von D den Ausgleich seiner Forderung gegen die Gesellschaft in Höhe von 14.000 EUR. D fragt erneut, ob er zur Zahlung verpflichtet ist - und wenn ja, in welcher Höhe. |
Hier ist zu beachten, dass die Außenhaftung in diesen Konstellationen immer auf den Betrag der Haftsumme beschränkt ist - bei D mithin auf 12.500 EUR. Dass der D von der Gesellschaft mit den 24.000 EUR „nicht marktgerechten“ Zahlungen einen deutlich höheren Betrag erhalten hat, spielt dann keine Rolle.
Ein häufiger Fall der haftungsschädlichen Rückzahlung an den Kommanditisten liegt bei gewinnunabhängigen Tätigkeitsvergütungen vor. Hier gilt ähnliches wie bei den Drittgeschäften: Hält die Vergütung einem Drittvergleich nicht stand, ist in Höhe der überhöhten Vergütung eine Rückgewähr gegeben. Dies gilt auch dann, wenn ein Kommanditist Geschäftsführer oder Angestellter der Komplementär-GmbH ist und gegenüber dieser einen Vergütungsanspruch hat, für den letztlich die KG aufkommt.
Hinweis: Bei der GmbH & Co. KG ist zudem noch die Sonderregelung des § 172 Abs. 6 HGB zu beachten. Danach kann eine Kommanditeinlage gegenüber den Gläubigern nicht wirksam dadurch geleistet werden, dass Anteile an der Komplementär-GmbH eingelegt werden.
5. Zusammenfassung