Gewerbesteuer
Deutsche „Gewerbesteuer-Oasen“
von StB Christian Herold, Herten/Westf.
Die Gemeinde Norderfriedrichskoog mit ihren 47 Einwohnern (Stand 30.6.99) ist bereits in aller Munde, seit bekannt ist, dass sie mit einem Gewerbesteuerhebesatz von 0 Prozent glänzt. Der Clou: Wer sein Unternehmen in diese Gemeinde verlegt, profitiert ab sofort von der Gewerbesteuer-Anrechnung gemäß § 35 EStG, auch wenn er keinen Pfennig Gewerbesteuer zahlt. Mittlerweile haben sich in Norderfriedrichskoog dem Vernehmen nach rund 130 Firmen – neben den 13 ortsansässigen Bauernhöfen – angesiedelt.
Eine Anfrage bei der Gemeinde Norderfriedrichskoog ergab, dass die räumliche Kapazität mittlerweile zwar sehr begrenzt, aber immer noch Platz für einige Neuansiedlungen ist. In Einzelfällen sollten Berater also prüfen, ob sie ihren Mandanten die Verlegung des Unternehmens empfehlen können.
Auf Grund der Gewerbesteuerzerlegung nach Lohnsummen bringt es natürlich für Produktionsbetriebe kaum Vorteile, lediglich die Geschäftsleitung in eine „Gewerbesteuer-Oase“ zu verlegen. Und die Verlegung des gesamten Produktionsstandorts wird in aller Regel kaum realisierbar sein. Daher findet man in Norderfriedrichskoog auch in erster Linie Grundstücks- oder Beteiligungsverwaltungsgesellschaften, Consultingfirmen und Finanzdienstleister sowie Unternehmen, die Schiffs- oder Flugzeugcharter betreiben. Die Gewerbesteuereinsparungen sollen in Einzelfällen Größenordnungen von 1,5 bis 2,0 Mio. DM per anno betragen.
Finanzverwaltung hält Ämter zur Prüfung an
Die Finanzverwaltung, namentlich die OFD Münster, mahnt die Finanzämter mittlerweile an, in Fällen der Verlegung der Geschäftsleitung nach Norderfriedrichskoog Informationen anzufordern, um zu prüfen, ob Geschäftsleitung und/oder Unternehmenssitz tatsächlich in diese Gemeinde verlegt wurden. Geprüft oder angefordert werden zum Beispiel Kauf- und Mietverträge, Arbeitsverträge und Auskünfte des Einwohnermeldeamtes. Es ist daher uninteressant, sein Unternehmen bzw. seine Geschäftsleitung lediglich zum Schein nach Norderfriedrichskoog zu verlegen. Auf der sicheren Seite dürfte dagegen sein, wer dort auch Arbeitskräfte aus der näheren Umgebung beschäftigt.
Weitere Gemeinden mit niedrigen Hebesätzen
Niedrige Gewerbesteuerhebesätze findet man jedoch nicht nur in Schleswig-Holstein. Auch andere Bundesländer haben Gemeinden mit niedrigen Gewerbesteuerhebesätzen. Hier eine kleine Auswahl (Quelle: Daten der statistischen Ämter des Bundes und der Länder, Ausgabe 1999):
- Brandenburg, Gemeinde Brunow (196 Einwohner), Gewerbesteuerhebesatz 100 Prozent;
- Mecklenburg-Vorpommern, Gemeinde Baumgarten (939 Einwohner), Gewerbesteuerhebesatz 100 Prozent;
- Sachsen-Anhalt, Gemeinde Sorge (158 Einwohner), Gewerbesteuerhebesatz 100 Prozent;
- Thüringen, Gemeinde Neumühle-Elster (522 Einwohner), Gewerbesteuerhebesatz 170 Prozent;
- Bayern, Gemeinde Grundremmingen (1.312 Einwohner), Gewerbesteuerhebesatz 240 Prozent;
- Niedersachsen, Gemeinde Eyendorf (1.029 Einwohner), Gewerbesteuerhebesatz 250 Prozent;
- Sachsen, Gemeinde Dürrhennersdorf (1.263 Einwohner), Gewerbesteuerhebesatz 275 Prozent;
- Hessen, Gemeinde Beselich (5.631 Einwohner), Gewerbesteuerhebesatz 250 Prozent;
- Rheinland Pfalz, Gemeinde Niederweiler (387 Einwohner), Gewerbesteuerhebesatz 280 Prozent;
- Nordrhein-Westfalen, Gemeinde Haan (29.490 Einwohner), Gewerbesteuerhebesatz 300 Prozent;
- Baden-Württemberg, Gemeinde Baltmannsweiler (5.534 Einwohner), Gewerbesteuerhebesatz 300 Prozent.
„Steueroasen“ mit mehr als 50.000 Einwohnern
Zugegebenermaßen haben die oben genannten Gemeinden eher eine bescheidene Größe und liegen überwiegend in ländlichen Gebieten. Aber auch Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern haben zum Teil recht niedrige Gewerbesteuer-Hebesätze. Beispiele:
- Sachsen-Anhalt, Wittenberg (50.164 Einwohner), Gewerbesteuerhebesatz 344 Prozent;
- Bayern, Neu-Ulm (50.097 Einwohner), Gewerbesteuerhebesatz 350 Prozent und Passau (50.102 Einwohner), Gewerbesteuerhebesatz 370 Prozent;
- Schleswig-Holstein, Norderstedt (70.849 Einwohner), Gewerbesteuerhebesatz 330 Prozent und Neumünster (80.743 Einwohner), Gewerbesteuerhebesatz 375 Prozent;
- Baden-Württemberg, Sindelfingen (60.779 Einwohner), Gewerbesteuerhebesatz 380 Prozent;
- Nordrhein-Westfalen, Velbert (90.005 Einwohner), Gewerbesteuerhebesatz 395 Prozent.
Weiterführende Hinweise
Wer nähere Informationen über die Gemeinde Norderfriedrichskoog haben möchte, sollte sich wenden an Herrn Jan Clausen, Koogstraat 12, 25870 Norderfriedrichskoog, Tel.: 04864/104304, Telefax: 04864/104305, E-Mail Jan.Clausen@t-online.de.
Eine Übersicht (Diskette) mit den Hebesätzen aller Gemeinden der Bundesrepublik Deutschland können Sie anfordern beim Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen, Postfach 10 11 05, 40193 Düsseldorf. Die Diskette kostet 80 DM.
Quelle: Gestaltende Steuerberatung - Ausgabe 02/2001, Seite 67