03.05.2011 | Kapitalgesellschaften
Bürgschaften von Gesellschaftern für ihre GmbH: Chancen und Risiken dieser gängigen Gestaltung
von Dr. Helmar Fichtelmann, Ansbach
Will eine GmbH einen Kredit aufnehmen, verlangen die Banken meist die Bürgschaft mindestens eines Gesellschafters. Auch wenn dies gängige Praxis ist, sollte man die weitreichenden rechtlichen und steuerlichen Konsequenzen einer solchen Bürgschaft genau im Blick haben und sich nicht allein vom Wunsch leiten lassen, einen „Sanierungsbeitrag“ für die eigene GmbH zu leisten. Praktische Tipps zur Umsetzung und wichtige Musterformulierungen hat die „Gestaltende Steuerberatung“ in diesem Beitrag zusammengestellt.
1. Die rechtliche Seite der Bürgschaft
1.1 Die Bürgschaft des Kaufmanns
Durch die Bürgschaft verpflichtet sich der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern, für die Erfüllung der Verbindlichkeiten „seiner“ GmbH einzustehen (§ 765 Abs. 1 BGB). Bei einem Kaufmann ist die Bürgschaft formfrei gültig, wenn sie auf seiner Seite ein Handelsgeschäft darstellt. Im Übrigen ist Schriftform erforderlich (§ 766 S. 1 BGB). Ausnahmsweise kann bei einer formnichtigen Bürgschaft auch eine Bindung nach Treu und Glauben eintreten (vgl. BGH 16.12.99, IX R 36/98, GmbHR 00, 326).
Da Gesellschafter und Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft in dieser Eigenschaft aber nicht Kaufleute sind, wäre hier grundsätzlich Schriftform erforderlich - es sei denn, der Gesellschafter ist selbst Kaufmann und die Bürgschaft stellt für ihn ein Handelsgeschäft dar.
Merke! |
Die Bürgschaft ist jedoch nur dann ein Handelsgeschäft, wenn sie zum Handelsgewerbe des Kaufmanns gehört (§ 343 HGB). Allerdings spricht die gesetzliche Vermutung des § 344 Abs. 1 HGB für die Zugehörigkeit zum Handelsgewerbe. Will der Kaufmann dies entkräften, muss er beweisen, dass die Übernahme der Bürgschaft in keinem Zusammenhang mit seinem Handelsgewerbe steht, während der sich auf die Vermutung Berufende die Kaufmannseigenschaft darzulegen hat. |
Praxishinweis |
Im Zusammenhang mit einer GmbH-Beteiligung gilt Folgendes: Die Übernahme der Bürgschaft für eine GmbH ist jedenfalls dann ein Handelsgeschäft, wenn die GmbH-Beteiligung beim Gesellschafter zum Betriebsvermögen (Vermögen i.S. des § 238 Abs. 1 S. 1 HGB) gehört. Dabei ist es m.E. gleichgültig, ob es sich im steuerlichen Sinne um notwendiges oder gewillkürtes Betriebsvermögen handelt. |
1.2 Bürgschaftsverlangen sittenwidrig?
Die Frage der Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft spielte zunächst eine Rolle in Fällen, in denen Hauptschuldner und Bürge durch Verwandtschaft, Ehe oder Lebensgemeinschaft persönlich eng miteinander verbunden waren (vgl. BGH 18.1.96, IX ZR 171/95, WM 96, 519). Der BGH hat diese Rechtsgrundsätze aber später auch auf Fälle ausgedehnt, in denen keine persönlichen Beziehungen bestanden (BGH 16.1.97, IX ZR 250/95, WM 97, 511).
Da das Kreditinstitut in der Regel ein berechtigtes Interesse an der persönlichen Haftung aller Gesellschafter hat, ist die Bürgschaft grundsätzlich wirksam (vgl. BGH 18.12.97, IX ZR 271/96, GmbHR 98, 177). Die Bürgschaft eines Gesellschafters für seine GmbH kann aber ausnahmsweise sittenwidrig sein bei einem groben Missverständnis seiner Leistungsfähigkeit und dem Umfang seiner Bürgschaft, wenn erschwerende Umstände hinzukommen. Dies könnte z.B. gegeben sein, wenn sich der Gesellschafter - bedingt durch die emotionale Verbundenheit mit seiner GmbH - aus einer unterlegenen Position heraus auf die Bürgschaft eingelassen und der Gläubiger dies in verwerflicher Weise ausgenutzt hat (BGH 18.9.97, IX ZR 283/96, WM 97, 2117).
Hinweis: Der krassen finanziellen Überforderung des Bürgen kommt aber bei einer maßgeblichen Beteiligung an der GmbH keine Indizwirkung dafür zu, dass er die Bürgschaft aus einer unterlegenen Position heraus übernommen hat (BGH 11.12.97, IX ZR 274/96, GmbHR 98, 240.)
Ergebnis |
Es bleibt also dabei: Die Bürgschaft durch einen Gesellschafter ist grundsätzlich wirksam. Sie verstößt nur unter ganz besonderen Umständen gegen die guten Sitten (§ 138 BGB). |
2. Die Verpflichtung zur Übernahme einer Bürgschaft als
gesellschaftsrechtliche Nebenleistung
Sollen Gesellschaftern neben ihren Kapitaleinlagen noch andere Verpflichtungen auferlegt werden, muss das im Gesellschaftsvertrag geregelt sein (§ 3 Abs. 2 GmbHG). Eine solche Nebenleistungspflicht kann auch die Übernahme einer Bürgschaft sein. Eine entsprechende Satzungsbestimmung ist jedoch nur wirksam, wenn der Leistungsumfang des Gesellschafters genau festgelegt wird. Allgemeine Formulierungen - wie „Die Gesellschafter übernehmen für Verbindlichkeiten der Gesellschaft Bürgschaften“ - sind rechtlich unverbindlich; die Gesellschafter müssen wissen, welche Verpflichtungen auf sie zukommen können. Eine solche Satzungsbestimmung sollte daher klären:
Praxishinweis |
Solche „Zusatzpflichten“ der Gesellschafter können auch nachträglich im Wege einer Satzungsänderung vereinbart werden. Die Satzungsänderung kann nur mit einer Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen beschlossen werden (§ 53 Abs. 1 GmbHG). Eine solche Vermehrung der den Gesellschaftern nach dem Gesellschaftsvertrag obliegenden Leistungen kann allerdings nur mit Zustimmung aller beteiligten Gesellschafter beschlossen werden. Diese Zustimmung ist nicht Gegenstand des Gesellschafterbeschlusses und kann vor- oder nachher formfrei erteilt werden. Erst wenn alle erforderlichen Zustimmungen vorliegen, wird der bis dahin schwebend unwirksame Gesellschafterbeschluss wirksam (Roth in Roth/Altmeppen, § 53 Rn. 45). |
Die Satzungsbestimmung könnte so aussehen:
Satzungsbestimmung |
§ ... Nebenleistungspflichten der Gesellschafter
1. Die Gesellschafter sind verpflichtet, für die Gesellschaft Bürgschaften bis zum ...fachen Betrag ihrer Stammeinlagen zu übernehmen.
2. Über den Zeitpunkt der Leistung der Bürgschaften entscheidet die Gesellschafterversammlung mit ...Mehrheit. Die Gesellschafterversammlung kann die Gestellung von Bürgschaften nur mit Aufnahme von Bankdarlehen beschließen.
3. Die Gesellschafterversammlung kann die Übernahme von Bürgschaften nicht mehr verlangen, wenn Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft gestellt ist.
Alternative Lösung: Ist Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, kann die Übernahme von Bürgschaften durch die Gesellschafterversammlung nur beschlossen werden, wenn damit die Sanierung der Gesellschaft verfolgt wird und die Sanierbarkeit durch das Gutachten eines von den Gesellschaftern zu bestellenden geeigneten Sachverständigen nachgewiesen ist. |
Der Gesellschafterbeschluss ist von den Geschäftsführern durchzusetzen. Verweigert ein Gesellschafter die Abgabe der Bürgschaftserklärung, ist er erforderlichenfalls durch die Geschäftsführer im Klagewege zur Abgabe anzuhalten. Auch eine Gesellschafterklage (actio pro socio) kommt in Betracht (vgl. hierzu Fichtelmann in HK-GmbHRecht, § 46 Rn. 89 ff.).
3. Verpflichtung der Gesellschafter außerhalb der Satzung
Die Gesellschafter können sich auch außerhalb der Satzung untereinander vertraglich verpflichten, Bürgschaften (nach Maßgabe von Einzelverpflichtungen für einen bestimmten Schuldbetrag oder allgemein) zu übernehmen. Die Gesellschaft kann daraus aber keinen Anspruch auf Übernahme der Bürgschaft ableiten, sodass ein solcher Anspruch auch nicht gepfändet oder vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden kann. Die Erfüllung der Verpflichtung kann nur von den anderen Gesellschaftern verlangt werden.
Muster einer Verpflichtung der Gesellschafter zur Übernahme von Bürgschaften |
Die unterzeichneten Gesellschafter der X-GmbH treffen untereinander folgende Vereinbarung:
1. Die Gesellschafter verpflichten sich zur Übernahme von Bürgschaften in folgenden Fällen:
2. Die Bürgschaft beträgt im Höchstfall das ...-Fache des Nominalwerts der Beteiligung.
3. Über Höhe und Zeitpunkt der einzufordernden Bürgschaft beschließen die Gesellschafter nach den Regeln der BGB-Gesellschaft mit einfacher Mehrheit. 1.000 EUR des Geschäftsanteils gewähren eine Stimme. In dem Beschluss ist auch festzulegen, gegenüber welchem Gläubiger die Bürgschaft einzugehen ist.
4. Aus der Vereinbarung erwachsen Dritten und der Gesellschaft selbst keine Ansprüche.
5. Ansprüche aus dieser Vereinbarung können von jedem Gesellschafter für die BGB-Gesellschaft gegen säumige Gesellschafter geltend gemacht werden. |
4. Rechtsfolgen
Zahlungen auf die Bürgschaft haben zur Folge, dass der Anspruch des Gläubigers gegen die GmbH insoweit auf den Gesellschafter übergeht (§ 774 Abs. 1 S. 1 BGB) und damit bei diesem - sollte er bilanzierender Kaufmann sein - in Höhe der Werthaltigkeit zu aktivieren ist (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB; Vorsichtsprinzip).
5. Bilanzielle Behandlung der Bürgschaft
5.1 Vermerk „unter der Bilanz“
Solange der Gesellschafter aus der Bürgschaft nicht in Anspruch genommen wird, ergeben sich für ihn grundsätzlich weder rechtliche noch steuerliche Auswirkungen in seiner Bilanz. Bürgschaften sind lediglich „unter der Bilanz ... zu vermerken“ (§ 251 S. 1 1. HS HGB). Der Ausweis darf für alle in § 251 HGB genannten Verbindlichkeiten in einem Betrag angegeben werden. Unter dem Gesichtspunkt der steuerlichen Anforderungen sollten die Bürgschaften jedoch einzeln aufgelistet und in einem Anhang zur Bilanz auch dem Finanzamt zur Kenntnis gebracht werden, weil hierdurch auch eine Willkürung dokumentiert werden kann. Der gesonderte Ausweis ist für Kapitalgesellschaften in § 268 Abs. 7 HGB ohnehin vorgeschrieben.
In welcher Höhe der Vermerk zu erfolgen hat, ist im Schrifttum umstritten:
- Ansatz in Höhe der Bürgschaftsverpflichtung (Bürgschaftssumme; Baumbach/Hueck, HGB, § 251 Rn. 3 - Bürgschaftslimit).
- Ansatz in Höhe der Hauptverbindlichkeit nach dem jeweiligen Stand (z.B. bei Bürgschaften für laufende Bankkonten, BeckBilKomm, § 251 HGB, Rn. 23; Kirnberger in HK-HGB, § 251 Rn. 5).
- Höchstbetrag der möglichen Inanspruchnahme (ADS § 251 Rn. 104).
Geht man davon aus, dass dem Ausweis die Funktion eines Warnsignals für die Gläubiger zukommt, so ist m.E. nur der volle Ausweis der Bürgschaftssumme zutreffend.
5.2 Bildung der Rückstellung
Für die mögliche Inanspruchnahme aus der Bürgschaft hat der Gesellschafter eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden (§ 249 Abs. 1 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 1 EStG). Eine Drohverlustrückstellung nach § 5 Abs. 4a EStG kommt bei einer einseitigen Verpflichtung hingegen wohl nicht in Betracht (vgl. BFH 24.7.90, VIII R 226/84, BFH/NV 91, 588).
Merke! |
Eine solche Rückstellung ist zu bilden, wenn die Verpflichtung, die der Rückstellung zugrunde liegt, bis zum Bilanzstichtag entstanden ist oder aus Sicht des Kaufmanns am Bilanzstichtag mit einiger Wahrscheinlichkeit entstehen wird und der Steuerpflichtige spätestens bei Bilanzaufstellung ernsthaft mit einer Inanspruchnahme rechnen muss (R 5.7 (6) S. 2 EStR). |
5.3 Behandlung der Avalprovision als Rechnungsabgrenzungsposten
Eine für die Übernahme der Bürgschaft gezahlte Avalprovision zählt beim Bürgen zu den zinsähnlichen Erträgen und beim Schuldner zu den zinsähnlichen Aufwendungen (vgl. BFH 12.12.91, IV R 28/91, BStBl II 92, 600). Eine solche Vergütung wird zwar für einen Gesellschafter der GmbH nur ausnahmsweise in Betracht kommen. Sollte es aber doch der Fall sein, sind Rechnungsabgrenzungsposten (RAP) zu bilden:
Beispiel |
Gesellschafter A übernimmt für die GmbH eine Bürgschaft in Höhe der Schuld der GmbH gegenüber der B-Bank. Die Hauptschuld läuft zehn Jahre. Die Avalprovision beträgt 5.000 EUR und wird 2010 gezahlt. Auf das Jahr 2010 entfällt ein Teilbetrag von 250 EUR. In der GmbH-Bilanz 2010 ist bei einem mit dem Kalenderjahr übereinstimmenden Wirtschaftsjahr ein Betrag von 4.750 EUR aktiv abzugrenzen. Beim Gesellschafter sind die Einnahmen ebenfalls auf die Laufzeit der Bürgschaft zu verteilen und dementsprechend passiv abzugrenzen. |
5.4 Vermerk „unter der Bilanz“ auch bei Sonderbetriebsvermögen (SBV)?
Bei § 251 HGB handelt es sich um eine handelsrechtliche Bilanzierungsvorschrift; denn nur der Kaufmann ist verpflichtet, „die Lage seines Vermögens“ ersichtlich zu machen. Der einzelne Gesellschafter selbst ist nicht Kaufmann, da er kein Handelsgewerbe betreibt; die Beteiligung an einem Handelsgewerbe als Gesellschafter reicht dazu nicht aus.
Da über das Handelsrecht eine Anwendung des § 251 HGB auf SBV somit nicht zu erreichen ist, stellt sich die Frage, ob das auf dem Umweg über § 5 Abs. 1 S. 1 EStG möglich ist - denn danach gelten die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung auch im Rahmen der Steuerbilanz. Kann man § 251 HGB als Ausdruck ordnungsgemäßer Buchführung ansehen? Fest steht jedenfalls, dass die Sonderbilanzen der Gesellschafter diesen Grundsätzen unterliegen, sodass man m.E. auch in den Sonderbilanzen den Vermerk über Bürgschaften „unter der Bilanz“ fordern muss.
6. Steuerliche Aspekte einer Bürgschaftsübernahme
6.1 Die Bürgschaft als Betriebsvermögen
6.1.1 Bürgschaft als notwendiges Betriebsvermögen
Eine Bürgschaft ist notwendiges Betriebsvermögen, wenn sie so gut wie ausschließlich betrieblich veranlasst ist. Die Frage der Zurechnung einer Bürgschaft zum Betriebsvermögen beantwortet sich nach dem Zeitpunkt der Eingehung, nicht der Inanspruchnahme (BFH 24.4.97, IV R 42/96, BFH/NV 97, 837). Als notwendiges Betriebsvermögen wird man die Bürgschaft ansehen,
- wenn es sich um die Absicherung eines Kredits an die im Allgemeinen mit wenig Eigenkapital ausgestattete Gesellschaft handelt (z.B. einer Betriebs-GmbH im Rahmen einer Betriebsaufspaltung),
- wenn die Bürgschaft im Zuge einer Sanierung der GmbH (in Gestalt eines Insolvenzplans) übernommen wird,
- wenn es sich um eine Bürgschaft für einen wichtigen Kunden der GmbH handelt, der der GmbH als Abnehmer erhalten werden soll und der Bürge nicht nur unwesentlich an der GmbH beteiligt ist.
6.1.2 Exkurs: Bürgschaft als notwendiges SBV
Der Gesellschafter einer Personengesellschaft kann notwendiges SBV haben,
- wenn das Wirtschaftsgut geeignet und dazu bestimmt ist, dem Betrieb der Personengesellschaft zu dienen (SBV I) oder
- wenn das Wirtschaftsgut unmittelbar zur Begründung oder Stärkung der Beteiligung des Gesellschafters an der Personengesellschaft eingesetzt wird (SBV II).
SBV I setzt voraus, dass das Wirtschaftsgut objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb der Personengesellschaft bestimmt ist - z.B. bei Überlassung zur Nutzung (vgl. BFH 23.5.91, IV R94/90, BStBl II 91, 800). Eine Bürgschaft kann deshalb nur SBV II sein (BFH 18.12.01, VII R 27/00, BStBl II 02, 733).
SBV II kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn die Bürgschaft ein Mittel darstellt, besonderen Einfluss auf die Personengesellschaft auszuüben und damit unmittelbar die Stellung des Gesellschafters in der Personengesellschaft zu stärken (BFH 30.3.93, VIII R 8/91, BStBl II 93, 864). Die Beteiligung des Gesellschafters kann dabei dadurch gestärkt werden, dass die Bürgschaft für das Unternehmen der Personengesellschaft wirtschaftlich vorteilhaft ist oder dass sie der Mitunternehmerstellung des Gesellschafters dient (BFH 3.3.98, VIII R 66/96, BStBl II 98, 383).
Beispiel |
Die Rechtsprechung hat in einem Darlehen des Gesellschafters der Besitzpersonengesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung an die Betriebs-GmbH ein starkes Indiz für die Stärkung seiner Beteiligung und damit für die Zugehörigkeit des Darlehens zum SBV II gesehen, wenn das Darlehen zu nicht marktüblichen/fremdüblichen Bedingungen gewährt wird (BFH 19.10.00, IV R 73/99, BStBl II 01, 3359).
Im Streitfall hatte der Gesellschafter der Betriebs-GmbH ein unkündbares Darlehen von 100.000 EUR über 16 Jahre gewährt, das nicht besichert war und bei dem zu allem Überfluss auch noch die Zinsen erst zum Laufzeitende zu zahlen waren. Da ein fremder Darlehensgeber der GmbH ein Darlehen zu solchen Konditionen nie gewährt hätte, hat der BFH hier notwendiges SBV II bejaht. Dasselbe muss m.E. bei der Übernahme von Bürgschaften gelten (BFH 18.12.01, VIII R 27/00, BStBl II 02, 733). |
Hinweis: Die Bezugnahme auf marktunübliche Bedingungen als Voraussetzung der Zurechnung zum SBV schließt m.E. die Vereinbarung eines Entgelts nicht aus, wenn ein fremder Dritter dafür die Bürgschaft nicht übernommen hätte. Notwendiges SBV ist m.E. nur zu verneinen, wenn sich der Bürge vorrangig aus privaten Erwägungen, z.B. nur aus freundschaftlicher Verbundenheit, zur Übernahme der Bürgschaft erklärt hat (vgl. BFH 19.10.00, IV R 73/99).
6.1.3 Die Bürgschaft als gewillkürtes BV/SBV?
Ich gehe davon aus, dass die Bürgschaft als gewillkürtes Betriebsvermögen/SBV behandelt werden kann, auch wenn dies im Schrifttum vereinzelt in Abrede gestellt wird. Für die Willkürung spielt es keine Rolle, auf welche Art und Weise der Gewinn ermittelt wird; denn auch bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG wird laut BFH gewillkürtes Betriebsvermögen zugelassen (BFH 16.6.04, XI R 17/01, BFH/NV 05, 173). Auch hier ist m.E. eine Gleichbehandlung mit Darlehen geboten, da sich die wirtschaftlichen Verhältnisse und gesellschaftsrechtlichen Ziele nicht unterscheiden; auf die Rechtsprechung zur Willkürung von Darlehen kann deshalb zurückgegriffen werden. Ein Wirtschaftsgut muss objektiv geeignet und erkennbar dazu bestimmt sein, den Betrieb zu fördern (BFH 27.10.93, XI R 5/93, BFH/NV 94, 472). Bei der Willkürung sollte Folgendes beachtet werden:
Die Behandlung einer eventuell gezahlten Avalprovision als Betriebseinnahme reicht für eine Willkürung nicht aus.
Praxishinweis |
M.E. erfordert die Kenntlichmachung nach außen eine besondere Mitteilung an das Finanzamt, in der die Bürgschaft konkretisiert wird. Das gilt insbesondere bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG, bei der seit der Entscheidung des BFH (2.10.03, IV R 13/03, BStBl II 04, 985) auch gewillkürtes Vermögen statthaft ist. |
6.2 Inanspruchnahme des Bürgen bei Bürgschaft im Betriebsvermögen
Werden Bürgschaften aus dem Betriebsvermögen bedient, sind die Zahlungen - eventuell nach Verrechnung mit Rückstellungen und Aktivierung des auf den Bürgen übergegangenen Anspruchs des Gläubigers gegen den Schuldner, soweit dieser werthaltig ist - sofort abziehbare Betriebsausgaben. Eine Aktivierung auf die Beteiligung kommt nicht in Betracht (BFH 15.11.90, IV R 18/89, BStBl II 91, 228; Crezelius in Kirchhof, EStG, § 4 Rn. 252).
6.3 Auswirkung bei einer Beteiligung im Privatvermögen (§ 17 EStG)
Anders als bei einer Beteiligung im Betriebsvermögen bzw. SBV werden Aufwendungen aus der Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung anerkannt, wenn diese im Privatvermögen gehalten wird (BFH 18.12.01, VIII R 27/00, GmbHR 02, 331; vgl. auch Hoffmann, GmbHR 02, 334).
Von Interesse ist die Begründung: Anschaffungskosten sind in § 255 Abs. 1 S. 1 HGB definiert: Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, wobei diese Definition auch für das Steuerrecht gilt (§ 5 Abs. 1 S. 1 EStG). Da § 255 HGB aber nur für Kaufleute gelte, nicht aber für Privatpersonen, stehe § 255 HGB einer abweichenden Beurteilung nicht im Wege. In dem Bestreben, die aus der Bürgschaft resultierenden Verluste einkommensteuerlich nutzbar zu machen, kommt der BFH in extremer Auslegung zu der Ansicht, dass solche Zahlungen als Anschaffungskosten zu beurteilen sind.
Anknüpfungspunkt für die Berücksichtigung einer Bürgschaft als Anschaffungskosten war, dass sie als Kapital ersetzende Rechtshandlung i.S. der §§ 32a, 32b GmbHG a.F. zu behandeln ist und der Anspruch des Bürgen aus der auf ihn übergegangenen Forderung (§ 774 Abs. 1 BGB) deshalb nur als nachrangige Insolvenzforderung geltend gemacht werden kann (vgl. BFH 8.7.99, VIII R 9/98, BStBl II 99, 817).
Kapital ersetzende Darlehen und sonstige Rechtshandlungen, die Darlehen wirtschaftlich vergleichbar sind, sind infolge der Aufhebung der §§ 32a, 32b GmbHG durch das MoMiG (ab 1.11.08 mit Übergangsregelung) nicht mehr möglich. Die neue Rechtslage (§ 39 Abs. 1 Nr. InsO) behandelt alle Ansprüche aus Gläubigerdarlehen und vergleichbaren Forderungen als nachrangige Insolvenzforderungen. Betrachtet man als wesentlichen Anknüpfungspunkt nach der Rechtsprechung des BFH die Tatsache, dass die Forderung aus Kapitalersatz nur als nachrangige Insolvenzforderung geltend gemacht werden konnte (was in der Regel eine Befriedigung auch teilweise ausschloss), so kann nach neuerer Rechtslage nichts anderes gelten. Im Schrifttum - Rechtsprechung hierzu ist, soweit ersichtlich, noch nicht vorhanden - ist diese Frage jedoch heftig umstritten (vgl. die Zusammenfassung von Eilers/R. Schmidt in H/H/R, § 17 EStG, Anm. 201b).
Ergebnis |
Künftig führt m.E. jede Bürgschaftszahlung für die GmbH durch einen Gesellschafter, sofern die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gegeben sind, zu nachträglichen Anschaffungskosten (soweit kein Ersatz zu erlangen ist). |
6.4 Einnahmen aus der Bürgschaft als sonstige Einkünfte
Die Bürgschaft gegen Entgelt kann bei einmaliger Zahlung zu Einnahmen i.S. des § 22 Nr. 3 EStG führen, wenn sie nicht einer anderen Einkunftsart zuzurechnen sind (BFH 18.3.66, IV 121/62, BStBl III 66, 218; gl.A. Leisner in K/S/M, § 22 Rn. D 179 „Bürgschaftsprovisionen“, Fichtelmann, GmbHR 88, 72; a.A. Risthaus in H/H/R § 22 Rn. 430 „Bürgschaftsprovisionen“).
Sofern es sich um wiederkehrende Einnahmen handelt, liegen wiederkehrende Bezüge i.S. des § 22 Nr. 1 S. 1 EStG vor (vgl. BFH 18.3.66, s.o.). Bei Inanspruchnahme stellen die Zahlungen Werbungskosten dar (Risthaus in H/H/R, § 22 Abm. 359). Die Beschränkungen des Verlustabzugs (§ 22 Nr. 33 S. 3 Hs. 2 und S. 4 EStG) sind zu beachten.