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  • 01.04.2006 | Niedersächsisches FG

    Kindergeld für Ausländer trotz fehlenderAufenthaltsberechtigung möglich

    von Dipl.-Finw. Dr. Volker Kreft, Richter am Nieders. FG, Bielefeld
    Nach der derzeit noch gültigen Fassung des § 62 Abs. 2 EStG hat ein Ausländer grundsätzlich nur dann einen Anspruch auf Kindergeld, wenn er im Besitz einer gültigen Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltsbefugnis ist. Obwohl das BVerfG die ähnliche Vorgängerregelung für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber für eine Neuregelung eine Frist bis zum 1.1.06 gesetzt hatte, blieb dieser bislang untätig. Daher hat das Niedersächsische FG den § 62 Abs. 2 EStG nun verfassungskonform ausgelegt. Danach sind Ausländer, die auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden können und die sich mindestens seit einem Jahr ununterbrochen in Deutschland aufhalten, von dieser Beschränkung auszunehmen. Das FG hat einem betroffenen Steuerbürger daher mit Urteil vom 23.1.06 (16 K 12/04, Abruf-Nr. 060910) das beantragte Kindergeld zugesprochen. Wegen grundsätzlicher Bedeutung wurde aber die Revision zugelassen.

     

    Sachverhalt

    Der Kläger stammt aus Angola und lebt seit dem 31.5.98 in Deutschland. Sein Asylantrag wurde abgelehnt. Eine seiner drei minderjährigen Töchter bedarf ständiger ärztlicher Hilfe. Da für sie bei Abschiebung akute Lebensgefahr bestünde, billigte das zuständige Bundesamt der kranken Tochter ein Bleiberecht zu. Alle drei Töchter sind seit 2001 im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis. Für den Kläger bestand zunächst ein humanitäres Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 8 EMRK, weil ihm eine Trennung von seinen Kindern nicht zugemutet werden konnte. Seit Oktober 2003 verfügt auch er über eine Aufenthaltsbefugnis. 

     

    Einen ersten Kindergeldantrag vom 24.9.01 lehnte die zuständige Behörde unter Hinweis auf § 62 Abs. 2 EStG ab, weil der Kläger in den Jahren 2001 bis 2003 nicht über einen entsprechenden Aufenthaltstitel verfügte. Dieser Bescheid ist bestandskräftig. Am 14.10.03 stellte der Kläger erneut einen Kindergeldantrag für die Zeit ab Oktober 2001 – wiederum ohne Erfolg. Mit dem im Dezember 2003 bekanntgegebenen Ablehnungsbescheid hat der Beklagte die Kindergeldfestsetzung bis einschließlich Dezember 2003 abgelehnt. Das FG entschied aber, dass dem Kläger für Oktober 2001 bis Dezember 2003 materiell-rechtlich Kindergeld zugestanden hatte. 

     

    Anmerkungen

    Das Niedersächsische FG hat 62 Abs. 2 EStG in der bis einschließlich 2004 gültigen Gesetzesfassung einschränkend verfassungskonform ausgelegt. Danach soll der Ausschluss der Kindergeldberechtigung nicht für solche Ausländer gelten, die nach den §§ 51, 53 oder 54 AuslG auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden können und die sich seit mindestens einem Jahr ununterbrochen in Deutschland aufhalten. Hintergrund dieser Auslegung ist ein Beschluss des BVerfG vom 6.7.04 (BVerfGE 111, 160). Danach ist die Vorgängerregelung des § 1 Abs. 3 S. 1 BKGG mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, weil keine gewichtigen Gründe ersichtlich sind, die die unterschiedliche Behandlung ausländischer Eltern ohne Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis im Vergleich zu anderen ausländischen Eltern rechtfertigen könnten. Durch diese Vorschrift würden willkürlich einzelne Eltern aus dem Kreis der Kindergeldberechtigten ausgeschlossen.