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  • 03.02.2011 | Umsatzsteuer

    Kostenpflichtige Auftragsstornierung vor Leistungsbeginn nicht steuerbar

    von Dipl.-Finw. Jürgen Serafini, Troisdorf

    Der Abgrenzung zwischen umsatzsteuerlichem Entgelt und nicht umsatzsteuerbarem Schadenersatz kommt in der Praxis insbesondere dann große Bedeutung zu, wenn der Auftrag noch vor Leistungsbeginn vom Auftraggeber storniert und hierfür ein Ausfallentgelt gezahlt wurde. Der BFH hatte hierzu jüngst klargestellt, dass die bei kurzfristig abgesagten Umzugsmaßnahmen an das Speditionsunternehmen zu zahlende Stornopauschale mangels Leistungsaustausch nicht der Umsatzsteuer unterliegt (BFH 30.6.10, XI R 22/08, Abruf-Nr. 103550).

     

    Sachverhalt

    Speditionsunternehmer S wurde turnusmäßig von Gerichtvollziehern mit der Durchführung von Umzugsmaßnahmen bei der Zwangsräumung von Wohnungen beauftragt. Wurden solche Zwangsräumungen innerhalb von vier Tagen vor dem Räumungstermin abgesagt, stand S vertraglich ein „Bereitstellungsentgelt" von 30 % der für eine tatsächliche Räumung entstehenden Vergütung zu. S ging von umsatzsteuerlich unbeachtlichem Schadenersatz aus. Das FA nahm hingegen steuerpflichtige „Leistungsbereitschaftsentgelte" an. FG und BFH bestätigten jedoch, dass solche Stornovergütungen nicht der Umsatzsteuer unterliegen.  

     

    Anmerkungen

    Der BFH begründet seine Einschätzung damit, dass es bereits am erforderlichen Leistungsaustausch fehle. Die Auftragsannahme sowie die organisatorische Planung entsprechender Personal- und Sachkapazitäten bei S stelle nämlich noch keine bestimmbare Leistung an den Auftraggeber dar. Der BFH stützt sich dabei auf die jüngere EuGH-Rechtsprechung, nach der die in Frankreich bei einer Hotelbuchung mit vorzeitiger Stornierung üblicherweise anfallenden Pauschalen nicht die Vergütung für das Anlegen einer Gästeakte und das Vorhalten und Reservieren der entsprechenden Zimmer darstellen (EuGH 18.7.07, C-277/05).  

     

    An dieser Einschätzung ändere im Streitfall auch die zivilrechtliche Besonderheit des Speditionsvertrags nichts, wonach der Spediteur bei stornierten Aufträgen den Anspruch auf Vergütung behält, sich aber gemäß § 649 S. 2 BGB ersparte Aufwendungen anrechnen lassen muss und nach § 415 Abs. 2 HGB ein Drittel der vereinbarten Fracht verlangen kann. Denn unabhängig von ihrer zivilrechtlichen Einordnung kommt dieser „Faustfracht“ umsatzsteuerlich - wegen der fehlenden Leistungselemente - nicht die Qualität eines umsatzsteuerbaren Leistungsentgelts zu.  

     

    Praxishinweise

    Zur Stornovergütung bei Hotelzimmerbuchungen hatte die Finanzverwaltung (BMF 6.11.97, IV C 3 S 7100 89/97, UR 97, 484) früher die Auffassung vertreten, es müsse differenziert werden, ob dem Kunden ein vertragliches Rücktrittsrecht zustehe oder nicht. Bestehe ein solches Recht und trete er vom Vertrag wirksam zurück, so handele es sich bei der „Stornogebühr” um nicht umsatzsteuerbaren Schadenersatz. Andernfalls sei die Stornovergütung der Umsatzsteuer zu unterwerfen, da der Kunde sich in diesen Fällen nicht wirksam vom Vertrag habe lösen können.  

     

    Während der EuGH allein auf die fehlende Leistungserbringung durch den Hotelier abstellte, wiederholte die OFD Frankfurt (5.8.08, S 7100 A - 199 - St 110, UR 08, 864) im Anschluss daran nochmals die These, nur bei vertraglichem Rücktrittsrecht könne umsatzsteuerlich unbeachtlicher Schadenersatz vorliegen. Ohne diese These überhaupt zu erwähnen, stellte das BMF (5.3.10, IV D 2 - S 7210/07/10003, IV C 5 - S 2353/09/10008, BStBl I 10, 259) in Rz. 8 seines Anwendungsschreibens dann klar, übernachtungsbezogene Stornokosten stellten nichtsteuerbaren Schadenersatz dar.  

     

    Angesichts dieser diffusen Weisungslage bringt die BFH-Entscheidung die für die Praxis wichtige Klarstellung, dass einer „Stornogebühr“ der Charakter des umsatzsteuerbaren Entgelts fehlt, wenn beim Auftragnehmer nur interne Vorbereitungs- und Planungsarbeiten erfolgt sind, aber dem Stornierenden noch keine Leistung - auch nicht anteilig - zugewandt wurde.  

     

    Merke!

    Betrifft ein solches „Entgelt“ aber nicht den vorzeitig stornierten Leistungsauftrag, sondern eine plangemäße Bereitschaftsleistung, so bleibt es bei deren Steuerbarkeit - so z.B. bei pauschal vergüteten Winterdiensten oder der Jahresgrundgebühr für den 24-Stunden-Heizungsnotdienst. Entsprechendes gilt, soweit die vereinbarte Leistung zwar angeboten/durchgeführt, aber vom Auftraggeber nicht abgerufen wird (vgl. zu verfallenen Flugbuchungen: FG München 25.6.09, 14 K 95/06, Rev. V R 36/09).  

     

    Abzugrenzen von der „kostenpflichtigen“ Auftragsstornierung vor Leistungsbeginn sind zudem die Sachverhalte, bei denen eine bereits begonnene aber noch nicht abgeschlossene Leistung einvernehmlich vorzeitig - gegen Entschädigung - beendet wird. Auch in diesen Fällen steht der auf die Zeit nach dem vorzeitigen Leistungsende entfallenden Entschädigung zwar keine echte Leistung mehr gegenüber. Gleichwohl bejaht der BFH in diesen Fällen einen Leistungsaustausch, da er die „Entschädigung“ als Vergütung für den Verzicht des Auftragnehmers auf die ihm vertraglich zustehende Leistungsfortführung wertet (vgl. BFH 7.7.05, V R 34/03 sowie BFH 29.7.09, V B 156/08). Allerdings kommt der BGH davon abweichend zu dem Ergebnis, der Kunde schulde keine Umsatzsteuer auf die „Entschädigung“, da der Auftragnehmer nach Kündigung keine Leistung mehr erbringe und sich mit der „Entschädigung“ zudem keine Leistungs-, sondern nur eine Vergütungsforderung „abkaufen“ lasse. In diesen Fällen steht der Auftragnehmer mithin vor dem Dilemma, Umsatzsteuer auf die „Entschädigung“ abführen zu müssen, aber sie zivilrechtlich nicht erfolgreich einfordern oder einklagen zu können.  

    Quelle: Ausgabe 02 / 2011 | Seite 40 | ID 141968