· Gewerbesteuer
Das verflixte erste Jahr in der erweiterten Grundstückskürzung

von StB Dr. Sebastian Binder und StB Manuel Brühl, beide München
| Die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen stellt für immobilienverwaltende Kapitalgesellschaften und andere gewerbliche Vermieter eine bedeutende Vergünstigung dar. Insbesondere im ersten Jahr der erweiterten Kürzung ist jedoch erhöhte Aufmerksamkeit geboten. Die zu beachtenden Restriktionen und mögliche Gestaltungsansätze werden nachfolgend am Beispiel des Urteils des FG Berlin-Brandenburg vom 5.11.24 (8 K 8179/22) detailliert dargestellt. |
1. Sachverhalt
Im Streitfall vor dem FG Berlin-Brandenburg hatte eine im Jahr 2018 gegründete GmbH (Klägerin) mit Kaufverträgen vom 9.11.18 mehrere Immobilien erworben. Darunter waren zwei mit Mehrfamilienhäusern bebaute Grundstücke, ein unbebautes Grundstück sowie alle 21 Sondereigentumseinheiten einer Eigentümergemeinschaft. Der Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten erfolgte ‒ wie in der Praxis häufig zu sehen ‒ erst später, nämlich im Mai des Jahres 2019. Somit hatte die GmbH erst während des laufenden gewerbesteuerlichen Erhebungszeitraums (§ 14 S. 1 GewStG) 2019 das wirtschaftliche Eigentum am Grundbesitz erworben.
Zwischen dem Abschluss der Kaufverträge und dem Eigentumsübergang war die GmbH nicht untätig, sondern verhandelte mit Banken über günstige Finanzierungen und schloss im November 2018 einen Maklervertrag zur Vermarktung der Grundstücke ab. Ferner wurde die Umnutzung einer Erdgeschosseinheit vorbereitet. Im Juli 2019 veräußerte die GmbH ihren Grundbesitz mit Ausnahme eines der mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücke an eine Käuferin. Neben der GmbH veräußerten auch mit gleicher Urkunde weitere Projektgesellschaften, die sich unter gemeinsamer Leitung befanden, Grundbesitz an diese Käuferin. Der zeitliche Ablauf lässt sich grafisch vereinfacht wie folgt zusammenfassen:

Die GmbH beantragte die erweiterte Kürzung für das Jahr 2019. Das Finanzamt berücksichtigte die erweiterte Kürzung im GewSt-Messbescheid nicht, da es einen gewerblichen Grundstückshandel annahm. Hiergegen wandte sich die GmbH mit dem Argument, dass die Drei-Objekt-Grenze nicht überschritten sei und zum Zeitpunkt des Erwerbs eine langfristige Vermietung geplant gewesen sei, weshalb auch die Finanzierung langfristig erfolgte. Der Einspruch wurde letztlich zurückgewiesen. Denn die GmbH habe nicht ‒ wie für die erweiterte Kürzung erforderlich ‒ ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und genutzt, da sie erst im Mai 2019 wirtschaftliche Eigentümerin eines Grundstücks wurde und somit nicht während des gesamten Erhebungszeitraums eigenen Grundbesitz verwaltete.
Die GmbH argumentierte, dass sie während des gesamten Erhebungszeitraums ausschließlich grundbesitzverwaltende Tätigkeiten ausgeübt habe. Obwohl der Übergang von Nutzen und Lasten der Objekte erst im Mai 2019 erfolgte, hatte sie die Objekte bereits im November 2018 durch schuldrechtliche Kaufverträge erworben. Das FG Berlin-Brandenburg bestätigte den streitigen Bescheid über den GewSt-Messbetrag und wies die Klage als unbegründet ab.
2. Die Argumentation des FG Berlin-Brandenburg
Das FG führt dazu aus, dass der Anwendungsbereich der erweiterten Kürzung insoweit eingeschränkt sei, als ein Steuerpflichtiger die begünstigte Tätigkeit der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes „ausschließlich“ ausüben muss, abgesehen von den in § 9 Nr. 1 S. 2 und 3 GewStG zugelassenen Ausnahmen. Der Begriff der Ausschließlichkeit ist gleichermaßen qualitativ, quantitativ sowie zeitlich zu verstehen.
Die erweiterte Grundstückskürzung erfordert, dass die Immobilien-Gesellschaft auch in zeitlicher Hinsicht ausschließlich grundbesitzverwaltend und -nutzend tätig ist. Diese Tätigkeit muss während des gesamten Erhebungszeitraums ausgeübt werden. Die im Vorfeld des Nutzen-Lasten-Wechsels durchgeführten Maßnahmen stellen nach Auffassung des FG keine Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes dar. Die Fruchtziehung begann erst mit dem Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums an dem Grundbesitz und nicht bereits mit vorbereitenden Maßnahmen. Das FG hat die Revision aber wegen grundsätzlicher Bedeutung sowie zur Fortbildung des Rechts zugelassen.
3. Eigene Bewertung
Die finanzgerichtliche Rechtsprechung zur erweiterten Kürzung ist von einer gewissen formalen Strenge geprägt. Es überrascht daher nicht, dass das FG die erweiterte Kürzung im Streitjahr abgelehnt hat. Gleichwohl erscheint die Entscheidung nicht zwingend, da vorliegend während des gesamten Erhebungszeitraums grundstücksbezogene Tätigkeiten ausgeübt wurden. So könnte die Klägerin bereits zu Beginn des Erhebungszeitraums (wohl negative) Einkünfte aus den fraglichen Grundstücken bezogen haben. Bei einer einkünftebezogenen Beurteilung könnte daher die erweiterte Kürzung möglicherweise zu gewähren sein, insbesondere wenn sich die Erzielung von Vermietungseinkünften durch den Kauf der Grundstücke und umfassende Maßnahmen für die Vorbereitung der Vermietungstätigkeit bereits stark konkretisiert haben sollten.
Ob der Grundbesitz auch bereits zivil- oder bilanzsteuerrechtlich der „eigene“ sein muss, erscheint vor dem Hintergrund des Normzwecks, rein vermögensverwaltende Tätigkeiten von Gewerbesteuersubjekten mit im steuerlichen Privatvermögen unternommenen grundbesitzverwaltenden Tätigkeiten gleichzustellen, nicht zwingend. Wer Handlungen vornimmt in Bezug auf ein bereits angekauftes Grundstück, die der Vermietung dienen, ist fraglos im Bereich vermögensverwaltender Einkünfteerzielung tätig. Insoweit besteht kein Grund, die erweiterte Gewerbesteuerkürzung für unter Abzug dieser Aufwendungen ermittelte Einkünfte zu versagen.
Die vom BFH bislang entschiedenen Fälle unterscheiden sich deutlich vom vorliegenden Sachverhalt, sodass die Entscheidung des FG auch insoweit nicht zwingend erscheint. So kam es in den vom BFH entschiedenen Fällen erst während des laufenden Erhebungszeitraums zur Aufnahme einer Vermietungstätigkeit (BFH 27.10.21, III R 7/19, BFH/NV 22, 242). Oder es kam zum unterjährigem Verkauf des letzten Grundstücks, weshalb die erweiterte Kürzung regelmäßig versagt wird, da naturgemäß keine grundstücksbezogenen Aktivitäten mehr entfaltet werden können (einzige von der Rechtsprechung anerkannte Ausnahme ist insoweit der Verkauf um 23:59 Uhr, vgl. BFH 11.8.24, I R 89/03, BStBl II 04, 1080).
In diesem Zusammenhang ist bei der praktischen Gestaltung von Immobilien-Kaufverträgen große Genauigkeit gefragt, wie der BFH jüngst erneut deutlich machte (vgl. BFH 17.10.24, III R 1/23, BFH/NV 25, 336). Wie die Streitfrage im Zusammenhang mit den vorbereitenden Maßnahmen zu entscheiden wäre, bleibt allerdings offen.
Problematisch könnte allerdings sein, dass die Klägerin die erworbenen Immobilien kurz nach Erwerb teilweise weiterveräußert hat. Wäre dies als gewerblicher Grundstückshandel anzusehen, wäre die erweiterte Kürzung ausgeschlossen. Das FG hat hierauf nur hingewiesen, diese Frage jedoch nicht entscheiden müssen.
Beachten Sie | Falls die vorbereitenden Tätigkeiten wie die Vermietung selbst zu behandeln wären, könnte sich die Frage nach dem gewerblichen Grundstückshandel indes stellen. Allerdings könnte auch dies dahinstehen, wenn im Rahmen des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG die Betriebsvermögenszugehörigkeit des Grundbesitzes zu Beginn des Erhebungszeitraums (§ 20 S. 2 GewStDV) zu prüfen wäre. Der BFH hatte dies 2021 offengelassen (vgl. BFH 27.10.21, III R 7/19, BFH/NV 22, 242), die Vorinstanz jedoch an R 9.2 Abs. 1 S. 4 GewStR gerüttelt (vgl. FG Berlin-Brandenburg 11.12.18, 8 K 8131/17, GmbHR 19, 968 mit Anm. Brühl).
Es bleibt abzuwarten, wie der BFH in der zugelassenen Revision (anhängig unter dem Aktenzeichen III R 40/24) entscheiden wird.
4. Relevanz für die Praxis und mögliche Gestaltungsansätze
Häufig wird es aus praktischen Gründen nicht möglich sein, den Grundbesitz zu Beginn eines Erhebungszeitraums zu erwerben. Im ersten Jahr der Vermietungstätigkeit stellt sich daher zunächst die Frage, ob überhaupt ein positiver Gewerbeertrag entsteht. Falls ein Fehlbetrag ‒ z. B. durch erhöhte Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen (die Grenzen für anschaffungsnahe Herstellungskosten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG sind zu beachten!) ‒ entsteht, spielt die erweiterte Kürzung keine Rolle und wird nicht beantragt werden, um einen Fehlbetrag (§ 10a GewStG) feststellen zu lassen.
Beachten Sie | Das Erstjahr kann sich dabei auch für eine sorgfältige Due Diligence des Vermietungsobjekts anbieten, um z. B. schädliche Nebentätigkeiten oder Betriebsvorrichtungen zu identifizieren und hierfür tragfähige Lösungen für die Folgejahre zu implementieren, falls dies nicht bereits im Zuge des Ankaufs erfolgte, was im Hinblick auf § 75 AO freilich anzuraten ist.
5. Gestaltungstipps
Soll die erweiterte Kürzung dennoch bereits im Erstjahr beantragt werden, können folgende Maßnahmen diskutiert werden. Bewährt hat sich dabei, den Beginn der Gewerblichkeit und somit den Beginn des ersten Erhebungszeitraums bewusst nach hinten zu verlagern:
- Zunächst könnte zwar daran gedacht werden, durch die Änderung des Wirtschaftsjahres die betreffenden Einkünfte in den Folgeerhebungszeitraum zu verlagern. Einer Umstellung des Wirtschaftsjahres allein aus diesem Grund wird das Finanzamt jedoch i. d. R. nicht zustimmen. Es könnte jedoch erwogen werden, das Käufer-Vehikel direkt mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Geschäfts- und Wirtschaftsjahr zu gründen.
- In der Praxis bewährt hat sich der Erwerb des Grundstücks durch eine vermögensverwaltende GmbH & Co. KG. In diesem Fall können die Gewerblichkeit und somit der Beginn des gewerbesteuerlichen Erhebungszeitraums bewusst durch gewerbliche Prägung der GmbH & Co. KG herbeigeführt werden.
- Beachten Sie | Man sollte dabei jedoch im Blick haben, dass das Halten eines Anteils an einer gewerblich geprägten KG zur Versagung der erweiterten Kürzung beim Gesellschafter führt. Die Strukturierung ist daher nur geeignet, wenn der Gesellschafter nicht selbst auch die erweiterte Kürzung in Anspruch nehmen will. Für den Grundbesitz der GmbH & Co. KG spielt dies gleichwohl keine Rolle, da der Gewinn aus dem Mitunternehmeranteil beim Gesellschafter gekürzt wird (§ 9 Nr. 2 GewStG) und es somit nur auf die Anwendbarkeit der erweiterten Kürzung auf Ebene der GmbH & Co. KG ankommt.
- Alternativ wäre wieder der Kauf über eine vermögensverwaltende GmbH & Co. KG denkbar, die nach Erwerb des Grundbesitzes in eine GmbH formgewechselt wird. Der Formwechsel wäre zwar grundsätzlich realisierend, da der Formwechsel einer vermögensverwaltenden KG nicht in den Anwendungsbereich des § 25 i. V. m. § 20 UmwStG fallen dürfte. Es ist zudem zu prüfen, ob durch den Formwechsel ggf. ein gewerblicher Grundstückshandel begründet wird.
- Beachten Sie | Bei einem kurzen Zeitraum zwischen Erwerb des Grundbesitzes und Wirksamwerden des Formwechsels dürfte die Gefahr für die Bildung von stillen Reserven möglicherweise gering sein. Die formgewechselte GmbH würde sodann ab Beginn ihres gewerbesteuerlichen Erhebungszeitraums eigenen Grundbesitz verwalten und somit die erweiterte Kürzung beanspruchen können. Der Formwechsel sollte zudem keine Grunderwerbsteuer auslösen, solange keine Sperrfristen gemäß §§ 5, 6 GrEStG zu beachten sind, was bei Ankauf des Grundbesitzes von Dritter Seite gewährleistet ist.
- In der Gesamtbetrachtung ist insbesondere der Formwechsel mit gewissem Aufwand verbunden. Es ist daher in der Praxis immer zu prüfen, ob die erzielbaren Vorteile durch die erweiterte Kürzung im Erstjahr die damit verbundenen Kosten übersteigen.
- Schließlich sind in der Praxis immer wieder „Garagen“-Modelle anzutreffen, mit denen gewährleistet wird, dass eine Gesellschaft, die die erweiterte Kürzung beanspruchen soll, durchgehend immobilienverwaltend tätig ist. Dies lässt sich beispielsweise durch rechtzeitigen Ankauf geringwertiger Immobilien, etwa Autogaragen, und deren mietweise Überlassung bewerkstelligen.
Beachten Sie | Die Finanzverwaltung ist in der Vergangenheit bereits so weit gegangen, die vermietungsvorbereitenden Tätigkeiten als schädliche Betätigung zu qualifizieren (dies zu Recht ablehnend FG Berlin-Brandenburg 11.12.18, 8 K 8131/17, GmbHR 19, 968 mit Anm. Brühl). Hat eine GmbH bereits eine oder mehrere Immobilien zu Beginn des Erhebungszeitraums und erwirbt sie eine weitere unterjährig zu wirtschaftlichem Eigentum, ist insofern also zu beachten, dass vorbereitende Tätigkeiten für die angekaufte Immobilie vom Finanzamt als Verwaltung „fremden“ Grundbesitzes gedeutet werden könnten und damit die Gewerbesteuerkürzung auch für die Bestandsimmobilien gefährden könnten. Auch wenn dies abzulehnen ist, sollte vorsichtshalber die vermietungsvorbereitende Tätigkeit nicht von der GmbH selbst übernommen werden.
Schließlich gibt der Entscheidungsfall Anlass, darauf hinzuweisen, dass bereits die Satzungsgestaltung der Vermietungs-GmbH Nährboden für die Finanzverwaltung liefern kann, die Gewährung von § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG zu bestreiten. Den „Handel“ mit Grundstücken sollte der Gesellschaftszweck für ein Gewerbesteuersubjekt, das die erweiterte Grundbesitzkürzung begehrt, nicht vorsehen, auch wenn die Finanzverwaltung typischerweise und vielfach losgelöst von den tatsächlichen Begebenheiten dem Inhalt von Gesellschaftsverträgen zu große Bedeutung beimisst.