· Fachbeitrag · Kapitalgesellschaften
Besteuerung von Streubesitzdividenden: Gesetz sorgt für deutliche Verschärfungen!
von Dr. Hansjörg Pflüger, Stuttgart
| Am 1.3.13 hat der Bundestag den Empfehlungen des Vermittlungsausschusses hinsichtlich des „Gesetzes zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20.10.11 in der Rechtssache C-284/09“ - besser bekannt unter dem Begriff „Gesetz zur Besteuerung der Streubesitzdividende“ - zugestimmt (BGBl I 13, 561). Dieses Gesetz hat weitreichende Auswirkungen auf alle inländischen Kapitalgesellschaften, weil es diese teilweise aus der Steuerbefreiung des § 8b KStG herausnimmt. Die Neuerungen und mögliche Gestaltungen zur Vermeidung dieser „Sanktion“ werden nachfolgend kurz vorgestellt. |
1. Beteiligungen von weniger als 10 Prozent
Nach dem neuen § 8b Abs. 4 KStG sind Gewinnausschüttungen dann, wenn die Beteiligung zu Beginn des Jahres weniger als 10 % betragen hat, von der Anwendung des § 8b Abs. 1 KStG ausgeschlossen. Das heißt nichts anderes, als dass Ausschüttungen auf Beteiligungen von weniger als 10 % an einer Kapitalgesellschaft der normalen Besteuerung, d.h. der Besteuerung nach Abgeltungsrecht, unterliegen.
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Die X-GmbH ist an der örtlichen Genossenschaftsbank (Volks- oder Raiffeisenbank) mit einem Genossenschaftsanteil beteiligt. Die Bank schüttet auf die Beteiligung einen Gewinnanteil von 20 EUR aus. Von diesem Anteil behält die Bank 5 EUR ein und führ diese an das Finanzamt ab. Hierüber erteilt die Bank der X-GmbH eine Bescheinigung. Auf dem Konto der X-GmbH gutgeschrieben werden 15 EUR.
Stellungnahme: Durch den Steuereinbehalt von 25 % Kapitalertragsteuer ist die Besteuerung der Ausschüttung aus dem Genossenschaftsanteil abgegolten. Die Verbuchung der 15 EUR, die auf dem Konto der X-GmbH gutgeschrieben werden, erfolgt als versteuerte Einnahme. |
Eine steuerliche Entlastung bei der empfangenden Kapitalgesellschaft ist nicht vorgesehen. Das bedeutet, dass bei einer Ausschüttung der empfangenden Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter - die ja ebenfalls der abgeltenden Kapitalertragsteuer von 25 % unterliegt - eine Gesamtbelastung von 43,75 % Ertragsteuer entsteht. Von den 20 EUR Ausschüttung der Genossenschaftsbank im obigen Beispielsfall kommen somit beim Gesellschafter der X-GmbH lediglich ca. 11,25 EUR an, nämlich 20 EUR ./. 5 EUR (abgeltende Kapitalertragsteuer Genossenschaft) und ./. 3,75 EUR (abgeltende Kapitalertragsteuer X-GmbH). Hinzu kommt die Belastung mit Gewerbesteuer auf der Ebene der X-GmbH in Höhe von rund 14 %; bei einem unterstellten Hebesatz von 400 % bleiben nochmals rund 2,10 EUR auf der Strecke.
2. Inkrafttreten des Gesetzes
Die Regelung findet Anwendung auf alle Gewinnausschüttungen, die der empfangenden Körperschaft seit dem 1.3.13 zufließen. Bei früheren Ausschüttungen verbleibt es bei der bisherigen Rechtslage:
- Für unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften bedeutet dies, dass die vereinnahmten Gewinnausschüttungen gemäß § 8b Abs. 1 KStG mit 5 % belastet werden. Die zuviel abgezogene Kapitalertragsteuer wird zunächst als Vorauszahlung für die KSt gebucht und dann verrechnet oder im Fall eines Verlustes erstattet.
- Bei beschränkt steuerpflichtigen Körperschaften wird die auf vor dem 1.3.13 zugeflossene Gewinnausschüttungen einbehaltene Kapitalertragsteuer nach dem neuen § 32 Abs. 5 KStG erstattet. Voraussetzung ist, dass
- die beschränkt steuerpflichtige Körperschaft ihren Sitz und Ort der Geschäftsleitung innerhalb der EU oder des EWR hat,
- es sich um eine unmittelbare Beteiligung handelt,
- die Mindestbeteiligungsvoraussetzungen des § 43b Abs. 2 EStG nicht erfüllt sind (Fälle der Mutter-Tochter-Richtlinie; mindestens 10 % ununterbrochen für 12 Monate; in diesem Fall wird die KapESt nämlich nicht erhoben),
- keine Erstattung nach anderen Vorschriften vorgesehen ist,
- die Voraussetzungen des § 8b KStG für eine Steuerbefreiung (fiktiv nach deutschem Recht) erfüllt sind (damit kann die Erstattungslösung für ab dem 1.3.13 zufließende Streubesitzdividenden nicht mehr zur Anwendung kommen) und
- die KapESt nicht anrechenbar oder als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abziehbar ist.
PRAXISHINWEIS | Diese Voraussetzungen sind vom Gläubiger der Kapitalerträge durch Bescheinigungen der ausländischen Steuerbehörden nachzuweisen. Der Antrag ist beim Zentralamt für Steuern zu stellen. Verjährung tritt nach den allgemeinen Regeln (§ 169 Abs. 2 Nr. 4 AO) nach vier Jahren ein. Allerdings beginnt die Festsetzungsverjährung erst drei Jahre nach Ablauf des Jahres, in welchem die Kapitalertragsteuer einbehalten wurde (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO). Wenn im Lauf des Jahres 2013 ein Antrag beim Zentralamt für Steuern gestellt wird, könnte dieser also noch für Kapitalertragsteuer gestellt werden, die in 2005 einbehalten wurde. |
3. Erwerb von Anteilen im Laufe des Jahres
Die Beteiligung muss am Anfang des Kalenderjahres 10 % vom Stamkapital betragen haben. War die Beteiligung zunächst geringer und wird sie erst im Laufe des Jahres auf mindestens 10 % aufgestockt, gilt für das Jahr der Aufstockung wohl noch die oben dargestellte Rechtslage, d.h. eine Gewinnausschüttung der Beteiligungsgesellschaft wird mit 25 % abgeltender Kapitalertragsteuer belastet (so auch Benz/Jetter, DStR 13, 491). Eine Anrechnung der einbehaltenen Steuer erfolgt nicht. Eine Sonderregelung trifft das Gesetz allerdings für die Fälle, in denen eine Schachtelbeteiligung erst im Lauf des Jahres erworben wurde. Hier gilt nach dem neuen § 8b Abs. 4 S. 6 KStG, dass die Beteiligung fiktiv als am Anfang des Jahres erworben gilt.
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Die in Frankreich ansässige Y-SA (Societe Anonyme) möchte auf den deutschen Markt expandieren. Hierzu benötigt sie einen deutschen Vertriebspartner. Diesen hat sie in der X-GmbH gefunden. Zur Vertiefung der gegenseitigen Geschäftsbeziehungen beteiligt sich die Y-SA 2010 am Stammkapital der X-GmbH mit 8 %. Da sich die Geschäfte sehr positiv entwickeln, erhöht die Y-SA im April 2013 ihren Anteil an der X-GmbH auf 12 %. Die Gewinnausschüttung erfolgt im Mai.
Stellungnahme: Obwohl die Y-SA zum Zeitpunkt der Gewinnausschüttung eine Schachtelbeteiligung hält, würde die Ausschüttung mit 25 % abgeltender Kapitalertragsteuer belastet, die die Y-SA nicht erstattet bekommen würde. Es empfiehlt sich daher die 8 % Anteile zunächst zu verkaufen und dann nach einer gewissen Frist (z.B. nach 4 Wochen) einen Anteil von 12 % zu erwerben. Dieser Anteil gilt durch den erneuten Erwerb dann fiktiv als zu Beginn des Jahres 2013 angeschafft. Eine Erstattung der auf die Gewinnausschüttung des Jahres 2013 einbehaltenen Kapitalertragsteuer beim Zentralamt für Steuern kann dadurch erfolgen. |
4. Einbeziehung von Investmenterträgen
Die Aufhebung der Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG für von Körperschaften bezogene Streubesitzdividenden wird im Investmentsteuerrecht nachvollzogen. Entsprechend findet für Erträge aus Publikums-Investmentvermögen § 8b Abs. 1 KStG ab 1.3.13 keine Anwendung mehr (§ 2 Abs. 2, § 5 Abs. 1 InvStG). Hierbei geht man typisierend davon aus, dass Publikums-Investmentvermögen selbst regelmäßig Streubesitzbeteiligungen halten und durchgerechnet auf den einzelnen Anleger dieser regelmäßig keine Beteiligungshöhe von mindestens 10 % erreicht. Für Erträge von Spezial-Sondervermögen und Spezial-Investment-AG ist künftig § 8b Abs. 1 KStG unter der Voraussetzung anwendbar, dass der Anleger
- an den jeweiligen Beteiligungen des Investmentvermögens durchgerechnet mit mindestens 10 % beteiligt ist (eine Zusammenrechnung von zuzurechnenden Beteiligungen über Spezial-Investmentvermögen mit als Direktanlage gehaltenen Beteiligungen wird dabei aber nicht zugelassen), oder
- der Anleger im Rahmen einer Direktanlage bereits zu mindestens 10 % beteiligt ist und er dies zu dem zu beurteilenden Stichtag gegenüber der Investmentgesellschaft nachweist (vgl. § 15 Abs. 1a InvStG n.F.).
Auch die Änderungen im InvStG sind ab dem 1.3.13 anzuwenden. Für Dividendenerträge, die dem Investmentvermögen vor dem Stichtag zugeflossen sind oder als zugeflossen gelten, werden die bisherigen Regelungen zur Steuerfreiheit nach § 8b KStG im Rahmen einer Übergangsregelung aufrechterhalten, um insoweit Bestandsschutz zu gewähren.
5. Besteuerung der Wertsteigerung
Nicht von der Neuregelung erfasst wird die Besteuerung von Wertsteigerungen bei der Veräußerung von Kapitalbeteiligungen (§ 20 Abs. 2 EStG). Hier gilt nach wie vor die Steuerbefreiung des § 8b Abs. 2 KStG, nachdem der Wertzuwachs bei einer Veräußerung ebenfalls nur mit 5 % KSt belastet, die nach § 32d EStG zuviel einbehaltene Kapitalertragsteuer somit auf die KSt-Vorauszahlungen angerechnet wird. Bei beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern gilt hier im Regelfall die Bestimmung des entsprechenden DBA. Nach Art. 13 OECD-MA erfolgt die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns im Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters unter Berücksichtigung der im Tätigkeitsstaat der Gesellschaft einbehaltenen Steuer.
6. Folgerungen für die Praxis
Nur die wenigsten GmbHs dürften in ihrem Betriebsvermögen in größerem Umfang Streubeteiligungen haben. Allenfalls Genossenschaftsanteile könnten in diese Kategorie fallen. Hier dürfte es schwer fallen, durch Gestaltung die doppelte Belastung mit Kapitalertragsteuer zu vermeiden. Anders sieht es aus, wenn geringe Beteiligungen an Großhändlern oder sonstigen Lieferanten bestehen. Hier bietet sich eine Umstellung der Beteiligung am Stammkapital in eine atypische stille Einlage an. Auch bei diesem „Modell“ könnten Gewinnbeteiligungen gewährt und auch Mitspracherechte sichergestellt werden.
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Die X-GmbH betreibt einen Handel mit Kfz. Sie ist mit 1 % an der regionalen Vertriebs-GmbH des Autoproduzenten beteiligt, dessen Fahrzeuge sie vertreibt.
Stellungnahme: Um eine doppelte Versteuerung der Gewinnausschüttung zu vermeiden, wird statt der Beteiligung an der Vertriebs-GmbH dieser eine atypisch stille Einlage gewährt. Die Ausschüttungen auf diese Einlage unterliegen dem Teileinkünfteverfahren. |
Besonders kritisch dürfte die Neuregelung allerdings für sog. Kapitalanlagegesellschaften werden. Diese wurden vermögenden Steuerpflichtigen anlässlich der Abschaffung der einjährigen Spekulationsfrist bei Veräußerungsgewinnen und der gleichzeitigen Einführung der Abgeltungsbesteuerung auf alle Veräußerungsgewinne und Gewinnausschüttungen empfohlen, um von der Steuerfreiheit des § 8b KStG zumindest solange profitieren zu können, wie die Kapitalanlagegesellschaft ihre Gewinne nicht an den Gesellschafter ausschüttet. Dieses Modell dürfte durch die Neuregelung nicht mehr attraktiv sein. Soweit Mandanten eine solche Kapitalanlagegesellschaft gegründet haben sind sie auf die Neuregelung hinzuweisen. Nur in den Fällen in denen ausschließlich auf Wertsteigerung der Wertpapiere spekuliert wird und die Dividenden von untergeordneter Bedeutung sind, kann sich das Modell „Kapitalanlagegesellschaft“ noch rechnen, denn die Besteuerung der Veräußerungserlöse erfolgt nach wie vor mit 5 % gem. § 8b Abs. 2 KStG.
Hinweis | Allerdings will der Gesetzgeber prüfen lassen, ob die Differenzierung zwischen (steuerpflichtigen) Dividenden und (steuerfreien) Veräußerungsgewinnen zu unerwünschten Steuergestaltungen führt (Dividendenstripping, Thesaurierung und spätere Veräußerung ggf. im bisherigen Gesellschafterkreis usw.). Sollte dies der Fall sein, wird wohl künftig auch die Veräußerungsgewinnbefreiung gestrichen.