21.01.2015 · IWW-Abrufnummer 174318
Bundesfinanzhof: Urteil vom 02.09.2014 – IX R 52/13
Verrechnung von nicht ausgeglichenen oder abgezogenen Verlusten bei einer vermögensverwaltenden Kommanditgesellschaft ( § 15a Abs. 2 EStG ) - Sinngemäße Anwendung von § 15a EStG bei einer vermögensverwaltenden Kommanditgesellschaft nach § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG
Nach § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG i.V.m. § 15a Abs. 2 EStG ist bei einer Kommanditgesellschaft, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, der einem Kommanditisten zuzurechnende, nicht ausgeglichene oder abgezogene Verlustanteil mit Überschüssen, die dem Kommanditisten in späteren Wirtschaftsjahren aus seiner Beteiligung an der Kommanditgesellschaft zuzurechnen sind, zu verrechnen. Zu solchen Überschüssen zählen auch positive Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften.
Gründe
I.
1
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine vermögensverwaltende Kommanditgesellschaft, erzielte bis zum Feststellungszeitraum 2006 ausschließlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 des Einkommensteuergesetzes (EStG) . Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) stellte zum 31. Dezember 2006 erklärungsgemäß verrechenbare Verluste der Kommanditisten in Höhe von 277.427,76 € gemäß § 15a Abs. 4 EStG gesondert fest.
2
Im Streitjahr 2007 erzielte die Klägerin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 30.417,17 €. Außerdem resultierten aus der Veräußerung des im Gesamthandsvermögen befindlichen Grundstücks Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 23 EStG in Höhe von 2.595.621 €.
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In dem Bescheid für das Streitjahr über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG lehnte das FA die von der Klägerin in ihrer Feststellungserklärung begehrte Verrechnung der positiven Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 23 EStG mit dem gesondert festgestellten verrechenbaren Verlust zum 31. Dezember 2006 ab, weil die verrechenbaren Verluste nur mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verrechnet werden könnten. Der Einspruch blieb erfolglos.
4
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 184 veröffentlichten Urteil insoweit statt, als sie sich gegen den Bescheid für das Streitjahr über die gesonderte Feststellung der verrechenbaren Verluste richtete. Eine Verrechnung der festgestellten verrechenbaren Verluste mit den positiven Einkünften der Kommanditisten aus der Veräußerung des Grundstücks sei zulässig. Dem stehe nicht entgegen, dass die festgestellten verrechenbaren Verluste aus den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung resultierten, während die positiven Einkünfte solche aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 23 EStG seien. Soweit sich die Klage gegen den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen der Kommanditgesellschaft richte, sei die Klage im Übrigen unzulässig. Denn über die Frage, ob positive Einkünfte mit einem bestehenden verrechenbaren Verlust verrechnet werden könnten, werde abschließend im Bescheid über die gesonderte Feststellung der verrechenbaren Verluste nach § 15a Abs. 4 EStG entschieden.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts ( § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG i.V.m. § 15a EStG ). Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG sei § 15a EStG im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sinngemäß anzuwenden. In die Verlustverrechnung nach § 15a Abs. 2 EStG seien nur Überschüsse, die im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt würden, einzubeziehen. Überschüsse aus Einkünften nach § 20 EStG oder § 23 EStG seien hingegen nicht mit den verrechenbaren Verlusten aus Einkünften nach § 21 EStG zu verrechnen, denn weder in § 20 EStG (mit Ausnahme des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG ) noch in § 23 EStG fände sich eine entsprechende Norm, dass § 15a EStG sinngemäß anzuwenden sei. Die sinngemäße Anwendung des § 15a EStG habe der Gesetzgeber im Einkommensteuergesetz abschließend geregelt. Da es kein verfassungsrechtliches Gebot zur steuerlichen Gleichbehandlung von Gewinn- und Überschusseinkünften gebe, könne eine Verrechnung auch nicht aus dem Grund zugelassen werden, dass Beteiligte vermögensverwaltender Kommanidtgesellschaften im Hinblick auf die Ausgleichs- und Abzugsfähigkeit der Verluste schlechter gestellt seien als gewerbliche Mitunternehmer.
6
Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
8
Die Beigeladenen 1 bis 8 stellen keine Anträge.
II.
9
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen ( § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ). Das FG hat zutreffend entschieden, dass die für die einzelnen Kommanditisten zum 31. Dezember 2006 gesondert festgestellten verrechenbaren Verluste mit den ihnen zuzurechnenden positiven Einkünften des Streitjahres aus Vermietung und Verpachtung und aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 23 EStG verrechnet werden können.
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1. Nach § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG ist § 15a EStG sinngemäß anzuwenden. Danach darf der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der Kommanditgesellschaft --bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung am Werbungskostenüberschuss-- weder mit anderen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht. Bei der Ermittlung des Kapitalkontos sind positive Überschüsse aus anderen Einkunftsarten zu berücksichtigen, wenn die Gesellschaft Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt.
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a) Zum Zweck der sinngemäßen Anwendung des § 15a EStG führt der Bericht des Finanzausschusses in der Gesetzesbegründung aus (BTDrucks 8/4157, 5; vgl. auch BTDrucks 8/3648, 18 f.): "Für den Bereich Vermietung und Verpachtung sollen die für gewerbliche Kommanditgesellschaften geltenden Vorschriften sinngemäße Anwendung finden, um sicherzustellen, dass Beteiligungen an vermögensverwaltenden Kommanditgesellschaften steuerrechtlich so weit wie möglich Beteiligungen an gewerblichen Kommanditgesellschaften gleichgestellt werden."
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b) Nach dem Normzweck des § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG i.V.m. § 15a EStG soll daher die Berechnung des Kapitalkontos einer Kommanditgesellschaft mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung so weit wie möglich der Berechnung des Kapitalkontos bei einer Kommanditgesellschaft mit Einkünften aus Gewerbebetrieb angeglichen werden. Dass Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften bei gewerblich tätigen Gesellschaften die Höhe des Kapitalkontos i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG beeinflussen, ergibt sich unmittelbar aus § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Oktober 1996 IX R 72/92 , BFHE 181, 462, BStBl II 1997, 250 [BFH 15.10.1996 - IX R 72/92] ).
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Unterschiede zwischen einer gewerblich tätigen Kommanditgesellschaft und einer Kommanditgesellschaft mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ergeben sich deshalb, weil die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht durch Vermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 EStG ), sondern durch Überschussrechnung zu ermitteln sind. Bei der sinngemäßen Anwendung des § 15a EStG im Rahmen des § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG kann daher nicht --wie bei gewerblich tätigen Kommanditgesellschaften-- das Kapitalkonto der Steuerbilanz maßgebend sein. Vielmehr ist das Kapitalkonto jedes Gesellschafters selbständig zu ermitteln, wobei von den von den einzelnen Gesellschaftern geleisteten Einlagen auszugehen ist. Diese Einlagen sind um spätere Einlagen sowie um die positiven Einkünfte der Vorjahre zu erhöhen und um die Entnahmen und negativen Einkünfte der Vorjahre zu vermindern (vgl. BFH-Urteil vom 8. September 1992 IX R 335/87 , BFHE 169, 418, BStBl II 1993, 281, [BFH 08.09.1992 - IX R 335/87] unter III.; BFH-Urteil in BFHE 181, 462, [BFH 15.10.1996 - IX R 72/92] BStBl II 1997, 250, [BFH 15.10.1996 - IX R 72/92] m.w.N.). Eine derartige Berechnung des Kapitalkontos des einzelnen Gesellschafters einer vermögensverwaltenden Kommanditgesellschaft entspricht am ehesten dem Zweck des § 15a EStG : Nur solche Verlustanteile sollen die Steuerschuld sofort mindern, die zu einer gegenwärtigen Vermögenseinbuße oder -gefährdung durch Haftung führen (vgl. zum Zweck des § 15a EStG BFH-Urteil vom 14. Mai 1991 VIII R 31/88 , BFHE 164, 516, BStBl II 1992, 167 [BFH 14.05.1991 - VIII R 31/88] ).
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Wird das Kapitalkonto auf diese Weise als Überschuss der Vermögenszuflüsse und -abflüsse des einzelnen Kommanditisten berechnet, so ist es nicht gerechtfertigt und auch praktisch nicht durchführbar, gewissermaßen für jede Einkunftsart --Einkünfte aus Kapitalvermögen, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, sonstige Einkünfte-- ein gesondertes Kapitalkonto zu ermitteln. Das lässt sich schon deshalb nicht durchführen, weil jedenfalls die Einlagen und Entnahmen jede Einkunftsart betreffen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 181, 462, [BFH 15.10.1996 - IX R 72/92] BStBl II 1997, 250 [BFH 15.10.1996 - IX R 72/92] ).
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c) Nach § 15a Abs. 2 EStG mindern die verrechenbaren Verluste "die Gewinne, die dem Kommanditisten in späteren Wirtschaftsjahren aus seiner Beteiligung an der Kommanditgesellschaft zuzurechnen sind". Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG i.V.m. § 15a Abs. 2 EStG sind die verrechenbaren Verluste daher mit Überschüssen "aus seiner Beteiligung an der Kommanditgesellschaft", die später erzielt werden, zu verrechnen (vgl. auch BTDrucks 8/3648, 18 f.). Da § 15a Abs. 2 EStG unabhängig von der Einkunftsart formuliert ist und die Verrechenbarkeit mit künftigen Überschüssen allein an die gesellschaftsrechtliche Beteiligung knüpft (Jakob, Betriebs-Berater --BB-- 1987, 1469, 1473), sind alle Überschüsse verrechnungsfähig, die mit der Beteiligung in Zusammenhang stehen. Dies umfasst auch Veräußerungsgewinne der Kommanditgesellschaft (vgl. Blümich/ Heuermann, § 15a EStG Rz 75).
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Diese Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte des § 15a Abs. 2 EStG bestätigt. Auch die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zu § 15a EStG stellt maßgebend auf das Merkmal der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung ab (gl.A. Jakob, BB 1987, 1469, 1473). Darin heißt es (BTDrucks 8/3648, 17): "Nach Absatz 2 kann der Anteil am Verlust der Kommanditgesellschaft, den der Kommanditist nach Absatz 1 im Entstehungsjahr nicht mit positiven Einkünften ausgleichen oder abziehen konnte, mit Gewinnen verrechnet werden, die der Kommanditist in späteren Wirtschaftsjahren aus seiner Beteiligung erzielt."
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d) Somit ergibt sich aus dem dargestellten Normzweck des § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG i.V.m. § 15a EStG , der zitierten Gesetzesbegründung zu § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG und dem Gesetzeswortlaut des § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG i.V.m. § 15a Abs. 2 EStG , dass --entgegen der Auffassung des FA-- auch bei einer Kommanditgesellschaft, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften bei der Berechnung des Ausgleichsvolumens einzubeziehen sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 181, 462, [BFH 15.10.1996 - IX R 72/92] BStBl II 1997, 250 [BFH 15.10.1996 - IX R 72/92] zu Einkünften aus Kapitalvermögen; wie hier Wüllenkemper, EFG 2014, 186; Jakob, BB 1987, 1469, 1473; Stuhrmann, BB 1980, 1680, 1680 f. "sonstige Einkünfte"; ders., Deutsche Steuer-Zeitung 1981, 419, 420; a.A. Drüen, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 21 Rz B 261).
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2. Nach diesen Maßstäben hat das FG zu Recht die Verrechnung der gesondert festgestellten verrechenbaren Verluste der Kommanditisten mit den ihnen zuzurechnenden positiven Einkünften aus dem privaten Veräußerungsgeschäft als zulässig angesehen.
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Ohne Erfolg bleibt der Einwand des FA, Überschüsse aus Einkünften aus Kapitalvermögen oder aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 23 EStG seien nicht mit den verrechenbaren Verlusten aus Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu verrechnen. Denn die in § 21 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 15a Abs. 2 EStG enthaltene Verrechnung der nicht ausgeglichenen oder abgezogenen Verluste mit den Überschüssen, die dem Kommanditisten in späteren Wirtschaftsjahren aus seiner Beteiligung an der Kommanditgesellschaft zuzurechnen sind, erfolgt unabhängig von der Einkunftsart der Überschüsse. Maßgebend ist allein, dass es sich --wie im Streitfall-- um dem Kommanditisten aus seiner Beteiligung an der Kommanditgesellschaft zuzurechnende Einkünfte handeln muss.