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  • 07.09.2023 · IWW-Abrufnummer 237251

    Europäischer Gerichtshof: Urteil vom 17.05.2023 – C-365/22


    Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

    17. Mai 2023(*)

    „Vorlage zur Vorabentscheidung ‒ Mehrwertsteuer ‒ Richtlinie 2006/112/EG ‒ Differenzbesteuerung ‒ Art. 311 ‒ Begriff ,Gebrauchtgegenstände‘ ‒ Altfahrzeuge, die zum Ausschlachten verkauft werden“

    In der Rechtssache C‑365/22

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Kassationshof, Belgien) mit Entscheidung vom 16. Mai 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Juni 2022, in dem Verfahren

    IT

    gegen

    État belge

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richter N. Jääskinen und M. Gavalec,

    Generalanwältin: L. Medina,

    Kanzler: A. Calot Escobar,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    ‒        der belgischen Regierung, vertreten durch P. Cottin, J.‑C. Halleux und C. Pochet als Bevollmächtigte,

    ‒        der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Clotuche-Duvieusart und J. Jokubauskaitė als Bevollmächtigte,

    aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil

    1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

    2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen IT und dem belgischen Staat über die Weigerung der belgischen Steuerverwaltung, die Regelung über die Differenzbesteuerung auf bestimmte, von IT getätigte Verkäufe von Fahrzeugen anzuwenden.

     Rechtlicher Rahmen

     Unionsrecht

    3        Art. 311 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

    „Für die Zwecke dieses Kapitels gelten unbeschadet sonstiger Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts folgende Begriffsbestimmungen:

    1.      ‚Gebrauchtgegenstände‘ sind bewegliche körperliche Gegenstände, die keine Kunstgegenstände, Sammlungsstücke oder Antiquitäten und keine Edelmetalle oder Edelsteine im Sinne der Definition der Mitgliedstaaten sind und die in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendbar sind;



    5.      ‚steuerpflichtiger Wiederverkäufer‘ ist jeder Steuerpflichtige, der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zum Zwecke des Wiederverkaufs Gebrauchtgegenstände, Kunstgegenstände, Sammlungsstücke oder Antiquitäten kauft, seinem Unternehmen zuordnet oder einführt, gleich, ob er auf eigene Rechnung oder aufgrund eines Einkaufs- oder Verkaufskommissionsvertrags für fremde Rechnung handelt;

    …“

    4        In Art. 313 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:

    „Die Mitgliedstaaten wenden auf die Lieferungen von Gebrauchtgegenständen, Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten durch steuerpflichtige Wiederverkäufer eine Sonderregelung zur Besteuerung der von dem steuerpflichtigen Wiederverkäufer erzielten Differenz (Handelsspanne) gemäß diesem Unterabschnitt an.“

    5        Art. 314 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

    „Die Differenzbesteuerung gilt für die Lieferungen von Gebrauchtgegenständen, Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten durch einen steuerpflichtigen Wiederverkäufer, wenn ihm diese Gegenstände innerhalb der Gemeinschaft von einer der folgenden Personen geliefert werden:

    a)      von einem Nichtsteuerpflichtigen;

    b)      von einem anderen Steuerpflichtigen, sofern die [Lieferung] des Gegenstands durch diesen anderen Steuerpflichtigen gemäß Artikel 136 von der Steuer befreit ist;

    c)      von einem anderen Steuerpflichtigen, sofern für die Lieferung des Gegenstands durch diesen anderen Steuerpflichtigen die Steuerbefreiung für Kleinunternehmen gemäß den Artikeln 282 bis 292 gilt und es sich dabei um ein Investitionsgut handelt;

    d)      von einem anderen steuerpflichtigen Wiederverkäufer, sofern die Lieferung des Gegenstands durch diesen anderen steuerpflichtigen Wiederverkäufer gemäß dieser Sonderregelung mehrwertsteuerpflichtig ist.“

    6        Art. 315 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

    „Die Steuerbemessungsgrundlage bei der Lieferung von Gegenständen nach Artikel 314 ist die von dem steuerpflichtigen Wiederverkäufer erzielte Differenz (Handelsspanne), abzüglich des Betrags der auf diese Spanne erhobenen Mehrwertsteuer.

    Die Differenz (Handelsspanne) des steuerpflichtigen Wiederverkäufers entspricht dem Unterschied zwischen dem von ihm geforderten Verkaufspreis und dem Einkaufspreis des Gegenstands.“

     Belgisches Recht

    7        Mit Art. 58 § 4 des Code de la taxe sur la valeur ajoutée (Mehrwertsteuergesetzbuch) und Art. 1 des Arrêté royal n° 53, du 23 décembre 1994, relatif au régime particulier d’imposition de la marge bénéficiaire applicable aux biens d’occasion, objets d’art, de collection ou d’antiquité (Königlicher Erlass Nr. 53 vom 23. Dezember 1994 in Bezug auf die Sonderregelung über die Differenzbesteuerung für Gebrauchtgegenstände, Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten) werden die Art. 311 und 313 der Mehrwertsteuerrichtlinie in belgisches Recht umgesetzt.

     Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

    8        Seit dem 1. Oktober 2013 ist IT für eine im Verkauf von Gebrauchtfahrzeugen und Autowracks bestehende gewerbliche Tätigkeit zu Mehrwertsteuerzwecken erfasst. Im Rahmen dieser Tätigkeit erwirbt er insbesondere Fahrzeuge mit Totalschaden von Versicherungsunternehmen und verkauft sie als Autowracks oder „zum Ausschlachten“ an Dritte weiter.

    9        Im Jahr 2015 wurde IT einer Prüfung unterzogen, die aufgrund von Verstößen gegen die Vorschriften über den Vorsteuerabzug und die Differenzbesteuerung zu einem Berichtigungsbescheid führte. Auf der Grundlage der nationalen Bestimmungen, mit denen die Art. 311 und 313 der Mehrwertsteuerrichtlinie umgesetzt werden, entschied die Steuerverwaltung, Rechnungen, die den Ausdruck „Zum Ausschlachten verkaufte Fahrzeuge“ enthielten, bzw. Rechnungen, die Autowracks betrafen, von der Differenzbesteuerung auszuschließen.

    10      IT erhob gegen diese Entscheidung Klage und machte u. a. ‒ unter Verweis auf das Urteil vom 18. Januar 2017, Sjelle Autogenbrug (C‑471/15, EU:C:2017:20) ‒ geltend, dass Fahrzeuge, die „zum Ausschlachten“ verkauft würden, „Gebrauchtgegenstände“ im Sinne von Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie seien.

    11      Die Cour d’appel de Liège (Appellationshof Lüttich, Belgien) wies die Klage von IT mit Urteil vom 1. März 2019 ab. Sie stellte fest, dass das Urteil vom 18. Januar 2017, Sjelle Autogenbrug (C‑471/15, EU:C:2017:20), nicht wie im vorliegenden Fall Fahrzeuge betreffe, die „zum Ausschlachten“ verkauft würden, ohne dass die verwertbaren Teile in irgendeiner Weise individualisiert würden, sondern Teile, die vom Steuerpflichtigen selbst aus Altfahrzeugen entnommen und von ihm als (Ersatz‑)Teile weiterverkauft worden seien. Es müsse geprüft werden, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Fahrzeuge die Funktionen behalten hätten, die sie im Neuzustand gehabt hätten, so dass sie im derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendet werden könnten, und ob sie infolgedessen als „Gebrauchtgegenstände“ im Sinne von Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie eingestuft werden könnten.

    12      Das Gericht war zum einen der Ansicht, dass dies bei den von IT „zum Ausschlachten“ verkauften Fahrzeugen offensichtlich nicht der Fall sei, da der Vermerk „zum Ausschlachten“ objektiv belege, dass diese Fahrzeuge in ihrem derzeitigen Zustand grundsätzlich nicht mehr erneut verwendbar seien, und dass die objektiven Umstände zu berücksichtigen seien, unter denen der Wiederverkauf erfolgt sei. Zum anderen war es hinsichtlich der zu Autowracks gewordenen Fahrzeuge der Ansicht, dass sie nicht mehr als „Gebrauchtgegenstände“ eingestuft werden könnten, da sie nicht mehr mit den Eigenschaften, die sie im Neuzustand gehabt hätten, erneut verwendet werden könnten, da sich ihre Verwendung nur noch auf die Verwertung einiger Teile und der Materialien, aus denen sie bestünden, beschränken könne.

    13      IT legte gegen das Urteil des Appellationshofs bei der Cour de cassation (Kassationshof, Belgien), dem vorlegenden Gericht, Kassationsbeschwerde ein. Diese fragt sich, ob die vom Appellationshof zugrunde gelegte Auslegung von Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie zutreffend ist.

    14      Unter diesen Umständen hat die Cour de cassation (Kassationshof) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    Ist Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass Altfahrzeuge, die ein Unternehmen, das Gebrauchtfahrzeuge und Autowracks verkauft, von in Art. 314 der Richtlinie genannten Personen erworben hat und die „zum Ausschlachten“ verkauft werden sollen, ohne dass die verwertbaren Teile aus den Fahrzeugen entnommen wurden, Gebrauchtgegenstände im Sinne dieser Bestimmung sind?

     Zur Vorlagefrage

    15      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass endgültig stillgelegte Kraftfahrzeuge, die ein Unternehmen von in Art. 314 der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Personen erworben hat und die „zum Ausschlachten“ verkauft werden sollen, ohne dass die verwertbaren Teile aus den Fahrzeugen entnommen wurden, Gebrauchtgegenstände im Sinne der erstgenannten dieser Bestimmungen darstellen.

    16      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass sowohl aus der Sachverhaltsdarstellung als auch aus der Vorlagefrage hervorgeht, dass IT Fahrzeuge mit Totalschaden erwirbt, die deshalb endgültig stillgelegt sind. Wie ebenfalls aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, können diese Fahrzeuge daher nur als Wracks oder für eine weitere Verwendung der Teile, aus denen sie bestehen („Weiterverkauf zum Ausschlachten“) weiterverkauft werden und nicht, um in ihrem derzeitigen Zustand wiederverwendet oder instandgesetzt zu werden, wobei sich die Frage des vorlegenden Gerichts nur auf den Fall des Weiterverkaufs „zum Ausschlachten“ bezieht.

    17      Nach dieser einleitenden Erwägung ist darauf hinzuweisen, dass „Gebrauchtgegenstände“ nach Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie „bewegliche körperliche Gegenstände [sind], … die in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendbar sind“.

    18      In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof entschieden, dass dieser Begriff bewegliche körperliche Gegenstände, die in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendbar sind, einschließt, wenn sie von einem anderen Gegenstand stammen, dessen Bestandteile sie waren, und dass für die Einordnung als „Gebrauchtgegenstand“ nur erforderlich ist, dass dem gebrauchten Gegenstand weiterhin die Funktionen zukommen, die er im Neuzustand hatte, und dass er daher in seinem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendbar ist (vgl. u. a. Urteil vom 18. Januar 2017, Sjelle Autogenbrug, C‑471/15, EU:C:2017:20, Rn. 31 und 32).

    19      Außerdem hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Anwendung der Regelung der Differenzbesteuerung nicht zwangsläufig eine Identität zwischen dem angekauften und dem verkauften Gegenstand voraussetzt. Insbesondere hat der Gerichtshof bestätigt, dass diese Regelung auf den Wiederverkauf von Teilen, die vom Steuerpflichtigen selbst aus einem von ihm erworbenen Altfahrzeug entnommen wurden, anwendbar ist, da ein Kraftfahrzeug aus einzelnen Teilen besteht, die zusammengefügt wurden und die wieder voneinander getrennt und in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung wiederverkauft werden können (vgl. u. a. Urteil vom 18. Januar 2017, Sjelle Autogenbrug, C‑471/15, EU:C:2017:20, Rn. 36 und 37).

    20      Es trifft zu, dass sich das Ausgangsverfahren im Unterschied zu der Rechtssache, in der das genannte Urteil ergangen ist, durch die Tatsache auszeichnet, dass der steuerpflichtige Wiederverkäufer die Teile nicht aus dem endgültig stillgelegten Fahrzeug entnommen hat, das er erworben hat, um seinerseits die Teile wiederzuverkaufen, sondern das Fahrzeug in seinem derzeitigen Zustand „zum Ausschlachten“ wiederverkauft hat, d. h. für eine weitere Verwendung der Teile dieses Fahrzeugs als Ersatzteile.

    21      Allerdings kann dieser Unterschied, wie die Europäische Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen im Wesentlichen ausführt, nicht zu der Annahme führen, dass die Argumentation des Gerichtshofs im Urteil vom 18. Januar 2017, Sjelle Autogenbrug (C‑471/15, EU:C:2017:20), nicht auf eine Situation wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende übertragen werden könnte.

    22      Es ist nämlich die in Rn. 16 des vorliegenden Urteils festgestellte Tatsache zu berücksichtigen, dass die von einem steuerpflichtigen Wiederverkäufer wie IT erworbenen Fahrzeuge endgültig stillgelegt sind und daher nicht wiederverkauft werden können, um in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung wiederverwendet zu werden. Da das Fahrzeug als solches als beweglicher körperlicher Gegenstand per definitionem in seinem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung nicht erneut verwendbar im Sinne von Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie ist, sind für die Prüfung, ob es als Gebrauchtgegenstand angesehen und ob demnach darauf die Differenzbesteuerung angewandt werden kann, nur die Bestandteile des Fahrzeugs zu berücksichtigen, die im Rahmen eines Wiederverkaufs durch den steuerpflichtigen Wiederverkäufer an andere Personen erneut verwendbar sind.

    23      Eine Auslegung, nach der ein endgültig stillgelegtes Fahrzeug als Gebrauchtgegenstand unter die Regelung der Differenzbesteuerung fallen kann, weil manche seiner Bestandteile erneut verwendbar sind, steht mit dem Ziel dieser Regelung in Einklang, das nach dem 51. Erwägungsgrund der Mehrwertsteuerrichtlinie darin besteht, u. a. Doppelbesteuerungen zu vermeiden, die sich aus dem Umstand ergeben können, dass zum einen im Verkaufspreis dieser Bestandteile schon zwangsläufig die Mehrwertsteuer berücksichtigt wurde, die im Vorfeld durch eine Person, die unter Art. 314 dieser Richtlinie fällt, beim Kauf des Fahrzeugs entrichtet wurde, und zum anderen dieser Betrag weder von dieser Person noch vom steuerpflichtigen Wiederverkäufer abgezogen werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Januar 2017, Sjelle Autogenbrug, C‑471/15, EU:C:2017:20, Rn. 39 und 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    24      Im vorliegenden Fall muss das vorlegende Gericht für die Prüfung, ob die von IT wiederverkauften Fahrzeuge unter die Regelung der Differenzbesteuerung fallen können, prüfen, ob diese Fahrzeuge gemäß der in Rn. 18 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung noch Bestandteile enthielten, die die Funktionen behalten haben, die sie im Neuzustand hatten, und die daher in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendbar sind.

    25      Des Weiteren muss das vorlegende Gericht prüfen, ob diese Fahrzeuge nicht in Wirklichkeit verkauft wurden, um einfach verschrottet oder in einen anderen Gegenstand umgewandelt zu werden. Ein Fahrzeug, aus dem die Bestandteile, die die Funktionen behalten haben, die sie im Neuzustand hatten, vom Käufer nicht entnommen werden, um in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendet zu werden, bleibt nämlich nicht in seinem Wirtschaftszyklus und kann daher nicht in den Genuss der Differenzbesteuerung kommen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2018, E LATS, C‑154/17, EU:C:2018:560, Rn. 34).

    26      Im Rahmen dieser Prüfung muss das vorlegende Gericht alle objektiven Umstände berücksichtigen, unter denen der Wiederverkauf erfolgt ist. Wie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervorgeht, haben die in der Mehrwertsteuerrichtlinie verwendeten Begriffe nämlich objektiven Charakter und sind unabhängig von Zweck und Ergebnis der betreffenden Umsätze anwendbar (Urteil vom 11. Juli 2018, E LATS, C‑154/17, EU:C:2018:560, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    27      Während die Berücksichtigung der Absicht eines an einem Geschäft beteiligten Steuerpflichtigen, abgesehen von Ausnahmefällen, mit den Zielen des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems unvereinbar ist, kann das vorlegende Gericht hingegen objektive Faktoren wie die Präsentation und den Zustand der Fahrzeuge, den Gegenstand des Vertrags, den Wert, zu dem die Fahrzeuge verkauft wurden, die Abrechnungsmethode oder auch die wirtschaftliche Tätigkeit der Person, die die Fahrzeuge erworben hat, berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2018, E LATS, C‑154/17, EU:C:2018:560, Rn. 36 und 37 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

    28      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass endgültig stillgelegte Kraftfahrzeuge, die ein Unternehmen von in Art. 314 dieser Richtlinie genannten Personen erworben hat und die „zum Ausschlachten“ verkauft werden sollen, ohne dass die verwertbaren Teile aus den Fahrzeugen entnommen wurden, Gebrauchtgegenstände im Sinne von Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 dieser Richtlinie darstellen, wenn sie zum einen noch Teile enthalten, die die Funktionen behalten haben, die sie im Neuzustand hatten, so dass sie in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendet werden können, und zum anderen feststeht, dass diese Fahrzeuge aufgrund einer solchen Wiederverwendung der Teile in ihrem Wirtschaftszyklus geblieben sind.

     Kosten

    29      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:

    Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem

    ist dahin auszulegen, dass

    endgültig stillgelegte Kraftfahrzeuge, die ein Unternehmen von in Art. 314 dieser Richtlinie genannten Personen erworben hat und die „zum Ausschlachten“ verkauft werden sollen, ohne dass die verwertbaren Teile aus den Fahrzeugen entnommen wurden, Gebrauchtgegenstände im Sinne von Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 dieser Richtlinie darstellen, wenn sie zum einen noch Teile enthalten, die die Funktionen behalten haben, die sie im Neuzustand hatten, so dass sie in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendet werden können, und zum anderen feststeht, dass diese Fahrzeuge aufgrund einer solchen Wiederverwendung der Teile in ihrem Wirtschaftszyklus geblieben sind.

    Unterschriften