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  • 26.11.2013

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 15.08.2013 – 10 K 241/12

    - Zu den Intentionen des Gesetzgebers bei Schaffung des § 35 EStG.




    - Dem Wortlaut des mit JStG 2008 geänderten § 35 EStG ist nicht mit Sicherheit zu entnehmen, ob bei der Ermittlung der Einkünfte
    ein horizontaler bzw. vertikaler Verlustausgleich vorzunehmen ist.




    - Der mutmaßliche gesetzgeberische Wille beinhaltet sowohl einen horizontalen als auch einen vertikalen Verlustausgleich. Mit
    dem Wortlaut des Gesetzes ist dieser mutmaßliche Wille indes nicht in vollem Umfang vereinbar.


    Tatbestand

    Zwischen den Beteiligten ist die Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrages nach § 35 Abs. 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG)
    streitig.



    Der Kläger erzielte im Streitjahr unter anderem gewerbliche Einkünfte aus verschiedenen Beteiligungen sowie Einkünfte aus
    einer selbständigen Tätigkeit als Hausverwalter. Ferner erwirtschaftete er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus insgesamt
    4 Objekten sowie aus 2 weiteren Beteiligungen und erzielte daneben Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie sonstige Einkünfte
    aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) veranlagte den Kläger erklärungsgemäß und setzte
    zunächst eine Einkommensteuer von 0 € fest. Aufgrund verschiedener Mitteilungen über geänderte Beteiligungseinkünfte änderte
    das FA den Einkommensteuerbescheid gem. § 175 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) und setzte die Einkommensteuer in Höhe 4.646
    € fest. Es berücksichtigte gewerbliche Einkünfte aus Beteiligungen in Höhe von 31.622 €. Auf der Grundlage der anteiligen
    Gewerbesteuermessbeträge aus Beteiligungen von insgesamt 2.597 € berücksichtigte das FA eine Steuerermäßigung für gewerbliche
    Einkünfte nach § 35 EStG in Höhe von 1.661 €.



    Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Einspruch. Er war u. a. der Auffassung, die Ermittlung der Steuerermäßigung für gewerbliche
    Einkünfte sei vom FA fehlerhaft vorgenommen worden. Im Laufe des Einspruchsverfahrens änderte das FA den Bescheid gem. § 172
    Abs. 1 Nr. 2a AO und half dem Einspruch des Klägers in weiteren Streitpunkten ab. Die Einkommensteuer in dem geänderten Bescheid
    setzte das FA in Höhe von 976 € fest und berücksichtigte dabei eine Steuerermäßigung für gewerbliche Einkünfte nach § 35 EStG
    in Höhe von 3.738 €. Es ermittelte die Einkommensteuer wie folgt:



    Einkünfte aus Gewerbebetrieb Vorspalte Betrag Pos. Eink.
    aus Beteiligungen      
    mit positiven Ergebnis 95.078 €   95.078
    mit negativen Ergebnis -63.456 € 31.622 €  
    Einkünfte aus selbständiger Arbeit

      9.189 € 9.189
    Einkünfte aus Kapitalvermögen   1.989 € 1.989
    Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

         
    aus bebauten Grundstücken      
    Objekt 1 Ferienwohnung 4.537 €   4.537
    Objekt 2 Ferienwohnung 2.585 €   2.585
    Objekt 3 ETW 2.688 €   2.688
    Objekt 4 Bürogebäude -2.457 €    
    aus Beteiligungen      
    Nr. 1 A-GbR -23.667 €    
    Nr. 2 B.-GbR) 3.255 € -13.059 €  
    Sonstige Einkünfte   4.656 € 4.656
    Summe der Einkünfte   34.397 € 120.722
    Ab Altersentlastungsbetrag   - 1.900 €  
    Gesamtbetrag der Einkünfte   32.497 €  
    gezahlte Kirchensteuer   -29 €  
    Geleistete Zuwendungen § 10b EStG   -477 €  
    Vorsorgeaufwendungen   -5.069 €  
    Einkommen / zu versteuernden Einkommen   26.922 €  
    Einkommensteuer nach Grundtarif   4.745 €  
    Steuerermäßigung für gewerbliche
    Einkünfte
      -3.738 €  
    Steuerermäßigung nach § 34g Nr. 1
    EStG
      -31 €  
    festzusetzende Einkommensteuer 2009   976 €  
    Nachrichtlich      
    Summe der positiven gewerblichen Einkünfte

      95.078 €  
    Summe aller positiven Einkünfte   120.722 €  
    Quotient i. S. d. § 35 Abs. 1 Satz 2 EStG   0,78758  
    Tarifliche Einkommensteuer   4.745  
    Steuerermäßigung für gewerbliche
    Einkünfte
      3.738  
    Der Kläger war der Auffassung, der Ermäßigungshöchstbetrag sei in Höhe von 4.362 € zu berücksichtigen. Der Quotient zur Berechnung
    des Ermäßigungshöchstbetrages sei zu bilden aus der Summe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb - hier 31.622 € - und der Summe
    aller Einkünfte - hier: 34.397 € -. Das FA gehe zu Unrecht in seiner Berechnung davon aus, dass der Quotient zu bilden sei
    aus der Summe ausschließlich positiver gewerblicher Einkünfte und der Summe aller ausschließlich positiven Einkünfte, dass
    also weder ein horizontaler Verlustausgleich, im Rahmen einer Einkunftsart, noch ein vertikaler Verlustausgleich, zwischen
    den einzelnen Einkunftsarten, vorzunehmen sei.



    Im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens teilte das FA dem Kläger mit, dass es die Berechnung des Ermäßigungshöchstbetrages
    entsprechend der Tz. 16 des BMF-Schreibens vom 24. Februar 2009 – IV C 6 – F 2296 – a/08/10002-2007/0220243 vorgenommen habe.
    Als positive Einkünfte seien daher nur die positiven Einkünfte aus der jeweiligen Einkunftsquelle anzusehen (so genannte quellenbezogene
    Berechnung). Eine Saldierung der positiven mit den negativen Einkunftsquellen innerhalb der gleichen Einkunftsarten und auch
    zwischen den verschiedenen Einkunftsarten fände nicht statt. Ergänzend wies es daraufhin, dass ihm jedoch bei der Berechnung
    des Ermäßigungshöchstbetrages ein Fehler unterlaufen sei. Es habe zu Unrecht bei den Vermietungseinkünften die beiden Beteiligungsergebnisse
    saldiert und in einer Summe erfasst. Dadurch sei die maßgebliche Summe aller positiven Einkünfte i. S. d. § 35 Abs. 1 Satz
    2 EStG um 3.255 € zu niedrig angesetzt worden. Es teilte dem Kläger mit, dass es über den Einspruch des Klägers entscheiden
    werde und gem. § 367 Abs. 2 Satz 2 AO die Einkommensteuer auch zu seinem Nachteil ändern werde. Nachdem der Kläger dem FA
    mitgeteilt hatte, dass er auch weiterhin an seinem Einspruchsbegehren festhalte, wies das FA den Einspruch als unbegründet
    zurück und erhöhte gleichzeitig die Einkommensteuer auf 1.075 €. Zur Begründung führte es erneut aus, dass eine Saldierung
    der positiven und negativen Einkünfte zur Berechnung des Ermäßigungshöchstbetrages gemäß § 35 EStG nicht in Betracht käme,
    es sei weder ein horizontaler noch ein vertikaler Verlustausgleich durchzuführen. Entsprechend sei die Einkommensteuer, wie
    bereits im Einspruchsverfahren angekündigt noch einmal zu Ungunsten des Klägers korrigiert worden:



    Die Beteiligungseinkünfte aus Vermietung und Verpachtung seien zu Unrecht saldiert worden, es seien weitere 3.255 € aus der
    Beteiligung B.-GbR zu berücksichtigen. Dies führe zu positiven Einkünften von 123.977 €. Der Quotient zur Berechnung der Steuerermäßigung
    betrage 95.078 €/123.977 €, also 0,76690 und führe zu einer Steuerermäßigung für gewerbliche Einkünfte in Höhe von 3.639 €.




    Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Klage. Er ist der Auffassung, zur Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrages
    sei jeweils der positive Saldo der gewerblichen Einkünfte wie auch der Summe aller Einkünfte zu verstehen.



    Der Gesetzeswortlaut sei nicht eindeutig, wenn der Gesetzgeber von „positiven gewerblichen Einkünften” bzw. „Summe aller positiven
    Einkünfte” spreche.



    Der Gesetzesbegründung, Bundestags-Drucksache BT 16/7036 zu Nr. 14a – neue – (§ 35 EStG), folgend, habe der Gesetzgeber einen
    horizontalen wie auch vertikalen Verlustausgleich der Berechnung des Ermäßigungshöchstbetrages zu Grunde legen wollen. Entsprechend
    ermittle sich der Ermäßigungshöchstbetrag wie folgt:



    Einkünfte aus Gewerbebetrieb 31.622
    Einkünfte aus selbständiger Arbeit

    9.189
    Einkünfte aus Kapitalvermögen 1.989
    Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

    - 13.059
    Sonstige Einkünfte 4.656
    Summe aller positiven Einkünfte 34.397
    Der Quotient im Sinne des § 35 Abs. 1 S. 2 EStG betrage daher 31.622 / 34.397, dies entspräche 0,91932 und einem Ermäßigungshöchstbetrag
    von 4.362 €.



    Der Kläger beantragt sinngemäß,



    den Einkommensteuerbescheid 2009 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2012 dahingehend zu ändern, dass
    eine Steuerermäßigung für gewerbliche Einkünfte in Höhe von 4.362 € berücksichtigt wird und die Einkommensteuer entsprechend
    in Höhe von 352 € festgesetzt wird.



    Der Beklagte beantragt,



    die Klage abzuweisen.



    Er bleibt bei seiner bereits im Einspruchsverfahren vertretenen Auffassung, dass zur Berechnung des Ermäßigungshöchstbetrages
    weder ein horizontaler noch ein vertikaler Verlustausgleich vorzunehmen sei. Die Berechnung des Quotienten im Sinne des §
    35 Abs. 1 S. 2 EStG entspräche den Vorgaben des BMF.



    Gründe

    Die Klage ist unbegründet.



    Der Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig, der Kläger in seinen Rechten nicht verletzt (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung
    -FGO-).



    Der Kläger hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung einer höheren Steuerermäßigung gemäß § 35 EStG.



    Ziel des § 35 EStG ist es, die gewerbesteuerliche Belastung gewerblicher Einkünfte dadurch zu kompensieren, dass die tarifliche
    Einkommensteuer um das 3,8-fache des jeweils für den dem Veranlagungszeitraum entsprechenden Erhebungszeitraum nach § 14 Gewerbesteuergesetz
    (GewStG) für das Unternehmen festgesetzten Steuermessbetrages bzw. für den Mitunternehmer festgesetzten anteiligen Steuermessbetrages
    gemindert wird. Der Abzug ist auf den Ermäßigungshöchstbetrag begrenzt.



    Erst ab dem Veranlagungszeitraum 2008 enthält das EStG eine Regelung zur Berechnung dieses Ermäßigungshöchstbetrages.



    Zuvor gab es lediglich Verwaltungsanweisungen, die die Berechnung des Ermäßigungshöchstbetrages regelten. Danach war der Abzug
    nach § 35 EStG begrenzt auf die tarifliche Einkommensteuer, die auf die im zu versteuernden Einkommen enthaltenen gewerblichen
    Einkünfte entfiel. Verluste anderer Einkunftsarten führten danach zu einer anteiligen Kürzung der begünstigten gewerblichen
    Einkünfte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die entsprechenden Verwaltungsanweisungen verwiesen, BMF-Schreiben vom 15. Mai
    2002 IV A 5 – S 2296 a – 16/02, BStBl I 02, 533; BMF-Schreiben vom 12. Januar 2007 IV B 2 – S 2296 a – 2/07, BStBl I 07, 108.



    Der Bundesfinanzhof (BFH) teilte die Auffassung der Finanzverwaltung zur Berechnung des Ermäßigungshöchstbetrages nicht. Er
    ging in seinem Urteil vom 27. September 2006 X R 25/04, BStBl II 2007, 694 von dem Meistbegünstigungsprinzip aus. Zur Ermittlung
    der gewerblichen Einkünfte sei der so genannte horizontale Verlustausgleich durchzuführen, positive und negative gewerbliche
    Einkünfte seien zu verrechnen. Weitere negative Einkünfte anderer Einkunftsarten seien im so genannten vertikalen Verlustausgleich
    zu berücksichtigen. Dabei seien aber nach dem Meistbegünstigungsprinzip – entgegen der Verwaltungsanweisung – diese Verluste
    vorrangig mit nicht gemäß § 35 EStG tarifbegünstigten Einkünften zu verrechnen.



    In der Folgezeit ist die Finanzverwaltung der Auffassung des BFH gefolgt und hat die alten Anwendungsschreiben aufgehoben,
    BMF-Schreiben vom 19. September 2007, IV B 2 – S 2296 – 9/07, DStR 2007, 1769.



    Doch mit dem Jahressteuergesetz 2008 ist § 35 EStG geändert worden, Gesetz vom 20. Dezember 2007 BGBl I 2007, 3150. Seit dem
    enthält § 35 Abs. 1 S. 2 EStG unter anderem eine Formel zur Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrages:



    Summe der positiven gewerblichen Einkünfte x geminderte tarifliche Steuer



    Summe aller positiven Einkünfte



    Dem Wortlaut dieser Neuregelung lässt sich nicht mit Sicherheit entnehmen, ob bei der Ermittlung der Einkünfte ein horizontaler
    bzw. vertikaler Verlustausgleich vorzunehmen ist.



    1) In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass weder der horizontale noch der vertikale Verlustausgleich bei den
    Einkünften vorzunehmen ist, so Derlien in Littmann/Pust EStG § 35 Rz. 103, Korezkij in Der neue § 35 Abs. 1 S. 2 EStG, DStR
    2008, 491. Der Gesetzgeber habe ausschließlich von positiven Einkünften gesprochen, Verluste seien nicht angesprochen. Andernfalls
    hätte er von der positiven Summe aller (gewerblichen) Einkünfte sprechen müssen.



    Auch die Finanzverwaltung geht in ihren Verwaltungsanweisungen davon aus, dass ein Verlustausgleich nicht durchzuführen ist
    - weder horizontal noch vertikal. Dies würde zu dem Ergebnis führen, dass ausschließlich die positiven Einkünfte aus jeder
    einzelnen Einkunftsquelle zu berücksichtigen wären (vgl. BMF–Schreiben vom 24. Februar 2009 IV C 6 – S 2296 – a/08/10002,
    BStBl. I S. 440).



    Im Streitfall würde dies den in der Einspruchsentscheidung ermittelten Quotienten von 95.078/123.977 = 0,76690 ergeben.



    2) Betrachtet man jedoch den Willen des Gesetzgebers, so ist die Verwaltungsauffassung noch einmal zu überdenken.



    Dem Bericht des Finanzausschusses vom 8. November 2007, BT-DS 16/7036 zu Nr. 14a – neu – (§ 35 Abs. 1) ist zu entnehmen, dass
    zunächst der horizontale Verlustausgleich bei den gewerblichen Einkünften gewollt war. Denn der Finanzausschuss führt aus,
    dass unter der Summe der positiven gewerblichen Einkünfte der Betrag zu verstehen sei, der sich aus der Saldierung der Gewinne
    und Verluste nach § 15 EStG aus allen Gewerbebetrieben des Steuerpflichtigen sowie aus seinen Beteiligungen an Mitunternehmerschaften
    oder als persönlich haftender Gesellschafter aus Kommanditgesellschaften auf Aktien ergebe. Bei zusammenveranlagten Ehegatten,
    die beide gewerbliche Einkünfte erzielten, seien die Einkünfte ebf. zu einem Betrag zusammenzufassen.



    Darüber hinaus sollten alle Verluste grundsätzlich das Volumen des Ermäßigungshöchstbetrages mindern. Eine Überkompensation,
    wie sie nach der Rechtsprechung des BFH in seinem Urteil vom 27. September 2006 X R 25/04 (im Rahmen der Meistbegünstigung)
    möglich gewesen wäre, sollte vermieden werden. So sei gesetzlich geregelt worden, dass Verluste aus den jeweiligen Einkunftsarten
    bei der Ermittlung des Höchstbetrages im Rahmen der hierfür maßgebenden Verhältnisrechnung zu einer anteiligen Kürzung der
    nach § 35 EStG tarifbegünstigten gewerblichen Einkünfte führe.



    In diesem zweiten Absatz der Gesetzesbegründung bleibt unklar, welche Verhältnisrechnung der Gesetzgeber im Rahmen des vertikalen
    Verlustausgleichs gemeint hat. Möglicherweise hatte er beabsichtigt, die ursprüngliche Verwaltungsregelung aus den beiden
    aufgehobenen BMF-Schreiben aus 2002 und 2007 wieder aufleben zu lassen (so z.B. Dr. Korezkij, Der neue § 35 Abs. 1 S. 2 EStG
    in DStR 2008, 491 m.w.N).



    Der mutmaßliche gesetzgeberische Wille beinhaltet demnach sowohl einen horizontalen als auch einen vertikalen Verlustausgleich,
    der sich jedoch mit dem Wortlaut des Gesetzes zumindest nicht in vollem Umfang vereinbaren lässt.



    a) Anders als das Gewerbesteuerrecht kennt das Einkommensteuerrecht nur in Ausnahmefällen eine quellen- bzw. betriebsorientierte
    Sichtweise. Denn das Einkommensteuergesetz unterscheidet in § 2 Abs. 1 EStG lediglich die verschiedenen Einkunftsarten, nicht
    jedoch die Einkunftsquellen. Eine quellenbezogene Betrachtungsweise kennt das Einkommensteuerrecht nur in Ausnahmefällen,
    wie z.B. bei der Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht oder quellenbezogener Verlustverrechnungsverbote. In diesen Einzelfällen
    kann die quellenbezogene Sichtweise auch sachgerecht sein. Demgegenüber erscheint die quellenbezogene Sichtweise im Rahmen
    von § 35 EStG keineswegs zwingend, sondern stellt einen Verstoß gegen das einkommensteuerrechtliche Grundprinzip der einkunftsorientierten
    Betrachtungsweise dar. Hechtner geht in seinem Beitrag sogar soweit, dass er eine solche quellenorientierte Betrachtungsweise
    als willkürlich und von fiskalpolitischen Zielen geleitet bewertet (vgl. Hechtner in Kritische Anmerkungen zum BMF-Schreiben
    (…), BB 2009, 1556).



    b) Der Begriff der „Summe aller positiven Einkünfte” ist im Einkommensteuerrecht kein Neuer. Bereits in § 2 Abs. 3 S. 2 EStG
    in der Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 verwendete der Gesetzgeber diesen Begriff. Auch dort wurde dies dahingehend verstanden,
    dass die Summe aller Einkünfte mit positivem Gesamtergebnis gemeint war (vgl. Seeger in Schmidt EStG § 2 Rz. 62). Alleine
    durch die Ergänzung in § 35 EStG des Begriffs „aller” kommt es zu keiner anderen Begrifflichkeit (so auch Hechtner in Kritische
    Anmerkungen zum BMF-Schreiben (…) BB 2009, 1556), gemeint ist die positive Summe aller gewerblichen Einkünfte.



    3) Aus den genannten Gründen ist, entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung, die in dem aktuellen BMF-Schreiben vom 24.
    Februar 2009 IV C 6 – S 2296 – a/08/10002, BStBl. I S. 44 dargestellt ist, dem gesetzgeberischen Willen folgend, bei der Berechnung
    des Ermäßigungshöchstbetrages ein horizontaler Verlustausgleich sowohl bei der Ermittlung der „Summe aller positiven Einkünfte”
    als auch bei der „Summe der positiven gewerblichen Einkünfte” vorzunehmen.



    Der Auffassung von Hechtner in Kritische Anmerkungen zum BMF-Schreiben BB 2009, 1556, nach der ein horizontaler Verlustausgleich
    für die Ermittlung der „Summe aller positiven gewerblichen Einkünfte” nicht in Betracht kommt, ist nicht nachvollziehbar.
    Obwohl er zuvor, wie bereits dargestellt eine quellenbezogene Betrachtungsweise abgelehnt hat, wendet er sie nun doch wieder
    an. Hier ist jedoch einheitlich zu verfahren. Bei der Bildung eines Quotienten kann die Ermittlung des Zählers nicht anderen
    Grundsätzen folgen, als der des Nenners. Wird die einkunftsorientierte Betrachtungsweise, der das Gericht folgt, gewählt,
    ist diese insgesamt anzuwenden (vgl. Blaufuß/Hechtner in Die Gewerbesteuerkompensation BB 2008,80).



    4) Ein vertikaler Verlustausgleich zwischen den verschiedenen Einkunftsarten zur Ermittlung „der Summe aller positiven Einkünfte”,
    wie ihn der Kläger fordert, kommt aufgrund des entgegenstehenden Wortlauts der Vorschrift nicht in Betracht (im Ergebnis so
    auch Wacker in Schmidt EStG § 35 Rz. 12).



    Der Ermäßigungshöchstbetrag errechnet sich daher wie folgt:



      VorspalteBetragPos.
    Eink.
           
    Einkünfte aus Gewerbebetrieb      
    aus
    Beteiligungen
         
    mit positiven Ergebnis  95.078 €    
    mit negativen Ergebnis   -63.456

     31.622 € 31.622
    Einkünfte aus selbständiger Arbeit
     
       9.189 €  9.189
    Einkünfte aus Kapitalvermögen  

       1.989 €  1.989
    Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

         
    aus bebauten
    Grundstücken
         
    Objekt 1 Ferienwohnung  4.537 €    
    Objekt 2 Ferienwohnung  2.585 €    
    Objekt 3 ETW  2.688 €    
    Objekt 4 Bürogebäude  -2.457 €    
    aus
    Beteiligungen
         
    Nr. 1 A-GbR) -23.667 €    
    Nr. 2 B-GbR)    3.255

     -13.059 €  
    Sonstige Einkünfte    4.656

     4.656
           
    Summe der Einkünfte    34.397 €  47.456
    Ab Altersentlastungsbetrag    - 1.900

     
           
    Gesamtbetrag der Einkünfte    32.497 €  
           
    gezahlte Kirchensteuer    -29 €  
    Geleistete Zuwendungen § 10b EStG    -477 €  
    Vorsorgeaufwendungen    -5.069

     
           
    Einkommen / zu versteuernden Einkommen    26.922 €  
           
    Einkommensteuer nach Grundtarif    4.745 €  
    Steuerermäßigung für gewerbliche
    Einkünfte
       -3.161 €  
    Steuerermäßigung nach § 34g Nr. 1
    EStG
       -31

     
           
    festzusetzende Einkommensteuer 2009    1.553

     
           
    Nachrichtlich      
    Summe der positiven gewerblichen Einkünfte

       31.622 €  
    Summe aller positiven Einkünfte    47.456

     
           
    Quotient i. S. d. § 35 Abs. 1 Satz 2 EStG    0,66634  
    Tarifliche Einkommensteuer    4.745  
    Steuerermäßigung für gewerbliche
    Einkünfte
       3.161  
    Da die bisher berücksichtigte Steuermäßigung gemäß § 35 EStG in Höhe von 3.639 € höher ist als der vom Gericht ermittelte
    Betrag von 3.161 €, bleibt es bei der ursprünglichen Steuerfestsetzung; eine verbösernde Entscheidung ist ausgeschlossen.



    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



    Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

    VorschriftenEStG § 35 Abs. 1 Satz 2