05.12.2013
Bundesfinanzhof: Beschluss vom 23.08.2013 – VI B 12/13
Gründe
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Revisionszulassungsgründe sind entweder nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprechend dargelegt oder liegen nicht vor.
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1. Die Revision war nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.
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a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss im konkreten Fall klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärbar sein (z.B. Senatsbeschluss vom 25. Mai 2011 VI B 35/11, BFH/NV 2011, 1691).
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b) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Die in der Beschwerdeschrift formulierten Rechtsfragen zur doppelten Haushaltsführung sind in einem ggf. nachfolgenden Revisionsverfahren nicht klärbar.
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aa) Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes setzt die Abziehbarkeit von Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung voraus, dass es aus beruflichen Gründen zu einer Aufsplitterung einer bisher einheitlichen Haushaltsführung auf zwei getrennte Haushalte gekommen ist, nämlich auf einen Hausstand in der bisherigen Wohnung und eine Wohnung bzw. Unterkunft am Beschäftigungsort. Hieran fehlt es, wenn der Arbeitnehmer am Beschäftigungsort nicht nur eine Wohnung unterhält, sondern darüber hinaus einen eigenen Hausstand gründet, der nunmehr als Mittelpunkt seiner Lebensinteressen anzusehen ist. Wird der ursprüngliche Familienhaushalt zwar weitergeführt, ist er aber nicht mehr Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers, wird die doppelte Haushaltsführung mit der Gründung des zweiten Hausstands beendet (Senatsurteile vom 25. März 1988 VI R 32/85, BFHE 152, 533, BStBl II 1988, 582; VI R 142/87, BFHE 152, 537, BStBl II 1988, 584; VI R 209/84, BFH/NV 1988, 706; vom 25. März 1993 VI R 148/88, BFH/NV 1993, 538; Senatsbeschluss vom 1. Februar 2012 VI B 88/11, BFH/NV 2012, 945).
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bb) Ausgehend von den angeführten Rechtsgrundsätzen ist das Finanzgericht (FG) im Streitfall zu dem Ergebnis gekommen, eine doppelte Haushaltsführung liege nicht vor, weil sich der Lebensmittelpunkt des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) an den Beschäftigungsort in den USA verlagert habe. Nach den Feststellungen der Vorinstanz, an die die Revisionsinstanz nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, liegt mithin im Streitfall keine doppelte Haushaltsführung vor. Die in der Beschwerdeschrift formulierte Rechtsfrage, ob Fahrtkosten des Besuchenden im Rahmen der Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten zu berücksichtigen sind, wenn der den zweiten Haushalt führende Ehegatte die wöchentliche Familienheimfahrt aus beruflichen Gründen nicht antreten kann, ist daher in einem ggf. nachfolgenden Revisionsverfahren nicht klärbar. Dasselbe gilt für die Frage, ob und inwieweit der Steuerpflichtige Aufwendungen für eigene Familienheimfahrten durch sog. umgekehrte Familienheimfahrten von Familienangehörigen ersetzen darf mit der Folge, dass diese Aufwendungen als Werbungskosten zu berücksichtigen seien. Eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache kommt daher nicht in Betracht.
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2. Soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) das Vorliegen von Verstößen gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. Art. 6 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG rügen, benennen sie nicht einmal einen Revisionszulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO. Im Grunde machen sie mit ihrem Vorbringen hierzu geltend, das FG habe der Klage aus verfassungsrechtlichen Gründen stattgeben müssen. Sie wenden sich damit gegen die vom FG im Einzelfall vertretene Rechtsauffassung. Damit können sie indes im Beschwerdeverfahren nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO gehört werden.
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3. Die Revision war auch nicht wegen des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen. Das FG hat weder seine Hinweispflicht nach § 76 Abs. 2 FGO noch den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO) verletzt.
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a) Bei den richterlichen Hinweispflichten nach § 76 Abs. 2 FGO geht es u.a. darum, Hilfestellung für die Beteiligten zu geben, deren Eigenverantwortlichkeit dadurch nicht eingeschränkt oder gar beseitigt wird (z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. März 2001 VII B 231/00, BFH/NV 2001, 1012; vom 29. Juni 2007 III B 95/06, BFH/NV 2007, 2125). § 76 Abs. 2 FGO verlangt nicht, dass das Gericht die einzelnen für die Entscheidung erheblichen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte im Voraus andeutet (BFH-Beschluss vom 7. Februar 2007 X B 105/06, BFH/NV 2007, 962) und begründet --auch bei Rechtsunkundigen-- keine umfassende Hinweispflicht (BFH-Beschlüsse vom 23. Februar 2005 VII B 133/04, BFH/NV 2005, 1325; vom 20. Juli 2011 X B 36/11, BFH/NV 2011, 2079).
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b) Eine sog. Überraschungsentscheidung, die den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG; § 96 Abs. 2 FGO) setzt voraus, dass das Gericht sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Auffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 2. April 2002 X B 56/01, BFH/NV 2002, 947). Das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, verlangt indes ebenso wie die richterliche Hinweispflicht nicht, dass das Gericht die maßgebenden Rechtsfragen umfassend erörtert oder sogar die einzelnen für die Entscheidung erheblichen (rechtlichen oder tatsächlichen) Gesichtspunkte im Voraus andeutet (z.B. BFH-Beschlüsse vom 14. Februar 2006 II B 30/05, BFH/NV 2006, 1056; in BFH/NV 2007, 962; in BFH/NV 2007, 2125) oder die Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls vor Ergehen der Entscheidung offen legt (BFH-Beschluss vom 10. September 2003 X B 132/02, BFH/NV 2004, 495; in BFH/NV 2007, 2125).
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c) Im Streitfall war die Berücksichtigung von Aufwendungen des Klägers als Werbungskosten --vorwiegend unter dem Gesichtspunkt der doppelten Haushaltsführung-- zu beurteilen. Dies hatte nach der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des FG zu geschehen. Da der Lebensmittelpunkt des Steuerpflichtigen eine wesentliche Voraussetzung für das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung ist (vgl. z.B. Senatsurteile vom 30. Oktober 2008 VI R 10/07, BFHE 223, 242, BStBl II 2009, 153; vom 2. Februar 2011 VI R 15/10, BFHE 232, 494, BStBl II 2011, 456), musste ein kundiger und gewissenhafter Prozessbeobachter damit rechnen, dass das FG aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls hierzu eine Entscheidung treffen würde. Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör folgte hier weder die Verpflichtung, die für seine Beurteilung maßgebenden Umstände im Einzelnen noch das Ergebnis seiner Beurteilung vor Erlass der Entscheidung mitzuteilen. Dies gilt auch dann, wenn --wie vorliegend-- die vom FG vorgenommene Beurteilung des Vorliegens einer doppelten Haushaltsführung von der im Verwaltungsverfahren durch die Finanzbehörde vertretenen Auffassung abweicht.
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Da die Kläger gemäß § 90 Abs. 2 FGO auf eine mündliche Verhandlung verzichtet hatten, wäre allenfalls ein richterlicher Hinweis nach § 76 FGO in Betracht gekommen. Hierzu war das FG indes nicht verpflichtet. Vielmehr lag die Bedeutung des Merkmals des Lebensmittelpunkts für das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung auf der Hand, so dass die Kläger insoweit ihren Vortrag von sich aus insgesamt hätten substantiieren müssen, um ihr Prozessziel zu erreichen.
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4. Das Vorbringen der Kläger betreffend die objektive Undurchführbarkeit von Familienheimfahrten kann schon deshalb nicht zur Revisionszulassung führen, weil die Vorentscheidung nicht hierauf beruht (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 2. Teilsatz FGO). Das FG hat sein Urteil hinsichtlich der Frage der Anerkennung sog. umgekehrter Familienheimfahrten wesentlich darauf gestützt, dass eine doppelte Haushaltsführung bereits begrifflich nicht vorliege. Lediglich ergänzend ("Im Übrigen...") hat es ausgeführt, Familienheimfahrten wären dem Kläger weder aufgrund der Entfernung noch aus beruflichen Gründen unmöglich gewesen. Da es danach für die Entscheidung des Streitfalls hierauf im Ergebnis nicht ankam, erübrigte sich insoweit auch eine weitere Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) und ggf. die Erteilung eines Hinweises (§ 76 Abs. 2 FGO) durch das FG. Aus demselben Grund kann offen bleiben, inwieweit sich die Aussage des FG zur Unmöglichkeit von Familienheimfahrten aus dem Inhalt der Akten oder sonst aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) ergab.