08.01.2014 · IWW-Abrufnummer 140052
Bundesfinanzhof: Urteil vom 05.11.2013 – VIII R 22/12
1.Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für ein Erststudium, welches zugleich eine Erstausbildung vermittelt und das nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattgefunden hat, sind nach § 12 Nr. 5 i.V.m. § 4 Abs. 9 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG keine (vorweggenommenen) Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit.
2.Die bereits für die Veranlagungszeiträume ab 2004 anzuwendenden gesetzlichen Neuregelungen in § 12 Nr. 5 und § 4 Abs. 9 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG sind verfassungsgemäß. Sie enthalten weder eine unzulässige verfassungsrechtliche Rückwirkung noch verstoßen sie gegen den Gleichheitssatz i.S. des Art. 3 Abs. 1 GG.
Gründe
I.
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Die Beteiligten streiten um den Abzug von Aufwendungen für ein Erststudium als vorweggenommene Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit.
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Der in der Wohnung seiner Eltern in A mit Zweitwohnsitz gemeldete ledige Kläger und Revisionskläger (Kläger) absolvierte seit dem Sommersemester 2003 zunächst an der Universität B und später an der Universität C ein Jurastudium als Erststudium. Am jeweiligen Studienort, an dem er jeweils mit Hauptwohnsitz gemeldet war, unterhielt er eine sog. "Studentenbude" von knapp 25 qm.
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Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärungen und Erklärungen zur Feststellung der verbleibenden Verlustvortr äge für die Streitjahre 2004 und 2005 machte der Kläger Aufwendungen in Höhe von 5.461 € (2004) bzw. 3.865 € (2005) als vorweggenommene Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit geltend. Hiervon entfielen 4.476 € (2004) bzw. 2.649 € (2005) auf Miete und Strom für die Wohnung am Studienort und 192 € (2004) bzw. 140 € (2005) auf Telefonkosten. Das zunächst zuständige Finanzamt C erkannte die erklärten negativen Einkünfte aus selbständiger Arbeit nicht an, setzte die Einkommensteuer für 2004 und 2005 auf 0 € fest und stellte --jeweils unter Fortschreibung des zum 31. Dezember 2003 festgestellten Verlustvortrags-- die verbleibenden Verlustvorträge zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2004 und 31. Dezember 2005 auf jeweils 1.661 € fest.
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Im anschließenden beim Finanzgericht C geführten Klageverfahren erklärte der Kläger bisher nicht angegebene Einnahmen aus Kapitalvermögen von 2.085 € (2004) und 2.780 € (2005) sowie aus selbständiger Arbeit von 1.000 € (2005) nach. Der inzwischen durch einen Wohnortwechsel des Klägers zuständig gewordene Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte daraufhin mit geänderten Bescheiden vom 2. November 2009 die verbleibenden Verlustvorträge zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2004 auf 997 € und auf den 31. Dezember 2005 auf 0 € fest. In diesen Bescheiden, die gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens geworden sind, blieben die Studienkosten weiterhin unberücksichtigt.
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Mit der daraufhin an das Finanzgericht (FG) verwiesenen Klage begehrte der Kläger, seine Studienkosten als vorweggenommene Betriebsausgaben abzuziehen. Das FG wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 1433 veröffentlichten Urteil vom 18. April 2012 10 K 4400/09 F ab.
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Dagegen richtet sich die Revision. Der Kläger macht geltend, seine Studienkosten müssten als vorweggenommene Betriebsausgaben berücksichtigt werden, andernfalls werde gegen das Nettoprinzip verstoßen. Denn sein Studium der Rechtswissenschaften habe final im Zusammenhang mit seiner späteren, inzwischen ausgeübten Berufstätigkeit als Rechtsanwalt gestanden. Die in § 4 Abs. 9, § 9 Abs. 6 und § 12 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (BeitrRLUmsG) vom 7. Dezember 2011 (BGBl I 2011, 2592) --EStG-- erfolgte angebliche "Klarstellung", dass Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung bzw. ein Erststudium ohne vorangegangene Berufsausbildung keine Betriebsausgaben oder Werbungskosten seien, sei in seinem Fall schon deshalb nicht anzuwenden, weil die in § 52 Abs. 12, Abs. 23d und Abs. 30a EStG angeordnete Geltung der vorgenannten Vorschriften ab dem Veranlagungszeitraum 2004 gegen das Rückwirkungsverbot verstoße und daher verfassungswidrig sei.
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Der Kläger beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Bescheide vom 2. November 2009 über die Feststellung der verbleibenden Verlustvorträge zum 31. Dezember 2004 bzw. zum 31. Dezember 2005 dahin zu ändern, dass der verbleibende Verlustvortrag gemäß § 10d Abs. 4 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung unter Berücksichtigung weiterer Betriebsausgaben in Höhe von 5.461 € (für 2004) und in Höhe von 3.865 € (für 2005) festgestellt wird.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
II.
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Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die angefochtenen Bescheide vom 2. November 2009 über die gesonderte Feststellung der verbleibenden Verlustvorträge zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2004 und 31. Dezember 2005 rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen (§ 100 Abs. 1 FGO).
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1. Zutreffend geht das FG davon aus, dass es sich bei den Aufwendungen des Klägers um solche für ein Erststudium handelt, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt und nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattgefunden hat. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Es handelt sich daher um Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung, die gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der für die Streitjahre 2004 und 2005 geltenden Fassung bis zu 4.000 € im Kalenderjahr als Sonderausgaben abzugsfähig sind. Zwar ist nach dem Einleitungssatz zu § 10 Abs. 1 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung der Abzug von Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben gegenüber dem Abzug von Aufwendungen als Sonderausgaben vorrangig (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Juli 2011 VI R 7/10, BFHE 234, 271, BStBl II 2012, 557, und VI R 38/10, BFHE 234, 279, BStBl II 2012, 561). Dass die hier streitigen Aufwendungen indes keine (vorweggenommenen) Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit sind, ordnet § 12 Nr. 5 i.V.m. § 4 Abs. 9 EStG ausdrücklich an. In § 4 Abs. 9 EStG heißt es dazu: "Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, sind keine Betriebsausgaben"; entsprechend ist auch § 12 Nr. 5 EStG formuliert.
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§ 4 Abs. 9 und § 12 Nr. 5 EStG sind gemäß Art. 25 Abs. 4 BeitrRLUmsG am Tag nach der Verkündung des BeitrRLUmsG, d.h. am 14. Dezember 2011, in Kraft getreten und gemäß § 52 Abs. 12 Satz 11 bzw. § 52 Abs. 30a EStG für Veranlagungszeiträume ab 2004 anzuwenden. Die Auffassung des FG, bei den Aufwendungen des Klägers handele es sich um Sonderausgaben, ist revisionsrechtlich daher nicht zu beanstanden.
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2. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die gesetzliche Neuregelung betreffend Aufwendungen für ein Erststudium bzw. eine erstmalige Berufsausbildung außerhalb eines Dienstverhältnisses, die der Gesetzgeber mit § 4 Abs. 9 und § 12 Nr. 5 EStG sowie § 52 Abs. 12 Satz 11 und Abs. 30a EStG geschaffen hat, unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden (so auch Urteil des FG des Saarlandes vom 4. April 2012 2 K 1020/09, [...]; Urteil des FG Münster vom 20. Dezember 2011 5 K 3975/09 F, EFG 2012, 612; Urteile des FG Köln vom 17. Juli 2013 14 K 3720/12, [...], und 14 K 587/13, EFG 2013, 1745 [FG Köln 17.07.2013 - 14 K 587/13]; vom 22. Mai 2012 15 K 3413/09, EFG 2012, 1735; Urteil des FG Düsseldorf vom 14. Dezember 2011 14 K 4407/10