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  • 15.04.2014 · IWW-Abrufnummer 141114

    Finanzgericht Thüringen: Urteil vom 13.11.2013 – 3 K 366/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Thüringen

    Urt. v. 13.11.2013

    Az.: 3 K 366/13

    In dem Rechtsstreit
    - Klägerin -
    gegen
    - Beklagter -
    wegen Einkommensteuer 2011
    hat der III. Senat des Thüringer Finanzgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung am 13. November 2013
    für Recht erkannt:
    Tenor:

    1.

    Der Einkommensteuerbescheid 2011 vom 11.02.2013 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.05.2013 wird dahingehend geändert, dass die Einkommensteuer unter Anwendung des tariflichen Einkommensteuersatzes auf die Gewinnausschüttung der EBA-GmbH festgesetzt wird. Die Berechnung der Einkommensteuer wird auf den Beklagten übertragen.
    2.

    Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
    3.

    Das Urteil ist wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruches der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
    4.

    Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
    5.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Klägerin ist verheiratet und wurde für das Kalenderjahr 2011 zusammen mit ihrem Ehegatten zur Einkommensteuer veranlagt. Im Streitjahr erzielten beide Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

    Ferner ist die Klägerin zu 5% an der E. GmbH beteiligt, deren Stammkapital 51.136,00 EUR beträgt. Ausweislich des von der Klägerin vorgelegten notariellen Vertrages vom 16.08.2011 hatte sie drei Geschäftsanteile im Nennwert von insgesamt 2.558,00 EUR zu einem Gesamtkaufpreis von 31.397,28 EUR erworben. Der Kaufpreis sollte in drei bzw. fünf Raten gezahlt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag verwiesen (Bl. 47ff. d. A.).

    Bei der E. GmbH ist die Klägerin als Sachbearbeiterin im kaufmännischen Bereich tätig. Ihr Bruttogehalt betrug im Streitjahr ausweislich der Einkommensteuererklärung 28.950,00 EUR. Aus der Beteiligung erzielte die Klägerin im Streitjahr Iaut vorliegenden Steuerbescheinigungen (Bl. 16f. Einkommensteuerakte) Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 18.979,00 EUR, von denen 25 % Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag einbehalten wurden. In der Einkommensteuererklärung beantragte die Klägerin hiervon abweichend die Besteuerung dieser Kapitalerträge gemäß § 32 d Abs. 2 Nr. 3b Einkommensteuergesetzes (EStG) unter Anwendung ihres persönlichen tariflichen Einkommensteuersatzes. Mit Schreiben vom 24.10.2012 legte der Beklagte die Sach- und Rechtslage dar und forderte die Klägerin auf, durch Vorlage geeigneter Unterlagen, ihre Aufgaben im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses bei der E. GmbH darzulegen. Hierauf erhob die Klägerin Dienstaufsichtsbeschwerde (Bl. 28 Einkommensteuerakte). Sie teilte lediglich mit, dass sie im kaufmännischen Bereich tätig sei und überreichte eine Kopie des Arbeitsvertrages (Bl. 31f. Einkommensteuerakte). Sie verwies darauf, dass in der Bundestagsdrucksache zum maßgeblichen Gesetzentwurf in keiner Weise auf einen maßgeblichen Einfluss abgestellt werde.

    Der Beklagte erließ am 11.02.2013 den Einkommensteuerbescheid 2011 und lehnte die beantragte Besteuerung dieser Kapitalerträge nach § 32 d Abs. 2 Nr. 3b EStG unter Anwendung des tariflichen Einkommensteuersatzes der Klägerin ab.

    Hiergegen legte die Klägerin am 13.02.2013 Einspruch ein (Bl. 60ff. Einkommensteuerakte). Das Wahlrecht zum Ansatz der Kapitaleinkünfte aus der Beteiligung sei nicht anerkannt worden. Die Klägerin verwies auf das BMF-Schreiben vom 22.12.2009 sowie auf einschlägige Literaturstellen.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 06.05.2013 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück (Bl. 8ff. d. A.). Inwieweit die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit als Sachbearbeiterin im kaufmännischen Bereich maßgeblichen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen der Gesellschaft nehmen kann, sei bislang weder vorgetragen noch aus der Aktenlage ersichtlich. Allein aus der Berufsbezeichnung "Sachbearbeiterin" könne jedenfalls keine ausreichende Einflussnahme auf die unternehmerischen Entscheidungen der Gesellschaft abgeleitet werden. Für die Anwendung des § 32 d Abs. 2 Nr. 3b EStG sei jedoch tatbestandliche Voraussetzung, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit maßgeblichen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen der Gesellschaft nehmen kann. Diese Voraussetzung sei im Streitfall nicht erfüllt.

    Hiergegen richtet sich die Klage. Nach Ansicht der Klägerin müsse der Beteiligte nach § 32 d Abs. 2 Nr. 3 b EStG lediglich beruflich für die GmbH tätig sein, ein Einfluss auf die Geschäftsführung werde aber nicht gefordert. Der Beklagte vermische die beiden in der Gesetzesbegründung genannten Fälle. Allein aus der Gehaltshöhe sei zu erkennen, dass es sich nicht um eine untergeordnete Tätigkeit handele.

    Nach einem entsprechenden Hinweis der Berichterstatterin trug die Klägerin weiter vor, sie arbeite seit 1997 Vollzeit für die Firma. Ihre Tätigkeitsgebiete seien:

    - Vorbereitung der Lohnabrechnungen,

    - Vorbereitung der Finanzbuchhaltung,

    - Assistentin der Geschäftsführung, d .h. Planung der Reisen, Terminabstimmung, Sortierung der Aufträge, Kundenbetreuung etc.

    - Allgemeine Büroverwaltung wie Telefondienst, Postdienst etc.

    Die Gründe für den Beteiligungserwerb seien vielfältig: Arbeitsplatzsicherung, Geldanlage, Verbundenheit zum Unternehmen, Altersvorsorge.

    In der mündlichen Verhandlung ergänzte die Klägerin, sie habe von 1994 bis Mai 1997 30 Stunden pro Woche, danach 40 Stunden pro Woche gearbeitet. Der schriftliche Arbeitsvertrag sei nicht aktualisiert worden. Die E. GmbH habe im Jahr 2011 ca. 40 Mitarbeiter gehabt, 5 Mitarbeiter seien an der GmbH beteiligt. Darunter seien - neben ihr - der Geschäftsführer, eine weitere Buchhalterin und zwei Obermonteure. Sie selbst sei eine Art "Chefsekretärin".

    Die Klägerin beantragt,

    den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 11.02.2013 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.05.2013 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer unter Anwendung des tariflichen Einkommensteuersatzes auf die Gewinnausschüttung der E. GmbH festgesetzt wird und die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären,

    hilfsweise,

    die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise,

    die Revision zuzulassen.

    Das Optionsrecht nach § 32 d Abs. 2 Nr. 3 b EStG gelte für Anteilseigner an einer Kapitalgesellschaft, die unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 1 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt und beruflich für diese tätig seien. Unter den Begriff der "beruflichen Tätigkeit" fielen Tätigkeiten, mit denen maßgeblicher Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen der Kapitalgesellschaft ausgeübt werden könne, weil nur bei diesen Steuerpflichtigen bei typisierender Betrachtung von einer unternehmerischen Beteiligung auszugehen sei. Es reiche nicht aus, dass die Klägerin als Sachbearbeiterin für die Gesellschaft tätig sei.
    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist begründet.

    Der Einkommensteuerbescheid 2011 vom 11.02.2013 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.05.2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Beklagte hat die Anwendung des persönlichen Steuersatzes nach § 32 d Abs. 2 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu Unrecht versagt.

    I.

    Nach § 32 d Abs. 2 Nr. 3 EStG kann auf Antrag für Kapitalerträge im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG der persönliche Steuersatz Anwendung finden, wenn der Steuerpflichtige unmittelbar oder mittelbar

    a) zu mindestens 25 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist oder

    b) zu mindestens 1 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist und beruflich für diese tätig ist.

    II.

    Die Voraussetzungen des § 32 d Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b EStG liegen im Streitfall vor.

    1. Die Klägerin war mit einem Anteil von 5 % an der GmbH beteiligt.

    2. Die Klägerin war auch "beruflich für diese tätig", da sie als Sachbearbeiterin bei der GmbH angestellt war. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist ein maßgeblicher Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen nicht erforderlich.

    Die Frage, ob über den bloßen Wortlaut "beruflich tätig" hinaus weitere Anforderungen an diese Tätigkeit gestellt werden müssen, ist weder höchstrichterlich noch -soweit ersichtlich - durch die Finanzgerichte entschieden.

    a. Maßgebend für die Auslegung des Begriffs "berufliche Tätigkeit" ist der in der Vorschrift zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Norm und dem Sinnzusammenhang ergibt. Im Rahmen des möglichen Wortsinns hat die Auslegung den Bedeutungszusammenhang des Gesetzes, die systematische Stellung der Norm sowie den Gesetzeszweck zu beachten. Ergänzend kommt der Entstehungsgeschichte der Vorschrift für deren Auslegung Bedeutung zu (BFH-Urteil vom 18.04.2012 X R 7/10, BFHE 237, 119, BStBl II 2013, 791). Die Gerichte sind zur (ergänzenden) Rechtsfortbildung berechtigt und verpflichtet. Führt die wortgetreue Auslegung des Gesetzes ausnahmsweise zu einem sinnwidrigen Ergebnis, besteht also eine Divergenz zwischen dem Gesetzeswortlaut und dem Gesetzeszweck, sind die Gerichte nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sogar zu einer (gesetzeswortlaut-) abändernden Rechtsfortbildung berufen. Als Instrumente werden hierbei die teleologische Reduktion und die einschlägige Extension verwendet. Eine teleologische Extension zielt darauf ab, den zu engen Wortlaut eines Gesetzes auf dessen weitergehenden Zweck auszudehnen. Sie ist nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung rechtspolitisch fehlerhaft erscheint. Vielmehr muss die auf den Wortlaut abstellende Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis, zu einem der wirtschaftlichen Vernunft widersprechenden Ergebnis oder zu einem so unsinnigen Ergebnis führen, dass es vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann (BFH-Urteil vom 18.04.2012 X R 7/10, BFHE 237, 119, BStBl II 2013, 791).

    b. Die Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge, darin eingeschlossen auch die Regelung in § 32 d Abs. 2 Nr. 3 EStG wurde zum 01.01.2009 durch das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 vom 14.08.2007 (BGBl I 2007, 1912) eingeführt. Aus dem Bericht des Finanzausschusses vom 08.11.2007 zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 2008 (Bundestagsdrucksache 16/7036, S. 14) lässt sich nach Ansicht des Senates entnehmen, dass der Gesetzgeber "typischerweise unternehmerische Beteiligungen" im Blick hatte. Die Begründung enthält unter anderem folgende Passage:

    32d Abs. 2 Nr. 3 - neu - EStG berücksichtigt, dass bei bestimmten Sachverhaltsgestaltungen der Anteilserwerb nicht als bloße Kapitalanlage bezweckt wird, sondern vielmehr aus einem unternehmerischen Interesse heraus erfolgt. Dies ist z. B. bei einem umfangreichen Beteiligungserwerb im Rahmen eines "management buy out" oder bei dem Erwerb eines Anteils an einer Berufsträgerkapitalgesellschaft der Fall. Derartige Sachverhalte, in denen allein aufgrund der qualifizierten Höhe der Kapitalbeteiligung ein wesentlicher Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen ausgeübt werden kann oder bei denen aufgrund beachtlicher Beteiligungshöhe und durch die berufliche Tätigkeit maßgeblicher Einfluss auf die Kapitalgesellschaft ausgeübt werden kann, sind zu unterscheiden von Fällen, in denen es allein um private Vermögensverwaltung geht.

    Aus diesem Grund wird dem Erwerber eine Option eingeräumt, seine Dividendeneinkünfte - vergleichbar einer Beteiligung im Betriebsvermögen - dem progressiven Einkommensteuertarif (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG) unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 EStG) zu unterwerfen. Gleichzeitig besteht für ihn nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 EStG die Möglichkeit, seine Aufwendungen für die Fremdfinanzierung auch oberhalb der Grenze des Sparer-Pauschbetrages geltend zu machen. Dieses Optionsrecht können lediglich Steuerpflichtige wahrnehmen, die - zu mindestens 25 Prozent an der Kapitalgesellschaft beteiligt sind oder - zu mindestens 1 Prozent an der Kapitalgesellschaft beteiligt und beruflich für diese tätig sind, weil nur bei diesen Steuerpflichtigen bei zulässigerweise typisierender Betrachtung von einer unternehmerischen Beteiligung auszugehen ist (zur entsprechenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers vgl. BVerfGE 96, 1 [BVerfG 10.04.1997 - 2 BvL 77/92] [6 f.]). ..."

    c. Die Finanzverwaltung hat auf die Änderungen durch das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 mit Schreiben des Bundesministerium der Finanzen (BMF) vom 22.12.2009 (IV C 1 - S 2252/08/10004, BStBl I 2010, 94) reagiert. Danach sollen unter den Begriff der beruflichen Tätigkeit sowohl selbständig als auch nichtselbständig ausgeübte Tätigkeiten fallen. Ob es sich bei der beruflichen Tätigkeit um eine gewerbliche, freiberufliche oder um eine andere unter die Gewinneinkünfte fallende Tätigkeit handelt, sei unerheblich. Nicht ausreichend sei eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung.

    d. Das Schrifttum ist uneinheitlich.

    aa. Weber-Grellet und Littmann/Bitz/Pust verlangen ein unternehmerisches Interesse bzw. einen unternehmerischen Einfluss. Nach Weber-Grellet (Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 31. Auflage, § 32 d EStG, Rn. 12) erfasse die Vorschrift die Fälle, in denen die Beteiligung aus unternehmerischem Interesse erworben wird. Nach Littmann/Bitz/Pust (Einkommensteuerrecht, § 32 d EStG, Rn. 37) müsse die berufliche Tätigkeit für die Gesellschaft unternehmerischen Einfluss gewähren, wobei die Einwirkungsmöglichkeiten mit abnehmender Beteiligungsquote wachsen sollten und umgekehrt. Es werde sich jedoch generell nicht um eine Führungsperson im Unternehmen handeln müssen.

    bb. Dagegen wird vielfach die Ansicht vertreten, auf Art und Umfang der Tätigkeit komme es nicht an. So meint Frotscher (Frotscher, EStG, § 32 d EStG, Rn. 39), beruflich tätig sei der Steuerpflichtige bei jeder Voll- und Teilzeittätigkeit für die Kapitalgesellschaft. Einschränkend lehnt er jedoch eine unentgeltliche Tätigkeit ab. Vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks und der Gesetzesentstehung sei dies nicht ausreichend, da mit der Option vor allem erreicht werden solle, dass Aufwendungen für die Fremdfinanzierung der Beteiligung auch oberhalb des Sparer-Pauschbetrags geltend gemacht werden können. Ein geringes Entgelt für die unternehmerische Tätigkeit hält er dagegen für tatbestandsmäßig. Treiber wendet sich ausdrücklich gegen die Ansicht der Finanzverwaltung in dem BMF-Schreiben (Blümich-Treiber, EStG/KStG/GewStG, § 32 d EStG, Rn. 143). Das Gesetz enthalte "keine Mindestanforderungen an die berufliche Tätigkeit". Es verlange keine hauptberufliche Tätigkeit oder eine Geschäftsführung. Auch Baumgärtel/Lange (in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 d EStG, Rn. 49) sehen die Fälle erfasst, in denen der Gesellschafter seine Arbeitskraft in den Dienst der Gesellschaft stellt. Ausreichend, aber nicht notwendig sei das Bestehen eines Dienstverhältnisses, aus dem der Gesellschafter Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit erzielt (§ 19). Einschränkend verlangen sie ein Mindestmaß an beruflicher Tätigkeit, solange diese nicht so sporadisch erfolgt, dass jegliche Einflussnahme auf die Entscheidungen der Gesellschaft über diese Tätigkeit von vornherein ausgeschlossen sei.

    cc. Der Senat schließt sich der letzteren Ansicht an. Der gesetzgeberische Wille muss im Wortlaut der Norm hinreichend klar zum Ausdruck kommen. Der Wortlaut der Vorschrift selbst enthält jedoch keinerlei Einschränkungen oder Anforderungen an die berufliche Tätigkeit. Der vom Beklagten dargestellte Wille des Gesetzgebers schlägt sich im Wortlaut der Vorschrift nach Ansicht des Senates nicht hinreichend deutlich nieder.

    Für eine einschränkende Auslegung könnte zwar der Sinnzusammenhang zwischen den Alternativen in § 32 d Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a und b EStG sprechen. Beide Alternativen stehen nebeneinander und sollen eine ähnliche Konstellation erfassen. Die Alternative a enthält lediglich eine quantitative Komponente (mindestens 25 % Beteiligung), die Alternative b kombiniert eine quantitative (Beteiligung mindestens 1%) mit einer qualitativen Komponente (berufliche Tätigkeit). Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sind deshalb jedenfalls diejenigen Fälle auszuscheiden, in denen die qualitative Komponente zu vernachlässigen ist, z. B. bei einer geringfügigen Beschäftigung als Hausmeister oder Putzfrau.

    So liegt der Fall indes nicht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin als Chefsekretärin tätig war, sich im Verhältnis zu ihrem jährlichen Einkommen mit erheblichem finanziellen Aufwand an der GmbH beteiligt hat und neben ihr nur vier weitere Gesellschafter - welche durchgängig bei der GmbH beschäftigt sind -existieren.

    III.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

    Die Revision ist zuzulassen, denn die Sache ist von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Frage, wie das Tatbestandsmerkmal "beruflich tätig" auszulegen ist, ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt. Im Streitfall war die Zuziehung eines Bevollmächtigten im außergerichtlichen Vorverfahren wegen der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der zu entscheidenden Fragen gem. § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären, um dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zu geben, seine Rechte wirkungsvoll durchzusetzen (vgl. BFH-Beschluss vom 18.07.1967 GrS 5-7/66, BFHE 90, 150, BStBl II 1968, 56).

    RechtsgebieteEStG, FGOVorschriften§ 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG; § 100 Abs. 1 FGO