02.01.2001 · IWW-Abrufnummer 010011
Bundesfinanzhof: Urteil vom 07.11.2000 – VIII R 27/98
BUNDESFINANZHOF
Der teilentgeltliche Erwerb eines Mitunternehmeranteils hat die Unterbrechung der Vorbesitzzeit des erwerbenden Mitunternehmers i.S. von § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG 1990 zur Folge, soweit diese auf den ausscheidenden Mitunternehmer entfällt.
EStG §§ 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, 16 Abs. 2
EStDV § 7 Abs. 1
Urteil vom 7. November 2000 - VIII R 27/98 -
Vorinstanz: Hessisches FG (EFG 1998, 806)
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KG, an deren Gewinn und Vermögen S als persönlich haftender Gesellschafter und seine Schwester K als Kommanditistin mit einer Festkapitaleinlage von jeweils 50 000 DM je zur Hälfte beteiligt waren. Zum 31. Dezember 1991 trat die Ehefrau M des Gesellschafters S mit einer Bareinlage von 50 000 DM als Kommanditistin in die Gesellschaft ein; sie ist ab 1. Januar 1992 mit 5 v.H. am Gewinn der Gesellschaft beteiligt. K schied zum 1. Januar 1992 gegen eine Abfindung von 2 Mio. DM aus der KG aus.
Am 29. Dezember 1992 veräußerte die Klägerin das seit 1976 zu ihrem Betriebsvermögen gehörende Grundstück in G. Den Veräußerungsgewinn ermittelte sie auf der Grundlage eines Kaufpreises von 4 250 000 DM mit 3 050 325 DM, übertrug davon einen Teilbetrag von 1 612 783 DM auf die Anschaffungskosten eines 1991 erworbenen Grundstücks und stellte den Restbetrag von 1 437 542 DM in eine Rücklage nach § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) ein.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte den Veräußerungsgewinn im Anschluss an eine Außenprüfung mit 3 024 042 DM fest und erkannte die Rücklage nur in Höhe von 219 968 DM an. Dabei ging das FA davon aus, dass die Vorbesitzzeit der ausgeschiedenen Gesellschafterin K bei der Berechnung der Rücklage nicht berücksichtigt werden dürfe. Der Einspruch blieb erfolglos.
Mit der Klage trug die Klägerin vor, dass die an K gezahlte Abfindung nur rd. 50 v.H. des Verkehrswerts des Gesellschaftsanteils betragen habe und deshalb eine teilentgeltliche Übertragung des Anteils mit der Folge vorliege, dass der Erwerber nach § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) die stillen Reserven der ausgeschiedenen Gesellschafterin fortführen könne, soweit diese nicht durch die gewährte Gegenleistung aufgelöst worden seien. Lediglich in Höhe des entgeltlich übertragenen Teils des Gesellschaftsanteils sei die Besitzzeit des § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht erfüllt.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1998, 806).
Mit der --vom FG zugelassenen-- Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts (§ 6b Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG, § 7 Abs. 1 EStDV).
Sie beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Gewinnfeststellungsbescheid 1992 vom 31. März 1999 mit der Maßgabe zu ändern, dass der Gewinn aus Gewerbebetrieb 24 285,11 DM beträgt.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das FA hat während des Revisionsverfahrens einen geänderten Feststellungsbescheid erlassen. Die Klägerin hat beantragt, den Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen, und erklärt, dass die tatsächlichen Grundlagen des Rechtsstreits von ihm nicht berührt würden.
II.
Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Klägerin durfte keine Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG passivieren.
1. Der Senat geht bei der Beurteilung des Falles davon aus, dass die Kommanditistin K im Schnittpunkt der Jahre 1991/1992 aus der KG ausgetreten, die Kommanditistin M in diesem Zeitpunkt in die KG eingetreten ist. Nach den vorliegenden Verträgen strebten die Vertragspartner offensichtlich einen Gesellschafterwechsel in der Weise an, dass der Kommanditanteil der ausscheidenden Gesellschafterin K nicht auf M übertragen, sondern den Gesellschaftern M und S entsprechend ihrer Beteiligung am Gewinn und am Vermögen der KG ab dem 1. Januar 1992 anwachsen sollte. Dementsprechend gehen auch die Beteiligten von einem Gesellschafterwechsel in diesem Sinne zum 1. Januar 1992 aus.
2. Die mit dem Ausscheiden von K verbundene teilweise unentgeltliche Übertragung ihres Gesellschaftsanteils auf die Mitgesellschafter hat zur Folge, dass die von § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG vorausgesetzte Besitzzeit unterbrochen wurde.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) begründet § 6b EStG keine gesellschafts- und/oder betriebsbezogene, sondern eine personenbezogene Steuervergünstigung; dementsprechend ist auch die in § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG geregelte Vorbesitzzeit personenbezogen zu verstehen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 26. Februar 1992 I R 7/91, BFHE 168, 43, BStBl II 1992, 988; vom 24. März 1992 VIII R 48/90, BFHE 168, 521, BStBl II 1993, 93; vom 26. Mai 1994 IV R 77/92, BFH/NV 1995, 214, m.w.N.). Das bedeutet, dass es zur Erfüllung der Vorbesitzzeit nicht genügt, dass das begünstigte Wirtschaftsgut im Zeitpunkt seiner Veräußerung seit mehr als sechs Jahren zum Gesellschaftsvermögen einer Personengesellschaft gehört hat; die Steuervergünstigung kann nur der Gesellschafter beanspruchen, der diese Voraussetzung in eigener Person erfüllt. Hat er in diesem Zeitraum seinen Gesellschaftsanteil oder einen Teil seines Anteils von einem anderen ausscheidenden Gesellschafter entgeltlich erworben, dann erfüllt er die Vorbesitzzeit nur in Höhe desjenigen Anteils am veräußerten Wirtschaftsgut, der auf seinen Gesellschaftsanteil vor dem Ausscheiden des Mitgesellschafters entfällt; hinsichtlich des durch den Anteilserwerb aufgedeckten Teils der stillen Reserven des Wirtschaftsguts wird die Besitzzeit unterbrochen (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 13. August 1987 VIII B 179/86, BFHE 150, 438, BStBl II 1987, 782, unter 2. a der Gründe; Urteil in BFH/NV 1995, 214, unter II. 2. der Gründe). Hat der Gesellschafter seinen Gesellschaftsanteil oder einen Teil dieses Anteils unentgeltlich (hinzu-)erworben, so ist ihm die Besitzzeit seines Rechtsvorgängers anzurechnen (§ 7 Abs. 1 EStDV und dazu BFH-Urteile in BFHE 168, 521, BStBl II 1993, 93, unter 2. b bb bbb der Gründe, m.w.N.; BFH/NV 1995, 214, unter II. 4. der Gründe). Wie sich der teilentgeltliche (Hinzu-)Erwerb des Gesellschaftsanteils auf die Vorbesitzzeit auswirkt, hatte der BFH bisher noch nicht zu beurteilen. Im Schrifttum und von der Finanzverwaltung werden hierzu unterschiedliche Ansichten vertreten. Eine Unterbrechung der Vorbesitzzeit wird teils hinsichtlich des unentgeltlichen Teils der Übertragung verneint (z.B. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 13. Januar 1993 IV B 3 -S 2190- 37/92, BStBl I 1993, 80, Rz. 41 zur teilentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge; Welbers in Lademann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 6b Anm. 92 e, und --allgemein zur Anwendung der Trennungstheorie auf der Erwerberseite-- Esser, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1997, 439, 451, m.w.N.), teils wird sie bejaht (vgl. u.a. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl., § 6b Rz. 68 und § 16 Rz. 59; Heger in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 6b Rdnr. E 18).
b) Der erkennende Senat folgt der zuletzt genannten Ansicht.
Bei der teilentgeltlichen Veräußerung von Betrieben und Mitunternehmeranteilen geht das EStG von einem einheitlichen Anschaffungs- und Veräußerungsvorgang aus, falls der Veräußerungspreis den Buchwert des übertragenen Betriebsvermögens oder des Kapitalkontos des Veräußerers übersteigt; der Vorgang wird nicht in eine entgeltliche und eine unentgeltliche Übertragung aufgespalten (sog. Einheitstheorie, vgl. dazu u.a. BFH-Urteile vom 10. Juli 1986 IV R 12/81, BFHE 147, 63, BStBl II 1986, 811, unter 3. b der Gründe; vom 22. September 1994 IV R 61/93, BFHE 176, 350, BStBl II 1995, 367, unter III. 3. der Gründe; vom 7. Februar 1995 VIII R 36/93, BFHE 178, 110, BStBl II 1995, 770, unter 1. c cc der Gründe, m.w.N.). Die Einheitstheorie gilt in gleicher Weise für den Veräußerer wie für den Erwerber (BFH-Urteil in BFHE 176, 350, BStBl II 1995, 367). Dementsprechend gehen beim Erwerb eines Mitunternehmeranteils zum Buchwert oder zu einem darunter liegenden Preis die stillen Reserven gemäß § 7 Abs. 1 EStDV in vollem Umfang auf den Erwerber über; übersteigt der erzielte Veräußerungspreis den Buchwert des Kapitalkontos, hat der Erwerber das geschuldete (Teil-)Entgelt als Anschaffungskosten zu aktivieren und in einer Ergänzungsbilanz auf die Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens zu verteilen.
Der BFH ging auch bei der Entscheidung der Frage, ob und in welcher Höhe ein Wirtschaftsgut, das im Rahmen des Erwerbs eines Mitunternehmeranteils anteilig auf die erwerbenden Gesellschafter übergeht, stille Reserven enthält, die eine Buchwertfortführung und damit auch eine Besitzzeitanrechnung rechtfertigen, von dieser Rechtsprechung aus (vgl. --für Buchwertfortführung bei Abfindung unter dem Buchwert-- BFH-Urteil in BFHE 176, 350, BStBl II 1995, 367, und --für Besitzzeitanrechnung bei Abfindung zum Buchwert-- BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 214, unter II. 2. und 4. der Gründe). Sie ist der Entscheidung auch in dem Fall zugrunde zu legen, dass die Abfindung über dem Buchwert liegt. Das hat im Streitfall zur Folge, dass der Gesellschafter S die Vergünstigungen des § 6b EStG nur bezüglich des auf seinen ursprünglichen Mitunternehmeranteil (vor dem Ausscheiden der K) entfallenden anteiligen Gewinns aus der Grundstücksveräußerung beanspruchen kann. Die stillen Reserven, die auf den teilentgeltlich erworbenen Mitunternehmeranteil der K entfallen, sind beim Ausscheiden der K zwar nur teilweise aufgedeckt worden, sie können aber --soweit sie erhalten geblieben sind-- nicht den Gesellschaftern S und M zugerechnet werden, da diese nicht (auch nicht partiell) unentgeltliche Rechtsnachfolger der K i.S. des § 7 Abs. 1 EStDV geworden sind. Durch die entgeltliche Veräußerung des Mitunternehmeranteils der K ist die Vorbesitzzeit hinsichtlich ihres Anteils an dem später von der Gesellschaft veräußerten Grundbesitz in vollem Umfang unterbrochen worden.