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  • 02.09.2004 · IWW-Abrufnummer 042339

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 01.07.2004 – V R 33/01

    Der Unternehmer kann Vorsteuerbeträge erst in dem Besteuerungszeitraum abziehen, in dem die materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen i S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG insgesamt vorliegen. Zu diesen Voraussetzungen gehört eine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis.


    Gründe:

    I.

    Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betreibt einen Handel für Baubedarf. Sie begehrt, die Umsatzsteuerfestsetzung für 1999 (Streitjahr) dahin zu ändern, dass weitere Vorsteuerbeträge in Höhe von 3 248,10 DM als abziehbar anerkannt werden. Die zugrunde liegenden Leistungen bezog die Klägerin im Jahr 1999. Die dazugehörenden Rechnungen wurden im Dezember 1999 ausgestellt, sind aber erst im Januar 2000 bei der Klägerin eingegangen.

    Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte den Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen im Streitjahr 1999 nicht an. Er begründete dies mit dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG). Voraussetzung für den Vorsteuerabzug sei danach der Bezug der Lieferung oder Leistung und der Erhalt einer entsprechenden Rechnung. Wenn --wie vorliegend-- der Empfang der Leistung und der Empfang der Rechnung in verschiedene Besteuerungszeiträume fielen, sei entsprechend der Anweisung in den Verwaltungsrichtlinien (Abschn. 192 Abs. 2 Satz 4 der Umsatzsteuer-Richtlinien) der Vorsteuerabzug für den Besteuerungszeitraum zulässig, in dem erstmalig beide Voraussetzungen erfüllt seien. Dies sei das Jahr 2000, weil die Klägerin die Rechnungen erst im Jahr 2000 erhalten habe.

    Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) folgte der Auffassung des FA. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 601 abgedruckt.

    Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Das angefochtene Urteil verstoße gegen die Sechste Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG), da durch die Vorentscheidung ihr Recht, den ihr zustehenden Anspruch auf Abzug der in Rechnung gestellten Vorsteuerbeträge geltend zu machen, zu Unrecht zeitlich eingeschränkt werde.

    Der Senat hat mit Beschluss vom 21. März 2002 V R 33/01 (BFHE 198, 226, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2002, 336, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 2002, 228) das Verfahren gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    "Kann der Steuerpflichtige das Recht auf Vorsteuerabzug nur mit Wirkung für das Kalenderjahr ausüben, in dem er gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG die Rechnung besitzt oder gilt die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug stets für das Kalenderjahr (auch rückwirkend), in dem das Recht auf Vorsteuerabzug gemäß Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG entsteht?"

    Der EuGH hat hierauf mit Urteil vom 29. April 2004 Rs. C-152/02, Terra Baubedarf-Handel GmbH (UR 2004, 323) geantwortet:

    "Für den Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist Artikel 18 Absatz 2 Unterabsatz 1 dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass das Vorsteuerabzugsrecht für den Erklärungszeitraum auszuüben ist, in dem die beiden nach dieser Bestimmung erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, dass die Lieferung der Gegenstände oder die Dienstleistung bewirkt wurde und dass der Steuerpflichtige die Rechnung oder das Dokument besitzt, das nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Kriterien als Rechnung betrachtet werden kann."

    Die Klägerin hat auf eine Stellungnahme zu diesem Urteil verzichtet.

    Sie beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung bei der Umsatzsteuerfestsetzung 1999 weitere Vorsteuerbeträge in Höhe von 3 248,10 DM zum Abzug zuzulassen.

    Das FA tritt der Revision entgegen.

    II.

    Die Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 FGO).

    Das FG hat zutreffend entschieden, dass die streitigen Vorsteuerbeträge nicht im Streitjahr 1999 berücksichtigt werden können.

    1. Der Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.

    § 16 UStG mit der Überschrift "Steuerberechnung,

    Besteuerungszeitraum und Einzelbesteuerung" sieht in Abs. 1 Sätze 2 und 3 vor:

    ..."Besteuerungszeitraum ist das Kalenderjahr. Bei der Berechnung der Steuer ist von der Summe der Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 5 auszugehen...".

    § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG lautet: "Von der nach Absatz 1 berechneten Steuer sind die in den Besteuerungszeitraum fallenden, nach § 15 abziehbaren Vorsteuerbeträge abzusetzen."

    2. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kann der Unternehmer Vorsteuerbeträge erst in dem Besteuerungszeitraum abziehen, in dem die materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG insgesamt vorliegen (vgl. BFH-Urteil vom 20. Oktober 1994 V R 84/92, BFHE 176, 469, BStBl II 1995, 233, m.w.N.). Zu diesen Voraussetzungen gehört eine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis (vgl. BFH-Urteile vom 26. April 1979 V R 46/72, BFHE 128, 110, BStBl II 1979, 530, unter II.2. a; vom 16. April 1997 XI R 63/93, BFHE 182, 440, BStBl II 1997, 582).

    Daraus folgt, dass die Klägerin den streitigen Vorsteuerabzug für das Streitjahr 1999, in dem ihr die dazugehörigen Rechnungen noch nicht vorlagen, nicht (rückwirkend) geltend machen kann.

    3. Diese Rechtslage steht im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht, wie der EuGH durch das bezeichnete Urteil entschieden hat. Der Anspruch der Klägerin auf Abzug der streitigen Vorsteuerbeträge entstand zwar gemäß Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG bereits 1999, er kann aber gemäß Art. 18 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 77/388/EWG erst in dem Besteuerungszeitraum --ohne Rückwirkung auf den Besteuerungszeitraum der Entstehung-- ausgeübt werden, in dem auch die Rechnung mit Steuerausweis vorliegt (hier: 2000).

    RechtsgebieteUStG 1999, Richtlinie 77/388/EWG, UStRVorschriftenUStG 1999 § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1999 § 16 Abs. 1 UStG 1999 § 16 Abs. 2 Richtlinie 77/388/EWG Art. 17 Abs. 1 Richtlinie 77/388/EWG Art. 18 Abs. 1 Richtlinie 77/388/EWG Art. 18 Abs. 2 UStR Abschn. 192 Abs. 2 Satz 4