17.02.2005 · IWW-Abrufnummer 050490
Bundesfinanzhof: Urteil vom 26.10.2004 – IX R 57/02
Bei einer ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermieteten und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehaltenen Ferienwohnung ist die Einkünfteerzielungsabsicht der Steuerpflichtigen ausnahmsweise anhand einer Prognose zu überprüfen, wenn das Vermieten die ortsübliche Vermietungszeit von Ferienwohnungen --ohne dass Vermietungshindernisse gegeben sind-- erheblich unterschreitet; hiervon ist bei einem Unterschreiten von mindestens 25 v.H. auszugehen.
Gründe:
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Der Kläger ist Eigentümer zweier Ferienwohnungen, von denen sich eine in X und die andere in Y befindet. Der Kläger übertrug das Vermieten der Wohnungen nicht vollständig auf einen Verwalter, sondern bemühte sich in erster Linie selbst durch Postwurfsendungen, Mundpropaganda und Annoncen um die Vermietung.
Die Wohnung in X war nach Angaben der Kläger wie folgt vermietet: 1989 (25 Tage), 1990 (57 Tage), 1991 und 1992 (jeweils 67 Tage), 1993 (75 Tage), 1994 (47 Tage), 1995 (117 Tage), 1996 (68 Tage), 1997 (66 Tage), 1998 (54 Tage), 1999 (20 Tage) und 2000 (19 Tage); als Selbstnutzung wurde erklärt: 1989 und 1990 (keine Angabe), 1991 und 1992 (jeweils acht Tage), 1993, 1994 und 1995 (jeweils neun Tage).
Für die Wohnung in Y gaben die Kläger folgende Vermietungszeiten an: 1990 (29 Tage), 1991 (18 Tage), 1992 (geschätzte 40 Tage), 1993 (28 Tage), 1994 (14 Tage), 1995 (Null Tage), 1996 (16 Tage), 1997 (Null Tage), 1998 (keine Angaben), 1999 und 2000 (jeweils Null Tage).
In ihren Einkommensteuererklärungen der Streitjahre (1991, 1992, 1994 und 1995) machten die Kläger aus der Vermietung der Ferienwohnungen --durch Gegenüberstellung der Einnahmen und der (gesamten) Aufwendungen ermittelte-- Werbungskostenüberschüsse geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Werbungskosten nur mit dem auf die Vermietungstage entfallenden Anteil.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 91 veröffentlichten Urteil u.a. aus, trotz bestehender Zweifel unterstelle es im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung den Vortrag der Kläger als wahr, die Ferienwohnungen nicht selbst zu Urlaubszwecken genutzt, sondern ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehalten zu haben. Danach sei zwar in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Einkünfteerzielungsabsicht nur in Ausnahmefällen zu verneinen; um einen solchen Ausnahmefall handele es sich jedoch, wenn --wie im Streitfall-- beim Vermieten einer Ferienwohnung auch bei Außerachtlassung von Zinsaufwendungen und Absetzungen für Abnutzung jährlich erhebliche Werbungskostenüberschüsse entstünden und deshalb eine Zukunftsprognose ergebe, dass auch in kommenden Jahren selbst dann kein Überschuss erzielt werde, wenn es dem Steuerpflichtigen wider Erwarten gelingen sollte, den Vermietungserfolg zu steigern. Deshalb sei die Klage abzuweisen.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Ferienwohnungen die in den Einkommensteuererklärungen 1991, 1992, 1994 und 1995 geltend gemachten Werbungskostenüberschüsse zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Das Urteil der Vorinstanz ist nicht wegen der von den Klägern gerügten Verfahrensfehler aufzuheben. Auf den geltend gemachten Verstoß gegen das Gebot der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 81 FGO) kommt es nicht an, weil das FG den unter Beweis gestellten Sachverhalt (keine Selbstnutzung der Ferienwohnungen) bei seiner Entscheidung als wahr unterstellt hat (s. dazu z.B. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 81 FGO Tz. 38 f., 45 f.). Den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO) hat das FG ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 19. September 2002 nicht verletzt.
2. Die bisherigen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um in der Revisionsinstanz abschließend zu entscheiden, ob das FG zu Recht die Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers verneint hat.
a) Nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich davon auszugehen, dass die Steuerpflichtigen beabsichtigen, letztlich einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften, selbst wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben (BFH-Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771, auf das der Senat wegen der Einzelheiten der Begründung verweist). Etwas anderes gilt nur, wenn nach der tatsächlichen Gestaltung des Sachverhaltes kein üblicher Fall der Dauervermietung vorliegt, z.B. weil sich die Steuerpflichtigen nicht zu einer langfristigen Vermietung entschlossen haben (Urteil in BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771, m.w.N.) oder die Vermietungstätigkeit nach den bei Beginn ersichtlichen Umständen von vornherein befristet ist (z.B. BFH-Urteil vom 9. Juli 2002 IX R 57/00, BFHE 199, 422, BStBl II 2003, 695).
b) Die Grundsätze des Urteils in BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771 sind auch beim Vermieten von Ferienwohnungen anzuwenden, wenn diese von den Steuerpflichtigen --in Eigenregie oder durch Beauftragung eines Dritten-- ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehalten werden (ständige Rechtsprechung seit BFH-Urteil vom 6. November 2001 IX R 97/00, BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726).
c) Der Senat hat es allerdings bisher (s. zuletzt Urteil vom 5. November 2002 IX R 18/02, BFHE 200, 556, BStBl II 2003, 914, m.w.N.) bei einer ohne Selbstnutzung vermieteten Ferienwohnung als unerheblich angesehen, ob diese nur an wenigen Tagen im Kalenderjahr vermietet war. Hieran hält er aus folgenden Erwägungen nicht mehr fest:
aa) Das Vermieten einer Ferienwohnung ist einer auf Dauer angelegten Vermietung nur dann vergleichbar, wenn die Ferienwohnung im ganzen Jahr --bis auf die üblicherweise vorkommenden Leerstandszeiten-- an wechselnde Feriengäste vermietet wird. Nur so zeigt sich auch in nachprüfbarer Weise, dass die Steuerpflichtigen die Ferienwohnung in geeigneter Form am Markt angeboten und alle in Betracht kommenden Interessenten berücksichtigt haben. Je mehr das Vermieten der Ferienwohnung die ortsüblichen Vermietungszeiten unterschreitet, umso mehr gewinnt deshalb die Frage nach den Gründen des Leerstandes an Bedeutung (in Betracht kommen z.B. einerseits Unbenutzbarkeit der Wohnung wegen Instandsetzungsarbeiten oder anderer Vermietungshindernisse; andererseits aber auch Leerstand wegen unzureichender Vermietungsbemühungen, z.B. als Ausdruck der Absicht, die Ferienwohnung letztlich nur als Vermögensanlage und/oder für eine zukünftige Selbstnutzung vorzuhalten).
bb) Die dem FG als Tatsacheninstanz obliegende Feststellung und Würdigung, ob ein ausschließliches Vermieten der Ferienwohnung angenommen werden kann, bereitet offensichtlich trotz der den Steuerpflichtigen auferlegten Feststellungslast (s. Urteil in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726, unter II. 1. b der Gründe) in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten. Deshalb entwickelt der Senat seine Rechtsprechung dahin fort, dass beim Vermieten von Ferienwohnungen --in Eigenregie oder durch Beauftragung eines Dritten-- die Einkünfteerzielungsabsicht der Steuerpflichtigen immer dann anhand einer Prognose nach den Grundsätzen des Urteils in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726 zu überprüfen ist, wenn das Vermieten die ortsübliche Vermietungszeit von Ferienwohnungen --ohne dass Vermietungshindernisse gegeben sind-- erheblich unterschreitet; aus Vereinfachungsgründen und um den bei einer solchen Prüfung gegebenen Unsicherheiten Rechnung zu tragen, ist die zur Prognose führende Unterschreitensgrenze bei mindestens 25 v.H. anzusetzen (Ergänzung zum Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 8. Oktober 2004 IV C 3 -S 2253- 91/04, BStBl I 2004, 933, Tz. 16 f.).
3. Nach diesen Maßstäben kann die Entscheidung der Vorinstanz keinen Bestand haben; sie ist aufzuheben. Die vom FG vorgenommene Prognose ist kein an die tatsächliche Gestaltung des Sachverhalts anknüpfender Ausnahmefall i.S. des Urteils in BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771.
4. Die Sache ist nicht entscheidungsreif.
a) Das FG hat, ausgehend von seiner Rechtsauffassung zutreffend, keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger eine (beide) Ferienwohnung(en) auch (zu privaten Zwecken) selbst genutzt oder ob er sie ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehalten hat; diese Feststellungen muss es nachholen.
b) Kommt das FG zu dem Ergebnis, dass der Kläger eine (beide) Ferienwohnung(en) teilweise selbst genutzt hat, muss es die auf die Selbstnutzung und auf die Vermietung entfallenden Kosten aufteilen und durch eine nach den Grundsätzen des Urteils in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726 vorzunehmende Prognose feststellen, ob durch die Vermietungstätigkeit ein Totalüberschuss erzielt werden kann.
c) Hat dagegen der Kläger eine (beide) Ferienwohnung(en) nach den Feststellungen des FG ohne Selbstnutzung vermietet, muss es ermitteln, ob deren Vermietung die ortsübliche Vermietungszeit von Ferienwohnungen (ohne dass Vermietungshindernisse gegeben sind) um mindestens 25 v.H. unterschritten hat und je nach Ergebnis entweder die Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers ohne weitere Prüfung bejahen oder sie nach den Grundsätzen des zuvor genannten Urteils in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726 unter Berücksichtigung der gesamten Einnahmen und Ausgaben aus der Vermietung der Ferienwohnung(en) überprüfen.