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  • 07.04.2005 · IWW-Abrufnummer 051006

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 15.12.2004 – I R 6/04

    Ist eine GmbH neben ihren Gesellschaftern an einer anderen Kapitalgesellschaft beteiligt und nimmt sie an einer Kapitalerhöhung bei jener Gesellschaft nicht teil, so kann dieses Verhalten nur dann zu einer vGA führen, wenn die GmbH für ihr Recht zum Bezug neuer Anteile ein Entgelt hätte erzielen können.


    Gründe:

    I.

    Die Beteiligten streiten darüber, ob die Rechtsvorgängerin der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im Interesse ihrer Gesellschafter auf die Teilnahme an einer Kapitalerhöhung verzichtet und hierdurch eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) vorgenommen hat.

    Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin der A-GmbH. An deren Stammkapital von 50 000 DM waren in den Streitjahren (1991 und 1993) V mit 49 000 DM und deren Ehemann (E) mit 1 000 DM beteiligt. Die A-GmbH war bis 1992 Komplementärin einer KG, die am 25. Juni 1992 in eine GmbH (B-GmbH) umgewandelt wurde. Am Stammkapital der B-GmbH waren nunmehr V mit 90 000 DM (45 v.H.), E mit 60 000 DM (30 v.H.) und die A-GmbH mit 50 000 DM (25 v.H.) beteiligt.

    Durch Gesellschafterbeschluss vom 5. Februar 1993 wurde das Stammkapital der B-GmbH von bisher 200 000 DM um 300 000 DM erhöht. Die Erhöhung der Stammeinlagen war in bar zu leisten. Im Anschluss an die Kapitalerhöhung hielten E 350 000 DM (70 v.H.), V 100 000 DM (20 v.H.) und die A-GmbH 10 v.H. (50 000 DM) des Stammkapitals der B-GmbH.

    Im Anschluss an eine Außenprüfung nahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) an, dass die A-GmbH zu Gunsten ihrer Gesellschafter auf ihr Recht zum Bezug neuer Gesellschaftsanteile an der B-GmbH verzichtet habe und dass darin eine vGA liege. Deren Höhe bemaß er nach dem Stuttgarter Verfahren mit 98 400 DM. Auf dieser Basis erließ das FA Steuerbescheide für das Streitjahr 1993 sowie im Hinblick auf den Fortfall eines Verlustrücktrags einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1991.

    Das Finanzgericht (FG) gab der Klage gegen die genannten Bescheide nur teilweise statt. Es entschied, dass eine vGA dem Grunde nach vorliege, deren Betrag sich jedoch nur auf 75 000 DM belaufe. Zur Begründung führte es aus, die A-GmbH habe von den übrigen Gesellschaftern der B-GmbH verlangen können, die Kapitalerhöhung nur zu dem wahren inneren Wert der Anteile und nicht zum Nennwert durchzuführen. Auf die Ausübung dieses Rechts habe sie zu Gunsten ihrer Gesellschafter verzichtet. Darin liege eine vGA. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 368 abgedruckt.

    Die Klägerin hat das Urteil mit der Revision angefochten, mit der sie sinngemäß eine Verletzung des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) rügt. Im Verlauf des Revisionsverfahrens hat das FA die das Streitjahr 1993 betreffenden Bescheide nach Maßgabe der Entscheidung des FG geändert. Die Klägerin hat daraufhin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die angefochtenen Bescheide in der Weise zu ändern, dass die Nichtteilnahme der A-GmbH an der Kapitalerhöhung der B-GmbH nicht als vGA angesetzt wird.

    Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

    II.

    Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das FG. Dessen Annahme, dass das Verhalten der A-GmbH im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung bei der B-GmbH eine vGA auslöse, wird von seinen tatsächlichen Feststellungen nicht getragen.

    1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) setzt eine vGA eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung voraus, die sich auf den Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auswirkt (BFH-Urteile vom 31. März 2004 I R 65/03, BFHE 206, 32; vom 31. März 2004 I R 70/03, BFHE 206, 37, BStBl II 2004, 937; vom 25. Mai 2004 VIII R 4/01, BFHE 207, 103, m.w.N.). Im Streitfall ist bei der A-GmbH eine Vermögensminderung in diesem Sinne nicht eingetreten. Ob eine verhinderte Vermögensmehrung vorliegt, lässt sich anhand der vom FG getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen:

    a) Eine für eine vGA ausreichende Vermögensminderung setzt einen Vorgang voraus, der zu einer Verminderung des in der Steuerbilanz zu erfassenden Betriebsvermögens der Kapitalgesellschaft führt. Denn nur unter dieser Voraussetzung wird der Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 EStG berührt. Daraus folgt, dass eine Vermögensminderung im Sinne der Definition der vGA nicht vorliegen kann, wenn der zu beurteilende Vorgang sich nach den für die Kapitalgesellschaft geltenden Bilanzierungsgrundsätzen in der Steuerbilanz der Gesellschaft nicht auswirkt (BFH-Urteile in BFHE 206, 32, und in BFHE 206, 37, BStBl II 2004, 937).

    Eine solche Situation ist im Streitfall insoweit gegeben, als in der Bilanz der A-GmbH deren Beteiligung an der B-GmbH im Anschluss an die Kapitalerhöhung nicht mit einem niedrigeren Wert als zuvor angesetzt werden musste. Insbesondere ergibt sich aus den Feststellungen des FG kein Anhaltspunkt dafür, dass die Kapitalerhöhung eine Abschreibung der Beteiligung auf einen niedrigeren Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) gerechtfertigt hätte. Der Nominalwert der Beteiligung wurde hierdurch nicht berührt. Die Verminderung der Beteiligungsquote wurde dadurch ausgeglichen, dass sich die Beteiligung nunmehr auf ein entsprechend höheres Stammkapital der GmbH bezog. Zwar mag die Kapitalerhöhung dazu geführt haben, dass sich die Beteiligung der A-GmbH an den stillen Reserven der B-GmbH verringerte; allein dieser Umstand wirkte sich jedoch in der Bilanz der A-GmbH nicht aus. Angesichts dessen wurde der dort anzusetzende Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 EStG durch die Kapitalerhöhung nicht vermindert, so dass eine vGA jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Vermögensminderung nicht vorliegt.

    b) Eine verhinderte Vermögensmehrung i.S. der Rechtsprechung zu § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG setzt voraus, dass die Kapitalgesellschaft es unterlässt, einen sich gemäß § 4 Abs. 1 EStG in ihrer Steuerbilanz auswirkenden Vermögensvorteil zu erlangen (s. auch Gosch, Körperschaftsteuergesetz, § 8 Rz. 253, m.w.N.). Ein solcher Sachverhalt kann u.a. dann vorliegen, wenn die Gesellschaft zum Bezug neuer Anteile an einer anderen Gesellschaft berechtigt ist und sowohl auf die Ausübung als auch auf die anderweitige Verwertung dieses Bezugsrechts verzichtet. Wäre die Gesellschaft nämlich in einer derartigen Situation rechtlich und wirtschaftlich in der Lage gewesen, für das Bezugsrecht ein Entgelt zu erzielen, dann hätte sie bei einer Verwertung des Bezugsrechts einen bilanzierungsfähigen Vermögensvorteil erlangt; in dem Ausbleiben dieses Vorteils liegt dann eine verhinderte Vermögensmehrung. Unter dieser Voraussetzung kann deshalb der Verzicht auf die Teilnahme an einer Kapitalerhöhung zu einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG führen (Senatsurteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626). Dasselbe gilt, wenn die Gesellschaft bestehende sonstige Möglichkeiten zur Verwertung der mit einer Beteiligung verbundenen stillen Reserven nicht nutzt.

    c) Wird das Stammkapital einer GmbH erhöht, so haben die bisherigen Gesellschafter ein gesetzliches Recht zum Bezug der neuen Anteile, sofern dieses Recht nicht im Kapitalerhöhungsbeschluss ausgeschlossen wird. Das Bezugsrecht gewährt jedem Gesellschafter einen Anspruch auf Übernahme eines seiner bisherigen Beteiligung entsprechenden Anteils am Stammkapital (Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 17. Aufl., § 55 Rz. 13, m.w.N.). Im Streitfall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschluss über die Kapitalerhöhung bei der GmbH einen Ausschluss von Bezugsrechten enthielt. Der Senat geht deshalb davon aus, dass die A-GmbH gesellschaftsrechtlich berechtigt war, nach Maßgabe des ursprünglich bestehenden Beteiligungsverhältnisses neue Anteile an der B-GmbH zu übernehmen.

    Ob ein bezugsberechtigter Gesellschafter sein Bezugsrecht verwerten und welches Entgelt er hierfür ggf. erzielen kann, hängt regelmäßig von den Umständen des konkreten Falles ab. Zum einen wird dabei von Bedeutung sein, ob das Bezugsrecht beliebig veräußert werden darf oder ob sein Inhaber insoweit Einschränkungen unterliegt. Zum anderen wird es darauf ankommen, welchen Wert ein potentieller Erwerber dem Recht beimessen wird und welche Maßnahmen der das Recht innehabende Gesellschafter ergreifen kann, um den dafür erzielbaren Preis zu steigern. In diesem Zusammenhang kann als geeignete Maßnahme namentlich dann, wenn das Bezugsrecht nicht oder nur an Mitgesellschafter veräußert werden darf, auch die geäußerte Absicht einer Verhinderung oder Anfechtung des Beschlusses über die Kapitalerhöhung in Betracht kommen. Gibt es jedoch im Einzelfall für eine bezugsberechtigte Kapitalgesellschaft keinen erfolgversprechenden Weg zur wirtschaftlichen Verwertung des Bezugsrechts und auch keine anderweitige Möglichkeit zur Realisierung der mit ihrer Beteiligung verbundenen stillen Reserven, so kann die Unterlassung der Teilnahme an der Kapitalerhöhung keine vGA auslösen.

    d) Die Voraussetzung, dass eine verhinderte Vermögensmehrung an die Erreichbarkeit eines bilanzierungsfähigen Vermögensvorteils anknüpft, gilt schließlich auch in zeitlicher Hinsicht. Deshalb kann eine vGA unter diesem Gesichtspunkt erst in dem Wirtschaftsjahr eintreten, in dem für die Kapitalgesellschaft bei Wahrnehmung ihrer Möglichkeiten zur Realisierung stiller Reserven ein aktivierungspflichtiger Vermögenswert entstanden wäre (vgl. auch Gosch, a.a.O.). Die unbestimmte Aussicht der Gesellschaft, erst in Zukunft einen solchen Vermögenswert zu erlangen, reicht deshalb für die Anwendung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG nicht aus. Welcher konkrete Zeitpunkt sich hieraus für den Ansatz einer vGA ergibt, kann ebenfalls nur nach den Umständen des konkreten Einzelfalls bestimmt werden.

    2. Im Streitfall hat das FG angenommen, dass das Verhalten der A-GmbH im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung bei der B-GmbH zu einer vGA in Höhe von 75 000 DM geführt habe und dass diese in zeitlicher Hinsicht dem Streitjahr zuzuordnen sei. Die von ihm getroffenen Feststellungen tragen eine solche Beurteilung jedoch nicht.

    Das gilt zunächst für Grund und Höhe der vGA. Diese hat das FG daraus abgeleitet, dass nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten die Mitgesellschafter der A-GmbH durch den Erwerb zusätzlicher Anteile an den stillen Reserven der B-GmbH einen Vermögensvorteil in Höhe von 75 000 DM erlangt hätten. Die Höhe des bei potentiellen Erwerbern eingetretenen Vermögensvorteils lässt jedoch keine hinreichend zuverlässige Aussage darüber zu, welchen Preis diese Personen unter den gegebenen Umständen für das Bezugsrecht der A-GmbH gezahlt hätten. Das gilt insbesondere dann, wenn der vom FG als wahr unterstellte Vortrag der Klägerin zutreffen sollte, dass die A-GmbH einerseits aus wirtschaftlichen Gründen nicht an der Kapitalerhöhung teilnehmen konnte und andererseits nach dem Gesellschaftsvertrag der B-GmbH die Bezugsrechte nur an ihre Mitgesellschafter veräußern durfte.

    Was den zeitlichen Ansatz der ggf. vorliegenden vGA betrifft, reichen die Feststellungen des FG ebenfalls für eine abschließende Beurteilung nicht aus. Das FG hat in erster Linie darauf abgestellt, dass es der A-GmbH möglich gewesen wäre, den Beschluss über die Kapitalerhöhung anzufechten und so eine erneute und für sie günstigere Beschlussfassung zu erwirken. Diese Würdigung kann aber nur dann durchgreifen, wenn nach der seinerzeit gegebenen Gesetzeslage und unter Berücksichtigung des damaligen Meinungsstands in Rechtsprechung und Schrifttum eine Anfechtung des Kapitalerhöhungsbeschlusses so erfolgversprechend gewesen wäre, dass die übrigen Gesellschafter der B-GmbH zur Vermeidung dieses Risikos zu einem entgeltlichen Erwerb des Bezugsrechts bereit gewesen wären. Zudem kann eine hieraus abzuleitende vGA nur dann dem Streitjahr zuzuordnen sein, wenn der sich ergebende Vermögensvorteil der A-GmbH schon in diesem Jahr bilanzierungsfähig gewesen wäre. Ein solcher Sachverhalt lässt sich den Feststellungen des FG indessen nicht entnehmen. Ebenso hat das FG nicht festgestellt, ob die A-GmbH --wie das FA vorträgt-- die mit ihrer Beteiligung verbundenen stillen Reserven z.B. durch einen Austritt aus der B-GmbH hätte realisieren können und zu welchem Zeitpunkt dies zur Entstehung eines aktivierungsfähigen Vermögenswerts geführt hätte.

    3. Im Ergebnis ist im Streitfall für den Ansatz einer vGA nur insoweit Raum, als sich die A-GmbH einen Vermögensvorteil hat entgehen lassen, der sich in ihrer Bilanz für das Streitjahr ausgewirkt hätte. Zudem müsste ein solches Verhalten durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, also darauf zurückzuführen sein, dass die übrigen Gesellschafter der B-GmbH zugleich Gesellschafter der A-GmbH waren. All dies könnte nur auf Grund weiterer tatsächlicher Feststellungen angenommen werden, die im Revisionsverfahren nicht getroffen werden können. Deshalb muss die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden.

    RechtsgebieteKStG, EStGVorschriftenKStG § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG § 4 Abs. 1