03.09.2014 · IWW-Abrufnummer 142526
Finanzgericht Köln: Urteil vom 28.04.2014 – 10 K 564/13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Köln
10 K 564/13
Tenor:
Der angefochtene Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften 2007 vom 11. Mai 2012 sowie der Gewerbesteuermessbetragsbescheid 2007 vom 8.6.2012 werden mit der Maßgabe geändert, dass die Tantiemenrückstellungen i.H.v. 270.202 € nicht mehr steuererhöhend berücksichtigt werden. Die Berechnung der danach festzustellenden Einkünfte sowie des Gewerbesteuermessbetrags werden dem Beklagten übertragen. Dabei ist ggfs. eine Minderung der Gewerbesteuerrückstellung zu berücksichtigen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die verspätete Auszahlung von Tantiemen zu verdeckten Gewinnausschüttungen –vGA- in dem Jahr führt, in dem eine entsprechende Rückstellung gebildet wurde.
Die Klägerin wurde im Jahr 2006 als Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist der Vertrieb von Dienstleistungen und Waren insbesondere im Bereich der Telekommunikation. Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr.
An der Klägerin, deren Stammkapital 25.000 € beträgt, sind Frau A und Herr B jeweils zur Hälfte beteiligt. Beide Gesellschafter wurden auch zu Geschäftsführern bestellt.
An dem Handelsbetrieb der Klägerin beteiligten sich mit Vertrag vom 14. September 2006 Frau A1 und Herr B1 atypisch still.
In den Geschäftsführerverträgen mit Frau A und Herrn B wurde jeweils neben den festen Bezügen eine zusätzliche Gratifikation vereinbart i.H.v. 20 % der in § 4 Abs. 2 der Verträge definierten Bemessungsgrundlage. Nach Abs. 5 der Verträge wurden die Gewinntantiemen jeweils innerhalb eines Monats nach Feststellung des Jahresabschlusses fällig. Wegen der Einzelheiten wird auf die beiden Verträge Bezug genommen. Der Jahresabschluss 2007 wurde am 24. Juni 2008 festgestellt.
2011/2012 fand bei der Klägerin und der atypisch stillen Gesellschaft eine Betriebsprüfung statt. Dabei stellte der Prüfer fest, dass im Jahresabschluss 2007 der Klägerin eine Tantiemenrückstellung in Höhe von 2x 135.101 € = 270.202 € aufwandswirksam gebucht worden war. Eine Auszahlung der Tantieme war jedoch nicht erfolgt. Vielmehr wurden Gesellschafterbeschlüsse vom 24. Juli 2008 und 29. Juli 2009 vorgelegt, wonach die Tantieme bis zum 29. Januar 2010 nicht ausgezahlt werden musste. Die Tantieme war nach den Feststellungen des Prüfers bei Prüfungsbeginn im September 2011 noch nicht ausgezahlt. Auch hinsichtlich der Tantieme 2009 sei keine fristgerechte Auszahlung erfolgt. Der Prüfer nahm deshalb für 2007 eine verdeckte Gewinnausschüttung an. Wegen der Einzelheiten wird auf Tz. 2.3 des Betriebsprüfungsberichts vom 1.3.2012 Bezug genommen.
Der Beklagte folgte der Auffassung der Betriebsprüfung und erließ am 11.5.2012 einen geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2007 und am 8.6.2012 einen geänderten Gewerbesteuermessbetragsbescheid.
Die hiergegen eingelegten Einsprüche wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidungen vom 21. Januar 2013 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus:
Vorliegend seien die inhaltsgleichen Gehaltsvereinbarungen hinsichtlich der klaren und im Voraus abgeschlossenen Tantiemevereinbarung für das Streitjahr 2007 nicht vollzogen worden, weil die Auszahlung der Tantiemen nicht innerhalb eines Monats nach deren Fälligkeit erfolgte, sondern erst ab März 2010 in monatlichen Teilzahlungen. Die beschlossene zweimalige Verschiebung der Fälligkeit sei als Indiz dafür anzusehen, dass die Vereinbarung nicht ernsthaft getroffen worden sei. Entscheidend sei die Dauer der Fristüberschreitung. Mit der tatsächlichen Auszahlung sei erst im März 2010 begonnen worden, also mehr als 19 Monate nach der vertraglichen Fälligkeit. Ein weiteres Indiz mangelnder Ernsthaftigkeit sei in der ratierlichen Auszahlung der Tantiemen für 2007 zu sehen. Teilzahlungen seien weder im Geschäftsführer–Anstellungsvertrag vereinbart worden, noch lägen ihm, dem Beklagten, hierzu im Voraus getroffene Beschlussfassungen vor. Die Tantiemen 2006 und 2010 seien vertragsgemäß in einer Summe ausbezahlt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidungen Bezug genommen.
Mit der Klage trägt die Klägerin vor:
Sie sei als Nachfolgegesellschaft der A & B GbR entstanden. Im Geschäftsjahr 2008 sei es zum Bruch in der Geschäftsentwicklung gekommen. Hervorgerufen worden sei dieser Bruch durch die gesetzlich erzwungene Umstrukturierung des Geschäftsfeldes mit einem Kommunikationsunternehmen. Eine Fortführung der bisher sehr erfolgreichen Akquise– und Vermarktungstätigkeiten im Privatkundenbereich sei durch neue gesetzliche Hürden nahezu unmöglich bzw. wirtschaftlich vollkommen uninteressant gemacht worden. Ihre Geschäftsführer hätten insoweit die einzig logische Konsequenz gezogen, indem sie den Tätigkeitsbereich vollständig einstellten. Darüber hinaus hätten sie ernsthaft die Abwicklung erwogen, da kein Folgegeschäft zu erwarten gewesen sei.
Dies habe sich unerwartet mit der Inaussichtstellung eines neuen Auftrags durch ein Kommunikationsunternehmen für den Bereich Geschäftskunden geändert. Dieser neue Auftrag habe ihr, der Klägerin, die einmalige Möglichkeit geboten, Umsatz und Gewinn nicht nur einmalig zu steigern, sondern sich auch einen festen Folgeumsatz in gleicher Höhe für weitere 23 Monate zu sichern. Die Umsetzung des Ganzen habe jedoch erhebliche Vorleistungen verlangt. Zum einen seien einmalige Investitionen notwendig geworden, da aufgrund der gesetzlichen Vorgaben und .... erhebliche Auflagen gemacht worden seien. Dies seien in der Hauptsache gewesen: Umzug in größere Büroräume, Einrichtung von rund 50 Bildschirmarbeitsplätzen, Anschaffung dreier autarker Server nebst vorgegebener Wartungsverträge. Zum anderen habe sie eine nicht unerhebliche Durststrecke von 2-3 Jahren überwinden müssen, bis der sog. „Break Even “ erreicht wurde und die Einnahmesituation sich wieder stabilisierte. So habe das Geschäftsjahr 2008 mit einem Verlust von rund 141.000 € geendet. Im Verlauf dieses Jahres sei der Jahresabschluss 2007 festgestellt worden. Aufgrund der schlechten Geschäftslage hätten die Gesellschaftergeschäftsführer beschlossen, die Auszahlung der entsprechenden Tantieme zunächst für ein Jahr zurückzustellen und die Liquiditätsreserven bis auf weiteres zu schonen. Aber auch die Geschäftsjahr 2009 und 2010 h ätten noch nicht die erwartete Umsatz– und Gewinnentwicklung aufweisen können. Angesichts der durchwachsenen Zukunftsaussichten sei die Tantieme 2007 für weitere sechs Monate zurückgestellt worden. Im Zeitraum von Februar 2010 bis Januar 2011 sei dann die ratierlichen Auszahlung erfolgt. Für den gleichen Zeitraum hätten die Gesellschaftergeschäftsführer auf ihr Grundgehalt verzichtet, so dass die Liquiditätsreserven aufrechterhalten wurden und ein Jahresüberschuss erzielt werden konnte.
Die Klägerin beantragt,
den angefochtenen Feststellungsbescheid und den Gewerbesteuermessbetragsbescheid mit der Maßgabe zu ändern, dass die Tantiemerückstellung nicht als verdeckte Gewinnausschüttung dem Einkommen und dem Gewerbeertrag hinzugerechnet wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.
Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und der Gewerbesteuermessbetragsbescheid sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin deshalb in ihren Rechten, vergleiche § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–.
Der Beklagte hat zu Unrecht die Tantiemerückstellung als verdeckte Gewinnausschüttung steuererhöhend berücksichtigt.
1. Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung -vGA- im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Aussch üttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626; vom 3. Mai 2006 I R 124/04, BFHE 214, 80). Außerdem muss der Vorgang geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen (BFH vom 7. August 2002 I R 2/02, BFHE 200, 197, BStBl II 2004, 131; vom 8. Oktober 2008 I R 61/07, BFHE 223, 131, BStBl II 2011, 62).
2. Hinsichtlich der steuerlichen Behandlung von Tantiemen gilt ergänzend Folgendes:
Tantiemen sind Entgelt für eine Arbeitsleistung. Werden sie gegenüber einem Gesellschafter gezahlt, muss festgestellt werden, ob sie aufgrund des Arbeits- oder des Gesellschaftsverhältnisses gezahlt werden (BFH, Urteil vom 1.4.2003 I R 78,79/02, BFH/NV 2004, 86; Haug/Huber in Mössner/Seeger, NWB-Kommentar zum KStG, 2013, § 8 Rn. 1914). Ist die Tantiemeregelung als solche steuerlich anzuerkennen, was im Streitfall zwischen den Beteiligten unstreitig ist, kann wegen Verstoßes gegen das Durchführungsgebot gleichwohl eine vGA vorliegen, wenn die Tantiemeregelung nicht tatsächlich wie vereinbart durchgeführt wird.
Jedoch führt nicht jede Abweichung vom Vereinbarten zwangsläufig zu einer vGA (BFH, Beschluss vom 28.7.1993 I B 54/93, BFH/NV 1994, 345). Bei verspäteter Auszahlung der Tantieme liegt eine vGA nur vor, wenn unter Würdigung aller Umstände die verspätete Auszahlung Ausdruck mangelnder Ernsthaftigkeit der Tantiemevereinbarung ist. Der Senat hält es nicht für sinnvoll, einen festen Zeitraum zu bestimmen, innerhalb dessen eine verzögerte Auszahlung unschädlich sein soll (so aber ein Teil der FG-Rechtsprechung, s. die Hinweise bei Haug/Huber, a.a.O., Rn. 1987). Vielmehr kommt es auf den jeweiligen Einzelfall an (vgl. FG München, Beschluss vom 2.6.2008 6 V 523/08, EFG 2009, 38).
3. Im Streitfall kommt der Senat unter Würdigung der besonderen Umstände zu dem Ergebnis, dass aus der verspäteten und dann ratierlichen Auszahlung der Tantieme 2007 nicht darauf geschlossen werden kann, dass die Vereinbarung nicht ernstlich gewollt gewesen ist. Dies ergibt aus folgenden Überlegungen:
- Die Tantiemen für 2006 und 2010 sind vereinbarungsgemäß ausgezahlt worden (für 2008 entstand aufgrund des Verlustes kein Tantiemeanspruch).
- Bei vertragsgemäßer Fälligkeit der Tantieme 2007 bestand für die Klägerin eine wirtschaftlich schwierige Situation, da das Privatkundengeschäft mit einem Kommunikationsunternehmen wegbrach. Entgegen der Auffassung des FG Hamburg (Urteil vom 20.11.2013 2 K 89/13, BFH-Az.: I B 195/13) ist die Liquiditätslage des Unternehmens zu berücksichtigen (Gosch, KStG, § 8 Rz. 826). Auch ein fremder Arbeitnehmer ist bereit, Gehaltsansprüche zu stunden, um das wirtschaftliche Überleben des Arbeitgebers zu ermöglichen. Dies zeigt die tägliche Praxis. Der Beklagte stellt für den Zeitraum der Stundung zu Unrecht auf eine reine Liquiditätsanalyse ab. Wird die Liquidität gebraucht, um (überlebens)notwendige Investitionen zu tätigen, würde auch ein fremder Arbeitnehmer bei einer positiven Prognose für das Unternehmen seine Gehaltsansprüche nicht über die Investitionsnotwendigkeiten stellen.
- Die Tantieme ist schließlich tatsächlich in der vereinbarten Höhe ausgezahlt worden.
4. Die Neuberechnung der festzustellenden Einkünfte, deren Verteilung auf die Gesellschafter und des Gewerbesteuermessbetrags werden gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.