11.12.2014 · IWW-Abrufnummer 143455
Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 22.07.2014 – 4 K 150/14
Verfahrensrechtliche Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Nichterfüllung eines Benennungsverlangens im Rahmen eines Änderungsbescheids.
Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 22.07.2014
Az.: 4 K 150/14
Tatbestand
1
Streitig sind Gewinnänderungen aufgrund einer Außenprüfung.
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Der Kläger erzielt aus einem Schrotthandel Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die er für die Streitjahre 2006 und 2007 durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelte. Die Steuererklärungen gab er jeweils in dem auf den Veranlagungszeitraum folgenden Kalenderjahr ab.
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Am ... 2010 leitete das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen (FAFuSt) gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren u.a. wegen des Verdachts der Hinterziehung von Einkommensteuer 2005 bis 2009 und Umsatzsteuer 2006 bis 2009 ein, weil aufgrund von Kontrollmaterial Anlass zu der Annahme bestand, dass der Kläger seine Gewinne und Umsatzerlöse nicht in voller Höhe erklärt hatte. Wegen des Inhalts des Kontrollmaterials im Einzelnen wird auf Blatt 39 bis 191 Band II der Ermittlungsakten Bezug genommen.
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Im Jahr 2011 führte das FA bei dem Kläger eine Außenprüfung durch. Dabei stellte der Prüfer fest, dass für die in den Gewinnermittlungen der Streitjahre als Betriebsausgaben erfassten Wareneinkäufe keine Belege vorhanden waren. Nach einem Telefonvermerk des Prüfers forderte er die seinerzeitige steuerliche Beraterin des Klägers unter ausdrücklichem Hinweis auf § 160 der Abgabenordnung (AO) dazu auf, die Empfänger der entsprechenden Betriebsausgaben zu benennen. Diesem Benennungsverlangen kam der Kläger nicht nach. Nach einem weiteren Vermerk des Prüfers über die Schlussbesprechung wurden der Kläger und sein jetziger Prozessbevollmächtigter darauf hingewiesen, dass wegen der Nichterfüllung des Benennungsverlangens die Absicht bestehe, die Aufwendungen für den Wareneinkauf nach § 160 AO vom Betriebsausgabenabzug auszuschließen. Auf den Inhalt dieses Vermerks (Blatt 498 bis 501 Band II BpAA) wird Bezug genommen.
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Die Betriebseinnahmen aus dem Schrotthandel schätzte der Prüfer auf der Grundlage des von dem FAFuSt beschafften Kontrollmaterials. Zu diesem Zwecke ermittelte er durch Division der für die einzelnen Jahre nachgewiesenen Erlöse durch die Zahl der Anlieferungsfahrten einen durchschnittlichen Anlieferungswert pro Jahr und multiplizierte diesen mit der von ihm angenommenen Zahl von 150 Anlieferungen. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf Blatt 183 bis 196 Band I BpAA Bezug genommen.
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Hieraus ergaben sich für die Streitjahre Hinzuschätzungen in Höhe von netto
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2006: ... € ... €,
2007:
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so dass sich Betriebseinnahmen (netto) in Höhe von insgesamt
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2006: ... €
2007: ... €
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ergaben.
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Die in den Gewinnermittlungen abgezogenen Aufwendungen für den Wareneinkauf in Höhe von
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2006: ... € ... €,
2007:
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ließ der Prüfer nicht zum Betriebsausgabenabzug zu.
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Außerdem erfasste er für beide Streitjahre geschätzte Erlöse aus ...arbeiten in Höhe von ... € (brutto). Anlass hierfür war, dass der Kläger im Jahr 1996 einen entsprechenden Gewerbezweig angemeldet und das FA eine Kontrollmitteilung über eine unter dem ... 2008 ausgestellte Quittung über ... € für ...arbeiten mit dem Stempelaufdruck "Nachname, PLZ Ort, Mobilfunknummer" (Blatt 32 Band I der Ermittlungsakten des FAFuSt) erhalten hatte.
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Aufgrund dieser Prüfungsfeststellungen änderte das FA die Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre durch Bescheide vom 1. August 2011 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Die gegen diese Bescheide eingelegten Einsprüche wurden von dem Kläger trotz Aufforderung nicht begründet und von dem FA durch Einspruchsbescheid vom 27. Dezember 2011 als unbegründet zurückgewiesen.
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Hiergegen richtet sich die Klage. Zu deren Begründung trägt der Kläger vor:
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Das Kontrollmaterial, das das FA der Schätzung der Erlöse aus dem Schrotthandel zugrunde gelegt habe, sei nicht aussagekräftig. Zum Teil wiesen die Einlieferungsbelege überhaupt keine oder gänzlich andere Unterschriften auf.
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Die Schätzung von Erlösen aus ...arbeiten sei zu Unrecht erfolgt, weil er - der Kläger - überhaupt keinen entsprechenden Betrieb unterhalte. Die zu den Akten des FA gelangte Quittung stamme nicht von ihm. Der Stempelaufdruck enthalte keinen Hinweis auf seinen Vornamen. Bei der darin angegebenen Handynummer handele es sich um die seiner Mutter. Deren Handy werde von ihm nur gelegentlich benutzt.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007 vom 1. August 2011 und des dazu ergangenen Einspruchsbescheids vom 27. Dezember 2011 die Einkommensteuer auf die zuvor festgesetzten Beträge herabzusetzen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hält an der den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegenden Beurteilung fest und führt aus:
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Die Schätzung der Erlöse aus dem Schrotthandel sei nicht zu beanstanden. Der Einwand des Klägers, dass die ihr zugrunde liegenden Einlieferungsbelege gar keine bzw. andere Unterschriften trügen, greife nicht durch. Zum einen sei die Nichtunterzeichnung von Belegen in diesem Gewerbezweig nicht unüblich. Zum anderen falle die Unterschrift des Klägers ohnehin jedes Mal anders aus.
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Auch die Schätzung von Erlösen aus ...arbeiten sei gerechtfertigt, weil der Kläger einen entsprechenden Gewerbezweig angemeldet habe.
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Schließlich sei auch der Betriebsausgabenabzug für den Wareneinkauf zu Recht versagt worden, weil der Kläger trotz entsprechender Aufforderung keine Angaben zur Person seiner Lieferanten gemacht habe.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
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1.
Das FA hat die Gewinne der Jahre 2006 und 2007 zu Recht geschätzt. Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden (§ 162 Abs. 2 Satz 2, 1. und 2. Variante AO).
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Der Kläger war nach § 22 des Umsatzsteuergesetzes in Verbindung mit § 63 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung verpflichtet, die von ihm vereinbarten bzw. vereinnahmten Entgelte vollständig aufzuzeichnen. Die Aufzeichnungsverpflichtung aus einem Steuergesetz wirkt, sofern dieses Gesetz keine Beschränkung auf seinen Geltungsbereich enthält oder sich eine Beschränkung aus der Natur der Sache ergibt, unmittelbar auch für andere Steuergesetze, also auch für das EStG (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. März 1982 VIII R 225/80, BFHE 136, 28, BStBl II 1984, 504 [BFH 02.03.1982 - VIII R 225/80]).
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Den sich daraus ergebenden Aufzeichnungspflichten ist der Kläger nicht nachgekommen. Aufgrund der von dem FAFuSt getroffenen Feststellungen steht es zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger in den Streitjahren höhere als die von ihm aufgezeichneten und erklärten Betriebseinnahmen erzielt hat. Die Einwendungen, die der Kläger gegen die Beweiskraft des von dem FAFuSt beschafften Kontrollmaterials erhebt, greifen nicht durch. Dieses beruht auf detaillierten Angaben, die Entsorgungs- und Schrottgroßhandelsbetriebe, die nachweislich mit dem Kläger in Geschäftsverbindung standen, über die ihm in den Streitjahren erteilten Gutschriften gemacht haben. Aus den von diesen Betrieben erteilten Auskünften geht auch hervor, dass sie sich durch Vorlage des Personalausweises über die Identität des Klägers vergewissert hatten und die Auszahlungen an ihn persönlich erfolgt sind.
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2.
Die Schätzung der Betriebseinnahmen aus dem Schrotthandel ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Das FA hat diese in der Weise ermittelt, dass es für jedes Jahr die nachgewiesenen Anlieferungsentgelte durch die Zahl der nachgewiesenen Anlieferungen dividiert und das sich daraus ergebende durchschnittliche Anlieferungsentgelt mit der von ihm angenommenen Zahl von 150 Anlieferungen pro Jahr multipliziert hat. Diese Vorgehensweise ist methodisch nicht zu beanstanden. Die von dem FA zugrunde gelegte Gesamtzahl von 150 Anlieferungen pro Jahr erscheint angesichts der nachgewiesenen Zahl von Anlieferungen (im Prüfungszeitraum zwischen 112 und 145 pro Jahr) nicht überhöht.
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3.
Das FA war jedoch nicht berechtigt, die von dem Kläger für die Streitjahre geltend gemachten Aufwendungen für Wareneinkauf gemäß § 160 Abs. 1 Satz 1 AO vom Betriebsausgabenabzug auszuschließen.
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a)
Nach dieser Vorschrift sind Betriebsausgaben regelmäßig nicht zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige dem Verlangen der Finanzbehörde nicht nachkommt, die Empfänger zu benennen. Bei Anwendung dieser Vorschrift kommt der Finanzbehörde ein Ermessen zu, von dem sie in doppelter Weise Gebrauch macht (ständige Rechtsprechung des BFH; vgl. etwa Urteile vom 30. März 1983 I R 228/78, BFHE 138, 317, BStBl II 1983, 654, [BFH 30.03.1983 - I R 228/78] und vom 24. Juni 1997 VIII R 9/96, BFHE 183, 358, BStBl II 1998, 51 [BFH 24.06.1997 - VIII R 9/96]). Zunächst entscheidet sie darüber, ob sie ein Benennungsverlangen an den Steuerpflichtigen richten soll. Dann trifft sie eine Entscheidung darüber, ob und inwieweit sie Ausgaben, bei denen der Empfänger nicht benannt ist, zum Abzug zulässt. Auf der ersten Stufe ist insbesondere zu prüfen, ob die Möglichkeit besteht, dass die Empfänger die Zahlungen nicht versteuert haben, und ob das Benennungsverlangen zumutbar, insbesondere verhältnismäßig ist, auf der zweiten, ob und inwieweit die Versagung des Betriebsausgabenabzugs zur Verhinderung von Steuerausfällen erforderlich ist (vgl. im Einzelnen BFH-Urteile vom 9. August 1989 I R 66/86, BFHE 158, 7, BStBl II 1989, 995 [BFH 09.08.1989 - I R 66/86]; in BFHE 138, 317, [BFH 30.03.1983 - I R 228/78] BStBl II 1983, 654 [BFH 30.03.1983 - I R 228/78]; vom 4. April 1996 IV R 55/94, BFH/NV 1996, 801).
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b)
Auch wenn danach die Voraussetzungen für die Versagung des Betriebsausgabenabzugs vorliegen, kann diese Rechtsfolge in Fällen, in denen bereits ein Steuerbescheid ergangen ist, aber nur dann eingreifen, wenn zusätzlich die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Nichterfüllung des Benennungsverlangens vorliegen. Diese Bedingung ist im Streitfall nicht erfüllt. Die erstmaligen Steuerbescheide waren nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen und daher nur nach Maßgabe der §§ 172 ff. AO änderbar.
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c)
Die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO liegen insoweit nicht vor. Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit nachträglich Tatsachen bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Tatsachen im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind alle Sachverhaltsbestandteile, die Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestands sein können, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (BFH-Urteile vom 11. Februar 2009 X R 56/06, HFR 2009, 967, BFH/NV 2009, 1411; vom 25. Januar 2006 II R 61/04, HFR 2006, 659, BFH/NV 2006, 1059; vom 27. Oktober 1992 VIII R 41/89, BFHE 170, 1, BStBl II 1993, 569 [BFH 27.10.1992 - VIII R 41/89]). In den Fällen der Versagung des Betriebsausgabenabzugs nach § 160 Abs. 1 Satz 1 AO sind dies die Stellung eines - rechtmäßigen - Benennungsverlangens durch die Finanzbehörde und dessen Nichterfüllung durch den Steuerpflichtigen. Diese Tatsachen sind im Streitfall aber nicht nachträglich bekannt geworden. Nachträglich bekannt werden können Tatsachen dem FA nur, wenn sie ihm bereits bei Erlass des zu ändernden Verwaltungsakts hätten bekannt sein können, weil sie zu diesem Zeitpunkt bereits vorhanden waren (ständige Rechtsprechung des BFH: vgl. nur Urteile vom 2. April 1998 V R 34/97, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695 [BFH 02.04.1998 - V R 34/97]; vom 26. Oktober 1988 II R 55/86, BFHE 154, 493, BStBl II 1989, 75, [BFH 26.10.1988 - II R 55/86] m.w.N.). Sowohl bei dem Benennungsverlangen des FA als auch bei seiner Nichterfüllung durch den Kläger handelt es sich jedoch um Tatsachen, die erst nach Erteilung der ursprünglichen Einkommensteuerbescheide eingetreten sind. Dass die Einkaufsbelege, deren Nichtvorlage dem Prüfer zu dem Benennungsverlangen Anlass gegeben hat, mutmaßlich schon bei Durchführung der Erstveranlagungen nicht vorhanden waren, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das Fehlen dieser Belege hätte das FA zwar zu einer abweichenden Schätzung des Wareneinsatzes berechtigt, nicht aber dazu, den Betriebsausgabenabzugs insoweit vollständig zu versagen.
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d)
Auch die Voraussetzungen für eine Änderung der Steuerbescheide nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO sind nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Ein rückwirkendes Ereignis in diesem Sinne liegt vor, wenn sich der für die Besteuerung maßgebende Sachverhalt nach Erlass des aufzuhebenden oder zu ändernden Bescheids derart verändert, dass ein Bedürfnis zur Anpassung der darin getroffenen Regelung besteht (BFH-Urteile vom 12. Juli 1989 X R 8/84, BFHE 157, 484, BStBl II 1989, 957 [BFH 12.07.1989 - X R 8/84]; vom 27. September 1988 VIII R 432/83, BFHE 155, 83, 89, BStBl II 1989, 225, 228 [BFH 27.09.1988 - VIII R 432/83], m.w.N.). Dies ist der Fall, wenn das Gesetz bei einer zeitlich gestreckten Tatbestandsverwirklichung einen Sachverhalt einem bestimmten Zeitpunkt zuordnet und die sich aus einer Sachverhaltsänderung ergebenden Rechtsfolgen nur auf diesen Zeitpunkt bezogen werden können, weil ihre Berücksichtigung zu einem späteren Zeitpunkt rechtlich nicht möglich wäre oder wirtschaftlich leer liefe (BFH-Urteil vom 13. September 2001 X R 148/97, BFHE 193, 129, BStBl II 2001, 641). Diese Voraussetzungen sind bei der nachträglichen Stellung und Nichterfüllung eines Benennungsverlangens nach § 160 Abs. 1 Satz 1 AO nicht erfüllt. Das Benennungsverlangen ist lediglich eine Vorbereitungshandlung für die Steuerfestsetzung, die den der Besteuerung zugrunde zu legenden Sachverhalt materiell-rechtlich nicht verändert.
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4.
Da der Kläger die Aufwendungen für den Wareneinkauf nicht belegen kann, sind diese von dem Senat zu schätzen (§ 162 AO i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1, zweiter Halbsatz der Finanzgerichtsordnung - FGO -). In Ermangelung besserer Erkenntnismöglichkeit hält der Senat einen Ansatz mit 50 Prozent der von dem FA geschätzten Betriebseinnahmen (netto) des Klägers für angemessen, so dass die von dem FA ermittelten Gewinne um weitere Betriebsausgaben von ... € (2006) bzw. ... € (2007) zu verringern sind.
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5.
Die Schätzung von Betriebseinnahmen aus ...arbeiten hält der Senat nicht für gerechtfertigt. Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in den Streitjahren einen derartigen Betrieb unterhalten hat. Die Anmeldung eines entsprechenden Gewerbezweigs im Jahr 1996 lässt einen solchen Schluss ebenso wenig zu wie die unter dem ... 2008 ausgestellte Quittung. Da darauf kein Vorname angegeben ist und es sich bei der Mobilfunknummer nicht um diejenige des Klägers handelt, lässt sich nicht feststellen, dass diese Quittung von ihm - und nicht von einem anderen Angehörigen seiner Familie - ausgestellt wurde.
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6.
Unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007 vom 1. August 2011 sowie der dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 27. Dezember 2011 ist die Einkommensteuer daher auf diejenigen Beträge herabzusetzen, die sich ergeben, wenn die Betriebseinnahmen um jeweils ... € verringert und weitere Betriebsausgaben von ... € (2006) bzw. ... € (2007) abgezogen werden (§ 100 Abs. 2 Satz 1 FGO). Die Berechnung der Steuer kann dem Beklagten übertragen werden (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO). Im Übrigen ist die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO, die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus § 708 Nr. 10 und § 711 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 151 Abs. 1 und 3 FGO. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Frage, ob die Nichterf üllung eines nach Erteilung der ursprünglichen Steuerbescheide gestellten Benennungsverlangens nach § 160 Abs. 1 Satz 1 AO deren Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO oder nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ermöglicht, hat grundsätzliche Bedeutung.