17.04.2015 · IWW-Abrufnummer 144244
Finanzgericht Münster: Urteil vom 05.03.2015 – 5 K 980/12 E
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster
5 K 980/12 E
Tenor:
Der Einkommensteuerbescheid 2010 vom 30.08.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.02.2012 wird dahingehend geändert, dass bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb des Klägers weitere Betriebsausgaben in Höhe von 2.344,95 € berücksichtigt werden. Die Steuerberechnung wird dem Beklagten aufgegeben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
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Streitig ist, ob das häusliche Arbeitszimmer eines im Wurst- und Käsevertrieb tätigen Handelsvertreters dessen Tätigkeitsmittelpunkt bildet mit der Folge des unbegrenzten Abzugs der hierfür entstandenen Aufwendungen.
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Die Kläger (Kl.) sind zusammenveranlagte Ehegatten. Der Kl. ist seit 1999 als Handelsvertreter im Bereich des Wurst- und Käsevertriebs in Deutschland überregional gewerblich tätig. Er war im Streitjahr 2010 für drei Auftraggeber tätig, namentlich für X B.V. in den Niederlanden (im Folgenden: X), Y in H und Z in C . Der Hauptauftraggeber X bediente in Deutschland 230 Kunden, hierunter viele Kundengruppen (z.B. Großverbrauchermärkte). Der Kl. vermittelte die Geschäfte zwischen seinen Auftraggebern und deren Kunden, so dass er die eingehenden Kundenaufträge an die Auftraggeber/Lieferanten weitergab, welche dann die Auslieferung selbst vornahmen.
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In der Einkommensteuer(ESt)-Erklärung für 2010 machte der Kl. bei seinen Einkünften aus Gewerbebetrieb Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer i.H.v. 3.595 € geltend.
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Der Beklagte (Bekl.) erkannte mit ESt-Bescheid für 2010 vom 30.08.2011 Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nur i.H.v. 1.250 € an, da der Außendienst und nicht das Arbeitszimmer den Tätigkeitsmittelpunkt des Kl. bilde. Mit dem ESt-Bescheid wurde die ESt 2010 auf 24.122,00 € festgesetzt.
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Den hiergegen erhobenen Einspruch der Kl. wies der Bekl. mit Einspruchsentscheidung vom 13.02.2012 wegen ESt 2010 als unbegründet zurück. Der Tätigkeitsmittelpunkt des Kl. als Handelsvertreter liege nicht in seinem häuslichen Arbeitszimmer, so dass nach der geltenden Rechtslage des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Einkommensteuergesetz (EStG) nur ein auf 1.250 € begrenzter Abzug von Betriebsausgaben hierfür in Betracht komme. Vergleiche man die vom Kl. gegebene Tätigkeitsbeschreibung im Rahmen einer umfassenden Wertung mit der allgemeinen Berufsbeschreibung eines Außendienstmitarbeiters, so werde deutlich, dass insbesondere die Präsentation neuer Produkte sowie die Betreuung neuer Kunden vor allem im Außendienst erfolge. Diesen Tätigkeiten komme ein höheres Gewicht zu als den unstreitig im Arbeitszimmer ausgeübten Tätigkeiten. Das Arbeitszimmer bilde nicht schon deshalb den Mittelpunkt der beruflichen Betätigung, weil dort notwendige schriftliche Arbeiten erledigt würden, dieses Zimmer Anlaufstelle für Telefonate und Unterlagen sei und das Zimmer für die Berufstätigkeit insgesamt unverzichtbar sei. Nicht entscheidend sei schließlich die Nutzung des Arbeitszimmers an 2-3 Wochentagen, also durchschnittlich zu etwa 50 % der Arbeitszeit.
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Hierauf haben die Kl. die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung sie wie folgt ausführen:
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Entgegen der Auffassung des Bekl. bilde das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen Betätigung des Kl., so dass die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer unbeschränkt abzugsfähig seien. Die Tätigkeit des Kl. sei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nicht durch die Arbeit im Außendienst geprägt. Der Kl. erledige im Arbeitszimmer nicht nur notwendige schriftliche Arbeiten, sondern vielmehr die das Gesamtbild prägenden Tätigkeiten der Handelsvertretung. Anders als bei einem typischen Handelsvertreter beschränke sich die Handelsvertretung des Kl. nicht auf bestimmte Regionen, sondern erfolge bundesweit. Im Streitjahr 2010 habe er, der Kl., ein Warenvolumen i.H.v. 65.000.000 € (davon 60.000.000 € für X) an insgesamt ca. 230 Kunden bundesweit vermittelt. Daraus ergebe sich, dass er die wesentlichen Tätigkeiten in seinem Arbeitszimmer durchführe, welches er an 2-3 Arbeitstagen pro Woche nutze. Die meisten Aufgaben hätten unmöglich mobil erledigt werden können. Besonderheit bei der von ihm ausgeübten Handelsvertretertätigkeit sei vor allem, dass die Aufträge nicht wie in anderen Branchen üblich bei den Kunden abgeholt würden. Vielmehr erfolge die Auftragsannahme und Auftragsabwicklung im Arbeitszimmer des Kl. Die Aufträge der Kunden würden je nach Bedarf der Kunden zumeist wöchentlich oder 14-tägig im Arbeitszimmer per Fax, E-Mail oder EDI eingehen und von ihm, dem Kl., dann umgehend an die Lieferanten weitergegeben. Die meisten Warenprodukte hätten eine Mindesthaltbarkeitsdauer von max. 42 Tagen. Im häuslichen Arbeitszimmer würden sich die für die Auftragsabwicklung notwendigen Unterlagen (Ordner, Karteien, Preislisten, Monatsanalysen etc.) befinden. Auch die umfangreiche individuelle Angebotsübermittlung und Bedarfsermittlung der Frischeprodukte sowie die in der Lebensmittelbranche üblichen ständigen Preisänderungen könnten aus organisatorischen Gründen allein schon aufgrund des großen Umfangs nur vom Arbeitszimmer aus erfolgen. Im Arbeitszimmer würde zudem Kundenakquise und –pflege durchgeführt, Proben verschickt, Lieferungen überwacht, Reklamationen bearbeitet, Verwaltungsaufgaben ausgef ührt sowie Geschäftsreisen und Messeauftritte geplant und vorbereitet. Daneben nehme er dort die regelmäßige Pflege und Aktualisierung der Preislisten und Sortimente der Kunden vor und erstelle auch Monatsübersichten und 26-Wochen-Analysen. Schließlich erfolge auch die Neukundengewinnung vom häuslichen Arbeitszimmer aus, und zwar überwiegend per Telefon, Telefax oder E-Mail durch zeitlich befristete Angebotsübermittlung und Aktionszeiträume für die Frischprodukte. Bei Änderungen in der Produktpalette würden die Kunden zumeist schriftlich informiert.
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Die unregelmäßige, keinem Besuchsrhythmus unterliegende Reisetätigkeit erfolge nur, um den Kunden neue Produkte vorzustellen, Qualitätssicherungsmaßnahmen durchzuführen, Jahresgespräche zu führen, Reklamationen abzuarbeiten und Neukunden (nach vom Büro aus erfolgter Akquise) zu besuchen. Produktvorstellungen würden dabei in aller Regel nicht bei den Kunden vor Ort stattfinden, sondern auf den Messen.
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Der relativ geringe Anteil der Telefonkosten aus dem Festnetz erkläre sich dadurch, dass der Kl. eine Flatrate für Telefonate in das deutsche Festnetz abgeschlossen habe, die auch ein individuell begrenztes Kontingent für Auslandsgespräche in die Niederlande enthalte. Darüber hinausgehende Telefonate in das Ausland oder in andere Handynetze würden jedoch deutlich preiswerter vom Handy aus erfolgen. Der Kl. benutze sein Handy deshalb auch, wenn er im Arbeitszimmer arbeite, um Telefonkosten zu sparen. Der Bekl. habe in keiner Weise seine Begründungen zur Nutzung der unterschiedlichen Telefonverträge widerlegt. Außerdem komme der tatsächlich im Arbeitszimmer verbrachten Zeit nur indizielle Bedeutung zu.
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Soweit der Bekl. ihm, dem Kl., vorhalte, dass in dem von ihm vorgelegten Handelsvertretervertrag mit X aus dem Jahr 2004 eine Klausel enthalten sei, wonach er die Kunden mindestens einmal pro Monat besuchen solle, entspreche diese Klausel dem noch sehr geringen Kundenstamm im Kalenderjahr 1999. Für den Zeitraum 1999 bis 2004 habe es zunächst nur einen mündlichen Vertrag zwischen ihm und X gegeben. Die Bedingungen dieses mündlichen Vertrags seien in dem vorgelegten Handelsvertretervertrag erstmalig schriftlich festgehalten worden. Bis zum Streitjahr 2010 sei der Kundenstamm aber enorm gewachsen, so dass es offenkundig gar nicht mehr möglich gewesen sei, diese Klausel zu erfüllen. Aufgrund des großen Umfangs des Kundenstammes und des raschen Wechsels der Preise im Bereich der Frischeprodukte sei es gar nicht möglich gewesen, die Kunden grundsätzlich oder zumindest überwiegend einzeln anzufahren.
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Die Höhe seiner Verpflegungsmehraufwendungen i.H.v. 1.350 € bestätige, dass er sich in 2010 ca. 2-3 Tage pro Woche im häuslichen Arbeitszimmer aufgehalten habe. Die abgerechneten Spesensätze hätten 6 EUR, 12 EUR bzw. 24 € pro Tag betragen.
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Die Kl. beantragen,
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den ESt-Bescheid 2010 vom 30.08.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.02.2012 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb des Kl. weitere Betriebsausgaben in Höhe von 2.344,95 € berücksichtigt werden.
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Der Bekl. beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der qualitative Tätigkeitsmittelpunkt des Kl. befinde sich wie bei einem typischen Handelsvertreter nicht im häuslichen Arbeitszimmer, sondern im Außendienst. Hierbei werde nicht bestritten, dass der Kl. Aufgaben zu einem Teil von seinem häuslichen Arbeitszimmer aus erledigt habe. Die prägenden Tätigkeiten seien vom Kl. indes im Außendienst durchgeführt worden, so etwa die Vorstellung neuer Produkte und die Gewinnung und Betreuung von Kunden etwa auf Messen oder im Rahmen von Firmenbesuchen. Ausweislich des vom Kl. vorgelegten, mit X geschlossenen Handelsvertretervertrags, auf den Bezug genommen wird, habe der Kl. die Kunden seines Hauptauftraggebers regelmäßig, mindestens aber einmal monatlich persönlich aufzusuchen. Die Vielzahl der Kunden wie auch der erhebliche Umfang seiner Reisekosten würden den hohen Anteil von Arbeiten des Kl. im Außendienst belegen. Die Darstellung des Kl. im Erörterungstermin vom 13.11.2014, er könne auf bestimmte Kundendaten, die zur Beantwortung von Preisanfragen erforderlich seien, nur im Arbeitszimmer und nicht unterwegs zugreifen, vermöge angesichts heutiger technischer Standardausstattung nicht zu überzeugen. Es sei unschlüssig, dass der Kl. seiner Aussage nach einerseits teilweise mehrfach täglich auf geänderte Preisspannen, die ihm von seinem Hauptauftraggeber vorgegeben worden seien, reagieren müsse, andererseits zur Anpassung seiner Preisvorgaben gegenüber Kunden jeweils zurück ins Büro gefahren sein wolle.
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Mangels Einzelverbindungsnachweise der Telefongesellschaften könne nicht nachvollzogen werden, ob überhaupt und falls ja, wie lange ins Ausland telefoniert worden sei. Die Telefonrechnungen seien auch nicht aussagekräftig im Hinblick darauf, ob und wie häufig tatsächlich im häuslichen Büro telefoniert worden sei. Offenbar habe der Kl. über den Mobilfunkanschluss bei der Mobilcom weitaus überwiegend Kurzgespräche geführt, die inhaltlich gerade nicht zur Verlagerung des qualitativen Schwerpunkts seiner Arbeit in das häusliche Arbeitszimmer führen dürften.
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Am 13.11.2014 wurde die Sache vor der Berichterstatterin mündlich erörtert. Auf das Protokoll zum Erörterungstermin wird Bezug genommen.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte einschließlich der von den Kl. vorgelegten Unterlagen und auf die vom Bekl. vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage, über die der Senat im Einvernehmen der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.
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Der ESt-Bescheid 2010 vom 30.08.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.02.2012 ist rechtswidrig und verletzt die Kl. in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Aufwendungen des Kl. für sein häusliches Arbeitszimmer sind bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb in voller Höhe als Betriebsausgaben abzugsfähig.
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Gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 6 b EStG in der Fassung vom 8.12.2010 dürfen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung hierfür den Gewinn nicht mindern. Dies gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.
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Die im Streitfall geltend gemachten Aufwendungen betreffen unstreitig ein häusliches Arbeitszimmer im Sinne der Vorschrift. Unstreitig zwischen den Beteiligten ist auch, dass dem Kl. für seine betriebliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand.
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Schließlich bildete das Arbeitszimmer im Streitjahr 2010 auch den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen Betätigung des Kl., so dass die der Höhe nach unstreitigen Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer unbeschränkt abziehbar sind.
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Das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der seinen Beruf teilweise im Arbeitszimmer und teilweise außer Haus ausübt, bildet den Betätigungsmittelpunkt im Sinne der Abzugsbeschränkung, wenn er dort die für den ausgeübten Beruf wesentlichen und prägenden Tätigkeiten vornimmt. Der „Mittelpunkt“ bestimmt sich somit nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der beruflichen und betrieblichen Betätigung des Steuerpflichtigen (BFH, Urteile vom 16.12.2004 IV R 19/03, BStBl II 2005, 212; vom 29.04.2003 VI R 78/02, BStBl II 2004, 76; vom 09.04.2003 X R 75/00, BFH/NV 2003, 917; vom 23.01.2003 IV R 71/00, BStBl II 2004, 43 und vom 13.11.2002 VI R 82/01, BStBl II 2004, 62; Beschlüsse vom 24.07.2006 VI B 112/05, BFH/NV 2006, 2071; vom 23.12.2005 VI B 62/05, BFH/NV 2006, 737 und vom 07.07.2004 VI R 67/02, BFH/NV 2005, 33). Wo er liegt, kann nur im Wege einer umfassenden Wertung der gesamten Tätigkeit festgestellt werden. Im Rahmen der umfassenden Wertung der Gesamttätigkeit im Einzelfall kommt dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers lediglich eine indizielle Bedeutung zu (BFH, Urteile vom 16.12.2004 IV R 19/03, BStBl II 2005, 212 und vom 13.11.2002 VI R 28/02, BStBl II 2004, 59). Dabei kann das häusliche Arbeitszimmer selbst dann (noch) den Mittelpunkt einer beruflichen Betätigung bilden, wenn die außerhäuslichen Tätigkeiten (zeitlich) überwiegen (BFH, Urteile vom 16.12.2004 IV R 19/03, BStBl II 2005, 212;vom 09.04.2003 X R 75/00, BFH/NV 2003, 917; vom 23.01.2003 IV R 71/00, BStBl II 2004, 43; vom 13.11.2002 VI R 82/01, BStBl II 2004, 62 und vom 13.11.2002 VI R 104/01, BStBl II 2004, 65). Doch setzt dies voraus, dass diesen Tätigkeiten nur eine untergeordnete Bedeutung gegenüber den im Arbeitszimmer verrichteten Tätigkeiten zukommt. Letztere müssen für den ausgeübten Beruf so maßgeblich sein, dass sie diesen prägen. Allein der Umstand, dass sie zur Erfüllung der außerhäuslichen Tätigkeit (etwa vor- oder nachbereitend) erforderlich sind, genügt nicht (BFH, Urteil vom 13.11.2002 VI R 28/02, BStBl II 2004, 59). Diese Rechtsprechung ist auf alle Berufsgruppen anzuwenden (BFH, Beschluss vom 15.12.2005 XI B 87/05, BFH/NV 2006, 2045).
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Im Streitfall stellt das Arbeitszimmer des Kl. dessen qualitativen Tätigkeitsmittelpunkt dar. Entgegen der Auffassung des Bekl. liegt der Mittelpunkt seiner beruflichen Betätigung nicht im Außendienst.
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Zwar ist dem Bekl. zuzugeben, dass sich der Kl. laut § 3 Abs. 2 und 4 des mit X geschlossenen Handelsvertretervertrags verpflichtet hat, „die in Betracht kommenden Kunden in dem Vertragsgebiet regelmäßig, mindestens jedoch monatlich einmal zu besuchen und die bestehenden Geschäftsbeziehungen auszubauen“ und hierüber „Kundenbesuchsberichte“ zu erstellen, was dafür sprechen könnte, die Betreuung der Kunden vor Ort als Kerntätigkeit des Kl. anzusehen. Zudem wird der Kl. als Handelsvertreter bezeichnet und bei Handelsvertretern ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH in der Regel die Außendiensttätigkeit prägend für das Berufsbild (BFH, Urteile vom 23.03.2005 III R 17/03, BFH/NV 2005, 1537 und vom 31.03.2004 X R 1/03, BFH/NV 2004, 1387).
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Doch sieht der Senat die vertragliche Verpflichtung des Kl., die Kunden von X jeweils mindestens monatlich zu besuchen, als im Streitjahr nicht tatsächlich gelebt an. So wie es der Kl. darstellt, entwickelte sich sein Vertragsgebiet nach Abschluss des Handelsvertretervertrags mit X stark expansiv über das ganze Bundesgebiet verteilt. Bei der im Streitjahr großen Kundenanzahl (rund 230 Kunden, davon viele Großkunden) und der Größe des Vertragsgebiets (gesamtes Bundesgebiet) ist es für den Senat kaum denkbar, dass der Kl. dieser Vertragsverpflichtung tatsächlich noch nachkommen konnte und musste. Da das Geschäft offenbar „lief“, brauchte X auch keinen Anlass dafür sehen, auf monatliche Kundenbesuche zu bestehen. Dass dem Kl. Reisekosten in erheblicher Höhe entstanden sind, steht dem nicht entgegen. Denn unstreitig ist, dass der Kl. im Rahmen seiner betrieblichen Tätigkeit trotz allem ins ganze Bundesgebiet und in die Niederlande reisen musste. Der Kl. gibt hierzu an, 2-3 Tage in der Woche im Außendienst tätig gewesen zu sein. Doch erkennt der Senat in der Reisetätigkeit des Kl. nicht den Mittelpunkt seiner betrieblichen Betätigung. Diesen sieht der Senat vielmehr im häuslichen Arbeitszimmer.
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Der Senat ist aufgrund der Tätigkeitsbeschreibung, die der Kl. schriftlich und im Rahmen des Erörterungstermins vom 13.11.2014 nochmals eingehend gegeben hat, zu der Überzeugung gelangt, dass der Kl. keine klassische Außendiensttätigkeit eines Handelsvertreters ausübt. Die Tätigkeit des Kl. geht über die Tätigkeit eines Verkäufers im Außendienst hinaus. Der Kl. vermittelt Liefergeschäfte von Wurst und Käse für seine Auftraggeber. Dabei liefert er diese Frischeprodukte nicht selbst aus, sondern steht den Kunden als Ansprechpartner insbesondere bezüglich Sortiment der Frischeprodukte, Annahme von Bestellungen (die er selbst nur an die Lieferanten weiterleitet) und Reklamationen zur Verfügung. Nach der schlüssigen Schilderung des Kl. im Erörterungstermin entfällt ein erheblicher Anteil seiner Arbeitszeit darauf, dass er Preis- und Sortimentslisten, Monatsübersichten und 26-Wochen-Analysen für jeden einzelnen Kunden erstellt. Es handelt sich bei dem Wurst- und Käsevertrieb um ein Tagesgeschäft, in dem ständig reagiert werden muss, insbesondere auch auf sich häufig ändernde Preise. Die Sortiments- und Preisfragen, Sortimentsumgestaltungen etc. erfolgen im täglichen Geschäft, nämlich mit jeder Anfrage oder Bestellung der Kunden. Aufgabe des Kl. ist es hierbei nicht nur, Bestellungen von Wurst- und Käsewaren an die Lieferanten weiterzugeben. Aufgabe des Kl. ist es insbesondere, den Überblick über das Bestellverhalten und das Sortiment des jeweiligen Kunden zu behalten und hiermit zu arbeiten, damit die jeweiligen Kunden bestmöglich bedient werden und sie trotz des ständigen Preiskampfes am Markt an den Waren der Lieferanten (Auftraggeber des Kl.) festhalten. Hierbei muss der Kl. ständig das jeweilige Sortiment und die jeweiligen Preise entsprechend den Wünschen und dem jeweiligen Umsatzvolumen der Kunden anpassen. Dabei sind die Sortimente und Preise nicht für jeden Kunden gleich. Insbesondere der Preis richtet sich nach vielen Komponenten, über die der Kl. den Überblick behalten muss, auch mittels selbst erstellter Monatsübersichten und 26-Wochen-Analysen. Damit leistet der Kl. bezüglich der einzelnen Kunden jeweils individuelle Angebots- und Bedarfsermittlungen. Es ist selbstverständlich, dass sich der Kl. hierbei im Rahmen von vorgegebenen Preisspannen bewegen muss, da letztlich seine Auftraggeber entscheiden müssen, ob die vom Kl. „verkauften“ Preise für sie wirtschaftlich auch tragbar sind. Diese, die Tätigkeit des Kl. prägende Aufgabe, hat der Kl. im täglichen Geschäft und nicht bei den relativ regelmäßigen Kundenbesuchen zu bewältigen. Kundenbesuche vor Ort (auch Jahresgespräche) können auch angesichts der hohen Anzahl der Kunden im gesamten Bundesgebiet und dem vermittelten hohen Umsatzvolumen nur der Kundenpflege im weiteren Sinne und ggf. der Bearbeitung von Reklamationen dienen. Die im Arbeitszimmer ausgeübten Tätigkeiten haben hingegen nicht lediglich dienenden Charakter und sind für die Tätigkeit des Kl. prägend. Hier finden nicht nur flankierende, organisatorische Tätigkeiten, wie z. B. Reiseplanungen oder Erstellung von Abrechnungen, statt. Es handelt sich vielmehr um die „unternehmerische Schaltstelle“ des Betriebs des Kl. Die tägliche Preis- und Sortimentsgestaltung, die wesentlich und prägend für die Tätigkeit des Kl. ist, kann zur Überzeugung des Senats zwar auch unterwegs teilweise per Mobiltelefon und Laptop erledigt werden. Dies können aber nur behelfsmäßige Tätigkeiten zu den im häuslichen Arbeitszimmer verrichteten Tätigkeiten sein. Der Kl. hat im Erörterungstermin anhand vorgelegter Unterlagen gezeigt, welchen Umfang die Sortiments- und Preisgestaltung der vielen einzelnen Kunden mit insgesamt hohem Umsatzvolumen einnimmt. Der Senat sieht in dem Erstellen von Listen, Übersichten und Analysen eine wesentliche Tätigkeit und keineswegs eine nur untergeordnete Tätigkeit des Kl., um den Anforderungen seiner Auftraggeber an eine gute und verlässliche Preis- und Sortimentsgestaltung hinsichtlich der jeweiligen Kunden gerecht werden zu können. Es handelt sich nicht nur um eine dienende Tätigkeit, sondern um eine prägende betriebswirtschaftliche Tätigkeit. Hierzu gehört auch die Gestaltung und Versendung von Werbung zu Aktionszeiträumen und Änderungen in der Produktpalette. Es erscheint dem Senat sehr unwirtschaftlich und auch nicht machbar, dass der Kl. für die zeitlich befristeten Aktionszeiträume jeden Kunden einzeln anfährt.
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Dieser betriebswirtschaftlichen Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer kommt in qualitativer Hinsicht ein größeres Gewicht zu als der Präsenz beim Kunden vor Ort. Zudem können im Tagesgeschäft – wie ausgeführt – nicht bei jeder Anfrage, Aktion, Bestellung, Preis-, Sortiments- oder Produktpaletten-Änderung Kundengespräche vor Ort vorausgehen. Hier wird ein bloßer E-Mail- oder Telefonkontakt vorgezogen. Auch die Bearbeitung von Reklamationen erfolgt nach den Ausführungen des Kl. vorrangig nicht vor Ort, sondern per E-Mail und Telefon. Oft reiche die Übersendung eines Fotos der reklamierten Ware aus, um die Reklamation bearbeiten zu können.
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Auch die Präsentation neuer Produkte, welche auf Messen oder bei den Kunden vor Ort erfolgt, kann hier nicht den qualitativen Tätigkeitsmittelpunkt des Kl. ausmachen. Es kommt vielmehr auf das aktuelle und schnelllebige Tagesgeschäft an.
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Schließlich erfolgt die Akquise von Neukunden nach dem glaubhaften Vortrag des Kl. im Erörterungstermin zunächst vom Arbeitszimmer aus. Denn hier spielt vorrangig der Preis die entscheidende Rolle. Auch hier können die dann ggf. folgenden Besuche beim Neukunden nicht den qualitativen Tätigkeitsmittelpunkt für die gesamte betriebliche Tätigkeit in den Außendienst verschieben. Die Betreuung der Stammkunden entfällt dadurch nicht. Die vom Arbeitszimmer aus verrichteten Tätigkeiten geben der betrieblichen Betätigung des Kl. weiterhin den prägenden Gehalt.
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Zwar gestalteten sich die Tätigkeiten für Y und die Z etwas abweichend zu den Tätigkeiten für den Hauptauftraggeber X, insbesondere auch hinsichtlich der Einflussnahme des Kl. auf die Preisgestaltung. Doch führt dies nicht dazu, dass der Senat den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen Betätigung im Außendienst sieht. Denn jedenfalls nahm die Tätigkeit für X den weitaus meisten Raum ein.
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Der Senat sieht es gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO als sachgerecht an, dem Bekl. die Steuerberechnung aufzugeben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.