19.02.2016 · IWW-Abrufnummer 146414
Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 15.04.2015 – 2 K 542/11
Geltendmachung von Aufwendungen für eine Habilitationsfeier durch einen nichtselbständigen Arzt als Werbungskosten
FG Sachsen, 15.04.2015 - 2 K 542/11
In dem Finanzrechtsstreit
XXX
gegen
XXX
wegen Ablehnung des Antrags auf schlichte Änderung des Einkommensteuerbescheides 2008
hat der 2. Senat unter Mitwirkung von XXX, XXX und XXX sowie der ehrenamtlichen Richter und auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 15. April 2015 für Recht erkannt:
Tenor:
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob bei den Werbungskosten des Klägers dessen Aufwendungen für eine Habilitationsfeier zu berücksichtigen sind.
Der Kläger, der mit der Klägerin zusammen veranlagt wird, erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Arzt. In seiner am ... eingereichten Einkommensteuererklärung machte er € ... an Kosten für eine Habilitationsfeier geltend. Hierzu hatte der Kläger mit dem Text:
""..."
Anlässlich meiner Habilitation lade ich herzlich ein:
Freitag, ..., ab 19 Uhr
im ...
..."
eingeladen. Laut dem Beleg vom ... sind "ca 140" Personen bewirtet worden. Die Kosten setzen sich aus 150 x € 25 Küche und im Übrigen aus Getränken zusammen. Die Gesamtsumme betrug laut Beleg € ....
Mit Bescheid vom ... setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 2008 fest, wobei er die Berücksichtigung der Kosten der Habilitationsfeier ablehnte. Mit Schreiben vom ... beantragten die Kläger die schlichte Änderung des Einkommensteuerbescheides dahingehend, dass die Aufwendungen für die Habilitationsfeier berücksichtigt werden. Mit Bescheid vom ... lehnte der Beklagte die Änderung ab, wogegen die Kläger Einspruch einlegten, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom .... zurückwies.
Der Kläger ist seit ... als Chefarzt der Herz- und Gefäßchirurgie am ... beschäftigt.
Die Kläger tragen vor, dass entsprechend der Regelung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG, nach der die Beschränkung nicht gelte, wenn der Arbeitnehmer aus beruflichem Anlass Aufwendungen für die Bewirtung von Arbeitskollegen trage, auch Aufwendungen für eine Festlichkeit aus Anlass einer erfolgreichen Weiterqualifikation mit deutlich verbesserten Karrierechancen als Werbungskosten berücksichtigt werden müssten. Die Abschlussfeier habe nicht nur den Schlusspunkt der Habilitation, einer jahrelangen wissenschaftlichen Arbeit zu einem Themenkomplex der beruflichen Fachausbildung, gebildet, sondern sei vielmehr Ausgangspunkt für ein geändertes oder neues Arbeitsumfeld. Die bei einer derartigen Veranstaltung gewonnenen Kontakte und geführten Gespräche seien Voraussetzung, um über den Rahmen des bisherigen Tätigwerdens hinaus, neue Angebote von andern Arbeitgebern und Lehreinrichtungen zu erhalten. Der Kläger sei in der universitären Lehre an den Universitäten ... und ... tätig. Ziel sei es auch gewesen, Entscheider weiterer Fakultäten nicht nur von der fachlichen Kompetenz, sondern vielmehr auch von der Gesamtheit der persönlichen Fähigkeiten und Einstellungen zu überzeugen.
Der Ausrichtung einer Habilitationsfeier, zu der im Wesentlichen Gutachter, Betreuer der Arbeit und Kollegen eingeladen worden seien, habe sich der Kläger aus sozialen Verpflichtungen heraus nicht entziehen können.
Die Habilitation verbessere die beruflichen Chancen, wie es sich auch aus der seit ... ausgeübten Tätigkeit zeige, für die eine Habilitation zwingend erforderlich gewesen sei.
Die Zahl der Teilnehmer aus dem privaten Kreis sei wesentlich geringer als 10% der insgesamt bewirteten Personen.
Im Einspruchsverfahren hatten die Kläger vorgetragen, dass die wissenschaftliche Arbeit von Mitarbeitern des jeweiligen Instituts verfolgt und unterstützt werde. Die Habilitationsfeier sei zugleich Abschluss und Ausdruck des Dankes des Habilitanden für diese jahrelange Zusammenarbeit mit allen Mitarbeitern, insbesondere auch an die Mitarbeiter der verschiedenen kooperierenden wissenschaftlichen Arbeitsgruppen.
Der geltend gemachte Betrag setzte sich aus reinen Bewirtungskosten von € ..., € ... für den Druck der Einladung und € ... für die Belegung der Garderobe zusammen. Hiervon seien 70% als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Die Kläger beantragen,
den Ablehnungsbescheid vom ... und die Einspruchsentscheidung vom ... aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei der Festsetzung der Einkommensteuer für 2008 weitere Werbungskosten in Höhe von € ... zu berücksichtigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, unter Abwägung der im vorliegenden Fall bekannten Umstände sei von einem überwiegend privaten Anlass für die Feier auszugehen. Die Bewirtung habe nicht in den Räumen des Arbeitgebers und außerhalb der Arbeitszeit stattgefunden. Die Zusammensetzung der Teilnehmer sei ausschließlich vom Kläger bestimmt worden. Er habe feststehende Bezüge erhalten und auf eigene Initiative und eigene Kosten für verschiedene Kollegen eine Feier organisiert. Dies spreche dafür, dass hier die privaten Gründe in den Vordergrund träten, da die Pflege der persönlichen Beziehungen zu den Kollegen und die Präsentation seiner Person einen hohen Stellenwert einnähmen.
Davon unabhängig sei die Frage, inwieweit Kosten, die dem Erwerb der Habilitation dienten als Werbungskosten zu berücksichtigen seien.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf die vorbereitenden Schriftsätze, die zu Gericht gereichten Behördenakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2015 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 EStG solche Aufwendungen, die zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen getätigt werden. Eine solche berufliche Veranlassung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vor, wenn ein objektiver wirtschaftlicher oder tatsächlicher Zusammenhang mit dem Betrieb besteht und wenn subjektiv die Aufwendungen zur Förderung des Betriebes getätigt werden. Während der objektive Zusammenhang stets zwingend erforderlich ist, ist die subjektive Absicht, mit der Ausgabe den Beruf zu fördern, kein in jedem Fall notwendiges Merkmal, da auch unfreiwillige Aufwendungen und Zwangsabgaben Werbungskosten sein können. Soweit es sich um Aufwendungen für die Lebensführung des Steuerpflichtigen handelt, "die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen", ist der Werbungskostenabzug nach § 12 Nr. 1 S. 2 EStG ausgeschlossen. Die Abgrenzung, ob die Aufwendungen der beruflichen Sphäre oder aber der Lebensführung im Sinne des § 12 Nr. 1 S. 2 EStG zuzuordnen sind, ist an Hand aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24. Mai 2007, BStBl II 2007, 721 [BFH 24.05.2007 - VI R 78/04]).
Für die Beurteilung, ob die Aufwendungen für eine Feier beruflich oder privat veranlasst sind, ist in erster Linie auf den Anlass der Feier abzustellen. Indes ist der Anlass einer Feier nur ein erhebliches Indiz, nicht aber das allein entscheidende Kriterium für die Beurteilung der beruflichen oder privaten Veranlassung der Bewirtungsaufwendungen. Trotz eines herausgehobenen persönlichen Ereignisses kann sich aus den übrigen Umständen des Einzelfalls ergeben, dass die Aufwendungen für die Feier beruflich veranlasst sind. Für die Zuordnung der Aufwendungen zum beruflichen oder privaten Bereich ist daher auch von Bedeutung, wer als Gastgeber auftritt, wer die Gästeliste bestimmt, ob es sich bei den Gästen um Kollegen, Geschäftsfreunde oder Mitarbeiter (des Steuerpflichtigen oder des Arbeitgebers), um Angehörige des öffentlichen Lebens, der Presse, um Verbandsvertreter oder um private Bekannte oder Angehörige des Steuerpflichtigen handelt. Zu berücksichtigen ist außerdem, an welchem Ort die Veranstaltung stattfindet, ob sich die finanziellen Aufwendungen im Rahmen vergleichbarer betrieblicher Veranstaltungen bewegen und ob das Fest den Charakter einer privaten Feier aufweist oder ob das nicht der Fall ist (Urteile des Bundesfinanzhofs vom 10. Juli 2008, BFH/NV 2008, 1831, [BFH 10.07.2008 - VI R 26/07] und vom 26. Januar 2010, BFH/NV 2010, 875 [BFH 26.01.2010 - VI B 95/09]).
Aus der Gesamtschau der bekannten Umstände ist der Senat nicht davon überzeugt, dass die Habilitationsfeier des Klägers den beruflichen Bereich betrifft, weswegen die Kosten nicht als Werbungskosten abzuziehen sind. Dabei hat der Senat Folgendes mit einbezogen:
- Die Feier fand nicht in Räumen am Arbeitsplatz oder des Arbeitgebers oder in solchen, die damit in Zusammenhang stehen, statt. Auch handelt es sich nicht um Kosten, die im Zusammenhang mit der Habilitation - wie etwa der erforderlichen Vorlesung - selbst standen. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von demjenigen, über den der Bundesfinanzhof am 10. Juli 2008 (a.a.O.) entschieden hat. Dort fand eine Feier im Anschluss an eine nach den universitären Regularien erforderliche Antrittsvorlesung statt.
- Die Habilitationsfeier hatte keine Auswirkungen auf die feststehenden Bezüge des Klägers, auch wenn dies als - alleiniges - Merkmal nicht ausreicht (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 6. März 2008, BFH/NV 2008, 1316 [BFH 06.03.2008 - VI R 68/06]).
- Der Kläger hat den Teilnehmerkreis selbst bestimmt, ohne dass er auf Vorgaben seines Arbeitgebers Rücksicht nehmen musste.
- Die Feier fand auf private Initiative statt, auch wenn der Senat nicht verkennt, dass eine bestimmte Erwartungshaltung zu einer solchen Feier bei den Kollegen bestehen kann (Urteil des Finanzgerichts Köln vom 15. Dezember 2011, EFG 2012, 590 [FG Köln 15.12.2011 - 10 K 2013/10]).
- Soweit der Kläger die Feier genutzt haben will, sich Entscheidungsträger im universitären Bereich außerhalb seiner wissenschaftlichen Tätigkeit zu zeigen, ist dies nicht plausibel. Für das Berufungsverfahren sind Gremien zuständig, die - anders vielleicht als in der Privatwirtschaft - feststehenden Regularien hinsichtlich der Befähigung der sich um eine Professorenstelle bemühenden Bewerber zu folgen haben.
- Die unterschiedlichen Versionen, die der Kläger zur Zusammensetzung der Teilnehmer angegeben hat, sowie die ergänzenden Ausführungen des Klägervertreters im Termin vom 15. April 2015 haben ebenfalls Zweifel aufkommen lassen.
Der Kläger macht mit den von ihm behaupteten Werbungskosten steuermindernde Tatsachen geltend, für die er die Feststellungslast (objektive Beweislast) trägt. Die Nichterweislichkeit dieser Umstände geht zu Lasten des Klägers, denn er beruft sich auf diese die Steuerermäßigung begründenden rechtserheblichen Tatsachen (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 13. April 2010, BFH/NV 2010, 2038 [BFH 13.04.2010 - VIII R 27/08] m.w.N.). Auf die Frage, ob ein Abzug der privaten Gäste unterbleiben konnte, weil deren Anteil nicht mehr als 10% betrug, kam es daher nicht mehr an (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. Juli 2008, a.a.O.).
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.