01.12.2016 · IWW-Abrufnummer 190261
Bundesfinanzhof: Urteil vom 02.08.2016 – VIII R 37/14
1. Eine Nachzahlung der Kassenärztlichen Vereinigung, die insgesamt mehrere Jahre betrifft, ist eine mehrjährige Vergütung i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG .
2. Erfolgt die Auszahlung der Gesamtvergütung in zwei Veranlagungszeiträumen in etwa gleich großen Teilbeträgen, kommt eine Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG nicht in Betracht.
3. Die Tarifbegünstigung des § 34 EStG knüpft an die Progressionsbelastung durch zugeflossene Einnahmen und grundsätzlich nicht daran an, ob die Modalitäten des Zuflusses vereinbart oder dem Zahlungsempfänger aufgezwungen wurden.
Tenor:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 20. November 2013 3 K 2762/10 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
I.
1
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GbR, die eine psychotherapeutische Praxis betreibt. Die beiden Gesellschafter der GbR besitzen jeweils eine eigene Kassenzulassung zur Abrechnung der Einnahmen, die in der gemeinsamen Praxis erzielt werden. Die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit ermittelt die Klägerin durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre (2005 und 2006) geltenden Fassung (EStG).
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Die Kassenärztliche Vereinigung A zahlte der Klägerin in den Streitjahren zusätzliche Honorare für die Tätigkeit der Gesellschafter in dem Zeitraum 2000 bis 2004 in vier fast gleich hohen Raten nach. Im Jahr 2005 floss der Klägerin hieraus insgesamt ein Betrag in Höhe von 60.600 € und im Jahr 2006 insgesamt ein Betrag in Höhe von 61.931 € zu.
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In ihren Feststellungserklärungen gab die Klägerin neben laufenden Gewinnen in Höhe von 119.115 € im Jahr 2005 und 111.282 € im Jahr 2006 die Nachzahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung A als tarifbegünstigte Einkünfte aus Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG an.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) stellte die Einkünfte der Klägerin für das Jahr 2005 zunächst mit dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ( § 164 der Abgabenordnung ) stehenden Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 18. Juni 2007 antragsgemäß fest. Mit dem geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2005 vom 30. Juli 2007 und bei dem erstmaligen Erlass des Gewinnfeststellungsbescheids für 2006 vom 12. März 2008 versagte es den von der Klägerin begehrten Ansatz der ermäßigten Besteuerung nach § 34 EStG . Der hiergegen erhobene Einspruch wurde zurückgewiesen. Das Finanzgericht (FG) hat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1883 veröffentlichen Urteil vom 20. November 2013 3 K 2762/10 die Klage als unbegründet abgewiesen.
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Mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision macht die Klägerin die Verletzung des § 34 EStG geltend. Die Rechtsprechung des BFH schließe eine Anwendung der begünstigten Besteuerung nach § 34 EStG nicht generell aus, wenn die außerordentlichen Einkünfte zu gleichen Teilen in zwei Veranlagungszeiträumen gezahlt würden. Die Gesellschafter der Klägerin hätten auf die ratenweise Auszahlung keinen Einfluss gehabt. Zudem beliefen sich die außerordentlichen Einkünfte der Klägerin in den Streitjahren auf mehr als 50 % der laufenden Einkünfte. Dies führe zu einer Ausnahmesituation in der Progressionsbelastung.
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Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil der Vorinstanz sowie den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2005 vom 30. Juli 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2006 vom 12. März 2008 dahingehend zu ändern, dass von den laufenden Einkünften 61.931 € als tarifbegünstigte Einkünfte festgestellt werden.
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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
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Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen ( § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
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Die Nachzahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung A stellen keine außerordentlichen Einkünfte i.S. des § 34 EStG dar. Es fehlt an der erforderlichen Zusammenballung von Einkünften, da die Vergütung für die mehrjährige Tätigkeit nicht in einem Jahr zugeflossen ist.
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1. Nach § 34 Abs. 1 EStG sind außerordentliche Einkünfte ermäßigt zu besteuern. Als außerordentliche Einkünfte kommen gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in Betracht. Mehrjährig ist eine Tätigkeit, wenn sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst. Dies ist bei der Nachzahlung der Kassenärztlichen Vereinigung A für die Jahre 2000 bis 2004 der Fall. Der Umstand, dass sich die zugeflossene Vergütung aus mehreren Beträgen zusammensetzt, die jeweils einem bestimmten Einzeljahr zugerechnet werden können, steht der Annahme einer Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit nicht entgegen ( BFH-Urteil vom 14. Dezember 2006 IV R 57/05 , BFHE 216, 247, BStBl II 2007, 180 [BFH 14.12.2006 - IV R 57/05] ).
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2. Jedoch werden außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und 2 EStG nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich nur bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
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a) Zwar ist der Zufluss in einem Veranlagungszeitraum kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal des § 34 EStG . Der unbestimmte Rechtsbegriff der außerordentlichen Einkünfte ist jedoch im Wege der Auslegung zu konkretisieren. Danach sind außerordentliche Einkünfte solche, deren Zufluss in einem Veranlagungszeitraum zu einer für den jeweiligen Steuerpflichtigen im Vergleich zu seiner regelmäßigen sonstigen Besteuerung einmaligen und außergewöhnlichen Progressionsbelastung führen. Diese abzumildern ist der Zweck der Billigkeitsregelung des § 34 Abs. 1 und 2 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 14. April 2015 IX R 29/14 , BFH/NV 2015, 1354).
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b) Danach liegen typischerweise keine außerordentlichen Einkünfte vor, wenn eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit in zwei Veranlagungszeiträumen gezahlt wird, auch wenn die Zahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich ein Progressionsnachteil ergibt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 28. Juni 2006 XI R 58/05 , BFHE 214, 319, BStBl II 2006, 835, [BFH 28.06.2006 - XI R 58/05] m.w.N.). Andernfalls könnte die Grenze zwischen außerordentlichen Einkünften i.S. des § 34 EStG und den nach dem Regeltarif zu versteuernden Einkünften nicht hinreichend trennscharf gezogen werden ( BFH-Urteil vom 2. September 1992 XI R 63/89 , BFHE 171, 416, BStBl II 1993, 831 [BFH 02.09.1992 - XI R 63/89] ).
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c) Jedoch ist nach der Rechtsprechung des BFH § 34 Abs. 1 EStG trotz des Zuflusses in zwei Veranlagungszeiträumen ausnahmsweise auch dann anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige nur eine geringfügige Teilleistung erhält und die ganz überwiegende Leistung in einem Betrag ausgezahlt wird (z.B. BFH-Urteile vom 13. Oktober 2015 IX R 46/14 , BFHE 251, 331, BStBl II 2016, 214 [BFH 13.10.2015 - IX R 46/14] ; vom 26. Januar 2011 IX R 20/10 , BFHE 232, 471, BStBl II 2012, 659 [BFH 26.01.2011 - IX R 20/10] ). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend jedoch nicht gegeben, da die Nachzahlung in den Streitjahren in nahezu gleich großen Beträgen erfolgte. Es handelt sich nicht um eine geringfügige Nebenleistung i.S. der zitierten BFH-Rechtsprechung.
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d) Auch der Umstand, dass der Klägerin die ratenweise Auszahlung der Vergütung in zwei statt in einem Veranlagungszeitraum von der Kassenärztlichen Vereinigung A aufgezwungen wurde, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Tarifbegünstigung des § 34 EStG knüpft an die Progressionsbelastung durch zugeflossene Einnahmen und nicht daran an, ob die Modalitäten des Zuflusses vereinbart oder dem Zahlungsempfänger aufgezwungen wurden (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 1354 [BFH 14.04.2015 - IX R 29/14] ).
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO .