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  • 02.11.2007 · IWW-Abrufnummer 073327

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 15.03.2007 – III R 53/06

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    III R 53/06

    Gründe:

    I. Der 1938 geborene Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb im Streitjahr 1997 eine Schankwirtschaft, zwei Eisdielen in angemieteten Geschäftslokalen in unmittelbarer Nähe zueinander (T-Straße bzw. L-Straße) sowie einen Eiswagen. Das Speiseeis stellte er zentral her und lieferte einen Teil davon an Wiederverkäufer. Seinen Gewinn ermittelte er durch Betriebsvermögensvergleich. Dabei unterschied er zwischen den Eisdielen/Eiswagen einerseits und der Schankwirtschaft andererseits.

    Im Geschäftslokal L-Straße wurde jeweils von April bis September Eis verkauft. Dort befanden sich zwei von der B oHG bis zum 27. März 1997 angebrachte Geldspielautomaten. In der Eisdiele T-Straße befanden sich keine Spielautomaten.

    Mit Wirkung zum 1. April 1997 verkaufte der Kläger das Inventar des Geschäftslokals L-Straße für 55 200 DM an Frau R, die als Automatenaufstellerin tätig war. Ihr Ehemann, der Zeuge R, war als Brauereivertreter beschäftigt. Der Kaufvertrag stand unter der Bedingung, dass die Käuferin einen Pachtvertrag mit dem Eigentümer des Gebäudes abschloss. Ein Wettbewerbsverbot für den Kläger wurde nicht vereinbart.

    Nach einer steuerlichen Außenprüfung änderte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) den Einkommensteuerbescheid für 1997 und den Gewerbesteuermessbescheid für 1997. Der Gewinn aus der Veräußerung der Eisdiele wurde als laufender Gewinn erfasst, weil es sich bei dieser nicht um einen begünstigten Teilbetrieb handele. Die Einsprüche wurden als unbegründet zurückgewiesen.

    Das Finanzgericht (FG) gab der Klage nach einer Beweisaufnahme statt; sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 1577 abgedruckt.

    Das FG führte aus, der Gewinn aus der Veräußerung der Eisdiele L-Straße sei gemäß § 16 Abs. 4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG von der Einkommensteuer befreit, da es sich um einen Teilbetrieb gehandelt habe, dessen Veräußerungsgewinn den Freibetrag nicht überstiegen habe. Die verkaufte Eisdiele sei vom restlichen Betrieb räumlich getrennt, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse organisatorisch verselbständigt und im Zeitpunkt des wirtschaftlichen Übergangs auf die Käuferin für sich lebensfähig gewesen. Sie habe einen gegenüber der anderen Eisdiele und dem Restunternehmen klar abgrenzbaren Kundenstamm besessen, nämlich die insbesondere auch die beiden Spielautomaten nutzenden Besucher, nach den glaubhaften Erläuterungen des Zeugen R vor allem ältere Leute. Die Fortführung des Eisverkaufs durch den Kläger in anderen Geschäftsbereichen sei unschädlich.

    Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG und des § 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Die vom FG vertretene Auffassung, die für die Annahme eines Teilbetriebes erforderliche organisatorische Selbständigkeit sei verstärkt nach Käufersicht zu beurteilen, stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), nach der es auf das Gesamtbild der Verhältnisse beim Verkäufer ankomme (BFH-Urteil vom 13. Februar 1996 VIII R 39/92, BFHE 180, 278, BStBl II 1996, 409). Nicht die beiden Geldspielautomaten, sondern der Eisverkauf und die dazu gehörenden Sitzgelegenheiten hätten dem Ladenlokal das Gepräge gegeben; die Eisumsätze hätten die Wirteprovisionen für die Spielgeräte übertroffen. Die zeitliche Einschränkung des Eisverkaufs mache auch deutlich, dass es sich um eine unselbständige Filiale gehandelt habe, da das dort verkaufte Eis nur in der als Saisonbetrieb geführten anderen Eisdiele habe hergestellt werden können. Da erst der Betrieb des Eiscafes die Automatenerlöse ermöglicht habe, hätten die veräußerten Wirtschaftsgüter keiner Betätigung des Klägers gedient, die sich im Rahmen seines Gesamtunternehmens von der übrigen gewerblichen Tätigkeit deutlich abgehoben hätte. Soweit das FG bei der Beurteilung der organisatorischen Selbständigkeit von einem eigenen Kundenkreis ausgegangen sei, habe es sich allein auf die Zeugenaussage des Ehemannes der Käuferin gestützt und damit entgegen der ständigen Rechtsprechung des BFH auf die Käufersicht abgestellt.

    Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

    Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

    II. Die Revision ist unbegründet.

    Der Kläger hat einen Teilbetrieb veräußert; der Veräußerungsgewinn unterliegt deshalb nicht der Gewerbesteuer und ist nach § 16 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 EStG von der Einkommensteuer befreit.

    1. Das FG hat das Lokal L-Straße zutreffend als Teilbetrieb beurteilt.

    a) Unter einem Teilbetrieb ist ein organisch geschlossener, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter Teil eines Gesamtbetriebs zu verstehen, der für sich allein nach Art eines selbständigen Zweigbetriebs lebensfähig ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 10. Oktober 2001 XI R 35/00, BFH/NV 2002, 336, und vom 16. November 2005 X R 17/03, BFH/NV 2006, 532, jew. m.w.N.).

    Ob die veräußerten Wirtschaftsgüter in ihrer Zusammenfassung einer sich von der übrigen gewerblichen Tätigkeit des Veräußerers deutlich abhebenden Betätigung dienen und als Betriebsteil die für die Annahme eines Teilbetriebs erforderliche Selbständigkeit besitzen, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu entscheiden (BFH-Urteile in BFH/NV 2002, 336, und in BFH/NV 2006, 532, jew. m.w.N.). Bei dieser Gesamtwürdigung sind die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Abgrenzungsmerkmale --z.B. räumliche Trennung vom Hauptbetrieb, eigener Wirkungskreis, gesonderte Buchführung, eigenes Personal, eigene Verwaltung, eigenes Anlagevermögen, ungleichartige betriebliche Tätigkeit, eigener Kundenstamm und eine die Eigenständigkeit ermöglichende interne Organisation-- zu beachten (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2002, 336, und in BFH/NV 2006, 532, jew. m.w.N.).

    Diese Merkmale brauchen nicht sämtlich vorzuliegen; der Teilbetrieb erfordert lediglich eine gewisse Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb (z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 336, m.w.N.). Vom Hauptbetrieb oder den anderen Teilbetrieben räumlich getrennte Gastwirtschaften sind danach in der Regel Teilbetriebe (BFH-Urteil vom 18. Juni 1998 IV R 56/97, BFHE 186, 356, BStBl II 1998, 735; Schmidt/Wacker, EStG, 25. Aufl., § 16 Rz 160 "Gastwirtschaften").

    b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FG aufgrund von Feststellungen, die nicht mit Revisionsrügen angegriffen sind und den Senat deshalb binden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), die im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegende Erkenntnis gewonnen, dass es sich bei dem veräußerten Geschäftslokal L-Straße insbesondere wegen der räumlichen Trennung von den anderen Betriebsstätten und wegen eines eigenen Kundenkreises, eigener angemieteter Räume und nur dort tätig gewordenen Personals um einen Teilbetrieb gehandelt habe.

    aa) Das FG hat nicht gegen den Grundsatz verstoßen, dass über die Frage der Selbständigkeit nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beim Veräußerer --und nicht beim Empfänger-- zu entscheiden ist (BFH-Beschluss vom 18. Oktober 1999 GrS 2/98, BFHE 189, 465, BStBl II 2000, 123, unter C. V. 2. a der Gründe; Schmidt/ Wacker, a.a.O., § 16 Rz 150, m.w.N.).

    Durch die Vernehmung des Ehemannes der Käuferin hat es nicht unzutreffend auf die Käufersicht abgestellt. Dessen vom FG für bedeutsam und glaubhaft gehaltene Aussage, das Lokal L-Straße habe über einen Kundenstamm aus vornehmlich älteren Leuten verfügt, die speziell wegen der Automaten gekommen seien, bezieht sich auf den Zustand vor Übergabe des Geschäftes.

    Das FG hat zwar weiter ausgeführt, hinsichtlich der Frage der nötigen Selbständigkeit sei auch verstärkt auf die Käufersicht abzustellen; soweit der Käufer den Bereich eines Unternehmens unverändert fortführe, zeige dies eine solche Selbständigkeit, weil der Käufer aufgrund seiner Interessenlage diesen Bereich andernfalls nur verändert fortführen würde. Dabei handelt es sich aber um einen Rückschluss von der unveränderten Fortführung durch die Erwerberin auf die maßgebliche organisatorische Selbständigkeit des Lokals im Rahmen des klägerischen Betriebes.

    bb) Die tatrichterliche Überzeugungsbildung der Vorinstanz (§ 96 Abs. 1 FGO) ist nur insoweit revisibel, als Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorliegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 16. November 2005 X R 19/04, BFH/NV 2006, 535; BFH-Beschluss vom 10. Februar 2005 VI B 113/04, BFHE 209, 211, BStBl II 2005, 488, m.w.N.).

    Solche Verstöße sind im Streitfall nicht erkennbar und vom FA auch nicht gerügt worden. Seine Auffassung, es habe sich um eine unselbständige Filiale gehandelt, weil der Eisverkauf und das entsprechende Inventar dem Lokal das Gepräge gegeben, die Eisumsätze die Wirteprovisionen für die Spielgeräte wesentlich übertroffen hätten und der Eisverkauf jahreszeitlich eingeschränkt gewesen sei, beruht auf einer anderen Bewertung des Sachverhaltes. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob sie ebenfalls möglich wäre; sie ist jedenfalls nicht zwingend.

    2. Die übrigen Voraussetzungen des § 16 EStG, insb. auch des Freibetrages nach § 16 Abs. 4 EStG, liegen unstreitig vor. Der Gewinn aus der Veräußerung eines Teilbetriebes durch einen Einzelunternehmer gehört nicht zum Gewerbeertrag (BFH-Urteil vom 4. März 1998 X R 56/95, BFH/NV 1998, 1354, m.w.N.).

    RechtsgebieteEStG, GewStGVorschriftenEStG § 16 EStG § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG § 16 Abs. 4 EStG § 16 Abs. 4 Satz 1 GewStG § 7