22.03.2006 · IWW-Abrufnummer 060830
Finanzgericht Nürnberg: Urteil vom 11.11.2003 – II 132/2002
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg
Az.: II 132/2002
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
wegen Umsatzsteuer 1996 und 1997
hat der II. Senat des Finanzgerichts Nürnberg
ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 11.11.2003 für Recht erkannt:
1. Der Umsatzsteuerbescheid 1996 vom 14.12.1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.03.2002 wird dahin geändert, dass die Umsatzsteuerschuld auf 5.041,62 DM herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens haben der Kläger zu 11/13 und das Finanzamt zu 2/13 zu tragen.
Rechtsmittelbelehrung XXX
Tatbestand
Streitig ist, ob das Finanzamt zu Recht aufgrund der Feststellungen einer Umsatzsteuerprüfung abweichend von den Jahressteuererklärungen die Umsatzsteuer für die Jahre 1996 und 1997 festgesetzt hat, indem es die geltend gemachten Vorsteuerabzugsbeträge wegen Uneinbringlichkeit der vereinbarten Entgelte berichtigte.
Der Kläger begann im Jahre 1990 ein Unternehmen als Handelsvertreter für .............. Am 23.05.1996 gab er vor dem Amtsgericht A. die eidesstattliche Versicherung ab. Die Stadt A. untersagte ihm mit Bescheid vom 06.07.1998 die Ausübung seines Gewerbes. Zum 09.10.1998 erklärte er die Betriebsaufgabe.
Für die Streitjahre reichte der Kläger am 27.07.1998 beim Finanzamt Umsatzsteuererklärungen ein, in denen er folgende Angaben machte:
VZ 1996 VZ 1997
Umsatz 66.082,00 DM 133.216,00 DM
Umsatzsteuer 9.912,30 DM 19.982,40 DM
Vorsteuer 26.756,42 DM 20.067,09 DM
Umsatzsteuererstattungsanspruch 16.844,10 DM 84,70 DM
Das Finanzamt folgte der Erklärung für 1996 und änderte mit Bescheid vom 18.08.1998 den am 25.05.1998 ergangenen Steuerbescheid, in dem es wegen der bis dahin fehlenden Steuererklärung die Besteuerungsgrundlagen geschätzt hatte. Es setzte wie erklärt einen Umsatzsteuererstattungsanspruch in Höhe von 16.845 DM fest und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf (§ 164 Abs. 3 Satz 1 AO). Die Festsetzung der Umsatzsteuer 1997 erfolgte zunächst nicht.
Das Finanzamt hatte bereits mit Verwaltungsakt vom 22.10.1997 eine Umsatzsteuerprüfung für den Zeitraum ab Januar 1996 bis zum dahin letzten Umsatzsteuervoranmeldungszeitraum angeordnet. Mit der Prüfung wurde auf die Bitte des Klägers hin zunächst nicht begonnen, weil eine Buchführung für diesen Zeitraum nicht vorhanden gewesen sei. Nachdem trotz mehrmaliger Aufforderung Unterlagen nicht vorgelegt wurden, erging unter dem Datum vom 14.07.1998 ein Prüfungsbericht, in dem die steuerpflichtigen Umsätze in Anlehnung an die Voranmeldungen geschätzt und die Vorsteuerabzüge mangels Nachweisen insgesamt nicht anerkannt wurden. Die Feststellungen aus diesem Bericht wurden jedoch nicht für die Veranlagung übernommen, weil zwischenzeitlich die Umsatzsteuerjahreserklärungen eingereicht worden waren. Nachdem der Kläger am 15.09.1998 die angeforderten Unterlagen vorgelegt hatte, wurde die Umsatzsteuerprüfung fortgesetzt und mit dem Bericht vom 09.12.1998 abgeschlossen.
Darin ging der Prüfer aufgrund der eidesstattlichen Versicherung des Klägers vom 23.05.1996 und wegen vergeblicher Pfändungsversuche des Finanzamts (20.06.1996 und 12.05.1998) bereits für das Veranlagungsjahr 1996 von dessen Zahlungsunfähigkeit aus. Er errechnete eine Vorsteuerberichtigung anhand der Schlussstände der vorgelegten Sachkonten (Konto 1610 Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen, Konto 1700 sonstige Verbindlichkeiten) und kürzte die Vorsteuerabzüge für das Jahr 1996 um 26.435,23 DM und für das Jahr 1997 um 5.873,74 DM. Wegen der Einzelheiten wird auf den Umsatzsteuerprüfungsbericht vom 09.12.1998 verwiesen.
Das Finanzamt folgte den Feststellungen in dem Prüfungsbericht und änderte mit Bescheid vom 14.12.1998 die Umsatzsteuerfestsetzung für 1996 aufgrund nachträglich bekannt gewordener Tatsachen oder Beweismittel (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO). Für das Jahr 1997 setzte es erstmals mit Bescheid vom 14.12.1998 die Umsatzsteuer endgültig fest. Die Umsatzsteuer errechnete sich danach wie folgt:
VZ 1996 VZ 1997
Umsatz 68.962,00 DM 145.300,00 DM
Umsatzsteuer 10.344,30 DM 21.795,00 DM
Vorsteuer 321,19 DM 14.201,99 DM
Umsatzsteuerschuld 10.023,00 DM 7.593,00 DM
Gegen die Umsatzsteuerbescheide legte der Kläger erfolglos Einspruch ein.
Der Kläger hat Klage erhoben.
Er beantragt sinngemäß, die Umsatzsteuer-Bescheide 1996 und 1997 vom 14.12.1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.03.2002 in der Weise zu ändern, dass die abziehbaren Vorsteuern gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG für 1996 mit 26.756,42 DM und für 1997 mit 20.067,09 DM berücksichtigt werden.
Seinen Klageantrag begründet er wie folgt:
Er sei entgegen der Auffassung des Finanzamtes in den Streitjahren nicht zahlungsunfähig gewesen. Zumindest bis 12.05.1998 habe er am Zahlungsverkehr teilgenommen. Er räume jedoch ein, dass möglicherweise im Jahr 1998 mit der Einstellung des Betriebes ein Rückforderungsanspruch an Umsatzsteuer entstanden sein könne, soweit dieser auf einzelne mit Vorsteuer behaftete, nicht bezahlte Rechnungen zurückgeführt werden könne; zur Berichtigung sei er jedenfalls nicht zum 31.12.1996 oder zum 31.12.1997 verpflichtet gewesen. Denn zum Bilanzstichtag 31.12.1996 sei ein Bankguthaben in Höhe von 29.892,45 DM vorhanden gewesen. Bankguthaben hätten auch zum 31.12.1997 noch bestanden; es sei zu vermuten, dass damit auch Verbindlichkeiten ausgeglichen worden seien. Er habe sein Unternehmen schließlich noch bis in das Jahr 1998 aufrecht erhalten.
Das Finanzamt habe zu Unrecht pauschal eine Vorsteuerberichtigung anhand des Standes der Konten Nr. 1610 und Nr. 1700 vorgenommen. Es habe keine Ermittlungen angestellt, aus welchen Einzelbeträgen sich die Verbindlichkeiten zusammensetzten und ob überhaupt geltend gemachte Vorsteuer enthalten sei. Es habe damit gegen den Untersuchungsgrundsatz gemäß § 88 Abs. 2 AO verstoßen.
Das Finanzamt habe keinen Nachweis darüber erbracht, dass er die zu den Bilanzstichtagen noch offenen Rechnungen tatsächlich nicht bezahlt habe. Da ein Nachweis über die Nichtbezahlung fehle, könne der Vorsteuerabzug nicht rückgängig gemacht werden. Er müsse zur Abwehr der von dem Finanzamt geltend gemachten Umsatzsteuerrückforderungen nicht nachweisen, welche Rechnungen er zum 31.12.1996 oder zum 31.12.1997 bezahlt habe. Von der Tatsache der Bezahlung hänge die Abzugsfähigkeit der Vorsteuer zu diesen Zeitpunkten jedenfalls nicht ab.
In der mündlichen Verhandlung am 08.04.2003 machte er geltend, dass auf dem Konto 1610 für das Jahr 1996 insgesamt 16.800 DM und für das Jahr 1997 weitere 67.981,25 DM als Zahlungen verbucht worden seien. Zudem führte er in dem nachträglichen Schriftsatz vom 16.06.2003 insgesamt dreizehn Geschäftsvorfälle zum Nachweis von Zahlungen im Jahr 1996 von 9.921,95 DM und im Jahr 1997 von 9.635,97 DM auf. Er sei daher in den Streitjahren nicht zahlungsunfähig gewesen.
Das Finanzamt beantragt sinngemäß, die Umsatzsteuerschuld für das Jahr 1996 auf 5.041,62 DM herabzusetzen und die Klage im Übrigen abzuweisen.
Zur Begründung trägt es vor, der Vorsteuerabzug sei zu Recht wegen andauernder Zahlungsunfähigkeit des Klägers gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG berichtigt worden, denn durch die eidesstattliche Versicherung und die vergeblichen Beitreibungsversuche sei von einer Uneinbringlichkeit der vereinbarten Entgelte auszugehen gewesen. Der Ausweis von Geldvermögen in der Bilanz des Klägers könne nicht als Nachweis für dessen Liquidität dienen, weil es wegen erheblicher Verbindlichkeiten bei Kreditinstituten nicht frei verfügbar gewesen sei.
Bei den für die Vorsteuerberichtigung zugrunde gelegten Verbindlichkeitsständen handele es sich nicht um willkürliche Zahlen, sondern um die Schlussstände der vorgelegten Sachkonten. Für das Jahr 1996 seien die geltend gemachten Vorsteuern nur in Höhe der nachgewiesenen Zahlungen von 5.302,68 DM anzuerkennen. Für das Streitjahr 1997 habe es deutlich höhere Vorsteuerbeträge anerkannt als der Kläger habe nachweisen können.
Im Übrigen habe der Kläger keinen Nachweis erbracht, dass er alle Rechnungen bezahlt habe. Er trage die Feststellungslast für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug. Denn in seiner Verantwortungssphäre lägen die zu beweisenden Tatsachen. Er sei insoweit seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen (§ 90 AO).
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
Entscheidungsgründe
Die Klage hat nur für das Streitjahr 1996 insoweit Erfolg, wie der Kläger die Bezahlung von geltend gemachten Vorsteuerabzugsbeträgen nachweisen konnte. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
1. Gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 UStG 1993 hat ein Unternehmer, an den ein Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich bezahlt, ist der Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG).
Die Regelung entsprich den Bestimmungen der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG, im Folgenden 6. EG-RL). Die entsprechende Vorschrift Art. 11 Teil C Abs. 1 der 6. EG-RL lautet:
?Im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweise Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes wird die Beteuerungsgrundlage unter von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert. Jedoch können die Mitgliedstaaten im Falle der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung von dieser Regel abweichen.?
Nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-RL wird "nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Einzelheiten der ursprüngliche Vorsteuerabzug berichtigt, wenn ... sich die Faktoren, die bei der Festsetzung des Vorsteuerabzuges berücksichtigt werden, nach Abgabe der Erklärung geändert haben, insbesondere bei rückgängig gemachten Käufen oder erlangten Rabatten. Die Berichtigung unterbleibt jedoch u.a. bei Umsätzen, bei denen keine oder keine vollständige Zahlung geleistet wurde. Bei Umsätzen, bei denen keine oder keine vollst ändige Zahlung erfolgt, können die Mitgliedstaaten jedoch eine Berichtigung verlangen".
Von dieser Möglichkeit einer eigenständigen nationalen Regelung hat der Gesetzgeber in § 17 UStG Gebrauch gemacht (BFH-Urteil vom 31.05.2001 V R 71/99, BStBl. II 2003, 206). Danach besteht in den Fällen der Uneinbringlichkeit zwingend eine Berichtigungspflicht der beteiligten Unternehmer; dazu korrespondiert der Steueranspruch des Finanzamts. Kommt der Unternehmer seiner Verpflichtung aus § 17 UStG zur Berichtigung nicht nach, so ist das Finanzamt berechtigt und verpflichtet, die höhere Steuer bzw. den Vorsteuerrückforderungsanspruch von Amts wegen geltend zu machen (vgl. Mößlang in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuergesetz, § 17 Rz. 18, 19).
2. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG definiert den Begriff der Uneinbringlichkeit nicht; das Gesetz geht aber davon aus, dass das Merkmal der "Uneinbringlichkeit" eng mit der Tatsache der Nichtbezahlung verknüpft ist, wenn es in § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG eine erneute Berichtigung bei nachträglicher Vereinnahmung bestimmt. Der Begriff der Uneinbringlichkeit ist hiernach auch mit Rücksicht auf den Zweck der Vorschrift auszulegen. Die in § 17 Abs. 2 UStG getroffene Sonderregelung für die Fälle der Uneinbringlichkeit ist ein besonders erwähnter Unterfall des § 17 Abs. 1 Nr. 1 UStG, der den Grundsatz verwirklichen soll, dass sich die Umsatzbesteuerung (letztlich) auf den Umfang der tatsächlich vereinnahmten Gegenleistung beschränkt (vgl. BFH-Beschluss vom 10.03.1983 V B 46/80, BFHE 138, 107, BStBl. II 1983, 389 m.w.N.). Die Vorschrift berücksichtigt insbesondere, dass die Besteuerung nach dem Sollprinzip, d.h. Entstehen der Umsatzsteuer und die Abziehbarkeit der in Rechnung gestellten Vorsteuer mit Ausführung der Leistung ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Vereinnahmung der Gegenleistung (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG und § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG), auf der am Regelfall orientierten Erwartung des Gesetzes beruht, der Leistungsempfänger werde die Forderung des Leistenden befriedigen und damit das betragsmäßige Gleichgewicht von Vorsteuerabzug und Umsatzsteuerschuld herstellen (vgl. BFH-Urteil vom 15.09.1983 V R 125/78, BFHE 139, 312, BStBl. II 1984, 71). Für den Fall der (ganzen oder teilweisen) Uneinbringlichkeit ermöglicht § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zur Herstellung des Gleichgewichts zwischen Umsatzsteuer und Vorsteuerabzug die Korrektur der Steuerbelastung, gleichzeitig aber auch die Rückforderung der Vorsteuer (BFH-Urteil vom 31.05.2001 V R 71/99, a.a.O.). Der Regelungsinhalt wird verdeutlicht in der Formulierung laut Art. 11 Teil C Abs. 1 der 6. EG-RL, wonach die Besteuerungsgrundlage vermindert wird im Falle der vollständigen oder teilweisen Nichtzahlung.
"Uneinbringlich" ist danach eine Forderung, wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltsforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf unabsehbare Zeit weder rechtlich noch tatsächlich durchsetzen kann (vgl. BFH-Urteile vom 08.12.1993 XI R 81/90, BStBl. II 1994, 338 und vom 31.05.2001 V R 71/99, a.a.O.; Tehler in Reiß/ Kraeusel/Langer, Umsatzsteuergesetz, § 17 Rz. 101 ff, jeweils m.w.N.). Dabei ist Hauptanwendungsfall des § 17 Abs. 2 UStG die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (vgl. BFH-Beschluss vom 10.03.1983 V B 46/80, a.a.O.).
Nach der seit 01.01.1999 in Kraft getretenen Insolvenzordnung (InsO) liegt eine drohende Zahlungsunfähigkeit, die bereits als Eröffnungsgrund gilt, schon dann vor, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungsverpflichtungen bei Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 Abs. 2 InsO). Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO). Dies entspricht der früher geltenden gesetzlichen Regelung (§ 102 Abs. 2 KO). Allgemein wurde die Zahlungsunfähigkeit nach der Konkursordnung definiert als das auf einem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende dauernde Unvermögen des Schuldners, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden noch im Wesentlichen zu berichtigen (vgl. Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, Kommentar, 11. Aufl., § 102 Rdnr. 2 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen liegt Uneinbringlichkeit dann vor und hat ein Leistungsempfänger somit den bereits geltend gemachten Vorsteuerabzug zu berichtigen, wenn er die entsprechende Verbindlichkeit bei Fälligkeit tatsächlich nicht bezahlt hat und er bei objektiver Betrachtung in unabsehbarer Zeit die Zahlungsverpflichtung nicht erfüllen wird.
3. Das Gericht hält es unter Berücksichtigung dieser Grundsätze für gerechtfertigt, dass das Finanzamt von der Uneinbringlichkeit der Gläubigerforderungen, aus denen der Kläger den Vorsteuerabzug geltend gemacht hatte, ausging. Es ist auch die Verwaltungsvorschrift nicht zu beanstanden, die in Abschnitt 223 Abs. 5 Satz 7 UStR 1996 bestimmt, dass ein Schuldner nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Nr. 2 UStG seinen Vorsteuerabzug bereits dann entsprechend zu berichtigen hat, wenn sich aus den Gesamtumständen, insbesondere aus einem längeren Zeitraum nach Eingehung der Verbindlichkeit ergibt, dass er seiner Zahlungsverpflichtung gegenüber seinem Gläubiger nicht mehr nachkommen wird. Danach hatte das Finanzamt von Amts wegen, weil der Antragsteller seiner Berichtigungspflicht nicht selbst nachgekommen war, den Vorsteuerrückforderungsanspruch festzusetzen (vgl. Mößlang in Sölch/Ringleb, a.a.O. § 17 UStG Rz. 19).
Es konnte nämlich aufgrund mehrerer Anhaltspunkte davon ausgehen, dass der Kläger bereits im Jahre 1996 sowohl überschuldet und zahlungsunfähig war, als auch tatsächlich in weitem Umfang seine Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllt hatte.
Er hatte bereits in einer Vermögensaufstellung vom 29.02.1996 gegenüber der Vollstreckungsstelle des Finanzamt erklärt, dass er über keine laufenden Einnahmen und über kein nennenswertes freies Vermögen mehr verfüge. In der eidesstattlichen Versicherung vom 23.05.1996 vor dem Amtsgericht A., die der Vollstreckungsstelle des Finanzamtes am 20.09.1996 bekannt geworden ist, erklärte der Kläger u.a., dass er in seinem Unternehmen seit Dezember 1995 keine Aufträge mehr erhalten habe und er derzeit ausschließlich von der Unterstützung durch seine Lebensgefährtin lebe. Nach den Bilanzen für 1996 und 1997, die er am 27.07.1998 mit den Umsatzsteuerjahreserklärungen beim Finanzamt abgegeben hatte, verfügte sein Unternehmen über kein nennenswertes Anlagevermögen. Der Kläger wies für das Jahr 1996 einen Kassenbestand in Höhe von 21.920 DM und ein Bankguthaben von 7.972 DM aus; dem standen Verbindlichkeiten bei Kreditinstituten in Höhe von 120.960 DM gegenüber. In 1997 wies der Kläger einen Kassenbestand von 64.265 DM, jedoch kein Bankguthaben aus; es standen dem Bankverbindlichkeiten in Höhe von 121.172 DM gegenüber. Laut Bilanzen bestand ein Minuskapital von jeweils über 300.000 DM. Aus den vorgelegten Rechnungen, Belegen, Kontenblättern und Journalen ergibt sich nicht, dass die Rechnungen in 1996 im Wesentlichen über die betrieblichen Konten bezahlt worden sind.
Das Finanzamt konnte unter diesen Umständen von der Uneinbringlichkeit der in den Bilanzen des Antragstellers ausgewiesenen Verbindlichkeiten ausgehen und jedenfalls den in Anspruch genommenen Vorsteueranspruch soweit berichtigen, wie eine tatsächliche Zahlung nicht nachweislich erfolgt ist.
4. Der Kläger hat die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug in der von ihm geltend gemachten Höhe nicht nachgewiesen. Ein Unternehmer, der wie der Kläger einen Vorsteuerabzug geltend macht, trägt die Darlegungs- und Feststellungslast (objektive Beweislast) für die Tatsachen, die den Anspruch auf den Vorsteuerabzug begründen. In Zweifelsfällen ist es die Angelegenheit des Leistungsempfängers, das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nachzuweisen. Gelingt ihm der Nachweis nicht, so steht ihm das Recht auf den Vorsteuerabzug nicht zu (vgl. BFH-Beschluss vom 09.07.1998 V B 143/97, BFH/NV 1999, 221; Wagner in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 15 UStG Rz. 74 m.w.N.).
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG verlangt dabei zunächst für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug das Vorliegen einer Rechnung i.S.d. § 14 UStG mit gesondert ausgewiesener Steuer und eine ausgeführte unternehmerische Leistung; soweit die Leistung noch nicht ausgeführt wurde genügt aber die Zahlung auf die Rechnung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Hat der Leistungsempfänger die Leistung bereits erhalten, aber die Zahlung nicht erbracht, verlangt bei Uneinbringlichkeit die Norm des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG vom Unternehmer die Berichtigung des erhaltenen Vorsteuerbetrags, solange er nicht die Zahlung erbracht hat ( § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG). Denn ansonsten würde sich die Zuwendung der Vorsteuerbeträge als ungerechtfertigte Bereicherung darstellen (vgl. BFH-Urteil vom 15.09.1983 V R 125/78, a.a.O.).
In der Zusammenschau dieser Regelungen ergibt sich daraus für den Kläger die Feststellungslast hinsichtlich des Vorliegens von Rechnungen mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer und hinsichtlich der Bezahlung dieser Rechnungen. Das Finanzamt trägt demgegenüber die Feststellungslast, dass die Voraussetzungen für eine Uneinbringlichkeit i.S.v. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG vorliegen. Diesen Nachweis hat das Finanzamt bisher nach den oben genannten tatsächlichen Feststellungen insbesondere zur Zahlungsunfähigkeit des Klägers erbracht.
Der Senat folgt bei seiner Entscheidung nicht der Einlassung des Klägers, es könne von einer Uneinbringlichkeit nicht ausgegangen werden, weil in 1996 Zahlungen in Höhe von 16.800 DM verbucht und damit Vorsteuern von 2.191,30 DM bezahlt und für das Jahr 1997 Zahlungen von 67.981,25 DM, somit Vorsteuern von 8.867,12 DM, bezahlt worden seien. Denn er hat keinen Beweis für die tatsächliche Zahlung in der geltend gemachten Höhe vorgelegt. Der Hinweis auf die Bilanzen der Jahre 1996 und 1997 und auf das Buchungskonto Nr. 1610 genügt nicht, weil der Senat Anlass hat, deren sachliche Richtigkeit zu beanstanden (§ 158 AO). In der Bilanz zum 31.12.1996 wird nämlich im Eigenkapital ein Gewinnvortrag in Höhe von 200.766,34 DM entsprechend dem Konto 9000 ?Saldenvorträge Sachkonten? ausgewiesen, der aus den Vorjahren nicht erklärlich ist. Es lässt sich auch nicht nachvollziehen, aus welchem Grund das Konto Nr. 1610 zum 01.01.1996 mit einem Stand von 0 DM beginnt, obwohl in der Bilanz zum 31.12.1995 von Verbindlichkeiten in Höhe von 223.943,34 DM auszugehen ist.
5. Das Finanzamt konnte die mit Bescheid vom 18.08.1998 festgesetzte Umsatzsteuerschuld 1996 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen und Beweismittel ändern, weil der Kläger erst am 15.09.1998 die für die Umsatzsteuerprüfung angeforderten Unterlagen beim Finanzamt vorgelegt hatte. Erst ab diesem Zeitpunkt war es in der Lage zu überprüfen, ob und in welcher Höhe der Kläger trotz seiner eidesstattlichen Versicherung vom 23.05.1996 noch Forderungen seiner Gläubiger tatsächlich bezahlt hatte.
6. Aufgrund einer nochmaligen Überprüfung der Unterlagen des Klägers, die von den Beteiligten dem Gericht in der mündlichen Verhandlung am 08.04.2003 und im Schriftsatz vom 16.06.2003 zur Kenntnis gebracht wurden, konnte festgestellt werden, dass im Jahre 1996 Vorsteuerbeträge in Höhe von 5.302,68 DM tatsächlich bezahlt worden sind, in dem angefochtenen Bescheid jedoch lediglich ein Vorsteuerabzug von 321,19 DM gewährt wurde. Daher ist die Umsatzsteuerschuld für 1996 wie folgt festzusetzen:
VZ 1996
Umsatz 68.962,00 DM
Umsatzsteuer 10.344,30 DM
Vorsteuer 5.302,68 DM
Umsatzsteuerschuld 5.041,62 DM
Im Jahre 1997 hatte der Kläger Vorsteuerbeträge nur in Höhe von 11.696,77 DM bezahlt; das Finanzamt hatte jedoch Vorsteuern von 14.201,99 DM zu seinen Gunsten anerkannt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 143 Abs. 1, 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.