17.02.2022 · IWW-Abrufnummer 227614
Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 03.01.2022 – 11 K 200/20
Ein Unternehmer, der Sportbekleidung mit Werbeaufdrucken für sein Unternehmen anschafft und Sportvereinen unentgeltlich zur Verfügung stellt, kann die Vorsteuerbeträge aus den Anschaffungskosten steuermindernd geltend machen.
Niedersächsisches Finanzgericht 11. Senat
Urteil vom 03.01.2022
TATBESTAND
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Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Vorsteuerbeträgen. Dabei geht es um den Abzug von Vorsteuerbeträgen aus dem Erwerb von Sportbekleidung mit Werbeaufdrucken und deren Weitergabe an Sportvereine.2
Der Kläger ‒ er betreibt eine Fahrschule - hatte in den Streitjahren Sportbekleidung mit dem Werbeaufdruck „Fahrschule X“ erworben. Er hat diese Kleidung verschiedenen Vereinen in der Region S unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Hierbei handelte es sich im Wesentlichen um Jugendmannschaften und eine Altherrenmannschaft. Die aus den Aufwendungen geltend gemachten Vorsteuerbeträge beliefen sich 2014 auf … EUR 2015 auf …EUR und 2016 auf …EUR.
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Im Rahmen einer Außenprüfung hat der Beklagte (das Finanzamt ‒ FA-) diese Vorsteuerbeträge nicht steuermindernd berücksichtigt und im Nachgang zur Außenprüfung entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide erlassen.
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Gegen diese Entscheidung hat der Kläger zunächst Einspruch eingelegt.
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Zur Begründung hat er geltend gemacht, dass die Kleidung mit Werbeaufdruck im Rahmen mündlich vereinbarter Sponsoring-Verträge überlassen worden sei. Daraus ergebe sich, dass die Vorsteuerabzugsberechtigung gegeben sei.
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Mit Einspruchsentscheidung 10.9.2020 hat das FA den Einspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen.
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Ein Vorsteuerabzug aus den Rechnungen über die Anschaffung der Sportbekleidung mit Werbeaufdruck komme nicht in Betracht, Diese Zuwendung erfolge grundsätzlich in der Erwartung, dass diese Sportbekleidung bei den sportlichen Veranstaltungen des Vereins auch genutzt werde und durch den Werbeaufdruck in der Öffentlichkeit auf die Firma bzw. ihre Produkte und Dienstleistungen aufmerksam gemacht werde. Im Streitfall sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Spiele der fraglichen Mannschaften vor allem solche im Jugendbereich betroffen hätten, die kaum Publikum anziehen würden. Es sei deshalb davon auszugehen, dass die Aufdrucke keine nennenswerte Werbewirkung erzielen würden. Das Überlassen der Sportbekleidung sei deshalb dem ideellen Bereich zuzuordnen.
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Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Klage erhoben.
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Die Vorsteuerbeträge aus dem Erwerb der Sportbekleidung habe das FA zu Unrecht nicht berücksichtigt. Der Kläger habe die entsprechenden Aufwendungen getätigt, um durch die Förderung der Organisation das eigene unternehmerische Ansehen/Image zu sichern und zu erhöhen und für die Dienstleistung der „Fahrschule X“ zu werben. Neben der Werbung habe der Kläger insbesondere auch als Zielgruppe die jungen Sportler im Alter von 15-20 Jahren im Auge gehabt, die regelmäßig in Kürze ihre Fahrschulausbildung absolvieren würden, um den ab dem 16. bzw. 17. Lebensjahr möglichen Führerschein zu erwerben. Diese Erwartung habe sich auch erfüllt.
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Das Sponsoring sei im Übrigen immer aufgrund mündlicher Abreden durchgeführt worden. Auf die jeweilige Anfrage durch einen Vereinsvertreter, ob der Kläger bereit sei, für eine Mannschaft neue Sportbekleidung mit Werbeaufdruck „Fahrschule X“ zur Verfügung zu stellen, habe der Kläger bei positiver Entscheidung ein Sporthaus beauftragt die Sportbekleidung zu liefern, nachdem der Verein im Sporthaus die individuellen Kleidergrößen der Spieler mitgeteilt habe. Es liege auf der Hand, dass die Spieler dann auch diese Sportbekleidung mit Werbeaufdruck getragen hätten. Dass die Überlassung der Sportbekleidung nicht nur zur Förderung der sportlichen Zwecke, sondern auch mit dem Ziel der Werbung für die Fahrschule erfolgt sei, sei aufgrund des Werbeaufdrucks ersichtlich. Die Sportbekleidung werde deshalb nicht unentgeltlich überlassen. Der Vorsteuerabzug sei zu berücksichtigen.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide … in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom … die Umsatzsteuer …um … herabzusetzen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Hinsichtlich der Aufwendungen für die Sportbekleidung sei die Klage als unbegründet abzuweisen. Die fragliche Werbeleistung des Klägers führe dazu, dass sie beim jeweiligen Verein als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb „Werbung“ einzustufen wäre. Denn nur dann sei ein Vorsteuerabzug aus dem Ankauf der Trikots gerechtfertigt. Im Streitfall hätten überwiegend Jugendmannschaften die Trikots unentgeltlich erlangt, jedoch ohne nachweisliche Verpflichtung, diese bei Spielen auch zu tragen. Insofern sei kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb gegeben. Andernfalls sei von den Vereinen die auf die Werbeleistung entfallende Umsatzsteuer zu erheben. Im Bereich des regionalen Jugendsports gäbe es im allgemeinen keine ausdrückliche Erklärung des Vereins, welche die Mannschaft verpflichtet, die Trikots zu tragen. Die Hingabe von Trikots mit Werbeaufdruck an Jugendmannschaften erfolge zumeist lediglich in der Erwartung des Unternehmers, dass diese auch genutzt würden. Dieser Erwartung kämen die Jugendmannschaften regelmäßig auch dankbar nach, da der Spielbetrieb durch die zur Verfügung gestellten Trikots erst möglich bzw. gefördert werde. Dass die Überlassung der Sportbekleidung nicht ausschließlich zur Förderung der sportlichen Zwecke, sondern daneben auch mit dem Ziel der Werbung erfolge, ändere im Streitfall nichts daran, dass der ideelle Bereich im Vordergrund stehe. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse habe der Kläger damit bereits bei Leistungsbezug beabsichtigt, die Sportbekleidung nicht für seine unternehmerische Tätigkeit, sondern ausschließlich und unmittelbar für unentgeltliche Wertabgaben im Sinne des § 3 Absatz 1b UStG zu verwenden. Er sei damit insoweit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Nur mittelbar verfolgte Zwecke seien unerheblich für den Vorsteuerabzug.
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Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Sie waren mit einer Entscheidung des Berichterstatters als Einzelrichter einverstanden, § 79a Abs. 3, 4 FGO.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide … sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.
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Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die Vorsteuerbeträge für die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen abziehen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt.
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Im vorliegenden Fall sind diese Voraussetzungen erfüllt. Dabei ist zwischen den Beteiligten zunächst nicht streitig, dass der Kläger eine den Vorgaben der §§ 14, 14a UStG erforderliche Rechnung besitzt.
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Aber auch die weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG liegen vor.
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Zutreffend weist das beklagte FA allerdings zunächst darauf hin, dass ein Vorsteuerabzug für den Kläger nur dann in Betracht kommt, wenn die Überlassung der Sportbekleidung mit dem Werbeaufdruck des Klägers dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der Leistungsempfänger zuzurechnen ist. Der Kläger hat im vorliegenden Fall die Sportbekleidung (im Wesentlichen Trikots mit Werbeaufdruck „Fahrschule X“) diversen Jugend- und Altherrenmannschaften … unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Hierbei handelt es sich ‒ dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig ‒ um gemeinnützige Organisationen (Vereine).
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Auch gemeinnützige Vereine können grundsätzlich als Unternehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 UStG tätig werden. Hierbei ist jedoch die ideelle Tätigkeit, also die Tätigkeit im eigentlichen Gemeinnützigkeitsbereich, der nichtunternehmerischen Sphäre zuzuordnen. Dies hat zur Folge, dass Ausgangsleistungen im ideellen Bereich nicht steuerbar sind, insoweit aber Eingangsleistungen für den ideellen Bereich auch nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen.
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Dagegen sind die Vermögensverwaltung, der Zweckbetrieb und die (gewerbliche) wirtschaftliche Geschäftstätigkeit eines Vereins dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen, mit der Folge, dass die Ausgangsleistungen steuerpflichtig sind und hinsichtlich der Eingangsleistungen ein Vorsteuerabzug zu gewähren ist.
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Dabei kommt es allerdings ‒ entgegen der Auffassung des Klägers ‒ nicht darauf an, dass die Aufwendungen ertragsteuerlich gegebenenfalls als Betriebsausgaben abzugsfähig sind. Für den Betriebsausgabenabzug kommt es allein auf eine betriebliche Veranlassung an, § 4 Abs. 4 EStG. Demgemäß gehören zu den Aufwendungen von Sponsoren zur Förderung von Vereinen auch solche Aufwendungen, die etwa darin liegen, dass der Unternehmer wirtschaftliche Vorteile aufgrund der Sicherung oder Erhöhung seines Ansehens erzielen kann (vgl. z.B. das vom Kläger zitierte Urteil des BFH v. 16.12.2015 ‒ IV R 24/13, BStBl II 2017, 224).
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Anders ist dies jedoch, wenn es umsatzsteuerlich um den Vorsteuerabzug geht. Hier kommt es nicht nur auf evtl. Vorteile im Sinne des § 4 Abs. 4 EStG auf Seiten des leistenden Unternehmers an; vielmehr ist darüber hinaus nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG erforderlich, dass die Leistungen von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Das bedeutet, dass ein Vorsteuerabzug nur dann in Betracht kommt, wenn durch die Überlassung der Sportbekleidung mit Werbeaufdruck der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb der fraglichen Vereine angesprochen wurde.
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Im Streitfall ist das Gericht aber überzeugt, dass diese Voraussetzung erfüllt ist, denn die betreffenden Vereine haben durch den Gebrauch der Sportbekleidung sonstige Leistungen i.S.d. § 3 Abs. 9 UStG gegen Entgelt erbracht.
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Die sonstige Leistung besteht in der Benutzung der mit dem entsprechenden werbewirksamen Firmenaufdruck versehenen Gegenstände, durch die die Öffentlichkeit auf das betreffende Unternehmen und dessen Produkte aufmerksam gemacht wird. Der Verein erbringt damit eine Dienstleistung in Form einer Werbeleistung, für die er als Gegenleistung die betreffenden Gegenstände erhält (so auch die vom FA in der Einspruchsentscheidung und in der Klageerwiderung zitierte Entscheidung des FG Köln, Urt. v. 17.2.2006 ‒ 11 K 827/03, EFG 2006, 1108 unter Hinweis auf BFH-Urteil v. 1.8.2002 - V R 21/01, BStBl II 2003, 438). Schriftliche Vereinbarungen über die Überlassung der Trikots und deren Nutzung liegen zwar nicht vor. Im Gegensatz zur vom FA zitierten Entscheidung des FG Köln (a.a.O.) gibt es aber im Streitfall keine Anhaltspunkte dafür, dass die jeweiligen Vereinsvorstände über die Überlassung der Sportbekleidung mit dem Werbeaufdruck des Klägers nicht einverstanden war.
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Werden die Trikots bei sportlichen Veranstaltungen von den Spielern getragen ‒ wovon in aller Regel auszugehen ist - nimmt der Verein konkludent das Angebot der Nutzung gegen Ausführung einer Werbeleistung an. Einer darüberhinausgehenden ausdrücklichen Verpflichtungserklärung des Vereins, die Spieler die Trikots bei bestimmten Veranstaltungen tragen zu lassen, bedarf es für die Annahme eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Werbeleistung und dem erhaltenen Entgelt (Trikots) nicht (so zutreffend das FG Köln a.a.O., Rz. 20).
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Unerheblich ist nach Auffassung des Gerichts außerdem, dass die Jugendmannschaften in aller Regel nicht vor Publikum spielen; bei deren Spielen vielmehr erfahrungsgemäß ausschließlich Betreuer und ggfs. einige Eltern mit anwesend sind. Darauf kommt es jedoch nicht an, denn der Kläger hat zutreffend herausgestellt, dass die Jugendlichen zumeist im Alter von 15 bis 20 Jahren sind und demgemäß gerade die Zielgruppe darstellen, die er mit seiner Fahrschule ansprechen möchte. Erfahrungsgemäß nehmen junge Leute heutzutage zumeist die Möglichkeit zum Erwerb einer Fahrerlaubnis (möglich ab dem 16./17. Lebensjahr) in Anspruch. Auch in diesem Punkt unterscheidet sich der Streitfall vom Tatbestand des FG Köln (a.a.O.). Dort handelte es sich um die Werbung eines überregional tätigen Unternehmers, bei dem ein konkreter Bezug zu den Jugendmannschaften und der Region, in der sie spielten ‒ und damit eine Werbewirkung - nicht bestand.
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Die Vereine haben deshalb eine Gegenleistung für die Überlassung der Sportbekleidung erbracht. Ob die Vereine eine Versteuerung dieser Leistungen vorgenommen haben, ist für die hier maßgebliche Frage des Vorsteuerabzugs des leistenden Unternehmers unerheblich und nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits.
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Die Klage hat demgemäß in vollem Umfang Erfolg.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.