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  • 27.09.2007 · IWW-Abrufnummer 073056

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 10.05.2007 – IX R 7/07

    Im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung ist die Einkünfteerzielungsabsicht bei einer langfristigen Vermietung ausnahmsweise zu prüfen, wenn der Steuerpflichtige die Anschaffungskosten oder Herstellungskosten des Vermietungsobjekts sowie anfallende Schuldzinsen fremdfinanziert und somit Zinsen auflaufen lässt, ohne dass durch ein Finanzierungskonzept von vornherein deren Kompensation durch spätere positive Ergebnisse vorgesehen ist (Abgrenzung zu BFH-Urteil vom 19. April 2005 IX R 15/04, BFHE 210, 24, BStBl II 2005, 754).


    Gründe:

    I.

    Die Beteiligten streiten darüber, ob die Kläger und Revisionskläger (Kläger) ein bebautes Grundstück mit Einkünfteerzielungsabsicht vermietet haben.

    Die Kläger hatten ein von ihnen für ca. 20 000 DM erworbenes Grundstück im Jahre 1981 bebaut. Die Herstellungskosten des Gebäudes in Höhe von 105 308 DM finanzierten sie in vollem Umfange fremd.

    Über die zur Finanzierung verwandten Mittel war keine schriftliche Darlehensvereinbarung getroffen worden. Das Konto bei dem Kreditinstitut wurde wie ein Darlehenskonto mit variablen Zins- und Sondertilgungsmöglichkeiten geführt. Seit dem Jahr 1981 wurden Zinsen und Tilgung jeweils jährlich faktisch in ein neues Darlehen umgewandelt und dem jeweiligen Valutastand des Vorjahres zugerechnet.

    Die Einnahmen aus der Vermietung des Grundstücks betrugen in den Jahren 1985 bis 2002 70 676 ¤ und die für diesen Zeitraum als Werbungskosten geltend gemachten Zinsen 332 309,33 ¤. Diese Zinsen resultieren aus der ursprünglichen Fremdfinanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten (Schuldenstand Ende 2002: 336 190,63 ¤). Für das Streitjahr 2002 erklärten die Kläger Einnahmen in Höhe von 4 019 ¤ und Zinsen in Höhe von 29 555 ¤.

    Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Schuldzinsen nicht. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte insoweit Erfolg, als die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung hinsichtlich des Grundstücks unter Hinweis auf fehlende Einkünfteerzielungsabsicht mit 0 ¤ angesetzt wurden. Im Übrigen wurde der Einspruch zurückgewiesen.

    Im Klageverfahren haben die Kläger Unterlagen vorgelegt, wonach der Schuldenstand im Jahre 2005 um 140 000 ¤ auf 269 049 ¤ verringert wurde, indem für die Schuldentilgung Erlöse aus Lebensversicherungen verwendet wurden. Der Kläger erklärte zudem, er habe die Absicht, im Zeitraum des Jahres 2010 beruflich kürzer zu treten und Lebensversicherungen, deren Ablaufleistung er mit insgesamt über 380 000 ¤ beziffere, dann zur Tilgung bestehender Negativsalden zu verwenden. Gleiches gelte für den Erlös aus dem Verkauf seines Praxisanteils.

    Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet zurückgewiesen. Zwar erfüllten die erklärten Einnahmen sowie die angegebenen Werbungskosten für sich betrachtet die Voraussetzungen des steuerlichen Einnahme- und Werbungskostenbegriffs. Es fehle den Klägern jedoch an der Einkünfteerzielungsabsicht. Das fehlende Finanzierungskonzept der Kläger, das zu einem krassen Missverhältnis zwischen Einnahmen und Zinsaufwendungen führe und eine spätere Kompensation der zunächst zu verbuchenden Verluste nicht erwarten lasse, stelle einen besonderen Umstand dar, der nach der Rechtsprechung eine Ausnahme von dem Grundsatz rechtfertige, wonach bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit typisierend von Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen sei.

    Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Bei einem Prognosezeitraum von bis zu 70 Jahren würde sich ein Totalüberschuss ergeben, wenn die streitgegenständliche Immobilie unentgeltlich auf Rechtsnachfolger übergehe. Im Übrigen sei durch die gewählte Finanzierung bis zur Berufstätigkeitsgrenze des Klägers von 65 Jahren eine vollständige Tilgung zu erreichen. Das Finanzierungskonzept der Kläger sei möglichenfalls atypisch, rechtfertige aber nicht die Verneinung der Einkünfteerzielungsabsicht.

    Die Kläger beantragen sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung die Einkommensteuer auf 13 870 ¤ festzusetzen.

    Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

    II.

    Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Recht hat das FG den geltend gemachten Werbungskostenüberschuss mangels Einkünfteerzielungsabsicht nicht bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zum Abzug zugelassen.

    1. Nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich und typisierend davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, letztlich einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften, auch wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben. Jedoch gelten Ausnahmen von diesem Grundsatz, wenn besondere Umstände gegen das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht sprechen (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. April 2005 IX R 15/04, BFHE 210, 24, BStBl II 2005, 754, m.w.N. insbesondere zu Ausnahmefällen).

    2. Der Senat hat mit Urteil in BFHE 210, 24, BStBl II 2005, 754 entschieden, dass allein ein krasses Missverhältnis zwischen den Mieteinnahmen und den Schuldzinsen kein besonderer Umstand ist, der zur Überprüfung der Einkünfteerzielungsabsicht durch eine Prognose führt, wenn die wegen der Refinanzierung von Zinsen zunächst hohen Schuldzinsen nach dem gewählten Finanzierungskonzept zum Ende der Laufzeit der Darlehen durch positive Ergebnisse kompensiert werden. Bei derartigen, im entschiedenen Fall gewählten Kreditbedingungen sei ein solches Missverhältnis (zunächst) konzepttypisch.

    Anders verhält es sich dagegen, wenn bei der Finanzierung eines Vermietungsobjektes von vornherein keine solche Kompensation eingeplant ist. In diesem Falle bildet ein krasses Missverhältnis zwischen Mieteinnahmen und Schuldzinsen einen gegen die Einkünfteerzielungsabsicht sprechenden besonderen Umstand; denn bei einer solchen Fallgestaltung ist entgegen dem Regelfall gerade nicht davon auszugehen, dass die Vermietung letztlich zu positiven Einkünften führt.

    3. Bei Anwendung dieser Maßstäbe hat das FG zutreffend die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger durch eine Prognose überprüft. Aus seinen mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) ergibt sich, dass diese im Zusammenhang mit dem Erwerb des Vermietungsobjektes kein Konzept hatten, das zu einer zeitlich absehbaren Kompensation der aufgelaufenen Werbungskostenüberschüsse hätte führen können. Den Hinweis der Kläger auf die behaupteten Vermögenswerte und insbesondere die vorhandenen Lebensversicherungen hat das FG zu Recht als nicht schlüssig angesehen. Denn zwischen diesen und den streitbefangenen Darlehen bestand kein konzeptioneller Zusammenhang. Es stand im Belieben der Kläger, ob überhaupt und gegebenenfalls wann sie Tilgungen vornehmen und hierzu die Lebensversicherungen einsetzen würden. Insoweit unterscheidet sich der Streitfall von dem dem Urteil in BFHE 210, 24, BStBl II 2005, 754, zugrunde liegenden Sachverhalt.

    4. Im Rahmen der danach vorzunehmenden Überschussprognose ist festzustellen, ob in einem Zeitraum von 30 Jahren aus der Vermietungstätigkeit ein Totalüberschuss erzielt werden kann (BFH-Urteil vom 17. September 2002 IX R 16/02, BFH/NV 2003, 156, m.w.N.). Bezogen auf diesen Zeitraum ergibt sich im Streitfall nach den den Senat bindendenden Feststellungen des FG kein Totalüberschuss. Dies gilt auch unter Berücksichtigung einer etwaigen unentgeltlichen Rechtsnachfolge hinsichtlich des streitbefangenen Objekts (vgl. BFH-Urteil vom 6. November 2001 IX R 97/00, BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726, m.w.N.).

    RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1