04.10.2023 · IWW-Abrufnummer 237634
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 19.01.2023 – 14 K 1638/20 E
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf
Tenor:
Der Einkommensteuerbescheid 2016 vom 02.03.2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.06.2020 wird dahin geändert, dass
1. bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb
a) ein Verlust i. S. des § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in Höhe von 12.000 EUR nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens und
b) Veräußerungsgewinne i. S. der §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes statt i. H. von 403.000 EUR i. H. von 394.000 EUR, die in Höhe von 9.000 EUR nicht tarifbegünstigt sind, sowie
2. bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen ein Verlust aus dem Ausfall von Darlehensforderungen i. H. von 150.000 EUR, der nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b des Einkommensteuergesetzes der tariflichen Einkommensteuer unterfällt,
berücksichtigt werden.
Die Berechnung der Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leisten.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
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Streitig ist die (Nicht-) Anerkennung von Verlusten im Zusammenhang mit der Auflösung einer Kapitalgesellschaft im Veranlagungszeitraum 2016.
3
Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
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Der 19.. geborene Kläger war Gesellschafter der im Jahr 2000 unter der Firma A GmbH als Vorratsgesellschaft gegründeten B GmbH mit Sitz in Z-Stadt, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Z-Stadt unter HRB 0000, beteiligt. Die Stammeinlage der Gesellschaft wurde in voller Höhe erbracht. Zunächst waren bei Erwerb der Vorratsgesellschaft C zu 98% sowie die Klägerin und D zu je 1% beteiligt. Die Geschäftsanteile wurden in späteren Jahren innerhalb der Familie ... mehrfach unentgeltlich bzw. zum Nennwert übertragen. Der Kläger war schließlich durch Geschäftsanteilsübertragungsvertrag vom ... 2006 (UR-Nr. 0000/2006 des Notars E in Z-Stadt) mit einem Geschäftsanteil im Nennbetrag von 20.000,00 EUR (entspricht 80 % des Stammkapitals) an der B GmbH beteiligt. Er war zudem bis zum ...2016 Geschäftsführer der B GmbH. Die Gesellschaft betrieb eine Spedition.
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Ebenso war der Kläger als Kommanditist mit einer Kommanditeinlage in Höhe von 3.000 EUR an der F GmbH & Co. KG mit Sitz in Z-Stadt, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Z-Stadt unter HRA 00000 (F KG), sowie an deren Komplementärin, der G GmbH, mit Sitz in Z-Stadt, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Z-Stadt unter HRB 00000, mit einem Anteil am Stammkapital in Höhe von 15.000,00 EUR (entspricht 60 % des Stammkapitals) beteiligt. Die Anteile an der G GmbH hielt der Kläger im Sonderbetriebsvermögen bei der F KG.
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Die Klägerin unterzeichnete mit Datum vom 17.07.2013 eine selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft bis zu einem Betrag in Höhe von 169.000,00 EUR gegenüber der Bank 1 (Bank 1). Die Klägerin war an der B GmbH nicht beteiligt.
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Die Bürgschaft diente der Sicherung verschiedener Darlehen sowie eines Kontokorrentkontos der B GmbH. Die Bürgschaftsvereinbarung enthielt unter Ziffer 3.1 den Passus, dass die Bürgschaft frühestens ein Jahr nach ihrer Übernahme unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten schriftlich gekündigt werden könne; das Recht auf Kündigung aus wichtigem Grund bleibe unberührt.
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Mit notariell beurkundeten Unternehmenskaufvertrag vom ... 2015 (UR-Nr. 000/2015 des Notars H in Z-Stadt) veräußerte der Kläger seine Beteiligungen an der F KG und der G GmbH zu einem Gesamtkaufpreis in Höhe von 400.000,00 EUR. Hierbei entfielen 385.000,00 EUR auf den Kommanditanteil an der F KG sowie 15.000,00 EUR auf den Anteil an der G GmbH. Verkauf und Abtretung sollten mit wirtschaftlicher Wirkung zum ...2016 erfolgen.
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Der Kläger schloss mit der B GmbH mit Datum vom 27.12.2015 zwei Darlehensverträge. In einer Darlehensvereinbarung über 100.000,00 EUR war vorgesehen, dass der Darlehensgeber das Darlehen mit einer Kündigungsfrist von einem Monat kündigen und die Rückzahlung des Darlehens verlangen kann. Sicherheiten wurden nicht verlangt. In der weiteren Darlehensvereinbarung war eine Rückzahlung des Darlehens am 31.12.2016 mit der Möglichkeit einer Prolongation durch eine zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer zu treffende Vereinbarung vorgesehen. Dieser Vertrag war vorbehaltlich der Kündigungsrechte nach den §§ 489, 490 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) beiderseits unkündbar. Als Sicherheit war die Sicherungsübereignung verschiedener Auflieger vorgesehen. Hinsichtlich dieser Darlehensvereinbarung liegen zwei Fassungen vor: In einer Fassung beträgt der Darlehensbetrag 100.000,00 EUR, in der zweiten Fassung beträgt der Darlehensbetrag 50.000,00 EUR, zudem ist der Passus zu den zu gewährenden Sicherheiten durchgestrichen.
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Die Auszahlung zweier Beträge über jeweils 100.000,00 EUR erfolgte jeweils über ein Konto des Klägers bei der Bank 1 mit Valuta 28.12.2015. Die beiden Beträge wurden auf Seiten der B GmbH auf dem Konto 0000 (Erhaltene Anzahlungen mit einer Restlaufzeit bis zu 1 Jahr) verbucht. In Höhe von 50.000,00 EUR erfolgte eine Verrechnung mit Forderungen auf dem Forderungskonto der B GmbH gegenüber dem Kläger (Konto 0000.00, Forderungen gegen GmbH-Gesellschafter (I)).
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Am ...2016 stellten die Geschäftsführer der B GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit. Durch Beschluss des Amtsgerichts Z-Stadt vom ... 2016 (00 IN 00/16) wurde über das Vermögen der B GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.
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In dem Insolvenzgutachten der B GmbH vom 30.05.2016 wurden ebenso wie in dem Bericht des Insolvenzverwalters vom 18.08.2016 keine Forderungen des Klägers gegenüber der Gesellschaft aufgeführt.
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Infolge des Insolvenzantrags kündigte die Bank 1 mit Schreiben vom ...2016 das bestehende Kontokorrentkonto nebst eingeräumtem Kreditrahmen in Höhe von 125.000 EUR und stellte den auf dem Konto befindlichen Negativsaldo in Höhe von 123.209,36 EUR fällig. In weiterem Schriftwechsel wurde der Bank 1 zur Abgeltung der Bürgschaftsschuld eine Einmalzahlung in Höhe von 18.500 EUR angeboten. Dieser Betrag wurde von der Bank 1 mit Schreiben vom 08.02.2017 und 16.02.2017 lediglich als Teilzahlung akzeptiert.
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Die Zahlung in Höhe von 18.500 EUR erfolgte mit Valuta 22.02.2017 von einem Konto der Klägerin bei der Bank 2. Mit Valuta 21.02.2017 erfolgte eine Überweisung in gleicher Höhe von einem Konto des Klägers auf das Konto der Klägerin.
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In ihrer Einkommensteuererklärung 2016 machten die Kläger einen Verlust nach § 17 EStG in Höhe von insgesamt 170.000,00 EUR vor Anwendung des Teileinkünfteverfahrens (TEV) geltend. Dieser setzte sich zusammen aus dem Verlust des Stammkapitals in Höhe von 20.000,00 EUR sowie dem Verlust aus Darlehen in Höhe von 150.000,00 EUR.
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Mit Bescheid vom 02.03.2018 berücksichtigte das beklagte Finanzamt (FA) bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb einen Verlust im Sinne des § 17 EStG in Höhe von 12.000 EUR (nach Anwendung des TEV, 60% von 20.000 EUR). Als Gewinn aus der Veräußerung der Beteiligungen an der F KG und der G GmbH wurde ein Betrag von 394.000 EUR berücksichtigt.
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Gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 legten die Kläger am 23.03.2018 Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, dass bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb ein Verlust in Höhe von 188.500,00 EUR zu berücksichtigen sei. Neben dem bereits erklärten Verlust des Stammkapitals in Höhe von 20.000,00 EUR sowie dem Verlust aus Darlehen in Höhe von 150.000,00 EUR machten die Kläger nunmehr zusätzlich den auf Grund der Bürgschaftsinanspruchnahme geleisteten Betrag in Höhe von 18.500,00 EUR geltend. Der insgesamt gewährte Betrag in Höhe von 200.000,00 EUR sei in Höhe von 150.000,00 EUR als Darlehen gewährt worden, in Höhe von 50.000,00 EUR habe der Kläger sein negatives Gesellschafterverrechnungskonto ausgeglichen.
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Hinsichtlich der Bürgschaft sei lediglich die Inanspruchnahme der Klägerin als Bürgin von Seiten der Bank 1 in Frage gekommen, da sie (vor dem Hintergrund einer betrieblichen Haftungsbeschränkung) Eigentümerin des Einfamilienhauses sei. Sofern es sich nicht um nachträgliche Anschaffungskosten des Klägers handele, sei die Bürgschaft in voller Höhe als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen, da die Klägerin als Arbeitnehmerin der B GmbH die Bürgschaft ausschließlich im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Mitarbeiterin der B GmbH übernommen habe. Da zurzeit noch nicht absehbar sei, ob für die Bürgschaft weitere Zahlungen geleistet würden, werde beantragt, den Bescheid bezüglich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorläufig zu erlassen.
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Der Beklagte führte aus, dass die Prüfung, zu welchem Zeitpunkt mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen sei, einzelfallbezogen durchgeführt werden müsse. In Anlehnung an den bilanzrechtlichen Wesentlichkeitsgrundsatz könne von einer Bagatellgrenze in Höhe von 5% ausgegangen werden. In 2016 sei weiterhin ein Betrag von 104.709 EUR strittig und die vorgenannte Bagatellgrenze mithin offensichtlich überschritten gewesen, so dass eine Berücksichtigung des Verlustes im Streitjahr nicht erfolgen könne.
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Mit Schreiben vom 26.11.2019 wies das FA zudem darauf hin, dass im Einkommensteuerbescheid ein Verlust in Höhe von 12.000 EUR berücksichtigt worden sei, obwohl der gesamte Verlust noch nicht hinreichend konkretisiert und damit im Streitjahr nicht anzuerkennen sei. Auf die Möglichkeit der Änderung des Bescheids zum Nachteil der Kläger wurde hingewiesen.
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Das FA wies mit Einspruchsentscheidung vom 05.06.2020 den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück und setzte unter Änderung des Bescheides vom 02.03.2018 die Einkommensteuer auf 146.000,00 EUR herauf. Bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb wurde kein Verlust im Sinne des § 17 EStG und als Veräußerungsgewinn im Sinne der §§ 16, 34 EStG ein Betrag in Höhe von 403.000 EUR berücksichtigt.
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Zur Begründung führt das FA aus: Selbst wenn aufgrund der eingereichten Unterlagen davon ausgegangen werden könne, dass sowohl der Verlust der Darlehensforderungen als auch der Verlust des Stammkapitals bereits bei Insolvenzeröffnung festgestanden hätten, sei weiterhin die Inanspruchnahme aus der Bürgschaftsverpflichtung strittig. Auf Grund dieses Umstands sei die Bagatellgrenze damit weit überschritten und der Verlust insgesamt im Streitjahr nicht hinreichend konkretisiert.
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Mit Schreiben vom 05.09.2019 teilte der Insolvenzverwalter mit, dass eine Rückzahlung der durch den Kläger am 28.12.2015 gezahlten Darlehensbeträge in Höhe von 150.000,00 EUR bis zur Insolvenzeröffnung nicht ersichtlich sei. Mit weiterem Schreiben vom 27.01.2020 bestätigte der Insolvenzverwalter, dass bereits bei Insolvenzeröffnung nicht damit zu rechnen gewesen sei, dass an den Kläger als Gesellschafter der B GmbH im Rahmen des Insolvenzverfahrens Zahlungen fließen würden. Das Insolvenzverfahren ist bislang nicht abgeschlossen. Laut Zwischenbericht des Insolvenzverwalters vom 22.08.2022 entfällt auf die Insolvenzgläubiger eine Quote von rund 17,9%. Ein Verfahrensabschluss sei noch nicht absehbar.
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Gegen die Einspruchsentscheidung haben die Kläger mit Schreiben vom 30.06.2020, eingegangen bei Gericht am 03.07.2020, Klage erhoben.
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Zur Begründung führen sie aus, dass hinsichtlich der Veräußerung der Anteile an der F KG und des Anteils an der G GmbH ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn im Sinne der §§ 16, 34 EStG in Höhe von 394.000,00 EUR anzusetzen sei. Der im geänderten Bescheid vom 05.06.2020 angesetzte Betrag in Höhe von 403.000,00 EUR führe zu einer teilweisen Doppelerfassung des Veräußerungsgewinns.
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In Bezug auf die Insolvenz der B GmbH seien der Verlust des Stammkapitals in Höhe von 20.000,00 EUR und des eigenkapitalersetzenden Darlehens in Höhe von 150.000,00 EUR bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb bzw. aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen. Die Darlehen seien in der Krise der Gesellschaft hingegeben worden. Bereits im März 2015 sei in einer Planrechnung ermittelt worden, dass die Kreditlinie auf mindestens 425.000,00 EUR auszuweiten gewesen wäre. Dies sei mit den Banken jedoch nicht zu realisieren gewesen. Im November 2015 habe es zudem ein Krisengespräch mit den Geschäftsführern der Gesellschaft gegeben. Grund für das Gespräch sei gewesen, dass das betriebswirtschaftliche Ergebnis negativ gewesen und zudem weiterer Abschreibungsbedarf hinsichtlich uneinbringlicher Forderungen in Höhe von rund 150.000,00 EUR ermittelt worden sei sowie eine als sonstiger Vermögensgegenstand ausgewiesene Schadensersatzforderung sich als nicht werthaltig abgezeichnet habe. Im Dezember 2015 sei dann zu befürchten gewesen, dass die Gesellschaft ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr würde nachkommen können, so dass der Kläger die streitgegenständlichen Darlehen gewährt habe. Der Darlehensvertrag über 100.000,00 EUR sei von Anfang an unbesichert gewesen; der Darlehensvertrag über 50.000,00 EUR habe zunächst Sicherheiten vorgesehen, tatsächlich seien die Fahrzeugscheine jedoch nie an den Kläger herausgegeben und der entsprechende Passus herausgenommen worden.
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Bereits in 2016 habe zweifelsfrei festgestanden, dass mit einer Rückzahlung sowohl des eigenkapitalersetzenden Darlehens als auch des Stammkapitals nicht mehr zu rechnen gewesen sei. Dies ergebe sich aus der Bestätigung des Insolvenzverwalters vom 05.09.2019. Der Verlust im Sinne des § 17 EStG sei deshalb bereits im Streitjahr zu berücksichtigen. Die zu Unrecht geforderte Inanspruchnahme der Klägerin aus der Bürgschaft könne nicht dazu führen, dass der im Streitjahr bereits feststehende Verlust aus dem kapitalersetzenden Darlehen und dem Stammkapital des Klägers nicht anerkannt werde. Zudem sei die Höhe der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft auch nicht mehr strittig, es werde insoweit auf das Urteil das Landgerichts Z-Stadt vom 17.06.2020, das einen Anspruch der Bank 1 verneint habe, verwiesen. Von der Zahlung der Bürgin sei zudem am 11.11.2020 eine Überzahlung in Höhe von 2.446,00 EUR zurückgezahlt worden. Während die Kläger zunächst auch die Berücksichtigung der Bürgschaftsinanspruchnahme im Streitjahr begehrten, haben sie hieran zuletzt nicht mehr festgehalten.
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Die Kläger beantragen nunmehr,
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den Einkommensteuerbescheid 2016 vom 02.03.2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.06.2020 dahingehend zu ändern, dass
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1. bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb
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a) ein Verlust i. S. des § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes i. H. von 12.000 EUR nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens und
32
b) Veräußerungsgewinne i. S. der §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes statt i. H. von 403.000 EUR i. H. von 394.000 EUR, die i. H. von 9.000 EUR nicht tarifbegünstigt sind, sowie
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2. bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen ein Verlust aus dem Ausfall von Darlehensforderungen i. H. von 150.000 EUR, der nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b des Einkommensteuergesetzes der tariflichen Einkommensteuer unterfällt,
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berücksichtigt werden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb Veräußerungsgewinne i. S. der §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes statt in Höhe von 403.000 EUR in Höhe von 394.000 EUR, die i. H. von 9.000 EUR nicht tarifbegünstigt sind, berücksichtigt werden.
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Er führt zur Begründung aus: Der Gewinn aus der Veräußerung des Anteils an der J GmbH sei von den Klägern in ihrer Einkommensteuererklärung erklärt und vom Beklagten entsprechend angesetzt worden. Da der GmbH-Anteil Sonderbetriebsvermögen der F KG darstelle, sei dieser Gewinn bereits im durch (geänderten) Feststellungbescheid vom 09.09.2019 festgestellten Veräußerungsgewinn enthalten und es liege insofern tatsächlich eine Doppelerfassung vor. Der Veräußerungsgewinn sei daher lediglich in Höhe von 394.000 EUR anzusetzen.
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Der Verlust aus der Insolvenz der B GmbH sei nicht in 2016 zu berücksichtigen, da er im Streitjahr nicht hinreichend konkretisiert gewesen sei. Selbst wenn die Darlehensforderung und der Verlust des Stammkapitals bereits im Jahr 2016 festgestanden hätten, sei die Höhe der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft weiterhin strittig, da diese lediglich dem Grunde und nicht der Höhe nach feststehe. Auch das im Jahr 2020 ergangene Urteil des Landgerichts Z-Stadt führe nicht dazu, dass der Verlust rückwirkend für den Zeitraum 2016 konkretisiert werde und bereits in 2016 zu berücksichtigen sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten sowie die ebenfalls beigezogene Insolvenzakte des Amtsgerichts Z-Stadt verwiesen.
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Entscheidungsgründe
41
I. Die Klage ist begründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2016 vom 02.03.2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.06.2020 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), soweit der Beklagte im Zusammenhang mit der Veräußerung der Anteile an der F KG und der J GmbH Veräußerungsgewinne i. S. der §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. H. von 403.000 EUR statt i. H. von 394.000 EUR (hierzu unter 1.) und im Zusammenhang mit der Auflösung der B GmbH Verluste nicht nach § 17 EStG (hierzu unter 2.) bzw. nach § 20 EStG (hierzu unter 3.) berücksichtigt hat.
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1. Der Vorgang der Veräußerung der Anteile an der J GmbH zu einem Kaufpreis in Höhe von 15.000,00 EUR sowie der Anteile an der F KG zu einem Kaufpreis in Höhe von 385.000,00 EUR führt zu Veräußerungsgewinnen i. S. der §§ 16, 34 EStG i. H. von 394.000 EUR, die in Höhe von 9.000 EUR nicht tarifbegünstigt sind. Dieser Vorgang ist bereits im (geänderten) Feststellungbescheid der F KG vom 09.09.2019 berücksichtigt und hat über diesen Eingang in den angefochtenen Einkommensteuerbescheid gefunden. Die Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns in Höhe von 403.000,00 EUR in dem angefochtenen Bescheid vom 05.06.2020 führt zu einer Doppelerfassung des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an der J GmbH (60% von 15.000,00 EUR). Die (zusätzliche) originäre Berücksichtigung im Einkommensteuerbescheid ist daher unzutreffend. Dies ist zwischen den Beteiligten mittlerweile unstreitig.
43
2. Der Verlust des auf den Kläger entfallenden Stammkapitals in Höhe von 20.000 EUR im Zusammenhang mit der Auflösung der B GmbH ist als Auflösungsverlust nach § 17 Abs. 4 EStG im Streitjahr zu berücksichtigen.
44
Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört nach § 17 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 4 Satz 1 EStG auch der Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1% beteiligt war. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung der Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste.
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Der Kläger war innerhalb der letzten fünf Jahre vor Auflösung an der B GmbH zu 80% beteiligt. Über das Vermögen der B GmbH wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Z-Stadt vom ...2016 das Insolvenzverfahren eröffnet und diese damit nach § 60 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung aufgelöst.
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a) Auflösungsverlust im Sinne des § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG ist der Betrag, um den die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen persönlich getragenen Kosten (entsprechend den Veräußerungskosten nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) sowie seine Anschaffungskosten den gemeinen Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen (vgl. BFH-Urteil vom 12.12.2000 VIII R 22/92, BStBl II 2001, 385; und vom 09.06.2010 IX R 52/09, BStBl II 2010, 1102). Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben.
47
Bei dem eingezahlten und auf den Kläger entfallenden Stammkapital handelt es sich um Anschaffungskosten im Sinne des § 17 EStG, die mithin als Auflösungsverlust nach § 17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigen sind.
48
b) Dieser Verlust steht auch für Zwecke des § 17 EStG im Streitjahr fest. Die Ermittlung des Gewinns oder Verlusts aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft erfordert eine Stichtagsbewertung, die auf den Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns oder Verlusts vorzunehmen ist. Maßgebend ist der Zeitpunkt, zu dem bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1, § 5 EStG nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung der Gewinn oder Verlust realisiert wäre. Während ein Gewinn erst in dem Jahr zu erfassen ist, in dem das auf die Beteiligung entfallende Vermögen der Gesellschaft verteilt wurde, kann ein Verlust bereits in dem Jahr erfasst werden, in dem mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlusts nicht mehr zu rechnen ist (BFH-Urteil vom 19.11.2019 IX R 7/19, BFH/NV 2020, 675 m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung des BFH).
49
aa) Ein Auflösungsverlust steht fest, wenn der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens einerseits (§ 17 Abs. 4 Satz 2 EStG) und die Liquidations- und Anschaffungskosten des Gesellschafters andererseits (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) feststehen. Gleiches gilt, wenn sicher ist, dass eine Zuteilung oder Zurückzahlung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter ausscheidet und wenn die durch die Beteiligung veranlassten Aufwendungen feststehen (BFH-Urteil vom 01.07.2014 IX R 47/13, BStBl II 2014, 786). Die Frage ist aus der Sicht ex ante zu beurteilen; nachträgliche Ereignisse, wie der tatsächliche Ausgang eines Insolvenzverfahrens, sind nicht zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 02.12.2014 IX R 9/14, BFH/NV 2015, 666).
50
Im Fall der Liquidation der Gesellschaft schließt der BFH eine Zuteilung oder Zurückzahlung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter regelmäßig erst dann aus, wenn die Liquidation abgeschlossen ist (BFH-Urteil vom 13.10.2015 IX R 41/14, BFH/NV 2016, 385). Nur ausnahmsweise kann dafür auf einen früheren Zeitpunkt abgestellt werden (BFH-Urteil vom 27.11.2001 VIII R 36/00, BStBl II 2002, 731), etwa wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist oder wenn aus anderen Gründen feststeht, dass die Gesellschaft bereits im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses vermögenslos war (BFH-Urteil vom 04.11.1997 VIII R 18/94, BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344). In diesen Fällen kann die Möglichkeit einer Zuteilung oder Zurückzahlung von Restvermögen an die Gesellschafter ausgeschlossen werden (BFH-Urteil vom 10.05.2016 IX R 16/15 BFH/NV 2016, 1681). Bei einer Auflösung der Gesellschaft infolge Eröffnung des Insolvenzverfahrens lässt sich diese Feststellung regelmäßig noch nicht treffen (BFH-Urteil vom 12.12.2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761).
51
Ebenso setzt die Entstehung eines Auflösungsverlustes voraus, dass auch die Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten feststeht. Es muss daher absehbar sein, ob und in welcher Höhe dem Gesellschafter noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG berücksichtigungsfähige Veräußerungs- oder Aufgabekosten entstehen. Zu der Beurteilung der Vermögenslage auf der Ebene der Gesellschaft muss also die Beurteilung der Vermögenslage auf der Ebene des Gesellschafters hinzutreten (BFH-Urteil vom 19.11.2019 IX R 7/19, BFH/NV 2020, 775).
52
bb) Die Voraussetzungen im vorgenannten Sinne sind im Streitjahr erfüllt. Zwar ist im vorliegenden Fall das Insolvenzverfahren im Streitjahr (und bis heute) noch nicht abgeschlossen. Es ergibt sich jedoch bereits aus dem Bericht des Insolvenzverwalters vom 18.08.2016, dass nicht ernsthaft damit zu rechnen war, dass die Verwertung des Gesellschaftsvermögens stille Reserven in einem solchen Umfang aufdecken würde, der neben der Ablösung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft auch noch die Rückzahlung von Stammeinlagen bzw. eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen ermöglichen würde. Ausweislich des Berichts standen einer freien Masse in Höhe von 1.418.869,89 EUR prognostizierte Masseverbindlichkeiten in Höhe von rund 225.000,00 EUR, Verfahrenskosten in Höhe von rund 240.000,00 EUR und Insolvenzforderungen in Höhe von 4.010.418,21 EUR gegenüber. Dies führte zu einer in diesem Zeitpunkt erwarteten Insolvenzquote von rund 25%. Zudem ergibt sich aus der Bestätigung des Insolvenzverwalters mit Schreiben vom 27.01.2020, dass auch bereits bei Insolvenzeröffnung nicht damit zu rechnen war, dass an den Kläger als Gesellschafter der B GmbH im Rahmen des Insolvenzverfahrens Zahlungen fließen werden.
53
Auch die Voraussetzungen hinsichtlich der Vermögenslage auf der Ebene des Klägers sind im Streitjahr gegeben. Neben dem Kaufpreis für die Anteile an der B GmbH sind hier keine weiteren (nachträglichen) Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG zu berücksichtigen. Dies betrifft die nicht mehr streitgegenständliche Bürgschaftsinanspruchnahme, deren zugrunde liegende Bürgschaft bereits in 2013 und damit zu einem Zeitpunkt gewährt wurde, in dem keine Anhaltspunkte für eine Krise vorgelegen haben, sowie die hingegebenen Darlehen (siehe hierzu unter 3.); weitere berücksichtigungsfähige Veräußerungs- oder Aufgabekosten wurden seitens der Kläger nicht geltend gemacht und sind auch sonst nicht ersichtlich.
54
Zwar führten nach der früheren ständigen Rechtsprechung des BFH auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten waren, zu nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung (vgl. nur BFH-Urteil vom 24.01.2012 IX R 34/10, DStR 2012, 854).
55
(1) Diese bisherigen Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus sog. eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen sind aber nach der aktuellen Rechtsprechung des BFH auf Grund der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) grundsätzlich nicht mehr anzuwenden. Eine weitere Anwendung kann nur aus Gründen des Vertrauensschutzes erfolgen, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum Tag der Veröffentlichung des Urteils des BFH vom 11.07.2017 (IX R 36/15) am 27.09.2017 geleistet hat oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden ist (vgl. BFH-Urteil vom 02.07.2019 IX R 13/18, BStBl II 2020, 89). Die Vertrauensschutzregelung greift hier allerdings nicht (siehe sogleich unter 3.).
56
(2) Kein anderes Ergebnis ergibt sich unter Berücksichtigung des § 17 Abs. 2a EStG; dieser ist nicht anwendbar. Die Vorschrift gilt nach § 52 Abs. 25a Satz 1 EStG grundsätzlich erstmals für nach dem 31.07.2019 erfolgte Veräußerungen oder veräußerungsgleiche Vorgänge. Ein für eine darüber hinausgehende Anwendung erforderlicher Antrag nach § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG liegt im Streitfall nicht vor.
57
c) Der nach § 17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigende Verlust beträgt demnach 20.000 EUR. Auf diesen Verlust findet nach § 3 Nr. 40 Buchst. c) Satz 2 EStG das Teileinkünfteverfahren Anwendung; es erfolgt mithin eine Berücksichtigung i. H. von 12.000 EUR.
58
3. Der Verlust im Zusammenhang mit dem Ausfall der streitgegenständlichen Darlehensforderungen ist als Forderungsausfall nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG zu berücksichtigen.
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a) Einer Berücksichtigung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG steht zunächst die Subsidiaritätsklausel des § 20 Abs. 8 EStG nicht entgegen.
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Die hingegebenen Darlehen sind nicht als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des Auflösungsverlustes nach § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG zu berücksichtigen. Nach der in Reaktion auf die Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG ergangenen Rechtsprechung des BFH sind Aufwendungen aus Fremdkapitalhilfen wie der Ausfall eines vormals „krisenbedingten“, „krisenbestimmten“ oder „in der Krise stehen gelassenen“ Darlehens oder der Ausfall mit einer Bürgschaftsregressforderung grundsätzlich nicht mehr als (nachträgliche) Anschaffungskosten der Beteiligung zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 11.07.2017 IX R 36/15, BStBl II 2019, 208). Etwas anderes kann nur im - hier nicht gegebenen - Fall gelten, dass die vom Gesellschafter gewährte Fremdkapitalhilfe aufgrund der vertraglichen Abreden mit der Zuführung einer Einlage in das Gesellschaftsvermögen wirtschaftlich vergleichbar ist (BFH-Urteil vom 11.07.2017 IX R 36/15, BStBl II 2019, 208).
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Die frühere ständige Rechtsprechung des BFH, nach der auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten waren, zu nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung führen können (vgl. nur BFH-Urteil vom 24.01.2012 IX R 34/10, DStR 2012, 854), findet im Streitfall keine Anwendung. Zwar bezieht sich die typisierende Weitergeltungsanordnung dieser Rechtsprechungsgrundsätze durch das Urteil des BFH vom 11.07.2017 (IX R 36/15, BStBl II 2019, 208) auf eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfen, die ein Gesellschafter bis zum Tag der Veröffentlichung des vorgenannten Urteils des BFH am 27.09.2017 geleistet hat oder die bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden sind. Diese Weitergeltungsanordnung ist jedoch aus Gründen des Vertrauensschutzes geschaffen worden (BFH-Urteil vom 11.07.2017 IX R 36/15, BStBl II 2019, 208 Rn. 41 „Der Senat hält es aus Gründen des Vertrauensschutzes für geboten…“; siehe auch Trossen, in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, EStG, Band 2, § 17 Rn. 475). Hintergrund der Anordnung ist letztlich, dass - vor Einführung der Abgeltungssteuer - ein Forderungsausfall nicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden konnte und mithin die Geltendmachung als Auflösungsverlust im Rahmen des § 17 EStG insoweit die einzige Möglichkeit der Berücksichtigung darstellte. Durch die Vertrauensschutzregelung sollte mithin eine (weitere) Möglichkeit der steuerlichen Berücksichtigung geschaffen werden. Dies hat sich unter Geltung des Abgeltungssteuerregimes geändert (siehe unter b)). Unter Umständen kann sich die Berücksichtigung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen für den Steuerpflichtigen sogar als vorteilhaft darstellen. Solche Umstände sind hier auf Grund der - im Vergleich zum im Rahmen des § 17 EStG geltenden Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Buchst. c Satz 2 EStG) - vorteilhafteren Möglichkeit der vollumfänglichen Berücksichtigung des Verlustes (siehe unter e)) gegeben.
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Vor dem Hintergrund, dass die Vertrauensschutzregelung für den Steuerpflichtigen eine weitere Option schaffen wollte, kann der Steuerpflichtige nicht zur Inanspruchnahme der Regelung verpflichtet werden, wenn sich diese - wie hier - für ihn letztlich ungünstiger darstellt (so auch Förster/von Cölln/Lentz, DB 2020, 353, 359 m.w.N.; Jachmann-Michel, BB 2018, 2329, 2331; Ott, DStZ 2019, 412, 419; vgl. ebenso die Pressemitteilung des BFH Nr. 60/17 vom 27.09.2017 „Diese Fälle sind daher, wenn es für die Steuerpflichtigen günstiger ist, weiterhin nach den bisher geltenden Grundsätzen zu beurteilen.“; a.A. Vogt, in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 17 EStG Rn. 646).
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b) Der endgültige Ausfall einer privaten Darlehensforderung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG führt nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG (BFH-Urteile vom 01.07.2021 VIII R 28/18, DStR 2021, 2338; und vom 24.10.2017 VIII R 13/15, BStBl II 2020, 831). Zwar fehlt es bei einem Forderungsausfall an dem eine Veräußerung im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG kennzeichnenden Rechtsträgerwechsel. Aus der Gleichstellung der Rückzahlung mit dem Tatbestand der Veräußerung einer Kapitalforderung in § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG folgt jedoch, dass auch eine endgültig ausbleibende Rückzahlung zu einem Verlust im Sinne des § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG führen kann (BFH-Urteil vom 01.07.2021 VIII R 28/18, DStR 2021, 2338).
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Auch Gesellschafterdarlehen erfüllen den Begriff der sonstigen Kapitalforderung jeder Art im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (vgl. Jachmann-Michel, BB 2018, 2329, 2330; Moritz/Strohm, DB 2018, 86, 89; Kahlert, DStR 2018, 229). Diese sind im Zeitpunkt ihrer endgültigen Wertlosigkeit (hierzu unter d)) als „Rückzahlung zu Null“ nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG vollständig zu berücksichtigen (Desens, DStR 2019, 1071, 1074).
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c) Die im Rahmen des § 20 EStG erforderliche Einkünfteerzielungsabsicht ist im Streitfall zu bejahen. Auch bei Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 EStG ist das Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht für jede einzelne Kapitalanlage getrennt zu beurteilen (BFH-Urteil vom 14.05.2014 VIII R 37/12, BFH/NV 2014, 1883 m.w.N.). Das Erfordernis der Einkünfteerzielungsabsicht ist allerdings unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten der Einkunftsart hinsichtlich der Einkünfteermittlung zu prüfen (BFH-Urteil vom 14.03.2017 VIII R 38/15, BStBl II 2017, 1040). Die durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 mit der Abgeltungsteuer als Schedule eingeführten Besonderheiten der Einkünfte aus Kapitalvermögen bedingen eine tatsächliche (widerlegbare) Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht, da mit der Abgeltungsteuer in § 20 EStG umfassend alle in Betracht kommenden Kapitalanlagen, insbesondere auch realisierte Wertsteigerungen des Kapitalstamms, erfasst werden sollten (BFH-Urteil vom 14.03.2017 a.a.O.).
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Im Streitfall fehlen relevante Anhaltspunkte für eine Widerlegung der Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers in diesem Zeitpunkt in Bezug auf die Darlehen. Insbesondere sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger bereits im Zeitpunkt der Hingabe der Darlehen von einer Wertlosigkeit seiner entsprechenden Forderungen ausging.
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d) Der Verlust ist auch für Zwecke des § 20 EStG im Streitjahr realisiert. Ein steuerbarer Verlust auf Grund eines Forderungsausfalls liegt für Zwecke des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG grundsätzlich erst dann vor, wenn endgültig feststeht, dass (über bereits gezahlte Beträge hinaus) keine (weiteren) Rückzahlungen (mehr) erfolgen werden (BFH-Urteil vom 14.03.2017 VIII R 38/15, BStBl II 2017, 1040). Ausnahmsweise kann der Verlust allerdings schon zu einem früheren Zeitpunkt entstanden sein, wenn bei objektiver Betrachtung bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit Rückzahlungen auf die Forderung zu rechnen ist und ausreichende objektive Anhaltspunkte für eine Uneinbringlichkeit der Forderung vorliegen (BFH-Urteile vom 01.07.2021 VIII R 28/18, DStR 2021, 2338; und vom 27.10.2020 IX R 5/20, BStBl II 2021, 600). Diese objektiven Anhaltspunkte ergeben sich hier aus dem Bericht des Insolvenzverwalters vom 18.08.2016 und seiner Bestätigung vom 27.01.2020, nach denen nicht ernsthaft damit zu rechnen war, dass die Verwertung des Gesellschaftsvermögens stille Reserven in einem solchen Umfang aufdecken würde, der neben der Ablösung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft auch noch die Bedienung der Darlehen des Klägers ermöglichen würde.
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e) Der Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG i. H. von 150.000 EUR unterfällt nicht dem gesonderten Tarif nach § 32d Abs. 1 EStG. Nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG gilt der gesonderte Tarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d Abs. 1 EStG (in der Fassung vom 26.06.2013) unter anderem nicht für Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG, wenn sie von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der ‒ wie im Streitfall ‒ zu mindestens 10% an der Gesellschaft beteiligt ist. Nach § 32d Abs. 2 Satz 2 EStG finden in diesem Zusammenhang die Verrechnungsbeschränkungen des § 20 Abs. 6 und 9 EStG keine Anwendung.
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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung und die Übertragung der Berechnung der Einkommensteuer auf den Beklagten auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
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III. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.