10.03.2025 · IWW-Abrufnummer 246962
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 09.07.2024 – 9 K 86/24
Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Klägerin (Klin) ist eine Partnerschaft von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern. Sie wurde im Jahr XXXX gegründet und nahm ihre Geschäftstätigkeit zum XX.XX.XXXX auf. Die Klin ermittelt ihren handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Sie erzielt stets Umsätze in einer Größenordnung von EUR XXX p.a. Die Umsatzsteuer-(USt)-Festsetzungen erfolgten für die Veranlagungszeiträume (VZ) 2006 bis 2018 jeweils gemäß § 20 S. 1 Nr. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) nach vereinnahmten Entgelten (sog. Ist-Besteuerung). Mit Bescheid vom 28.09.2020 und Einspruchsentscheidung vom 18.05.2022 widerrief der Beklagte (Bekl) die konkludent erteilte Gestattung zur Ist-Besteuerung nach § 20 UStG ab dem 01.01.2019 sowie für die darauffolgenden Kalenderjahre. Zur Begründung führte er aus, die Klin überschreite die Umsatzgrenze nach § 20 S. 1 Nr. 1 UStG und § 20 S. 1 Nr. 3 UStG greife nicht, da diese freiwillig Bücher führe. Die hiergegen von der Klin vor dem erkennenden Senat erhobene Anfechtungsklage (Az. 9 K 1220/22) ruht.
2
Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied mit Beschluss vom 23.12.2021 V B 22/21 (BFH/NV 2022, 741 [BFH 02.02.2022 - III R 7/20] (es handelte sich um das Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss des erkennenden Senats vom 10.03.2021 9 V 3053/20 im vorläufigen Rechtsschutz zur o.g. ruhenden Anfechtungsklage), dass bei einer konkludent erteilten Gestattung der Ist-Besteuerung grundsätzlich kein Dauerverwaltungsakt vorliege, sondern diese immer nur für den jeweiligen Besteuerungszeitraum gelte. Vor diesem Hintergrund beantragte die Klin mit Schreiben vom 06.12.2023 beim Bekl die Genehmigung der Ist-Besteuerung für sämtliche Besteuerungszeiträume ab dem 01.01.2021 (...). Der Bekl lehnte dies mit Bescheid vom 13.12.2023 ab (...); seine Begründung hierfür entsprach der aus dem o.g. Parallelklageverfahren. Die Klin erhob hiergegen am 12.01.2024 (die vorliegende) Sprungklage, der der Bekl am 23.01.2024 zustimmte.
3
Die Klin trägt im Wesentlichen vor, sie habe Anspruch auf die Genehmigung zur Ist-Besteuerung. Es seien die Voraussetzungen des § 20 S. 1 Nr. 3 UStG erfüllt, da sie ausschließlich Umsätze aus freiberuflicher Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) ausführe, was die einzige Tatbestandsvoraussetzung sei. Das Ermessen des Bekl sei daher auf Null reduziert. Entgegen der Ansicht des Bekl existiere das einschränkende ungeschriebene negative Tatbestandsmerkmal nicht, das hinsichtlich der privilegierten Umsätze das Führen von Büchern unterbleibe. Der Bekl rekurriere hierfür auf das BFH-Urteil vom 22.07.2010 V R 4/09 (Bundessteuerblatt -BStBl- II 2013, 590) und auf das BMF-Schreiben vom 31.07.2013 (BStBl I 2013, 694). Nach dem BFH ergebe sich aus dem Normzweck des § 20 UStG, dass die Genehmigung zur Ist-Besteuerung zu versagen sei, wenn über die privilegierten Umsätze tatsächlich - aufgrund gesetzlicher Verpflichtung oder freiwilligem Entschluss - Bücher geführt würden. Der Bekl übersehe hierbei, dass es sich bei der maßgeblichen Passage des BFH-Urteils, das eine Freiberufler-GmbH betreffe, die gesetzlich buchführungspflichtig gewesen sei, bezogen auf Fälle freiwilliger Buchführung um ein obiter dictum ohne jegliche präjudizielle Wirkung handle. Zudem sei die BFH-Auffassung im Urteil vom 22.07.2010 V R 4/09 (a.a.O.) mit dem ungeschriebenen Merkmal der "Nichtbuchführung" gesetzeswidrig, da sie die Grenzen der Gesetzesauslegung sowie der richterlichen Rechtsfortbildung überschreite und gegen die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) jüngst mit Beschluss vom 28.11.2023 2 BvL 8/13 (Deutsches Steuerrecht -DStR- 2024, 155) in Erinnerung gerufenen und präzisierten Auslegungsgrundsätze verstoße. Aus dem allgemeinen Normzweck (Vermeidung zusätzlicher Aufzeichnungen) werde nämlich eine Gesetzesauslegung abgeleitet, die im Wortlaut der Norm keinerlei Niederschlag gefunden habe und sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien ergebe (BFH Rn. 30 gegen BVerfG Rn. 128). Nach dem Bestimmtheitsgebot (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz, GG) sei der Gesetzgeber - insbesondere im Bereich des Steuerrechts als Eingriffsrecht - dazu verpflichtet, eine Norm möglichst klar und genau zu formulieren. Hierzu hätte es dem Gesetzgeber offen gestanden, eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf nichtbuchführende Freiberufler in den Wortlaut des § 20 S. 1 Nr. 3 UStG aufzunehmen. Er habe dies jedoch nicht getan. Die eingehende historische Analyse des BFH (Rn. 19-28) belege, dass dem Gesetzgeber der mögliche Zusammenhang von Buchführungspflicht und Gestattung der Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten vollkommen bewusst gewesen sei. In Kenntnis dieser Thematik habe er sich jedoch dagegen entschieden, den Befreiungstatbestand für Freiberufler mit der Buchführungspflicht (von einer freiwilligen Buchführung zu schweigen) zu verknüpfen (BFH Rn. 27 gegen BVerfG Rn. 124). Der BFH leite in längerer historischer und systematischer Analyse ab, dass § 20 Abs. 1 S. 1 UStG an die Buchführungspflicht anknüpfe (BFH Rn. 19-29); die in Rn. 30 plötzlich vorgenommene Ausdehnung auf eine freiwillige Buchführung finde nach der eigenen Analyse des BFH keinerlei Rechtfertigung im Gesetzeswortlaut, in der Entstehungsgeschichte, in der Gesetzessystematik oder den Gesetzesmaterialien (BFH Rn. 30 gegen BVerfG Rn. 118). Der BFH setze damit eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellungen an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers (BFH Rn. 30 "wäre es nicht zu rechtfertigen" gegen BVerfG Rn. 194 und 196). Es handele sich nicht mehr um eine Auslegung des § 20 S. 1 Nr. 3 UStG, sondern um eine nur der Legislative zustehende Erweiterung des gesetzlichen Tatbestands um ein weiteres negatives Ausschlussmerkmal (Rau/Dürrwächter/Frye, a.a.O., § 20 Rn. 188).
4
Unabhängig hiervon verkürze die BFH-Auslegung den Gesetzeszweck des § 20 S. 1 Nr. 3 UStG unzutreffend, da diese vorrangig auf die Vereinfachung im Hinblick auf zusätzliche Aufzeichnungspflichten für die USt abstelle. Zutreffend betrachtet ziele die Ist-Besteuerung dagegen vor allem darauf ab, in den gesetzlich geregelten Fällen eine Vorfinanzierung der USt durch den Unternehmer zu vermeiden. Der Gesetzgeber habe mit der Soll-Besteuerung bzw. der zeitlichen Verschiebung der Besteuerung fiskalisch unerwünschte Folgen, nämlich die Kreditgewährung an die Unternehmen, vermeiden wollen. Dieser habe aber ausweislich der Gesetzesmaterialien erkannt, dass eine den Fiskalzwecken zuwider gehende "Kreditgewährung" (typisierend) bei den freien Berufsangehörigen gar nicht zu besorgen sei. Die mit der Ist-Besteuerung einhergehende Vorfinanzierungsbelastung von Unternehmern erfahre dadurch eine Abmilderung, dass die Vorsteuer auf Eingangsumsätze noch vor tatsächlichem Liquiditätsabfluss erstattet werden könne. Dies trete jedoch nicht ein, wenn den vorfinanzierten Ausgangsumsätzen (i.d.R.) keine erheblichen vorsteuerbelasteten Eingangsleistungen gegenüberstünden. Eben dies sei bei den freien Berufen der Fall, da deren Tätigkeit sich durch persönliche und ihre Werte selbst schaffende Dienstleistungen auszeichne. Der weit überwiegende Teil der Kosten entfalle auf nicht mit USt belastete Gehaltszahlungen und die Eigentätigkeit. Die Differenz zwischen USt und der geringen Vorsteuer sei daher derart groß, dass der vom Gesetzgeber intendierte Ausgleich zwischen beiden nicht zum Tragen komme (vgl. Rau/ Dürrwächter/Frye, a.a.O., § 20 Rn. 68; Stadie, a.a.O., § 20 Rn. 15 f.). Entsprechend habe der Finanzausschuss des Bundestages konstatiert, dass "...es Bereiche gibt, in denen die vollkommene Soll-Besteuerung nicht geführt werden kann, wie z.B. bei freien Berufen... (Bericht vom 30.03.1967, Allgemeines 6., zu BT-Drucks. V/181). Die irreführende systematische Stellung dieser Ausführungen unter der Überschrift "Vereinfachungsmöglichkeit" möge als Ursprung der Verwirrung um das maßgebliche Telos des § 20 S. 1 Nr. 3 UStG gesehen werden. Die Interpretation des Tatbestands des § 20 UStG sei daher stets einzubetten in den mit der USt verbundenen Belastungszweck bei Beachtung des - mit dem Paradigmenwechsel zu einer umfassenden Soll-Besteuerung verbundenen - eigentlichen Ansinnens des historischen Gesetzgebers. Es liefe der die freien Berufe begünstigenden Zielsetzung eindeutig zuwider, würde man die Privilegierung bzw. - treffender - die "Verschonung" der freien Berufe von der sie treffenden, liquiditätswirksamen Vorfinanzierungsbelastung mit dem Hinweis auf das Fehlen von Erleichterungen im Zusammenhang mit Aufzeichnungspflichten verwerfen. Das nach der BFH-Ansicht vorherrschende Motiv des § 20 S. 1 Nr. 3 UStG, solchen Unternehmen, die zu einer vereinfachten Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG befugt seien, Aufzeichnungspflichten lediglich für umsatzsteuerliche Zwecke zu ersparen, könne allenfalls Nebenzweck sein. In der Praxis laufe dieser vermeintliche Hauptzweck ohnehin leer, da die durch eine freiwillige Buchführung einhergehende Arbeitserleichterung i.d.R. nur in der (Gesetzes-) Theorie eintrete. Denn für die Durchführung der Soll-Besteuerung bedürfe es keiner (doppelten) Buchführung, sondern schlicht Aufzeichnungen über die vereinbarten Forderungen. Auch nichtbuchführende Unternehmen führten jedoch - in aller Regel - über ihre ausstehenden Forderungen laufende Verzeichnisse, etwa Offene-Posten (OPOS) - Listen (vgl. Stadie, a.a.O., § 20 Rn. 48; Rau/Dürrwächter/Frye, a.a.O., § 20 Rn. 189 ff.). Davon gehe auch die Finanzverwaltung aus (vgl. OFD Niedersachsen, Verfügung vom 17.12.2013 - S 7368 - 28 - St 181/182 -, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2014, 750).
5
Für ihre (der Klin) Normauslegung spreche ferner das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts (FG) vom 17.12.2013 6 K 1768/11 (juris). Die Entscheidung sei zwar zu § 20 S. 1 Nr. 1 UStG ergangen; die zutreffenden Ausführungen des FG, wonach der Ausschluss buchführender Unternehmen von der Begünstigung der Ist-Besteuerung in den Wortlaut aufzunehmen gewesen wäre, ließen sich aber auf den Streitfall übertragen.
6
Diese Rechtsauffassung habe zudem jüngst durch die mit dem Jahressteuergesetz (JStG) 2022 (Bundesgesetzblatt -BGBl- I 2022, 2294) vorgenommene Ergänzung des § 20 UStG Bestätigung erfahren. Der Gesetzgeber habe - in offensichtlicher Kenntnis der Thematik - für juristischen Personen des öffentlichen Rechts in dem neu eingefügten § 20 S. 1 Nr. 4 UStG als zusätzliche Voraussetzung ein negatives buchführungs-/gewinnermittlungsbezogenes Tatbestandsmerkmal verankert; hätte er die Absicht gehabt, die Genehmigung zur Ist-Besteuerung für Freiberufler mit dem Umstand der (freiwilligen) Buchführung zu verknüpfen, hätte er spätestens zu diesem Zeitpunkt eine entsprechende Regelung auch in den § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG aufnehmen müssen. Dies habe er aber nicht getan. Seitdem sei die vom BFH im Urteil vom 22.07.2010 (a.a.O.) vertretene "extensive" Auslegung der Nr. 3 nicht mehr nur praeter legem, sondern contra legem.
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Nach alledem sei einzig die - wortlautgetreue - Interpretation des § 20 Abs. 1 S. 3 UStG verfassungsrechtlich konform, mithin die Vorschrift auf sämtliche freiberuflich tätige Unternehmen anzuwenden (vgl. etwa Rau/Dürrwächter/Frye, UStG, Losebl., Stand: September 2020, § 20 Rn. 190, mw.N., s.a. Wäger/Mrosek, UStG, 2. Aufl. 2022, § 20 Rn. 23; Stadie, UStG, 3. Aufl. 2015, § 20 Rn. 23).
8
Schließlich habe sie (die Klin) einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit anderen freiwillig buchführenden Freiberuflern. Denn der Bekl gestatte solchen regelmäßig die Ist-Besteuerung. Auch ihr versage er dieses nicht wegen ihrer freiwilligen Buchführung, sondern weil sie ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 EStG) ermittele. Nur in diesem Fall solle nach Auffassung der Finanzverwaltung eine "freiwillige Buchführung" i.S. der BFH-Rechtsprechung vorliegen; dagegen solle eine Buchführung für Zwecke der Einnahmenüberschussrechnung i.S. des § 4 Abs. 3 EStG (EÜR) und des Forderungsmanagements unerheblich sein (BMF vom 21.11.2013, BStBl I 2013, 964, OFD Ns. vom 17.12.2013, UR 2014, 454). Mit dem Gesetz und sogar mit dessen "Auslegung" durch den BFH habe dies nichts zu tun. Der BFH rekurriere ausdrücklich auf "zusätzliche Aufzeichnungen". Diese würden von den meisten Freiberuflern unabhängig von der Gewinnermittlungsart geführt. Der Bekl handele ermessensfehlerhaft, wenn er anderen Freiberuflern, die Bücher führten, die Ist-Besteuerung in ständiger Verwaltungspraxis gestatte, ihr dagegen wegen der Art ihrer Gewinnermittlung versage.
9
Ggf. sei die Revision zuzulassen. Da es sich bei dem BFH-Urteil vom 22.07.2010 V R 4/09 (a.a.O.) für den - vorliegenden - Fall der freiwilligen Buchführung um ein obiter dictum handle, könne die Rechtsfrage nicht als (höchstrichterlich) geklärt gelten. Dies gelte unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen dargelegten Änderung des § 20 UStG noch umso mehr.
10
Die Klin beantragt,
1.
den Bekl zu verpflichten, ihr - unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 13.12.2023 - die Genehmigung zur Ist-Besteuerung gemäß § 20 UStG für die VZ ab 2021 zu erteilen;
2.
hilfsweise die Revision zuzulassen.
11
Der Bekl beantragt,
die Klage abzuweisen.
12
Er trägt im Wesentlichen vor, die Ablehnung der Ist-Besteuerung sei rechtmäßig. Im Urteil vom 22.07.2010 V R 4/09 (a.a.O.) habe der BFH entschieden, dass § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG a.F. nicht anwendbar sei, wenn der Unternehmer buchführungspflichtig sei, und dies auch gelte, wenn er freiwillig Bücher führe. Das BVerfG habe zwar mit Beschluss vom 20.03.2013 1 BvR 3063/10 (Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 2013, 468) die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen; gleichwohl könne aber dem Beschluss entnommen werden, dass die BFH-Rechtsprechung mit dem GG vereinbar sei.
Entscheidungsgründe
13
Die - insbesondere aufgrund der innerhalb der Monatsfrist erfolgte und damit rechtzeitige Zustimmung des Bekl zulässige (§ 45 Abs. 1 FGO) - Sprungklage (in Form der Verpflichtungsklage, § 101 FGO) ist unbegründet.
14
I. Der Bekl hat zu Recht den Antrag der Klin auf Ist-Besteuerung (§ 20 UStG) abgelehnt; diese ist daher nicht in ihren Rechten verletzt. Es sind schon nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 UStG (i.d.F. des Streitjahrs) erfüllt, so dass die Genehmigung (bzw. Erlaubnis) zu versagen war.
15
1. Nach § 20 Abs. 1 S. 1 UStG kann das FA auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer,
1.
dessen Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600.000 Euro betragen hat, oder
2.
der von der Verpflichtung, Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen, nach § 148 der Abgabenordnung befreit ist, oder
3.
soweit er Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes ausführt,
die Steuer nicht nach den vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1), sondern nach den vereinnahmten Entgelten berechnet.
16
2. Es steht - und zwar auch für die Beteiligten - außer Frage, dass für die von der Klin begehrte Genehmigung allenfalls der § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG in Betracht kommt. Dessen Tatbestandsvoraussetzungen liegen aber nicht vor, da die Klin - freiwillig - Bücher führt. Der erkennende Senat folgt insoweit dem Normverständnis des BFH aus dessen Urteil vom 22.07.2010 V R 4/09 (a.a.O., Rz. 30; s.a. Urteil vom 22.07.2010 V R 36/08, BFH/NV 2011, 316), der die Vorschrift - teleologisch reduzierend - dahingehend auslegt, dass die Ist-Besteuerung auch dann nicht in Betracht kommt, wenn der Unternehmer mit den freiberuflichen Umsätzen - verpflichtet oder freiwillig - Bücher führt. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die überzeugende Begründung des BFH (a.a.O., Rz. 26-56) Bezug genommen. Dass diese - wie die Klin anführt - in Bezug auf freiwillig Buchführende als obiter dictum erging (a.a.O., Rz. 30), trifft zwar zu, ändert aber nichts an der inhaltlichen Richtigkeit der Begründung. Des Weiteren hat das BVerfG mit Beschluss vom 20.03.2013 1 BvR 3063/10 (a.a.O.) die Verfassungsgemäßheit der restriktiven BFH-Auslegung zu § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG bestätigt und hierbei insbesondere den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers betont, da es sich um eine Vorschrift handele, die kein materielles Steuerrecht enthalte, sondern nur die Art und Weise der Besteuerung regele, wobei die Ist-Besteuerung eine rechtfertigungsbedürftige Ausnahme vom gesetzlichen Regelfall der Soll-Besteuerung sei. Auch dem folgt der erkennende Senat und verweist für die weitere Begründung des BVerfG auf dessen Beschluss (a.a.O., Rz. 25 ff.).
17
Vor dem dargelegten Hintergrund teilt der erkennende Senat die Rechtsauffassung der Klin von der Gesetzeswidrigkeit der BFH-Auslegung nicht (vgl. aus dem Schrifttum korrespondierend mit der Auffassung der Klin: Frye in: Rau/Dürrwächter/UStG-Kommentar, Stand: 205. Lfg. 8/2023, § 20 Rz. 187 ff., m.w.N.; s.a. Stadie, UR 2010, 241 und UR 2011, 45). Zunächst steht der einschränkenden BFH-Auslegung der Wortlaut des § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG nicht entgegen, da dieser nur auf das Vorliegen von freiberuflichen Umsätzen abstellt, hingegen zur Frage der Buchführung schweigt. Der BFH konnte und musste daher die Entstehungsgeschichte respektive die Gesetzesbegründung, den Normzweck und die Gesetzessystematik, insbesondere im Verhältnis zur Regelung in § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG, zur Ermittlung des objektiven Willens des Gesetzgebers heranziehen. An diesen Kriterien gemessen überzeugt jedoch die BFH-Auslegung. Die amtliche Gesetzesbegründung (BT-Drs. 7/5458, S. 13) stellt nämlich ausdrücklich darauf ab, dass die Angehörigen der freien Berufe im Rahmen der Abgabenordnung (AO) nicht mehr zur Buchführung verpflichtet seien und somit auch § 148 AO, der die Bewilligung von Erleichterungen vorsehe, für diese nicht mehr gelte, diesen aber dennoch die Ist-Besteuerung im bisherigen Umfang ermöglicht werden solle. Damit wird hinreichend erkennbar, dass § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG eine Korrekturregelung zur Regelung in § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG darstellt, die indes mittels des § 148 AO nur begünstigt, sofern keine Buchführung betrieben wird; denn Unternehmern, die gesetzlich schon keine Bücher führen müssen, kann keine Erleichterung nach § 148 AO gewährt werden (vgl. Weymüller in: BeckOK UStG-Kommentar, 40. Edition 01.04.2024, § 20 Rz. 62). Würde man Freiberufler mit Buchführung unter § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG fallen lassen, hätte dies daher eine zweckwidrige Bevorzugung gegenüber dem Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG zur Folge (vgl. Schüler-Täsch in: Sölch/Ringleb, UStG-Kommentar, 99. Lfg. Oktober 2023, § 20 Rz. 57, m.w.N.). Aus den vorstehenden Gründen stellt der BFH zutreffend als Normzweck des § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG die Vermeidung von zusätzlichen Aufzeichnungspflichten für nur umsatzsteuerliche Zwecke in den Vordergrund (vgl. a.a.O., Rz. 30 und 46). Hierbei lässt der BFH erkennbar auch nicht etwa die von der Klin hervorgehobene Vorfinanzierungsbelastung des Unternehmers bei dem gesetzlichen Regelfall der Soll-Besteuerung außer Acht, verweist aber - zusammengefasst - treffend darauf, dass es sich insoweit um eine Grundsatzentscheidung des Unionsgesetzgebers handelt, die innerhalb der diesem zustehenden Typisierungsbefugnis rechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. a.a.O., Rz. 44 ff.).
18
Die von der Klin angeführte Neuregelung des § 20 S. 1 Nr. 4 UStG (i.d.F. des JStG 2002) kann ebenfalls nicht von deren Rechtsauffassung überzeugen. Denn bei dieser Norm, nach der die Ist-Besteuerung nur solchen juristischen Personen des öffentlichen Rechts offensteht, die weder aufgrund gesetzlicher Pflichten noch freiwillig Bücher führen, handelt es sich schon ausweislich der Gesetzesbegründung um eine auf die Gruppe der juristischen Personen des öffentlichen Rechts begrenzte Regelung, die die Besonderheit berücksichtigt, dass diese oftmals keine kaufmännische Buchführung haben, sondern die kamerale Buchführung praktizieren (BT-Drs. 20/4729, S. 150 a.E. f.). Inhaltlich knüpft der Gesetzgeber mithin mit der ausdrücklichen Aufnahme des Ausschlusskriteriums der Buchführung in § 20 S. 1 Nr. 4 UStG sogar erkennbar an § 20 S. 1 Nr. 3 UStG - in der geltenden höchstrichterlichen BFH-Auslegung - an. Denn auch mit § 20 S. 1 Nr. 4 UStG soll das Erfordernis zusätzlicher Aufzeichnungen nur für die USt vermieden werden, jedoch für den Fall der Existenz einer Buchführung eine zweckwidrige Bevorzugung der Gruppe der juristischen Personen des öffentlichen Rechts ausgeschlossen werden. Dass es aus Gründen der Klarstellung unter Umständen wünschenswert gewesen wäre, wenn der Gesetzgeber im Zuge der Einfügung des § 20 S. 1 Nr. 4 UStG auch den § 20 S. 1 Nr. 3 UStG ausdrücklich um das Ausschlusskriterium der Buchführung ergänzt hätte, ist daher als von bloßer redaktioneller Natur anzusehen und nicht etwa geeignet, etwas an den dargelegten inhaltlichen Zusammenhängen zu ändern. Dies gilt umso mehr, als dem Gesetzgeber im Zeitpunkt der Einfügung des § 20 S. 1 Nr. 4 UStG die BFH-Auslegung zu § 20 S. 1 Nr. 3 UStG bereits jahrelang bekannt war; hätte er die Nichtanwendung derselben gesetzlich regeln wollen, hätte daher die Einfügung eines Passus nahegelegen, wonach für Freiberufler die Ist-Besteuerung selbst im Fall der Buchführung in Betracht kommt.
19
Schließlich kann der Klin nicht darin gefolgt werden, dass sie gegen den Bekl aus Verwaltungsvorschriften (z.B. OFD Ns. vom 17.12.2013, UR 2014, 454) - bzw. aus der aus diesen resultierenden Verwaltungsübung - einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit anderen freiwillig buchführenden Freiberuflern hat. Hierbei unterstellt der erkennende Senat, dass auch der Bekl (zumindest regelmäßig) Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn mittels EÜR ermitteln oder sog. OPOS-Listen zur Überwachung offener Rechnungen führen, die Genehmigung zur Ist-Besteuerung erteilt. Hieraus folgt jedoch kein entsprechender Anspruch der Klin. Denn zunächst wird die Klin - wie sie auch selbst vorträgt - vom Anwendungsbereich der maßgeblichen Verwaltungsvorschriften gar nicht erfasst, da sie ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 EStG) ermittelt. Selbst wenn man allerdings eine Außenwirkung der nämlichen Verwaltungsvorschriften unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung dem Grsatz der Gleichheit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 GG, § 85 AO) annehmen wollte, läge keine Rechtsverletzung vor. Denn die unterschiedliche Behandlung von Steuerpflichtigen, die einerseits - wie die Klin - ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 EStG) ermitteln, andererseits Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn mittels EÜR ermitteln oder OPOS-Listen führen, ist offenkundig sachgerecht. Insoweit kann von wesentlich Gleichem, das gleich zu behandeln wäre, keine Rede sein. Bekanntermaßen bestehen nämlich zwischen den verschiedenen Gewinnermittlungsarten erhebliche sachliche Unterschiede. So stimmt insbesondere nur der Betriebsvermögensvergleich mit der umsatzsteuerlichen Soll-Besteuerung überein, für die EÜR bedarf es keiner Forderungskonten und das bloße Führen von OPOS-Listen stellt noch keine Gewinnermittlung dar. Im Übrigen ist das Gericht ohnehin im Rahmen von Ermessensentscheidungen der Verwaltung nicht befugt, Verwaltungsanweisungen auf ähnliche, aber von der Anweisung nicht erfasste Sachverhalte anzuwenden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13.01.2011 V R 43/09, BStBl II 2011, 610). Sollte die Rechtsauffassung der Klin zutreffend sein, nach der die Verwaltungspraxis mit der Genehmigung der Ist-Besteuerung für Steuerpflichtige mit EÜR oder OPOS-Listen nicht mit der BFH-Rechtsprechung in Einklang zu bringen ist, käme noch hinzu, dass aus Art. 3 Abs. 1 GG kein Anspruch auf Ausdehnung einer gesetzwidrigen Verwaltungspraxis hergeleitet werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 1989 VIII R 82/86, BStBl II 1989, 836; BFH-Beschluss vom 13. Februar 2007 II B 32/06, BFH/NV 2007, 966).
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II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
21
III. Die Revisionszulassung erfolgt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Frage der Genehmigung der Ist-Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG für freiwillig buchführende Steuerpflichtige ist höchstrichterlich noch nicht entschieden und die Klin hat gegen die insoweit vom BFH obiter dicta geäußerte Rechtsauffassung (Urteil vom 22.07.2010 V R 4/09, a.a.O., Rz. 30) gewichtige, vom BFH noch nicht geprüfte rechtliche Gesichtspunkte vorgebracht, etwa die Einfügung des § 20 Abs. 1 Nr. 4 UStG.
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Klägerin (Klin) ist eine Partnerschaft von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern. Sie wurde im Jahr XXXX gegründet und nahm ihre Geschäftstätigkeit zum XX.XX.XXXX auf. Die Klin ermittelt ihren handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Sie erzielt stets Umsätze in einer Größenordnung von EUR XXX p.a. Die Umsatzsteuer-(USt)-Festsetzungen erfolgten für die Veranlagungszeiträume (VZ) 2006 bis 2018 jeweils gemäß § 20 S. 1 Nr. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) nach vereinnahmten Entgelten (sog. Ist-Besteuerung). Mit Bescheid vom 28.09.2020 und Einspruchsentscheidung vom 18.05.2022 widerrief der Beklagte (Bekl) die konkludent erteilte Gestattung zur Ist-Besteuerung nach § 20 UStG ab dem 01.01.2019 sowie für die darauffolgenden Kalenderjahre. Zur Begründung führte er aus, die Klin überschreite die Umsatzgrenze nach § 20 S. 1 Nr. 1 UStG und § 20 S. 1 Nr. 3 UStG greife nicht, da diese freiwillig Bücher führe. Die hiergegen von der Klin vor dem erkennenden Senat erhobene Anfechtungsklage (Az. 9 K 1220/22) ruht.
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Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied mit Beschluss vom 23.12.2021 V B 22/21 (BFH/NV 2022, 741 [BFH 02.02.2022 - III R 7/20] (es handelte sich um das Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss des erkennenden Senats vom 10.03.2021 9 V 3053/20 im vorläufigen Rechtsschutz zur o.g. ruhenden Anfechtungsklage), dass bei einer konkludent erteilten Gestattung der Ist-Besteuerung grundsätzlich kein Dauerverwaltungsakt vorliege, sondern diese immer nur für den jeweiligen Besteuerungszeitraum gelte. Vor diesem Hintergrund beantragte die Klin mit Schreiben vom 06.12.2023 beim Bekl die Genehmigung der Ist-Besteuerung für sämtliche Besteuerungszeiträume ab dem 01.01.2021 (...). Der Bekl lehnte dies mit Bescheid vom 13.12.2023 ab (...); seine Begründung hierfür entsprach der aus dem o.g. Parallelklageverfahren. Die Klin erhob hiergegen am 12.01.2024 (die vorliegende) Sprungklage, der der Bekl am 23.01.2024 zustimmte.
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Die Klin trägt im Wesentlichen vor, sie habe Anspruch auf die Genehmigung zur Ist-Besteuerung. Es seien die Voraussetzungen des § 20 S. 1 Nr. 3 UStG erfüllt, da sie ausschließlich Umsätze aus freiberuflicher Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) ausführe, was die einzige Tatbestandsvoraussetzung sei. Das Ermessen des Bekl sei daher auf Null reduziert. Entgegen der Ansicht des Bekl existiere das einschränkende ungeschriebene negative Tatbestandsmerkmal nicht, das hinsichtlich der privilegierten Umsätze das Führen von Büchern unterbleibe. Der Bekl rekurriere hierfür auf das BFH-Urteil vom 22.07.2010 V R 4/09 (Bundessteuerblatt -BStBl- II 2013, 590) und auf das BMF-Schreiben vom 31.07.2013 (BStBl I 2013, 694). Nach dem BFH ergebe sich aus dem Normzweck des § 20 UStG, dass die Genehmigung zur Ist-Besteuerung zu versagen sei, wenn über die privilegierten Umsätze tatsächlich - aufgrund gesetzlicher Verpflichtung oder freiwilligem Entschluss - Bücher geführt würden. Der Bekl übersehe hierbei, dass es sich bei der maßgeblichen Passage des BFH-Urteils, das eine Freiberufler-GmbH betreffe, die gesetzlich buchführungspflichtig gewesen sei, bezogen auf Fälle freiwilliger Buchführung um ein obiter dictum ohne jegliche präjudizielle Wirkung handle. Zudem sei die BFH-Auffassung im Urteil vom 22.07.2010 V R 4/09 (a.a.O.) mit dem ungeschriebenen Merkmal der "Nichtbuchführung" gesetzeswidrig, da sie die Grenzen der Gesetzesauslegung sowie der richterlichen Rechtsfortbildung überschreite und gegen die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) jüngst mit Beschluss vom 28.11.2023 2 BvL 8/13 (Deutsches Steuerrecht -DStR- 2024, 155) in Erinnerung gerufenen und präzisierten Auslegungsgrundsätze verstoße. Aus dem allgemeinen Normzweck (Vermeidung zusätzlicher Aufzeichnungen) werde nämlich eine Gesetzesauslegung abgeleitet, die im Wortlaut der Norm keinerlei Niederschlag gefunden habe und sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien ergebe (BFH Rn. 30 gegen BVerfG Rn. 128). Nach dem Bestimmtheitsgebot (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz, GG) sei der Gesetzgeber - insbesondere im Bereich des Steuerrechts als Eingriffsrecht - dazu verpflichtet, eine Norm möglichst klar und genau zu formulieren. Hierzu hätte es dem Gesetzgeber offen gestanden, eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf nichtbuchführende Freiberufler in den Wortlaut des § 20 S. 1 Nr. 3 UStG aufzunehmen. Er habe dies jedoch nicht getan. Die eingehende historische Analyse des BFH (Rn. 19-28) belege, dass dem Gesetzgeber der mögliche Zusammenhang von Buchführungspflicht und Gestattung der Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten vollkommen bewusst gewesen sei. In Kenntnis dieser Thematik habe er sich jedoch dagegen entschieden, den Befreiungstatbestand für Freiberufler mit der Buchführungspflicht (von einer freiwilligen Buchführung zu schweigen) zu verknüpfen (BFH Rn. 27 gegen BVerfG Rn. 124). Der BFH leite in längerer historischer und systematischer Analyse ab, dass § 20 Abs. 1 S. 1 UStG an die Buchführungspflicht anknüpfe (BFH Rn. 19-29); die in Rn. 30 plötzlich vorgenommene Ausdehnung auf eine freiwillige Buchführung finde nach der eigenen Analyse des BFH keinerlei Rechtfertigung im Gesetzeswortlaut, in der Entstehungsgeschichte, in der Gesetzessystematik oder den Gesetzesmaterialien (BFH Rn. 30 gegen BVerfG Rn. 118). Der BFH setze damit eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellungen an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers (BFH Rn. 30 "wäre es nicht zu rechtfertigen" gegen BVerfG Rn. 194 und 196). Es handele sich nicht mehr um eine Auslegung des § 20 S. 1 Nr. 3 UStG, sondern um eine nur der Legislative zustehende Erweiterung des gesetzlichen Tatbestands um ein weiteres negatives Ausschlussmerkmal (Rau/Dürrwächter/Frye, a.a.O., § 20 Rn. 188).
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Unabhängig hiervon verkürze die BFH-Auslegung den Gesetzeszweck des § 20 S. 1 Nr. 3 UStG unzutreffend, da diese vorrangig auf die Vereinfachung im Hinblick auf zusätzliche Aufzeichnungspflichten für die USt abstelle. Zutreffend betrachtet ziele die Ist-Besteuerung dagegen vor allem darauf ab, in den gesetzlich geregelten Fällen eine Vorfinanzierung der USt durch den Unternehmer zu vermeiden. Der Gesetzgeber habe mit der Soll-Besteuerung bzw. der zeitlichen Verschiebung der Besteuerung fiskalisch unerwünschte Folgen, nämlich die Kreditgewährung an die Unternehmen, vermeiden wollen. Dieser habe aber ausweislich der Gesetzesmaterialien erkannt, dass eine den Fiskalzwecken zuwider gehende "Kreditgewährung" (typisierend) bei den freien Berufsangehörigen gar nicht zu besorgen sei. Die mit der Ist-Besteuerung einhergehende Vorfinanzierungsbelastung von Unternehmern erfahre dadurch eine Abmilderung, dass die Vorsteuer auf Eingangsumsätze noch vor tatsächlichem Liquiditätsabfluss erstattet werden könne. Dies trete jedoch nicht ein, wenn den vorfinanzierten Ausgangsumsätzen (i.d.R.) keine erheblichen vorsteuerbelasteten Eingangsleistungen gegenüberstünden. Eben dies sei bei den freien Berufen der Fall, da deren Tätigkeit sich durch persönliche und ihre Werte selbst schaffende Dienstleistungen auszeichne. Der weit überwiegende Teil der Kosten entfalle auf nicht mit USt belastete Gehaltszahlungen und die Eigentätigkeit. Die Differenz zwischen USt und der geringen Vorsteuer sei daher derart groß, dass der vom Gesetzgeber intendierte Ausgleich zwischen beiden nicht zum Tragen komme (vgl. Rau/ Dürrwächter/Frye, a.a.O., § 20 Rn. 68; Stadie, a.a.O., § 20 Rn. 15 f.). Entsprechend habe der Finanzausschuss des Bundestages konstatiert, dass "...es Bereiche gibt, in denen die vollkommene Soll-Besteuerung nicht geführt werden kann, wie z.B. bei freien Berufen... (Bericht vom 30.03.1967, Allgemeines 6., zu BT-Drucks. V/181). Die irreführende systematische Stellung dieser Ausführungen unter der Überschrift "Vereinfachungsmöglichkeit" möge als Ursprung der Verwirrung um das maßgebliche Telos des § 20 S. 1 Nr. 3 UStG gesehen werden. Die Interpretation des Tatbestands des § 20 UStG sei daher stets einzubetten in den mit der USt verbundenen Belastungszweck bei Beachtung des - mit dem Paradigmenwechsel zu einer umfassenden Soll-Besteuerung verbundenen - eigentlichen Ansinnens des historischen Gesetzgebers. Es liefe der die freien Berufe begünstigenden Zielsetzung eindeutig zuwider, würde man die Privilegierung bzw. - treffender - die "Verschonung" der freien Berufe von der sie treffenden, liquiditätswirksamen Vorfinanzierungsbelastung mit dem Hinweis auf das Fehlen von Erleichterungen im Zusammenhang mit Aufzeichnungspflichten verwerfen. Das nach der BFH-Ansicht vorherrschende Motiv des § 20 S. 1 Nr. 3 UStG, solchen Unternehmen, die zu einer vereinfachten Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG befugt seien, Aufzeichnungspflichten lediglich für umsatzsteuerliche Zwecke zu ersparen, könne allenfalls Nebenzweck sein. In der Praxis laufe dieser vermeintliche Hauptzweck ohnehin leer, da die durch eine freiwillige Buchführung einhergehende Arbeitserleichterung i.d.R. nur in der (Gesetzes-) Theorie eintrete. Denn für die Durchführung der Soll-Besteuerung bedürfe es keiner (doppelten) Buchführung, sondern schlicht Aufzeichnungen über die vereinbarten Forderungen. Auch nichtbuchführende Unternehmen führten jedoch - in aller Regel - über ihre ausstehenden Forderungen laufende Verzeichnisse, etwa Offene-Posten (OPOS) - Listen (vgl. Stadie, a.a.O., § 20 Rn. 48; Rau/Dürrwächter/Frye, a.a.O., § 20 Rn. 189 ff.). Davon gehe auch die Finanzverwaltung aus (vgl. OFD Niedersachsen, Verfügung vom 17.12.2013 - S 7368 - 28 - St 181/182 -, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2014, 750).
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Für ihre (der Klin) Normauslegung spreche ferner das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts (FG) vom 17.12.2013 6 K 1768/11 (juris). Die Entscheidung sei zwar zu § 20 S. 1 Nr. 1 UStG ergangen; die zutreffenden Ausführungen des FG, wonach der Ausschluss buchführender Unternehmen von der Begünstigung der Ist-Besteuerung in den Wortlaut aufzunehmen gewesen wäre, ließen sich aber auf den Streitfall übertragen.
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Diese Rechtsauffassung habe zudem jüngst durch die mit dem Jahressteuergesetz (JStG) 2022 (Bundesgesetzblatt -BGBl- I 2022, 2294) vorgenommene Ergänzung des § 20 UStG Bestätigung erfahren. Der Gesetzgeber habe - in offensichtlicher Kenntnis der Thematik - für juristischen Personen des öffentlichen Rechts in dem neu eingefügten § 20 S. 1 Nr. 4 UStG als zusätzliche Voraussetzung ein negatives buchführungs-/gewinnermittlungsbezogenes Tatbestandsmerkmal verankert; hätte er die Absicht gehabt, die Genehmigung zur Ist-Besteuerung für Freiberufler mit dem Umstand der (freiwilligen) Buchführung zu verknüpfen, hätte er spätestens zu diesem Zeitpunkt eine entsprechende Regelung auch in den § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG aufnehmen müssen. Dies habe er aber nicht getan. Seitdem sei die vom BFH im Urteil vom 22.07.2010 (a.a.O.) vertretene "extensive" Auslegung der Nr. 3 nicht mehr nur praeter legem, sondern contra legem.
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Nach alledem sei einzig die - wortlautgetreue - Interpretation des § 20 Abs. 1 S. 3 UStG verfassungsrechtlich konform, mithin die Vorschrift auf sämtliche freiberuflich tätige Unternehmen anzuwenden (vgl. etwa Rau/Dürrwächter/Frye, UStG, Losebl., Stand: September 2020, § 20 Rn. 190, mw.N., s.a. Wäger/Mrosek, UStG, 2. Aufl. 2022, § 20 Rn. 23; Stadie, UStG, 3. Aufl. 2015, § 20 Rn. 23).
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Schließlich habe sie (die Klin) einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit anderen freiwillig buchführenden Freiberuflern. Denn der Bekl gestatte solchen regelmäßig die Ist-Besteuerung. Auch ihr versage er dieses nicht wegen ihrer freiwilligen Buchführung, sondern weil sie ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 EStG) ermittele. Nur in diesem Fall solle nach Auffassung der Finanzverwaltung eine "freiwillige Buchführung" i.S. der BFH-Rechtsprechung vorliegen; dagegen solle eine Buchführung für Zwecke der Einnahmenüberschussrechnung i.S. des § 4 Abs. 3 EStG (EÜR) und des Forderungsmanagements unerheblich sein (BMF vom 21.11.2013, BStBl I 2013, 964, OFD Ns. vom 17.12.2013, UR 2014, 454). Mit dem Gesetz und sogar mit dessen "Auslegung" durch den BFH habe dies nichts zu tun. Der BFH rekurriere ausdrücklich auf "zusätzliche Aufzeichnungen". Diese würden von den meisten Freiberuflern unabhängig von der Gewinnermittlungsart geführt. Der Bekl handele ermessensfehlerhaft, wenn er anderen Freiberuflern, die Bücher führten, die Ist-Besteuerung in ständiger Verwaltungspraxis gestatte, ihr dagegen wegen der Art ihrer Gewinnermittlung versage.
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Ggf. sei die Revision zuzulassen. Da es sich bei dem BFH-Urteil vom 22.07.2010 V R 4/09 (a.a.O.) für den - vorliegenden - Fall der freiwilligen Buchführung um ein obiter dictum handle, könne die Rechtsfrage nicht als (höchstrichterlich) geklärt gelten. Dies gelte unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen dargelegten Änderung des § 20 UStG noch umso mehr.
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Die Klin beantragt,
1.
den Bekl zu verpflichten, ihr - unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 13.12.2023 - die Genehmigung zur Ist-Besteuerung gemäß § 20 UStG für die VZ ab 2021 zu erteilen;
2.
hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Der Bekl beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Er trägt im Wesentlichen vor, die Ablehnung der Ist-Besteuerung sei rechtmäßig. Im Urteil vom 22.07.2010 V R 4/09 (a.a.O.) habe der BFH entschieden, dass § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG a.F. nicht anwendbar sei, wenn der Unternehmer buchführungspflichtig sei, und dies auch gelte, wenn er freiwillig Bücher führe. Das BVerfG habe zwar mit Beschluss vom 20.03.2013 1 BvR 3063/10 (Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 2013, 468) die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen; gleichwohl könne aber dem Beschluss entnommen werden, dass die BFH-Rechtsprechung mit dem GG vereinbar sei.
Entscheidungsgründe
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Die - insbesondere aufgrund der innerhalb der Monatsfrist erfolgte und damit rechtzeitige Zustimmung des Bekl zulässige (§ 45 Abs. 1 FGO) - Sprungklage (in Form der Verpflichtungsklage, § 101 FGO) ist unbegründet.
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I. Der Bekl hat zu Recht den Antrag der Klin auf Ist-Besteuerung (§ 20 UStG) abgelehnt; diese ist daher nicht in ihren Rechten verletzt. Es sind schon nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 UStG (i.d.F. des Streitjahrs) erfüllt, so dass die Genehmigung (bzw. Erlaubnis) zu versagen war.
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1. Nach § 20 Abs. 1 S. 1 UStG kann das FA auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer,
1.
dessen Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600.000 Euro betragen hat, oder
2.
der von der Verpflichtung, Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen, nach § 148 der Abgabenordnung befreit ist, oder
3.
soweit er Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes ausführt,
die Steuer nicht nach den vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1), sondern nach den vereinnahmten Entgelten berechnet.
16
2. Es steht - und zwar auch für die Beteiligten - außer Frage, dass für die von der Klin begehrte Genehmigung allenfalls der § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG in Betracht kommt. Dessen Tatbestandsvoraussetzungen liegen aber nicht vor, da die Klin - freiwillig - Bücher führt. Der erkennende Senat folgt insoweit dem Normverständnis des BFH aus dessen Urteil vom 22.07.2010 V R 4/09 (a.a.O., Rz. 30; s.a. Urteil vom 22.07.2010 V R 36/08, BFH/NV 2011, 316), der die Vorschrift - teleologisch reduzierend - dahingehend auslegt, dass die Ist-Besteuerung auch dann nicht in Betracht kommt, wenn der Unternehmer mit den freiberuflichen Umsätzen - verpflichtet oder freiwillig - Bücher führt. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die überzeugende Begründung des BFH (a.a.O., Rz. 26-56) Bezug genommen. Dass diese - wie die Klin anführt - in Bezug auf freiwillig Buchführende als obiter dictum erging (a.a.O., Rz. 30), trifft zwar zu, ändert aber nichts an der inhaltlichen Richtigkeit der Begründung. Des Weiteren hat das BVerfG mit Beschluss vom 20.03.2013 1 BvR 3063/10 (a.a.O.) die Verfassungsgemäßheit der restriktiven BFH-Auslegung zu § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG bestätigt und hierbei insbesondere den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers betont, da es sich um eine Vorschrift handele, die kein materielles Steuerrecht enthalte, sondern nur die Art und Weise der Besteuerung regele, wobei die Ist-Besteuerung eine rechtfertigungsbedürftige Ausnahme vom gesetzlichen Regelfall der Soll-Besteuerung sei. Auch dem folgt der erkennende Senat und verweist für die weitere Begründung des BVerfG auf dessen Beschluss (a.a.O., Rz. 25 ff.).
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Vor dem dargelegten Hintergrund teilt der erkennende Senat die Rechtsauffassung der Klin von der Gesetzeswidrigkeit der BFH-Auslegung nicht (vgl. aus dem Schrifttum korrespondierend mit der Auffassung der Klin: Frye in: Rau/Dürrwächter/UStG-Kommentar, Stand: 205. Lfg. 8/2023, § 20 Rz. 187 ff., m.w.N.; s.a. Stadie, UR 2010, 241 und UR 2011, 45). Zunächst steht der einschränkenden BFH-Auslegung der Wortlaut des § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG nicht entgegen, da dieser nur auf das Vorliegen von freiberuflichen Umsätzen abstellt, hingegen zur Frage der Buchführung schweigt. Der BFH konnte und musste daher die Entstehungsgeschichte respektive die Gesetzesbegründung, den Normzweck und die Gesetzessystematik, insbesondere im Verhältnis zur Regelung in § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG, zur Ermittlung des objektiven Willens des Gesetzgebers heranziehen. An diesen Kriterien gemessen überzeugt jedoch die BFH-Auslegung. Die amtliche Gesetzesbegründung (BT-Drs. 7/5458, S. 13) stellt nämlich ausdrücklich darauf ab, dass die Angehörigen der freien Berufe im Rahmen der Abgabenordnung (AO) nicht mehr zur Buchführung verpflichtet seien und somit auch § 148 AO, der die Bewilligung von Erleichterungen vorsehe, für diese nicht mehr gelte, diesen aber dennoch die Ist-Besteuerung im bisherigen Umfang ermöglicht werden solle. Damit wird hinreichend erkennbar, dass § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG eine Korrekturregelung zur Regelung in § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG darstellt, die indes mittels des § 148 AO nur begünstigt, sofern keine Buchführung betrieben wird; denn Unternehmern, die gesetzlich schon keine Bücher führen müssen, kann keine Erleichterung nach § 148 AO gewährt werden (vgl. Weymüller in: BeckOK UStG-Kommentar, 40. Edition 01.04.2024, § 20 Rz. 62). Würde man Freiberufler mit Buchführung unter § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG fallen lassen, hätte dies daher eine zweckwidrige Bevorzugung gegenüber dem Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG zur Folge (vgl. Schüler-Täsch in: Sölch/Ringleb, UStG-Kommentar, 99. Lfg. Oktober 2023, § 20 Rz. 57, m.w.N.). Aus den vorstehenden Gründen stellt der BFH zutreffend als Normzweck des § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG die Vermeidung von zusätzlichen Aufzeichnungspflichten für nur umsatzsteuerliche Zwecke in den Vordergrund (vgl. a.a.O., Rz. 30 und 46). Hierbei lässt der BFH erkennbar auch nicht etwa die von der Klin hervorgehobene Vorfinanzierungsbelastung des Unternehmers bei dem gesetzlichen Regelfall der Soll-Besteuerung außer Acht, verweist aber - zusammengefasst - treffend darauf, dass es sich insoweit um eine Grundsatzentscheidung des Unionsgesetzgebers handelt, die innerhalb der diesem zustehenden Typisierungsbefugnis rechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. a.a.O., Rz. 44 ff.).
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Die von der Klin angeführte Neuregelung des § 20 S. 1 Nr. 4 UStG (i.d.F. des JStG 2002) kann ebenfalls nicht von deren Rechtsauffassung überzeugen. Denn bei dieser Norm, nach der die Ist-Besteuerung nur solchen juristischen Personen des öffentlichen Rechts offensteht, die weder aufgrund gesetzlicher Pflichten noch freiwillig Bücher führen, handelt es sich schon ausweislich der Gesetzesbegründung um eine auf die Gruppe der juristischen Personen des öffentlichen Rechts begrenzte Regelung, die die Besonderheit berücksichtigt, dass diese oftmals keine kaufmännische Buchführung haben, sondern die kamerale Buchführung praktizieren (BT-Drs. 20/4729, S. 150 a.E. f.). Inhaltlich knüpft der Gesetzgeber mithin mit der ausdrücklichen Aufnahme des Ausschlusskriteriums der Buchführung in § 20 S. 1 Nr. 4 UStG sogar erkennbar an § 20 S. 1 Nr. 3 UStG - in der geltenden höchstrichterlichen BFH-Auslegung - an. Denn auch mit § 20 S. 1 Nr. 4 UStG soll das Erfordernis zusätzlicher Aufzeichnungen nur für die USt vermieden werden, jedoch für den Fall der Existenz einer Buchführung eine zweckwidrige Bevorzugung der Gruppe der juristischen Personen des öffentlichen Rechts ausgeschlossen werden. Dass es aus Gründen der Klarstellung unter Umständen wünschenswert gewesen wäre, wenn der Gesetzgeber im Zuge der Einfügung des § 20 S. 1 Nr. 4 UStG auch den § 20 S. 1 Nr. 3 UStG ausdrücklich um das Ausschlusskriterium der Buchführung ergänzt hätte, ist daher als von bloßer redaktioneller Natur anzusehen und nicht etwa geeignet, etwas an den dargelegten inhaltlichen Zusammenhängen zu ändern. Dies gilt umso mehr, als dem Gesetzgeber im Zeitpunkt der Einfügung des § 20 S. 1 Nr. 4 UStG die BFH-Auslegung zu § 20 S. 1 Nr. 3 UStG bereits jahrelang bekannt war; hätte er die Nichtanwendung derselben gesetzlich regeln wollen, hätte daher die Einfügung eines Passus nahegelegen, wonach für Freiberufler die Ist-Besteuerung selbst im Fall der Buchführung in Betracht kommt.
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Schließlich kann der Klin nicht darin gefolgt werden, dass sie gegen den Bekl aus Verwaltungsvorschriften (z.B. OFD Ns. vom 17.12.2013, UR 2014, 454) - bzw. aus der aus diesen resultierenden Verwaltungsübung - einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit anderen freiwillig buchführenden Freiberuflern hat. Hierbei unterstellt der erkennende Senat, dass auch der Bekl (zumindest regelmäßig) Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn mittels EÜR ermitteln oder sog. OPOS-Listen zur Überwachung offener Rechnungen führen, die Genehmigung zur Ist-Besteuerung erteilt. Hieraus folgt jedoch kein entsprechender Anspruch der Klin. Denn zunächst wird die Klin - wie sie auch selbst vorträgt - vom Anwendungsbereich der maßgeblichen Verwaltungsvorschriften gar nicht erfasst, da sie ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 EStG) ermittelt. Selbst wenn man allerdings eine Außenwirkung der nämlichen Verwaltungsvorschriften unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung dem Grsatz der Gleichheit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 GG, § 85 AO) annehmen wollte, läge keine Rechtsverletzung vor. Denn die unterschiedliche Behandlung von Steuerpflichtigen, die einerseits - wie die Klin - ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 EStG) ermitteln, andererseits Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn mittels EÜR ermitteln oder OPOS-Listen führen, ist offenkundig sachgerecht. Insoweit kann von wesentlich Gleichem, das gleich zu behandeln wäre, keine Rede sein. Bekanntermaßen bestehen nämlich zwischen den verschiedenen Gewinnermittlungsarten erhebliche sachliche Unterschiede. So stimmt insbesondere nur der Betriebsvermögensvergleich mit der umsatzsteuerlichen Soll-Besteuerung überein, für die EÜR bedarf es keiner Forderungskonten und das bloße Führen von OPOS-Listen stellt noch keine Gewinnermittlung dar. Im Übrigen ist das Gericht ohnehin im Rahmen von Ermessensentscheidungen der Verwaltung nicht befugt, Verwaltungsanweisungen auf ähnliche, aber von der Anweisung nicht erfasste Sachverhalte anzuwenden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13.01.2011 V R 43/09, BStBl II 2011, 610). Sollte die Rechtsauffassung der Klin zutreffend sein, nach der die Verwaltungspraxis mit der Genehmigung der Ist-Besteuerung für Steuerpflichtige mit EÜR oder OPOS-Listen nicht mit der BFH-Rechtsprechung in Einklang zu bringen ist, käme noch hinzu, dass aus Art. 3 Abs. 1 GG kein Anspruch auf Ausdehnung einer gesetzwidrigen Verwaltungspraxis hergeleitet werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 1989 VIII R 82/86, BStBl II 1989, 836; BFH-Beschluss vom 13. Februar 2007 II B 32/06, BFH/NV 2007, 966).
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II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
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III. Die Revisionszulassung erfolgt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Frage der Genehmigung der Ist-Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG für freiwillig buchführende Steuerpflichtige ist höchstrichterlich noch nicht entschieden und die Klin hat gegen die insoweit vom BFH obiter dicta geäußerte Rechtsauffassung (Urteil vom 22.07.2010 V R 4/09, a.a.O., Rz. 30) gewichtige, vom BFH noch nicht geprüfte rechtliche Gesichtspunkte vorgebracht, etwa die Einfügung des § 20 Abs. 1 Nr. 4 UStG.