22.01.2008 · IWW-Abrufnummer 080224
Bundesgerichtshof: Urteil vom 22.11.2007 – VII ZR 83/05
Die gemäß § 649 Satz 2 BGB oder § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B nach freier Kündigung eines Bauvertrages zu zahlende Vergütung ist nur insoweit Entgelt im Sinne von § 10 Abs. 1 UStG und damit Bemessungsgrundlage für den gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbaren Umsatz, als sie auf schon erbrachte Leistungsteile entfällt (Bestätigung von BGH, Urteil vom 4. Juli 1996 - VII ZR 227/93, BauR 1996, 846 = NJW 1996, 3270; Urteil vom 2. Juni 1987 - X ZR 39/86, BGHZ 101, 130).
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
VII ZR 83/05
Verkündet am:
22. November 2007
in dem Rechtsstreit
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2007 durch die Richter Dr. Kuffer und Bauner, die Richterin Safari Chabestari und die Richter Dr. Eick und Halfmeier
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 16. Februar 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagten zur Zahlung von mehr als 44.240,68 ¤ und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 61.595,94 ¤ vom 30. Oktober 2002 bis zum 10. März 2003, aus 9.295,94 ¤ vom 10. März 2003 bis zum 29. April 2003 sowie aus 44.240,68 ¤ seit dem 29. April 2003 an C. K. , geborene Kö. , S. weg , E., verurteilt worden sind und die Berufung der Beklagten insoweit zurückgewiesen worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 17. März 2004 teilweise abgeändert. Die Klage wird abgewiesen, soweit der Kläger Zahlung von mehr als 44.240,68 ¤ und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 61.595,94 ¤ vom 30. Oktober 2002 bis zum 10. März 2003, aus 9.295,94 ¤ vom 10. März 2003 bis zum 29. April 2003 sowie aus 44.240,68 ¤ seit dem 29. April 2003 begehrt hat.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Beklagten zu 63 % und der Kläger zu 37 %.
Die Gerichtskosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens tragen die Beklagten. Die Gerichtskosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger. Die außergerichtlichen Kosten des Nichtzulassungsbeschwerde- und des Revisionsverfahrens tragen die Beklagten zu 82 % und der Kläger zu 18 %.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagten wenden sich im Revisionsverfahren noch dagegen, dass sie nach der freien Kündigung eines Werkvertrages zur Zahlung von Umsatzsteuer auf die gesamte von ihnen geschuldete Vergütung verurteilt worden sind.
Die Beklagten beauftragten im Jahr 2001 unter Vereinbarung der VOB/B den Kläger mit der Planung und Errichtung eines Einfamilienhauses. Der Vertrag enthält folgende Bestimmung:
"Der Pauschalpreis enthält die derzeit gültige Mehrwertsteuer (16 %), wenn und soweit diese anfällt."
Der Vertrag ist durch eine freie Kündigung der Beklagten beendet.
Der Kläger hat zunächst eine Abschlagszahlung in Höhe von 61.595,94 ¤ und später 100.126,28 ¤ (aufgeteilt nach erbrachten und nach nicht erbrachten Leistungen) als den vereinbarten Werklohn abzüglich ersparter Aufwendungen geltend gemacht. Umsatzsteuer hat der Kläger hinsichtlich der gesamten Vergütung verlangt.
Das Landgericht hat dem Kläger Werklohn für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen zuerkannt. Unter Berücksichtigung einer hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Forderung hat es dem Kläger 47.825,32 ¤ zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 61.595,94 ¤ vom 30. Oktober 2002 bis zum 10. März 2003, aus 9.295,94 ¤ vom 10. März 2003 bis zum 29. April 2003 sowie aus 47.825,32 ¤ seit dem 29. April 2003 zugesprochen. Hierbei entfielen 3.584,64 ¤ Umsatzsteuer auf den noch nicht erbrachten Teil der ursprünglich geschuldeten Werkleistung. Nachdem der Kläger die Klageforderung an die K. abgetreten hatte, hat das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagten den ausgeurteilten Betrag an die K. zu zahlen haben.
Gegen die Nichtzulassung der Revision haben die Beklagten Beschwerde mit dem Ziel vollständiger Klageabweisung eingelegt. Der Senat hat die Revision zugelassen, soweit die Beklagten sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung der Umsatzsteuer in Höhe von 3.584,64 ¤ auf die Vergütung für nicht erbrachte Leistungen wenden, also soweit sie zur Zahlung von mehr als 44.240,68 ¤ verurteilt worden sind. Im Übrigen hat er die Beschwerde zurückgewiesen. Mit ihrer Revision begehren die Beklagten nun noch Klageabweisung im Umfang der zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage.
I.
Das Berufungsgericht hat, ohne dies näher zu begründen, dem Kläger die nach der Kündigung geschuldete Nettovergütung zuzüglich Umsatzsteuer, berechnet auf den gesamten Betrag, zugesprochen.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die nicht erbrachten Leistungen des Klägers unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Seine Forderung ist daher um den Betrag von 3.584,64 ¤ auf 44.240,68 ¤ zu kürzen.
1. Die Parteien haben vereinbart, dass die Vergütung die Umsatzsteuer nur einschließt, soweit diese anfällt.
Im Sinne dieser Vereinbarung fällt die Umsatzsteuer an, wenn der Kläger nach den Vorschriften des Steuerrechts zur Zahlung der Steuer verpflichtet ist. Dabei reicht es nicht aus, dass die Steuerpflicht durch eine freie, im Belieben des Klägers stehende Handlung eintritt. Vielmehr muss sie auf von seinem Willen unabhängigen Tatbeständen beruhen. So ist die Vereinbarung auszulegen, weil es im von beiden Parteien erkennbaren Interesse der Beklagten lag, möglichst nicht mit der Steuer belastet zu werden, und umgekehrt kein schutzwürdiges Interesse des Klägers erkennbar war, eine von ihm selbst herbeigeführte, aber ohne weiteres vermeidbare Steuerbelastung weiterzureichen. Diese Auslegung kann der Senat selbst vornehmen, da das Berufungsgericht sie unterlassen hat, die hierzu erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen und weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind (BGH, Urteil vom 12. Februar 1997 - V ZR 250/96, NJW 1998, 1219, unter II 3; Urteil vom 27. Juni 2007 - VIII ZR 202/06, Tz. 25, NJW 2007, 3060 f.).
Soweit der Kläger verpflichtet sein sollte, für die gesamte Vergütung gemäß § 14 Abs. 2 oder 3 UStG a.F. (§ 14 c UStG n.F.) allein deshalb Umsatzsteuer abzuführen, weil er auch insoweit in seiner Rechnung Umsatzsteuer ausgewiesen hat (ohne materielle Grundlage und Berechtigung hierf ür), kann dies deshalb die entsprechende Zahlungspflicht der Beklagten nicht begründen.
2. Der Kläger schuldet gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 UStG Umsatzsteuer nur für die bis zur Kündigung für die Beklagten erbrachten Werkleistungen. Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer ist das Entgelt (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG). Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG).
Die gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B zu zahlende Vergütung ist bei einer Teilherstellung des Werks nur zu einem Teil Entgelt in diesem Sinne. Sie ist nur teilweise aufgewandt, um das Teilwerk zu erhalten. Davon ist der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgegangen.
a) Er hat entschieden, dass für den auf die nicht erbrachten Leistungen entfallenden Vergütungsanteil keine Umsatzsteuer anfällt (BGH, Urteile vom 23. Oktober 1980 - VII ZR 324/79, BauR 1981, 198, 199; Urteil vom 24. April 1986 - VII ZR 139/84, BauR 1986, 577 = ZfBR 1986, 220; Urteil vom 2. Juni 1987 - X ZR 39/86, BGHZ 101, 130; Urteil vom 4. Juli 1996 - VII ZR 227/93, BauR 1996, 846, 848 = ZfBR 1996, 310; zustimmend Rau/Dürrwächter/Husmann, UStG, Stand: August 2006, § 1 Rdn. 422 f.; Hartmann/Metzenmacher, UStG, Lfg. 3/07, E § 1 Abs. 1 Nr. 1 Rdn. 172; Vogel/Schwarz, UStG, Stand: 11/2006; § 10 Rdn. 80). Dabei konnte sich der Bundesgerichtshof auf eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs stützen, in der dieser in einem Fall, in dem ein Unternehmer eine Teilleistung erbracht und seine Vergütung gemäß § 649 Satz 2 BGB zu berechnen hatte, den auf die nicht erbrachten Leistungen entfallenden Vergütungsanteil als nicht steuerbaren Schadensersatz behandelt hat. Der Bundesfinanzhof hat in dieser Entscheidung angenommen, dass Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer das "anteilige, wertgemäße Entgelt" für das teilfertige Werk ist (BFH, Urteil vom 28. Februar 1980 - V R 90/75, BFHE 130, 430 = BStBl II 1980, S. 535, zitiert nach juris, dort insbesondere Rn. 18).
b) Zwischenzeitlich hat der Senat im Hinblick auf die Sechste Richtlinie des Rates zur Harmonierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Abl. Nr. L 145 S. 1) und Kritik in der Literatur (Kapellmann, Jahrbuch Baurecht 1998, 35, 55 ff. m.w.N.) gemeint, zur Wahrung der Rechtseinheit in der Europäischen Union sei diese Frage dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorzulegen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 1999 - VII ZR 237/98, BauR 1999, 1294). Diese Bedenken bestehen nicht mehr. Denn der Gerichtshof hat nunmehr in einem Urteil vom 18. Juli 2007 - C-277/05 (BFH/NV 2007, Beilage 4, S. 424 = IStR 2007, 667) das richtige Verständnis der Sechsten Umsatzsteuerrichtlinie ausreichend geklärt. Er legt sie dahin aus, dass steuerbarer Umsatz nur dann vorliegt, wenn "zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, wobei die gezahlten Beträge die tatsächliche Gegenleistung für eine bestimmbare Leistung darstellen, die im Rahmen eines Rechtsverhältnisses, in dem gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, erbracht wurde" (EuGH, Urteil vom 18. Juli 2007 - C-277/05, aaO Tz. 19). Soweit eine Zahlung dagegen eine Entschädigung darstelle, sei sie kein Entgelt und damit kein Bestandteil der Besteuerungsgrundlage der Mehrwertsteuer (EuGH, Urteil vom 18. Juli 2007 - C-277/05, aaO Tz. 32). Eine Umsatzsteuerpflicht setzt also voraus, dass eine bestimmbare Leistung erbracht worden ist; Steuerbemessungsgrundlage ist dann die hierfür gezahlte tatsächliche Gegenleistung.
c) Nach diesen Grundsätzen ist der auf die nicht erbrachten Leistungen entfallende Vergütungsanteil zu beurteilen. Soweit die Vergütung gemäß § 649 Satz 2 BGB - dem § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B nachgebildet ist - nicht auf schon erbrachte Leistungsteile entfällt, ist sie keine Gegenleistung in diesem Sinne, sondern hat Entschädigungscharakter und scheidet als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer aus.
aa) Der Anspruch aus § 649 Satz 2 BGB bzw. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B ist ein einheitlicher Anspruch, der auf die Zahlung der vereinbarten Vergütung gerichtet ist. Dies bedeutet aber nicht, dass dieser Anspruch in vollem Umfang eine Gegenleistung für das bis zur Kündigung erstellte Teilwerk wäre. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Unternehmer auch dann eine Vergütung erhält, wenn die Kündigung erfolgt, bevor er mit der Ausführung des Werks begonnen hat. Dies zeigt, dass die Vergütung gemäß § 649 Satz 2 BGB bzw. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B nicht insgesamt eine Vergütung für ein von dem Unternehmer hergestelltes Teilwerk sein kann. Vielmehr ist sie dann in vollem Umfang eine Entschädigung des Unternehmers für die Verdienstmöglichkeit, die ihm anderenfalls wegen der Kündigung entginge. § 649 Satz 2 BGB bzw. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B unterscheiden nicht zwischen der vollständigen Nichtausführung des Werks und der Teilausführung. Daher kann nicht angenommen werden, dass die Vergütung in dem einen Fall in vollem Umfang Entschädigungscharakter hat, dieser aber dann vollständig entfällt, wenn der Unternehmer eine möglicherweise nur ganz geringfügige Teilleistung erbracht hat.
bb) Dies bestätigt auch die Entstehungsgeschichte des § 649 Satz 2 BGB. Dass § 649 Satz 2 BGB dem Unternehmer einen Anspruch auf die "vereinbarte Vergütung" zubilligt, beruht auf einer Fiktion. Der Besteller soll sich nicht darauf berufen dürfen, dass das Werk nicht fertiggestellt ist. Daher wird fingiert, dass der Unternehmer das Werk fertiggestellt und die Vergütung vollständig, wenn auch unter Berücksichtigung der genannten Abzüge, verdient hat (vgl. Motive S. 503 unter Bezugnahme auf S. 208). Auf diese Weise soll der Unternehmer "schadlos" gestellt werden (vgl. Motive S. 503). Dass zur Bemessung seines Anspruchs auf die vereinbarte Vergütung abgestellt wird, soll auf der anderen Seite die Entschädigung hierauf begrenzen. Dem Unternehmer einen "echten" Schadensersatzanspruch zuzugestehen, hat der Gesetzgeber dagegen als zu weitgehend angesehen. Dass § 649 Satz 2 BGB dem Unternehmer auch im Fall einer nicht vollständigen Ausführung des Werkvertrages die volle "Vergütung" (mit den dargestellten Abzügen) zuspricht, ist daher lediglich durch das Ziel des Gesetzes zu erklären, seinen Anspruch zu beschränken. Dies besagt nicht, dass die geschuldete Vergütung bei einer vorzeitigen Beendigung des Werkvertrages in ganzer Höhe Gegenleistung für das teilfertige Werk w äre. Vielmehr entfällt die geschuldete Vergütung teilweise auf den nicht erbrachten Teil des Werks und ist insoweit der Sache nach eine Entschädigung. Dieses Verständnis entspricht der Absicht des Gesetzgebers, denjenigen Zivilrechtskodifikationen zu folgen, nach denen "der Besteller, solange das Werk unvollendet ist, gegen Vergütung der bereits geleisteten Arbeiten und gegen volle Entschädigung des Übernehmers jederzeit von dem Vertrage zurücktreten kann" (Motive, S. 503).
4. Das Berufungsurteil war daher insoweit aufzuheben, als das Berufungsgericht dem Kläger für den auf die nicht erbrachten Leistungen entfallenden Vergütungsanteil Umsatzsteuer und die hierauf entfallenden Zinsen zugesprochen hat. Da nach dem festgestellten Sachverhalt die Sache zur Endentscheidung reif ist, entscheidet der Senat in der Sache selbst (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage war unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils in dem genannten Umfang abzuweisen.