17.08.2006 · IWW-Abrufnummer 062457
Bundesfinanzhof: Urteil vom 30.03.2006 – V R 52/05
§ 4 Nr. 12 Satz 2 UStG gilt für die Vermietung eines Parkplatz-Grundstücks auch dann, wenn der Mieter dort zwar nicht selbst parken will, aber entsprechend der Vereinbarung im Mietvertrag das Grundstück Dritten zum Parken überlässt.
Gründe:
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Erbbauberechtigte an einem Grundstück in G. Sie hatte im Jahr 1992 auf diesem Grundstück 170 Parkplätze errichtet und betrieb damit bis Ende März 1996 eine Parkplatzvermietung. Mit Vertrag vom 18. März 1996 verpachtete sie das Grundstück an die Gemeinde G, die seitdem den Parkplatz betreibt und dort Parkscheinautomaten aufgestellt hat. Der Pachtvertrag lautet auszugsweise wie folgt:
"... § 1
Frau X ist Erbbauberechtigte folgender Grundstücke ... auf diesen Grundstücken hat die Verpächterin 170 befestigte Parkplätze hergestellt. Die Verpächterin verpachtet diese Grundstücke an die Pächterin zur Nutzung als öffentlicher Parkplatz und stimmt einer entsprechenden Widmung der Flächen nach dem Straßen- und Wegegesetz zu. ...
§ 2
Die Pachtzeit beträgt 10 Jahre ...
§ 3
Der Pachtzins beträgt je Stellplatz 730 DM jährlich, für die 170 Stellplätze insgesamt 124.100 DM. ..."
Entsprechend den Erklärungen der Klägerin wurden die Umsätze aus der Parkplatzvermietung bis zum 31. März 1996 als steuerpflichtig behandelt und die im Zusammenhang mit der Errichtung der Parkplätze stehenden Vorsteuerbetr äge als abziehbar anerkannt. In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 1996 erklärte die Klägerin die Umsätze aus der Verpachtung des Grundstücks an die Gemeinde G als steuerfrei. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht. Mit Umsatzsteuerbescheid vom 16. Juli 1998 behandelte das FA diese Umsätze als steuerpflichtig und setzte die Umsatzsteuer aus dem Pachtzins fest.
Die hiergegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg.
Mit der Revision macht die Klägerin Verletzung materiellen Rechts (§ 4 Nr. 12 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes 1993 --UStG--) geltend. Für eine Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen reiche es nicht aus, dass die verpachteten Flächen am Ende einer Vermietungskette Fahrzeugbesitzern zum Gebrauch als Stellfläche überlassen würden. Mit § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG werde nur die unmittelbare Überlassung einer Stellfläche an Fahrzeugbesitzer erfasst. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) sei unter dem Begriff der Vermietung von Grundstücken die Einräumung des Rechts, das Grundstück auf bestimmte Zeit in Besitz zu nehmen und andere von diesem Recht auszuschließen, zu verstehen. Eine von der Befreiung ausgenommene gewerbliche Nutzung folge aus der Vorhaltung und Nutzung der dafür erforderlichen Einrichtungen. Ihre Leistung habe sich aber in der passiven Überlassung des Parkplatzgrundstücks erschöpft.
Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuer 1996 auf 1 896,05 DM (969,43 ¤) herabzusetzen.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
II.
Die Revision ist unbegründet; sie ist deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Finanzgericht (FG) hat die von der Klägerin ausgeführten Verpachtungsumsätze zu Recht als steuerpflichtig beurteilt.
Eine steuerpflichtige Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen i.S. des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG liegt auch dann vor, wenn ein Unternehmer ein mit befestigten Parkplätzen bebautes Grundstück an einen Dritten --wie im Streitfall-- "zur Nutzung als öffentlicher Parkplatz" vermietet.
1. Gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG ist u.a. die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken von der Umsatzsteuer befreit. Die Klägerin hat ein Grundstück vermietet, so dass diese Vermietungsleistung grundsätzlich unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG fallen würde.
Nicht befreit ist nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen. Mit der Vorschrift wird Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) in nationales Recht umgesetzt. Nach der Richtlinienbestimmung befreien die Mitgliedstaaten die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken mit Ausnahme der Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen.
2. Die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen des Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG umschrieben sind, sind eng auszulegen, weil sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt (Urteile des EuGH vom 3. März 2005 C-428/02, Fonden Marselinsborg Lystbadehavn, Rdnr. 29, BFH/NV Beilage 2005, 175, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2005, 315; vom 3. März 2005 C-472/03, Arthur Andersen, Rdnr. 24, BFH/NV Beilage 2005, 188; Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2005, 201). Dabei muss aber die Auslegung der in den Steuerbefreiungsvorschriften verwendeten Begriffe mit den Zielen in Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden und den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht (EuGH-Urteile vom 26. Mai 2005 C-498/03, Kingscrest und Montecello, UR 2005, 453 Rz. 29; vom 6. November 2003 C-45/01, Dornier, Slg. 2003, I-12911 Rz. 42). Das steht im Einklang mit den von der Klägerin in Bezug genommenen Urteilen des EuGH vom 12. Juni 2003 C-275/01, Sinclair Collis (BFH/NV Beilage 2003, 216, UR 2003, 348 Rdnr. 23) und vom 18. November 2004 C-284/03, Tempco Europe (BFH/NV Beilage 2005, 86, UR 2005, 24 Rdnr. 17, 18).
Die Klägerin kann sich für die von ihr vertretene Rechtsauffassung nicht auf diese Urteile des EuGH sowie die Urteile vom 3. März 2005 C-428/02, Fonden Marselinsborg Lystbadehavn, Rdnr. 29 in BFH/NV Beilage 2005, 175, IStR 2005, 315, vom 16. Januar 2003 C-315/00, Maierhofer (BFH/NV Beilage 2003, 104, UR 2003, 86) und vom 4. Oktober 2001 C-326/99, Stichting Goed Wonen (BFH/NV Beilage 2001, 10, UR 2001, 484) stützen. In diesen Entscheidungen hat sich der EuGH mit der Auslegung des allgemeinen Begriffes der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken i.S. von Art. 13 Teil B der Richtlinie 77/388/EWG befasst, nicht aber mit der Auslegung der hierzu in Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ergangenen Ausnahme für die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen. Dass eine Vermietung eines Grundstücks durch die Klägerin vorliegt, steht nicht in Frage.
3. Von der nicht steuerbefreiten "Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen" i.S. von § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG und Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG wird die Vermietung eines mit Parkplätzen bebauten Grundstücks jedenfalls dann umfasst, wenn der Mieter dort zwar nicht selbst parken will, aber --entsprechend der Vereinbarung im Mietvertrag-- das Grundstück Dritten zum Parken überlässt. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG setzt nicht voraus, dass der Mieter das Grundst ück selbst als Parkfläche nutzt. Nach § 1 des Pachtvertrages diente die Verpachtung ausdrücklich zur Nutzung als öffentlicher Parkplatz, wobei sich auch das Entgelt an der Anzahl der Parkplätze orientierte.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin sind Ausnahmen von der Befreiung nicht eng auszulegen (EuGH-Urteil vom 3. März 2005 C-428/02, Fonden Marselinsborg Lystbadehavn, Rdnr. 43 in BFH/NV Beilage 2005, 175, IStR 2005, 315).
4. Der EuGH hat zur Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten die Vermietung insoweit nicht von der Mehrwertsteuer befreien dürfen, als sie von der in Art. 13 Teil B Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehenen Befreiung ausgeschlossen ist, d.h. als sie nicht mit der steuerfreien Vermietung von für einen anderen Gebrauch bestimmten Grundstücken eng verbunden ist (EuGH-Urteil vom 13. Juli 1989 Rs. 173/88, Morten Henriksen, UR 1991, 42 Rz. 23). Art. 13 Teil B Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG ordnet die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen der allgemeinen Regelung der Richtlinie unter, nach der alle steuerbaren Umsätze der Steuer unterworfen sein sollen, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen ist (EuGH in UR 1991, 42 Rz. 12). Auch danach ist eine Auslegung, derzufolge eine Vermietung für das Abstellen von Fahrzeugen eine Nutzung zu Parkzwecken durch den Mieter selbst voraussetzt, nicht geboten.