12.09.2007 · IWW-Abrufnummer 072892
Europäischer Gerichtshof: Urteil vom 18.07.2007 – C-277/05
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)
18. Juli 2007(*)
„Mehrwertsteuer – Geltungsbereich – Angeld, das im Rahmen von Verträgen, die der Mehrwertsteuer unterliegende Dienstleistungen zum Gegenstand haben, geleistet und im Fall des Rücktritts vom Dienstleistungserbringer einbehalten worden ist – Einordnung“
in der Rechtssache C-277/05
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Conseil d’État (Frankreich) mit Entscheidung vom 18. Mai 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Juli 2005, in dem Verfahren
Société thermale d’Eugénie-les-Bains
gegen
Ministère de l’Économie, des Finances et de l’Industrie
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter K. Lenaerts, E. Juhász (Berichterstatter), K. Schiemann und E. Levits,
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: K. Sztranc-S-awiczek, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2006,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Société thermale d’Eugénie-les-Bains, vertreten durch X. Vuitton, avocat,
– der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und J. Gracia als Bevollmächtigte,
– Irlands, vertreten durch D. O’Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von P. McGarry, BL, und E. Fitzsimons, SC,
– der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes und C. Lança als Bevollmächtigte,
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und M. Afonso als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. September 2006
folgendes
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Nr. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Société thermale d’Eugénie-les-Bains (im Folgenden: Société thermale) und dem Ministère de l’Économie, des Finances et de l’Industrie wegen der Erhebung von Mehrwertsteuer auf ein Angeld, das die Société thermale bei der Zimmerreservierung erhalten und nach der Stornierung einiger dieser Reservierungen einbehalten hat.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Nach Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“, der Mehrwertsteuer.
Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:
„(1) Als Dienstleistung gilt jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands im Sinne des Artikels 5 ist.
Diese Leistung kann unter anderem bestehen
…
– in der Verpflichtung, eine Handlung zu unterlassen oder eine Handlung oder einen Zustand zu dulden;
…“
Nach Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie ist die Besteuerungsgrundlage bei der Erbringung von Dienstleistungen „alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der … Dienstleistende für diese Umsätze vom … Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll“.
Nationales Recht
Gemäß Art. 256-I des Code général des impôts (Allgemeines Steuergesetzbuch) unterliegen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher gegen Entgelt ausführt, der Mehrwertsteuer.
Art. 256-IV-1° des Code général des impôts sieht vor, dass Leistungen, die keine Lieferungen eines Gegenstands sind, als Dienstleistungen gelten.
Art. L. 114-1 des Code de la consommation (Verbrauchergesetzbuch), hervorgegangen aus Art. 3-1 des Gesetzes Nr. 92-60 vom 18. Januar 1992 zur Stärkung des Verbraucherschutzes, lautet:
„Soweit nichts anderes vertraglich vereinbart ist, gelten im Voraus gezahlte Beträge als Angeld, was zur Folge hat, dass jede Vertragspartei ihre Verpflichtung rückgängig machen kann, wobei der Konsument sein Angeld verliert und der Unternehmer den doppelten Betrag zurückzahlt.“
Nach Art. 1590 des Code civil steht es im Fall eines mit einem Angeld verbundenen Kaufversprechens jeder Vertragspartei frei, sich von dem Versprechen mit der Maßgabe zu lösen, dass der Angeldgeber das Angeld verliert und der Angeldnehmer das Doppelte zurückzahlt.
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
Die Société thermale in Eugénie-les-Bains (Frankreich) führt Kureinrichtungen mit Hotel- und Restaurationsbetrieb. Sie nimmt die Anzahlung der Kurgäste bei der Reservierung eines Aufenthalts als Angeld entgegen. Die Beträge werden entweder bei der späteren Bezahlung der Leistungen des Aufenthalts vom Preis abgezogen oder von der Société im Fall, dass die Kurgäste auf ihren Aufenthalt verzichten, einbehalten.
Die Société thermale wurde 1992 einer Steuerprüfung für den Zeitraum vom 1. Januar 1989 bis 30. April 1992 unterzogen. Nach Abschluss dieser Prüfung erklärte die Steuerverwaltung, dass das Angeld, das die Société thermale zum Zeitpunkt der Reservierung der Aufenthalte erhalten und nach der Stornierung der Reservierung durch die Gäste einbehalten hatte, mehrwertsteuerpflichtig sei. Am 8. Dezember 1994 wurde für diesen Zeitraum eine Steuernachforderung in Höhe von 84 054 FRF (12 814 Euro) an die Société thermale gestellt. Diese legte hiergegen Einspruch bei der Steuerverwaltung ein, der am 14. Februar 1995 zurückgewiesen wurde.
Die Société thermale erhob gegen diese Entscheidung Klage beim Tribunal administratif de Pau, die mit Urteil vom 18. November 1999 abgewiesen wurde. Das Tribunal war nämlich der Ansicht, dass das Angeld, wenn es von der Société im Fall einer Stornierung durch den Gast einbehalten werde, die Vergütung der Dienstleistung darstelle, die in der Aufnahme des Gastes, der Anlegung einer Reservierungsakte und der Reservierung des Aufenthalts bestehe.
Die Société thermale legte gegen dieses Urteil bei der Cour administrative d’appel de Bordeaux Berufung ein, die mit Urteil vom 18. November 2003 zurückgewiesen wurde. Das Gericht begründete die Entscheidung, dass das von den Gästen der Société geleistete und von ihr im Fall der Stornierung einbehaltene Angeld der Mehrwertsteuer unterliege, damit, dass es in diesem Fall als direkte Gegenleistung und Vergütung einer bestimmbaren Dienstleistung angesehen werden müsse, die in der Anlage einer Gästeakte und der Reservierung des Aufenthalts bestanden habe.
Die Société thermale war der Meinung, dass es sich bei dem Angeld um eine Entschädigung zum Ausgleich des ihr aufgrund der Nichtanreise des Gastes entstandenen Schadens handle, die als solche nicht mehrwertsteuerpflichtig sei, und beantragte beim Conseil d’État die Aufhebung des Urteils.
Der Conseil d’État hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Sind die im Voraus als Angeld geleisteten Beträge im Rahmen von Veräußerungsgeschäften, die der Mehrwertsteuer unterliegende Dienstleistungen zum Gegenstand haben, in Fällen, in denen der Erwerber von der ihm eröffneten Möglichkeit des Rücktritts Gebrauch macht und der Veräußerer diese Beträge einbehält, als Vergütung der Reservierungsleistung und als solche als mehrwertsteuerpflichtig oder aber als Entschädigung zum Ausgleich des infolge des Vertragsrücktritts des Gastes entstandenen Schadens – ohne direkten Bezug zu einer entgeltlichen Dienstleistung – und als solche nicht als mehrwertsteuerpflichtig anzusehen?
Zur Vorlagefrage
Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die von einem Gast an einen Hotelbetreiber als Angeld geleisteten Beträge in Fällen, in denen der Gast von der ihm eröffneten Möglichkeit des Rücktritts Gebrauch macht und der Hotelbetreiber diese Beträge einbehält, als Gegenleistung für eine Reservierungsleistung, die der Mehrwertsteuer unterliegt, oder als pauschalierte Rücktrittsentschädigung, die nicht der Mehrwertsteuer unterliegt, anzusehen sind.
Zunächst ist hervorzuheben, dass der Begriff Angeld wahrscheinlich in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich definiert ist und die Ausübung der Rücktrittsmöglichkeit in Verbindung mit einem Angeld je nach nationalem Recht unterschiedliche Folgen haben kann. So ergibt sich aus den Erklärungen der französischen Regierung, dass nach französischem Recht die Ausübung dieser Möglichkeit die Partei, die zurücktritt, grundsätzlich vollständig von den Folgen der Nichterfüllung des Vertrags befreit, während in etlichen Mitgliedstaaten in einem solchen Fall auch noch Schadensersatz und Zinsen über den Betrag des einbehaltenen Angelds hinaus verlangt werden können.
Im Rahmen der vorliegenden Rechtssache ist der Fall zu untersuchen, dass eine Vertragspartei, die das Angeld geleistet hat, die Möglichkeit hat, ihre Verpflichtung unter Verlust des Angelds rückgängig zu machen, und auch die andere Partei über diese Möglichkeit verfügt, wenn sie den doppelten Betrag des Angelds zurückzahlt, ohne dass eine Prüfung der Ansprüche stattfindet, die eine der Parteien geltend machen könnte, wenn die andere von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat.
Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass die in der Vorlagefrage genannte erste Alternative nur bejaht werden kann, wenn zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, wobei die gezahlten Beträge die tatsächliche Gegenleistung für eine bestimmbare Leistung darstellen, die im Rahmen eines Rechtsverhältnisses, in dem gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, erbracht wurde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. März 1988, Apple and Pear Development Council, 102/86, Slg. 1988, 1443, Randnrn. 11, 12 und 16, vom 3. März 1994, Tolsma, C-16/93, Slg. 1994, I-743, Randnr. 14, vom 21. März 2002, Kennemer Golf, C-174/00, Slg. 2002, I-3293, Randnr. 39, und vom 23. März 2006, FCE Bank, C-210/04, Slg. 2006, I-2803, Randnr. 34).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall aber nicht erfüllt.
Der Abschluss eines Vertrags und folglich das Bestehen einer rechtlichen Beziehung zwischen den Parteien ist normalerweise nicht von der Leistung eines Angelds abhängig. Da dieses kein konstitutives Element eines Beherbergungsvertrags darstellt, ist es ein rein fakultatives Element, das in den Bereich der Vertragsfreiheit der Parteien fällt.
So kann ein Gast per Post oder sogar mündlich um die Reservierung eines Aufenthalts bitten, die der Hotelbetreiber entsprechend seiner Vertragspraxis per Post oder sogar mündlich bestätigen kann, ohne ein Angeld zu verlangen. Die auf diese Weise erklärte Annahme eines Reservierungsgesuchs begründet trotzdem eine rechtliche Bindung zwischen den Parteien, die den Hotelbetreiber zur Anlage einer Gästeakte und zur Reservierung des Aufenthalts verpflichtet.
Die Leistung eines Angelds durch einen Gast und die Verpflichtung des Hotelbetreibers, mit keinem anderen einen Vertrag zu schließen, der die Einhaltung der mit dem Gast geschlossenen Vereinbarung beeinträchtigt, können entgegen der Ansicht der französischen Regierung nicht mehr als gegenseitige Leistungen eingestuft werden, da sich in diesem Fall die genannte Verpflichtung direkt aus dem Beherbergungsvertrag ergibt und nicht auf der Zahlung des Angelds beruht.
Nach den allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts hat nämlich jede Vertragspartei den Vertrag einzuhalten und die vertraglich bedungene Leistung zu erbringen. Die Verpflichtung, sich an den Vertrag zu halten, folgt nicht aus dem Abschluss einer anderen, speziell zu diesem Zweck getroffenen Vereinbarung. Die Verpflichtung, den Vertrag tatsächlich zu erfüllen, beruht auch nicht auf einer etwaigen Entschädigung oder Vertragsstrafe wegen Verzugs, einem Pfand oder einem Angeld, sondern ergibt sich aus dem Vertrag selbst.
Folglich erfüllt der Hotelbetreiber, wenn er aufgrund einer Reservierung die vereinbarte Leistung erbringt, nur den mit dem Gast geschlossenen Vertrag nach dem Grundsatz, dass Verträge eingehalten werden müssen. Die Einhaltung dieser Verpflichtung kann also nicht als Gegenleistung für das geleistete Angeld angesehen werden.
Da sich die Reservierungsverpflichtung aus dem Beherbergungsvertrag selbst und nicht aus dem geleisteten Angeld ergibt, besteht kein direkter Zusammenhang zwischen der erbrachten Dienstleistung und der erhaltenen Gegenleistung (Urteile Apple and Pear Development Council, Randnrn. 11 und 12, Tolsma, Randnr. 13, und Kennemer Golf, Randnr. 39). Der Umstand, dass das Angeld im Fall der Benutzung des reservierten Zimmers auf den Preis des Zimmers angerechnet wird, bestätigt, dass das Angeld keine Gegenleistung für eine eigenständige, bestimmbare Leistung ist.
Da das Angeld keine Gegenleistung für eine eigenständige, bestimmbare Leistung darstellt, ist zur Beantwortung der Vorlagefrage zu prüfen, ob das Angeld eine Entschädigung zum Ausgleich des infolge des Vertragsrücktritts des Gastes entstandenen Schadens ist.
Den Vertragsparteien steht es frei, den Inhalt ihres Rechtsverhältnisses einschließlich der Folgen eines eventuellen Rücktritts oder der etwaigen Nichterfüllung ihrer Verpflichtungen unter Beachtung zwingender Vorschriften und der öffentlichen Ordnung zu bestimmen. Gleichwohl haben sie die Möglichkeit, auf die verschiedenen Instrumente des Zivilrechts zu verweisen, statt ihre Verpflichtungen im Detail festzulegen.
Die Parteien können daher für den Fall der Nichterfüllung der Vertragspflichten Klauseln bezüglich einer Entschädigung oder Vertragsstrafe wegen Verzugs, eines Pfands oder eines Angelds vorsehen. Obwohl alle diese Instrumente dazu bestimmt sind, die vertraglichen Pflichten der Parteien zu bekräftigen, und manche ihrer Funktionen identisch sind, weist jede von ihnen Besonderheiten auf.
Insbesondere in Bezug auf das Angeld ist daran zu erinnern, dass es erstens ein Zeichen für einen Vertragsschluss ist, da die Zahlung des Angelds eine Vermutung für das Bestehen dieses Vertrags begründet. Zweitens stellt das Angeld einen Anreiz für die Erfüllung des Vertrags dar, da die Partei, die es geleistet hat, diesen Betrag verlieren kann, und die andere Partei gegebenenfalls das Doppelte dieses Betrags zurückzahlen muss, wenn die Nichterfüllung auf sie zurückgeht. Drittens stellt das Angeld eine pauschalierte Entschädigung dar, da seine Zahlung eine Partei vom Nachweis der Höhe des erlittenen Schadens befreit, wenn die andere Partei sich von der Vereinbarung löst.
Der Grund für das Angeld im Hotelsektor beruht im Prinzip auf den beschriebenen Besonderheiten. Es soll ein Zeichen für den Abschluss des Vertrags, ein Anreiz für seine Erfüllung und eine pauschalierte Entschädigung sein.
Während das Angeld bei normaler Vertragsabwicklung auf den Preis der erbrachten Dienstleistungen des Hotelbetreibers angerechnet wird und somit der Mehrwertsteuer unterliegt, ist die im Ausgangsverfahren streitige Einbehaltung des Angelds im Gegensatz dazu die Folge der Ausübung einer dem Gast eröffneten Rücktrittsmöglichkeit und dient dem Hotelbetreiber als Entschädigung nach dem Rücktritt. Eine solche Entschädigung stellt kein Entgelt für eine Dienstleistung dar und ist kein Bestandteil der Besteuerungsgrundlage der Mehrwertsteuer (vgl. in diesem Sinne in Bezug auf Verzugszinsen Urteil vom 1. Juli 1982, BAZ Bausystem, 222/81, Slg. 1982, 2527, Randnrn. 8 bis 11).
Entgegen der Ansicht der portugiesischen Regierung wird diese Feststellung nicht dadurch entkräftet, dass der Betrag des entstandenen Schadens und das einbehaltene Angeld in den meisten Fällen nicht übereinstimmen oder die Zimmer, die durch den Rücktritt frei geworden sind, eventuell mit neuen Gästen belegt werden können. Da es sich um eine pauschalierte Entschädigung handelt, ist es normal, dass der Schaden höher oder niedriger sein kann als das vom Hotelbetreiber einbehaltene Angeld.
Außerdem spricht die Vorschrift, dass im Fall einer auf den Hotelbetreiber zurückgehenden Nichterfüllung des Vertrags das Doppelte des als Angeld geleisteten Betrags zurückzuzahlen ist, ebenfalls dafür, das Angeld als pauschalierte R ücktrittsentschädigung und nicht als Vergütung einer Leistung einzuordnen. In einem solchen Fall erbringt der Gast dieses Betreibers nämlich offensichtlich keine Leistung an diesen.
Da die Leistung eines Angelds zum einen kein Entgelt darstellt, das ein Hotelbetreiber als tatsächliche Gegenleistung für eine eigenständige, bestimmbare Leistung, die er einem Gast erbracht hat, erhält, und zum anderen die Einbehaltung dieses Angelds nach einer Stornierung durch diesen Gast den Zweck hat, die Folgen der Nichterfüllung des Vertrags auszugleichen, fällt weder die Zahlung noch die Einbehaltung des Angelds oder die Rückzahlung des doppelten Betrags unter Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie.
Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 2 Nr. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie in dem Sinne auszulegen sind, dass die Beträge, die im Rahmen von Verträgen, die der Mehrwertsteuer unterliegende Beherbergungsdienstleistungen zum Gegenstand haben, als Angeld geleistet worden sind, in Fällen, in denen der Erwerber von der ihm eröffneten Möglichkeit des Rücktritts Gebrauch macht und der Hotelbetreiber diese Beträge einbehält, als pauschalierte Entschädigung zum Ausgleich des infolge des Vertragsrücktritts des Gastes entstandenen Schadens – ohne direkten Bezug zu einer entgeltlichen Dienstleistung – und als solche nicht als mehrwertsteuerpflichtig anzusehen sind.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
Art. 2 Nr. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage sind in dem Sinne auszulegen, dass die Beträge, die im Rahmen von Verträgen, die der Mehrwertsteuer unterliegende Beherbergungsdienstleistungen zum Gegenstand haben, als Angeld geleistet worden sind, in Fällen, in denen der Erwerber von der ihm eröffneten Möglichkeit des Rücktritts Gebrauch macht und der Hotelbetreiber diese Beträge einbehält, als pauschalierte Entschädigung zum Ausgleich des infolge des Vertragsrücktritts des Gastes entstandenen Schadens – ohne direkten Bezug zu einer entgeltlichen Dienstleistung – und als solche nicht als mehrwertsteuerpflichtig anzusehen sind.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg