12.06.2008 · IWW-Abrufnummer 081834
Bundesfinanzhof: Urteil vom 08.04.2008 – VIII R 73/05
Beteiligt sich eine sogenannte Freiberufler-Kapitalgesellschaft mitunternehmerisch an einer Freiberufler-Personengesellschaft, so erzielt die Personengesellschaft insgesamt gewerbliche Einkünfte.
Gründe:
I.
Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Rechtsanwalts-Sozietät in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR).
Gesellschafter waren bis zum 31. Dezember 1994 die Rechtsanwälte S, Pf, B und G. Mit Wirkung zum 1. Januar 1995 veräußerten die Gesellschafter S und Pf ihre Gesellschaftsanteile an die C-GmbH und traten sie zugleich ab.
Im Kaufvertrag vom 15. Dezember 1994 stimmten die Gesellschafter B und G dem Verkauf und der Abtretung dieser Anteile zu. Die Gesellschafter waren ab dem 1. Januar 1995 danach wie folgt beteiligt: C-GmbH zu 79 %, B zu 20 % und G zu 1 %.
Die Gesellschafter der C-GmbH sollten über eine entsprechende Gewinnbeteiligung an der Klägerin einen angemessenen Ausgleich dafür erhalten, dass sie der Klägerin die Gelegenheit dazu verschaffte, in größerem Umfang Mandate aus ihrem Mandantenstamm zu übernehmen bzw. zu erwerben.
Die Klägerin erklärte für die Streitjahre 1995 bis 1998 Einkünfte aus selbstständiger Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Im Anschluss an eine Außenprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -FA-) unter dem 7. August 2000 erstmals Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für diese Jahre. In der Folgezeit gab die Klägerin für die Jahre 1999 bis 2001 Gewerbesteuererklärungen ab, denen das FA u.a. mit Gewerbesteuermessbescheid für 1999 vom 12. Februar 2001 folgte.
Gleichwohl legte die Klägerin gegen die Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre 1995 bis 1999 Einspruch ein und erhob nach deren Zurückweisung (Einspruchsentscheidung vom 17. Juli 2002) Klage, mit der sie u.a. geltend machte, entsprechend dem sog. Klinik-Urteil des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- (Beschluss vom 10. November 1999 2 BvR 2861/93, BVerfGE 101, 151, BStBl II 2000, 160), wonach die Umsatzsteuerpflicht eines Unternehmens nicht allein von dessen Rechtsform abhängig gemacht werden dürfe, könne auch die C-GmbH, deren Gesellschafter bzw. Geschäftsführer ausschließlich Rechtsanwälte und/oder Steuerberater seien, nicht allein wegen ihrer Eigenschaft als Kapitalgesellschaft gewerbesteuerpflichtig gemäß § 2 Abs. 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) sein. Deshalb könne deren Beteiligung auch nicht auf ihre, der Klägerin, Einkünfte gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG abfärben. Die C-GmbH sei zudem nicht mitunternehmerisch beteiligt. Vielmehr handele es sich nur um eine "faktische stille Beteiligung". Sie sei weder als Gesellschafterin im Innen- noch im Außenverhältnis aufgetreten, zumal sie als Steuerberatungsgesellschaft auch keine Rechtsberatung betreiben dürfe. Nach den gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen stehe ihr deswegen auch kein Stimmrecht zu. Schließlich sei sie auch nicht in den Gesellschafterversammlungen vertreten gewesen und sie habe ebenso wenig ihre Rechte aus § 233 des Handelsgesetzbuchs (HGB) wahrgenommen. Mithin könne sie auch nicht als "berufsfremde Person" zu einer Gewerbesteuerpflicht der Klägerin führen.
Der Kaufvertrag zwischen den Gesellschaftern S und Pf sowie der C-GmbH sei gemäß § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) wegen Verstoßes gegen § 59a Abs. 1 Satz 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) sowie gegen Art. 1 § 1 i.V.m. § 3 Nr. 2 des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) nichtig. Mangels wirksamer Beteiligung der C-GmbH an der GbR sei diese somit niemals Mitunternehmerin geworden.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1373 veröffentlichtem Urteil als unbegründet ab.
Mit der -vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen- Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG Sachsen-Anhalt sowie die Gewerbesteuer-Messbescheide für 1995 bis 1999 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Juli 2002 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet und war zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).
Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die von der Klägerin erzielten Einkünfte als gewerbliche qualifiziert und im Ergebnis zutreffend weder die Zuordnung der von Freiberufler-Kapitalgesellschaften erzielten Einkünfte als gewerbliche noch die sog. Abfärberegelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG als verfassungswidrig beurteilt.
1. Eine Personengesellschaft entfaltet nur dann eine Tätigkeit, die die Ausübung eines freien Berufes i.S. von § 18 EStG darstellt, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufes erfüllen (Urteile des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 4. Juli 2007 VIII R 77/05, BFH/NV 2008, 53; vom 15. Mai 1997 IV R 33/95, BFH/NV 1997, 751, m.w.N.; vom 11. Juni 1985 VIII R 254/80, BFHE 144, 62, BStBl II 1985, 584), denn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Freiberuflichkeit können nicht von der Personengesellschaft selbst, sondern nur von den natürlichen Personen erfüllt werden. Für eine selbstständige Arbeit i.S. von § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist die persönliche Berufsqualifikation und eine berufsbezogene Tätigkeit des Steuerpflichtigen prägend. Um die Merkmale eines freien Berufes zu erfüllen, müssen die Gesellschafter zumindest in ihrem Bereich leitend und eigenverantwortlich tätig sein (BFH-Urteile vom 23. November 2000 IV R 48/99, BFHE 193, 482, BStBl II 2001, 241; in BFH/NV 2008, 53).
Insbesondere reichen eine rein kapitalmäßige Beteiligung und die bloße Beschaffung von Aufträgen nicht aus (vgl. auch Verfügung der Oberfinanzdirektion -OFD- Hannover vom 1. Juli 2007 G 1401-24-StO 252, ESt-Kartei Niedersachsen, § 18 EStG Nr. 15).