05.10.2006 · IWW-Abrufnummer 062917
Bundesfinanzhof: Urteil vom 13.07.2006 – IV R 25/05
Wird ein Teil eines normalen Einfamilienhauses von den Gesellschaftern der Betriebs-GmbH an diese als einziges Büro (Sitz der Geschäftsleitung) vermietet, so stellen die Räume auch dann eine wesentliche, die sachliche Verflechtung begründende Betriebsgrundlage im Sinne der Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung dar, wenn sie nicht für Zwecke des Betriebsunternehmens besonders hergerichtet und gestaltet sind. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Gebäudeteil nicht die in § 8 EStDV genannten Grenzen unterschreitet.
Gründe:
I.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) zu 1 und 2 sind Eheleute. Sie sind beide zu jeweils 50 % an der ... GmbH (GmbH) beteiligt, die seit 1985 besteht und Unternehmensberatung im EDV-Bereich betreibt. Die Betriebsräume der GmbH befanden sich zunächst in der Mietwohnung der Kläger zu 1 und 2; ab 1986 befinden sie sich in deren jeweiligen zu Wohnzwecken genutzten eigenen Einfamilienhäusern. Im Einzelnen hat es damit folgende Bewandtnis: Mit Mietvertrag vom 1. November 1986 vermieteten die Kläger zu 1 und 2 in ihrem Haus ... zwei Zimmer mit einer Bürofläche von 24 qm an die GmbH zur Benutzung als Büroräume. Ab 1989 nutzte die GmbH statt des ursprünglich im Erdgeschoss befindlichen Betriebsraums andere Räume im Dachgeschoss.
Mit Mietvertrag vom 1. Mai 1998 vermieteten die Kläger zu 1 und 2 in dem Haus ... der GmbH zur Benutzung als Büroraum ein Zimmer, als Lagerraum einen Keller, sowie ein WC. Die Bürofläche war mit 31 qm vereinbart.
Das Inventar der Betriebsräume besteht aus Schreibtischen, Schränken und 2 PCs. Kunden kommen nur selten in diese Betriebsräume. Der Kontakt mit Kunden findet meist in Räumen der Kunden statt. Die GmbH beschäftigt außer den Klägern zu 1 und 2 keine weiteren Mitarbeiter.
Im Jahre 2000 fand bei den Klägern zu 1 und 2 eine Betriebsprüfung im Hinblick auf die Vermietung und Verpachtung von Wohngebäuden und Wohnungen für die Jahre 1996 bis 1998 statt. Der Prüfer vertrat die Auffassung, durch die Vermietung der Büroräume an die GmbH werde eine Betriebsaufspaltung begründet, da diese Büroräume die wesentliche Betriebsgrundlage für die GmbH darstellten. Die Räume seien extra für die GmbH hergerichtet worden. Eine anderweitige Anmietung von Büroräumen sei nicht geplant gewesen. Die Vermietung der Büroräume an die GmbH sei keine Vermögensverwaltung mehr, sondern eine gewerbliche Tätigkeit. Das Besitzunternehmen (Kläger zu 1 und 2) sei ein Gewerbebetrieb i.S. des § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA-- ) folgte der Rechtsansicht des Prüfers und erließ erstmalige Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung einer aus den Klägern zu 1 und 2 bestehenden GbR (Klägerin zu 3).
Hiergegen wandten sich die Kläger zu 1 und 2 jeweils für sich selbst und für die Klägerin zu 3 nach erfolglosem Einspruch mit der Klage.
Zur Begründung trugen sie vor, ein betrieblich genutztes Grundstück sei keine wesentliche Betriebsgrundlage, wenn es für das Betriebsunternehmen keine oder nur eine geringe wirtschaftliche Bedeutung habe. Eine solche wirtschaftliche Bedeutung liege nur vor, wenn das Gebäude für Zwecke des Betriebsunternehmens hergerichtet oder gestaltet worden sei. An diesen Voraussetzungen mangele es im vorliegenden Streitfall. Insbesondere seien die Räume nicht besonders für die GmbH gestaltet. Vielmehr seien nach Fertigstellung des Hauses die Räume der GmbH zur Verfügung gestellt worden, ohne sie beim Bau des Objektes besonders für die Zwecke der GmbH herzurichten. Die GmbH sei auch nicht auf die Räume angewiesen, um ihren Betrieb fortzusetzen. Die Gesellschaft sei jederzeit in der Lage, an jedem beliebigen Ort Räume anzumieten und von dort aus ihr Geschäft zu betreiben.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Die Entscheidung vom 13. Oktober 2003 10 K 7519/00 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1932 veröffentlicht.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
Das FA beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger haben keinen Antrag gestellt.
II.
Die Revision ist begründet, sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung verneint.
1. Die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung --sachliche und persönliche Verflechtung (ständige Rechtsprechung, vgl. den Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63)-- und damit eines gewerblichen Unternehmens i.S. von § 15 EStG liegen im Streitfall vor. Das ist für die persönliche Verflechtung unstreitig, gilt aber auch für die sachliche Verflechtung. Die vermieteten Teile der Einfamilienhäuser der Kläger zu 1 und 2 (bis April 1998 ..., ab Mai 1998 ...) stellen nach den für die Betriebsaufspaltung geltenden Grundsätzen entgegen der Auffassung des FG eine wesentliche Grundlage für den Betrieb der GmbH dar.
a) Eine wesentliche Betriebsgrundlage liegt nach der neueren Rechtsprechung des BFH vor, wenn das von der Betriebsgesellschaft genutzte Grundstück für diese wirtschaftlich von nicht nur geringer Bedeutung ist (BFH-Urteile vom 2. April 1997 X R 21/93, BFHE 183, 100, BStBl II 1997, 565; vom 23. Mai 2000 VIII R 11/99, BFHE 192, 474, BStBl II 2000, 621; vom 23. Januar 2001 VIII R 71/98, BFH/NV 2001, 894; BFH-Beschluss vom 3. April 2001 IV B 111/00, BFH/NV 2001, 1252). So verhält es sich, wenn der Betrieb auf das Grundstück angewiesen ist, weil er ohne ein Grundstück dieser Art nicht fortgeführt werden könnte (BFH-Urteile in BFHE 183, 100, BStBl II 1997, 565; vom 26. Mai 1993 X R 78/91, BFHE 171, 476, BStBl II 1993, 718; in BFHE 192, 474, BStBl II 2000, 621). Eine besondere Gestaltung für den jeweiligen Unternehmenszweck der Betriebsgesellschaft (branchenspezifische Herrichtung und Ausgestaltung) ist nicht erforderlich; notwendig ist allein, dass das Grundstück die räumliche und funktionale Grundlage für die Geschäftstätigkeit der Betriebsgesellschaft bildet und es ihr ermöglicht, ihren Geschäftsbetrieb aufzunehmen und auszuüben (BFH-Urteile vom 19. März 2002 VIII R 57/99, BFHE 198, 137, BStBl II 2002, 662, unter II.B.2.b bb, m.w.N.; vom 18. September 2002 X R 4/01, BFH/NV 2003, 41; vom 11. Februar 2003 IX R 43/01, BFH/NV 2003, 910).
b) Ob diese Grundsätze auch für "reine" Büro- und Verwaltungsgebäude galten, war früher zwischen den Senaten des BFH streitig (Nachweise im BFH-Urteil in BFHE 192, 474, BStBl II 2000, 621). Mit seinem Urteil in BFHE 192, 474, BStBl II 2000, 621 hat der VIII. Senat des BFH diese Unterscheidung aufgegeben. Andere Senate des BFH sind ihm gefolgt (Nachweise vorstehend unter II.a). Auch die Finanzverwaltung hat sich dem angeschlossen (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 18. September 2001, BStBl I 2001, 634).
c) Allerdings hielt es der VIII. Senat des BFH in seinem Urteil in BFHE 192, 474, BStBl II 2000, 621 offenbar noch für möglich, dass "Allerweltsgebäude" keine wesentliche Betriebsgrundlage eines Dienstleistungsunternehmens darstellten (vgl. HG, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2000, 1865, 1866). So ist auch das vom FG zitierte BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 894 zu verstehen, in dem der VIII. Senat durch einen Hinweis auf das BFH-Urteil vom 2. Februar 2000 XI R 8/99 (BFH/NV 2000, 1135) einer Differenzierung zwischen einem "Gebäude, das alle Anforderungen an ein für den Betrieb der GmbH geeignetes Verwaltungsgebäude erfüllt", einerseits und einem "einfachen Einfamilienhaus" andererseits zugestimmt hat.
d) Die nachfolgende Rechtsprechung hat jedoch --in konsequenter Fortführung der vom VIII. Senat eingeleiteten Rechtsprechungsänderung-- dem Umstand, dass es sich bei dem genutzten Gebäude um ein "Allerweltsgebäude" gehandelt hat, keine Bedeutung mehr beigemessen (vgl. insbesondere BFH-Urteile in BFH/NV 2003, 910, und vom 1. Juli 2003 VIII R 24/01, BFHE 202, 535, BStBl II 2003, 757).
2. Nach diesen Grundsätzen stellen die von den Klägern zu 1 und 2 der GmbH zur Nutzung überlassenen Teile der jeweiligen Einfamilienhäuser eine wesentliche, die sachliche Verflechtung begründende Betriebsgrundlage bei der GmbH dar. Den entscheidenden Grund dafür, dass die Büroräume für die GmbH von nicht nur geringer wirtschaftlicher Bedeutung sind, sieht der Senat darin, dass sich in ihnen der Mittelpunkt der Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Ob die Geschäftsleitung auch von einem Schreibtisch in einem Privatraum aus hätte ausgeübt werden können, ist ohne Bedeutung. Denn solche hypothetischen Betrachtungen spielen gegenüber der von den Beteiligten tatsächlich gewählten Gestaltung keine Rolle (BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 41).
3. Unmaßgeblich ist auch, dass die Kläger zu 1 und 2 der GmbH in den verschiedenen Streitjahren nicht jeweils ein ganzes Gebäude, sondern nur einzelne Büroräume (Gebäudeteile) vermietet haben. Die Rechtsprechung des BFH hat dem zu Recht keine Bedeutung beigemessen (BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 910). Ferner kann nicht entscheidend sein, dass die Kläger zu 1 und 2 die nicht vermieteten Räume selbst bewohnt haben. Fraglich könnte allenfalls sein, ob ein Gebäudeteil nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehört, wenn es ein Einzelgewerbetreibender nach § 8 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung wegen Unterschreitens der dort genannten Grenzen nicht als Betriebsvermögen behandeln müsste. Die Frage bedarf im Streitfall keiner Vertiefung, weil dem vom FG in Bezug genommenen Betriebsprüfungsbericht zufolge der Wert der jeweiligen Büroräume mehr als 40 000 DM (nunmehr 20 500 ¤) betragen hat.