Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 14.01.2010 · IWW-Abrufnummer 100183

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 21.10.2009 – I R 114/08

    1.
    Die sog. Umschaltklauseln des § 20 Abs. 2 und 3 AStG i.d.F. des Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes vom 21. Dezember 1993 setzen die fiktive Steuerpflicht der Betriebsstätteneinkünfte nach Maßgabe der §§ 7 ff. AStG voraus. Eine solche ist nicht gegeben, soweit eine Besteuerung nach §§ 7 ff. AStG gegen die gemeinschaftsrechtlich verbürgten Grundfreiheiten verstößt.



    2.
    Die §§ 7 ff. AStG i.d.F. des Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes vom 21. Dezember 1993 verstoßen gegen die in Art. 43 EG garantierte Niederlassungsfreiheit (Anschluss an die Urteile des EuGH vom 6. Dezember 2007 C-298/05 "Columbus Container Services", Slg. 2007, I-10451, und vom 12. September 2006 C-196/04 "Cadbury Schweppes", Slg. 2006, I-7995).


    Gründe:

    I.

    Es handelt sich um jenes Klageverfahren, das dem Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts (FG) Münster an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 5. Juli 2005 15 K 1114/99 F,EW (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2005, 1512) sowie dem anschließenden Urteil des EuGH vom 6. Dezember 2007 C-298/05 "Columbus Container Services" (Slg. 2007, I-10451) zugrunde lag:

    Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Kommanditgesellschaft ("Commanditaire Vennotschap") belgischen Rechts (BVBA & Co CV) mit Sitz in Belgien. Sie wurde im Streitjahr 1996 von der belgischen Steuerverwaltung als ein Koordinationszentrum im Sinne der Königlichen Verordnung Nr. 187 behandelt.

    Gesellschafter der Klägerin waren im Streitjahr acht in Deutschland ansässige Angehörige derselben Familie mit einem Anteil von jeweils 10 v.H. und eine deutsche Personengesellschaft, deren Anteile ebenfalls Mitgliedern dieser Familie gehörten, mit 20 v.H. In der Gesellschafterversammlung wurden alle Anteilsinhaber durch dieselbe Person vertreten.

    Die Klägerin gehört zu einer Unternehmensgruppe. Ihr Gesellschaftszweck war im Streitjahr die Koordinierung der Aktivitäten dieser Gruppe, u.a. die Zentralisierung der finanziellen Transaktionen und der Buchführung, die Finanzierung der Liquidität der Tochtergesellschaften oder Zweigniederlassungen, die elektronische Datenverarbeitung sowie Werbe- und Marketingaktivitäten. Ihre wirtschaftliche Tätigkeit bestand im Wesentlichen in der Verwaltung von Kapitalanlagen i.S. von § 10 Abs. 6 Satz 2 des Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz) i.d.F. des Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes (StMBG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl. I 1993, 2310, BStBl I 1994, 50) --AStG a.F.--. Durch diese Verwaltungstätigkeit erzielte sie im Streitjahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie sonstige Einkünfte.

    Die belgische Steuerverwaltung besteuerte den von der Klägerin tatsächlich erzielten Gewinn im Streitjahr zu dem für Koordinationszentren geltenden Steuersatz, der sich konkret auf weniger als 30 v.H. belief.

    Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte die Einkünfte der als Kapitalanlagegesellschaft i.S. von § 10 Abs. 6 Satz 2 AStG a.F. behandelten Klägerin auf der Grundlage von § 20 Abs. 2 AStG a.F. gesondert und einheitlich fest. Er qualifizierte dabei die sonstigen Einkünfte der Klägerin als steuerfrei, aber dem Progressionsvorbehalt unterliegend. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb bezog das FA --unter Anrechnung der darauf in Belgien erhobenen Steuer-- in die Bemessungsgrundlage der Steuer ein. Zugleich stellte das FA den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1996 fest und bezog dabei das Vermögen der Klägerin nach Maßgabe von § 20 Abs. 3 AStG a.F. ein.

    Auf die dagegen erhobene Klage richtete das FG Münster durch seinen Beschluss in EFG 2005, 1512 gemäß Art. 234 Abs. 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) i.d.F. des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG), sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1997 Nr. C-340, 1) an den EuGH die folgende Rechtsfrage:

    "Widerspricht es den Bestimmungen in Art. 52 EGV, jetzt Art. 43 EG, und in Art. 73b bis 73d EGV, jetzt Art. 56 bis 58 EG, wenn die Regelungen in § 20 Abs. 2 und Abs. 3 AStG (a.F.) die Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter in der ausländischen Betriebsstätte eines im Inland unbeschränkt Steuerpflichtigen, die als Zwischeneinkünfte steuerpflichtig wären, falls die Betriebsstätte eine ausländische Gesellschaft wäre, entgegen dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regulierung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und der Grundsteuern vom 11. (April) 1967 (DBA-Belgien) nicht durch Freistellung der Einkünfte von der inländischen Besteuerung, sondern durch Anrechnung der auf die Einkünfte erhobenen ausländischen Ertragsteuer von der Doppelbesteuerung befreien?"

    Durch Urteil in Slg. 2007, I-10451 entschied der EuGH auf dieses Ersuchen:

    "Die Art. 43 EG und 56 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer Steuerregelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, wonach die Einkünfte einer im Inland ansässigen Person aus Kapitalanlagen in einer Niederlassung mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat ungeachtet eines Doppelbesteuerungsabkommens mit dem Mitgliedstaat des Sitzes dieser Niederlassung nicht von der inländischen Einkommensteuer freigestellt sind, sondern unter Anrechnung der im anderen Mitgliedstaat erhobenen Steuer der inländischen Besteuerung unterliegen."

    Die daraufhin fortgeführte Klage wurde vom FG Münster als unbegründet abgewiesen (Urteil vom 11. November 2008 15 K 1114/99 F,EW, EFG 2009, 309).

    Ihre Revision stützt die Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts.

    Sie beantragt sinngemäß,

    das FG-Urteil sowie den Bescheid über die Einheitswertfeststellung auf den 1. Januar 1996 aufzuheben und den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung für 1996 dahin zu ändern, dass die Einkünfte aus der belgischen Betriebsstätte von ... DM (... DM Einkünfte aus Gewerbebetrieb und ... DM sonstige Einkünfte) lediglich dem Progressionsvorbehalt unterworfen werden,

    hilfsweise,

    das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage einzuholen, ob § 20 AStG a.F. aufgrund der Verletzung von Art. 20 Abs. 3 GG bzw. Art. 25 GG verfassungswidrig ist.

    Das FA beantragt,

    die Revision zurückzuweisen.

    II.

    Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zu anderweitigen Steuerfeststellungen. Das FG hat die Einkünfte und das Vermögen der Klägerin zu Unrecht im Inland als steuerpflichtig angesehen.

    1.

    Bei der Klägerin handelt es sich aus deutscher Sicht um eine Personengesellschaft mit Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Die an ihr beteiligten, im Inland ansässigen und deswegen hier mit ihren (gesamten) Einkünften (sog. Welteinkommensprinzip) unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen (vgl. § 1 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG) Gesellschafter, denen durch die Gesellschaft in Belgien jeweils eine Betriebsstätte vermittelt wird (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteile vom 17. Oktober 2007 I R 5/06, BFHE 219, 518, BStBl II 2009, 356; vom 13. Februar 2008 I R 63/06, BFHE 220, 415, BStBl II 2009, 414, jeweils m.w.N.), erzielen mit ihren Gewinnanteilen infolgedessen Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Um doppelte Besteuerungen in Deutschland als Wohnsitzstaat und in Belgien als Betriebsstättenstaat zu vermeiden, haben sich beide Staaten jedoch abkommensrechtlich und völkerrechtlich verbindlich darauf verständigt, das Besteuerungsrecht für die in Belgien erwirtschafteten und den Anteilseignern zuzurechnenden Gewinne gemäß Art. 7 Abs. 1 DBA-Belgien Belgien zuzuweisen. In Deutschland sind diese Gewinne nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 DBA-Belgien von der Steuer befreit. Gleichermaßen verhält es sich nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 2 DBA-Belgien mit jenem beweglichen Vermögen, das Betriebsvermögen der in Belgien belegenen Betriebsstätten der unbeschränkt vermögensteuerpflichtigen Gesellschafter (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Vermögensteuergesetzes) darstellt.

    2.

    Allerdings bestimmt § 20 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AStG a.F., dass abweichend von dieser Abkommenslage die Doppelbesteuerung von Einkünften mit Kapitalanlagecharakter i.S. des § 10 Abs. 6 Satz 2 AStG a.F., die in der ausländischen Betriebsstätte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen anfallen, nicht durch Freistellung, sondern durch Anrechnung der auf diese Einkünfte erhobenen ausländischen Steuern zu vermeiden ist. Voraussetzung dafür ist, dass die betreffenden Einkünfte als Zwischeneinkünfte nach §§ 7 bis 18 AStG a.F. steuerpflichtig wären, falls die Betriebsstätte eine ausländische Gesellschaft wäre. Gleiches gilt für diese Fälle des § 20 Abs. 2 AStG a.F. im Hinblick auf das Vermögen, das Einkünften mit Kapitalanlagecharakter i.S. von § 10 Abs. 6 Satz 2 AStG a.F. mit Ausnahme der Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter i.S. des § 10 Abs. 6 Satz 3 AStG a.F. zugrunde liegt; auch insoweit ist die Doppelbesteuerung nicht durch Freistellung, sondern durch Anrechnung der auf dieses Vermögen erhobenen ausländischen Steuern zu vermeiden (§ 20 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AStG a.F.).

    3.

    Voraussetzung für den Wechsel der Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Freistellung zur Anrechnung ist nach der beschriebenen Regelungslage also eine fiktive Steuerpflicht jener Einkünfte nach Maßgabe der §§ 7 ff. AStG a.F. Danach gilt Folgendes:

    a)

    Sind unbeschränkt Steuerpflichtige an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), die weder Geschäftsleitung noch Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat und die nicht gemäß § 3 Abs. 1 KStG von der Körperschaftsteuer ausgenommen ist (ausländische Gesellschaft), i.S. von § 7 Abs. 2 AStG a.F. zu mehr als der Hälfte beteiligt, so sind die Einkünfte, für die diese Gesellschaft Zwischengesellschaft ist, bei jedem von ihnen mit dem Teil steuerpflichtig, der auf die ihm zuzurechnende Beteiligung am Nennkapital der Gesellschaft entfällt (§ 7 Abs. 1 AStG a.F.). Zu mehr als der Hälfte beteiligt sind unbeschränkt Steuerpflichtige i.S. von § 7 Abs. 1 AStG a.F. an einer ausländischen Gesellschaft, wenn ihnen allein am Ende des Wirtschaftsjahrs der Gesellschaft, in dem sie die Einkünfte nach § 7 Abs. 1 AStG a.F. bezogen hat (maßgebendes Wirtschaftsjahr), mehr als 50 v.H. der Anteile oder Stimmrechte an der ausländischen Gesellschaft zuzurechnen sind (§ 7 Abs. 2 Satz 1 AStG a.F.). Eine ausländische Gesellschaft ist i.S. von § 7 Abs. 1 AStG a.F. Zwischengesellschaft für Einkünfte, die einer niedrigen Besteuerung (durch eine Ertragsteuerbelastung von weniger als 30 v.H., § 8 Abs. 3 Satz 1 AStG a.F.) unterliegen und nicht aus jenen Einkünften stammen, die in § 8 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 AStG a.F. aufgelistet sind (§ 8 Abs. 1 erster Halbsatz AStG a.F.). Die hiernach steuerpflichtigen Einkünfte sind bei dem unbeschränkt Steuerpflichtigen mit dem Betrag, der sich nach Abzug der Steuern ergibt, die zu Lasten der ausländischen Gesellschaft von diesen Einkünften sowie von dem diesen Einkünften zugrunde liegenden Vermögen erhoben worden sind, anzusetzen (Hinzurechnungsbetrag, § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG a.F.). Der Hinzurechnungsbetrag gehört zu den Einkünften i.S. des § 20 Abs. 1 Ziff. 1 EStG und gilt unmittelbar nach Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahrs der ausländischen Gesellschaft als zugeflossen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 AStG a.F.). Auf den Hinzurechnungsbetrag sind die Bestimmungen der Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht anzuwenden, soweit im Hinzurechnungsbetrag im Rahmen bestimmter Voraussetzungen und Höchstbeträge Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter i.S. von § 10 Abs. 6 Satz 2 AStG a.F. enthalten sind (§ 10 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 AStG a.F.).

    b)

    Es ist im Streitfall nicht kontrovers, dass die Klägerin die Voraussetzungen dieser Regelungslagen erfüllt: Ihre Gesellschafter waren im Streitjahr im Inland wohnhafte und deswegen unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Personen und zusammen --jeweils allein oder im Verbund über eine Personengesellschaft-- zu mehr als der Hälfte an der Klägerin beteiligt. Die Klägerin ging sog. passiven Tätigkeiten mit Kapitalanlagecharakter i.S. von § 10 Abs. 6 Satz 1 AStG a.F. nach, welche nicht unter den Katalog des § 8 Abs. 1 AStG a.F. fielen. Sie wurde in Belgien überdies niedrig i.S. von § 8 Abs. 2 und 3 AStG a.F. besteuert. Schließlich wurde sie sowohl nach belgischem als auch nach dem insoweit maßgeblichen deutschen Steuerrecht als (transparente) Personengesellschaft behandelt, was bedingt, dass sie ihren Gesellschaftern Betriebsstätten i.S. von Art. 5 DBA-Belgien, § 12 der Abgabenordnung (AO) vermittelte. Konsequenz dieses Sachverhalts ist, dass die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) in Deutschland entsprechende Hinzurechnungsbeträge auslösen, die unter Anrechnung der darauf entfallenden belgischen Ertragssteuern in die deutsche Besteuerung und damit in den für das Streitjahr nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO gesondert und einheitlich festzustellenden Gewinn der Klägerin ebenso wie in den nach § 180 Abs. 1 Nr. 1 AO festzustellenden Einheitswert auf den 1. Januar 1996 einzubeziehen sind. Die zwischen Deutschland und Belgien nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 DBA-Belgien vereinbarte Freistellung der (Betriebsstätten-)Einkünfte ist wegen der gegenläufigen gesetzlichen Anordnung in § 20 Abs. 2 und 3 AStG a.F. nicht zu gewähren. Darüber besteht im Grundsatz kein Zweifel und unter den Beteiligten auch kein Streit.

    4.

    Die Klägerin meint allerdings, es verstoße gegen Gemeinschaftsrecht, dass ihr die abkommensrechtliche Freistellung versagt werde. Dem ist im Ergebnis beizupflichten.

    a)

    Die Hinzurechnung von Einkunftsteilen ausländischer Zwischengesellschaften nach Maßgabe von §§ 7 ff. AStG a.F. bezweckt die Abschöpfung sog. passiver Einkünfte im niedrig besteuernden Ausland und dient als solche einer typisierten Missbrauchsabwehr. § 20 Abs. 2 und 3 AStG a.F. zielt darauf ab, die Rechtswirkungen dieser Missbrauchsabwehr für jene Fälle zu sichern, dass im niedrig besteuernden Ausland Betriebsstätten statt Kapitalgesellschaften zwischengeschaltet werden. § 20 Abs. 2 und 3 AStG a.F. stellt so gesehen also seinerseits eine Missbrauchsvermeidungsnorm dar; die Vorschrift soll verhindern, dass die (primäre) Missbrauchsabwehr durch §§ 7 ff. AStG a.F. bei ansonsten gleichgelagerten Gegebenheiten "umgangen" wird (dazu Wassermeyer/Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 20 AStG Rz 31, Rz 151.7). Zu diesem Zweck bestimmt § 20 Abs. 2 und 3 AStG a.F. unilateral eine Abweichung von der abkommensrechtlich (hier auch mit Belgien) vereinbarten Freistellung der betreffenden Kapitaleinkünfte; an die Stelle der Freistellung tritt die Einbeziehung der Einkunftsteile unter Anrechnung der ausländischen Steuern.

    Der EuGH hat mit Urteil in Slg. 2007, I-10451 entschieden, dass diese sog. Umschaltung ("Switch over") von der einen in die andere Methode zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht keine Bedenken aufwirft. Letztlich zielten sowohl die Freistellungs- als auch die Anrechnungsmethode gleichermaßen darauf ab, eine Doppelbesteuerung der in Rede stehenden Einkünfte zu verhindern. Es liege keine Ungleichbehandlung des gebietsfremden gegenüber dem gebietsansässigen Marktteilnehmer vor, weil gerade aufgrund der Umschaltklausel im Inland beide gleichbehandelt werden.

    b)

    In Reaktion auf dieses Urteil des EuGH wird in weiten Teilen des Schrifttums jedoch vertreten, dass dadurch die gemeinschaftsrechtliche Problematik nicht erschöpft sei (vgl. z.B. Haun/Käshammer/Reiser, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 2007, 184, 188; Rainer/Müller, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2007, 151; Köhler/Eicker, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2007, 331, 334; Kaminski/Strunk/Haase, IStR 2007, 726; Lieber, IStR 2009, 35; Prokopf in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 20 AStG Rz 99; Vogt in Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 20 AStG Rz 26 f.; Thömmes, Internationale Wirtschaftsbriefe --IWB--, Fach 11A, 1169, 1171; Hammerschmitt/Rehfeld, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 2293, 2303; Rehfeld, Die Vereinbarkeit des Außensteuergesetzes mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrags, 2008, S. 465 ff.; Köhler/Haun, Die Unternehmensbesteuerung 2008, 73, 86; Wassermeyer/Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, a.a.O., § 20 AStG Rz 151.5 ff., letztere auch unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 8. Januar 2007, BStBl I 2007, 99; anders Brombach-Krüger, Betriebs-Berater --BB-- 2009, 924; im Ergebnis unklar Goebel/ Jacobs/Schmidt, Deutsche Steuer-Zeitung 2009, 185, 186; Kraft, AStG, § 20 Rz 75 a.E.). Der EuGH habe lediglich jene Vorlagefrage beantwortet, welche ihm zur Vorabentscheidung gestellt worden sei. Er habe jedoch nicht darüber befunden, ob die Hinzurechnung der Auslandseinkünfte nach §§ 7 ff. AStG a.F. als solche europäisches Primärrecht verletze. Das aber sei, wie sich aus dem (dem EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-10451 vorangegangenen) Urteil des EuGH vom 12. September 2006 C-196/04 "Cadbury Schweppes" (Slg. 2006, I-7995) ergebe, der Fall. Denn danach sei im Lichte der Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EG) von der Anwendung einer Norm, die der "Bekämpfung missbräuchlicher Praktiken" dient, abzusehen, "wenn es sich auf der Grundlage objektiver und von dritter Seite nachprüfbarer Anhaltspunkte erweist, dass die genannte beherrschte Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat angesiedelt ist und dort wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht" (EuGH, daselbst, Rz 75; s. auch Rz 51 ff.). Die hiernach bei typisierten Missbrauchsvermeidungsvorschriften erforderliche Möglichkeit eines Gegenbeweises ("Motivtest") im Einzelfall fehle bei §§ 7 ff. AStG a.F., was wiederum auf § 20 Abs. 2 und 3 AStG a.F. durchschlage, weil genau jene Situation, die die Hinzurechnung auslöse, Grund für den dort angeordneten Wechsel in der Methode der Doppelbesteuerungsvermeidung sei. Die --unterstellte-- Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der §§ 7 ff. AStG a.F. wirke sich sonach mittelbar auf die Umschaltklausel aus.

    c)

    Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.

    aa)

    Die in §§ 7 ff. AStG a.F. vorausgesetzte Typisierung eines gestaltungsmissbräuchlichen Verhaltens widerspricht den Anforderungen der gemeinschaftsrechtlich verbürgten Niederlassungsfreiheit (Art. 43 i.V.m. Art. 48 EG), weil sie dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eines Gegenbeweises im Einzelfall vorenthält (s. zu diesem Erfordernis auch Senatsurteil vom 29. Januar 2008 I R 85/06, BFHE 220, 398, BStBl II 2008, 671, m.w.N.). Diese Möglichkeit wurde --allerdings unter Ausschluss von Gesellschaften mit Einkünften aus Kapitalanlagen (vgl. § 7 Abs. 6 AStG a.F./n.F.) und deswegen ggf. nach wie vor unter unzulänglichen Voraussetzungen (s. z.B. Vogt in Blümich, a.a.O., § 8 AStG Rz 154 ff.; Schnitger, IStR 2007, 729; Thielo/Szentpetery, BB 2008, 1984, 1990; Sedemund, BB 2008, 696, 697 f.; Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, a.a.O., Vor §§ 7 bis 14 AStG Rz 203 ff. und wiederholend § 8 AStG Rz 409; Haun/Käshammer/Reiser, GmbHR 2007, 184, 187; Köhler/ Eicker, DStR 2007, 331, 332; Hammerschmitt/Rehfeld, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 2293, 2298 ff.)-- erst (und erklärtermaßen wegen der andernfalls bestehenden Gemeinschaftsrechtswidrigkeit, s. BTDrucks 16/6298, dort S. 91 f.) im Anschluss an das EuGH-Urteil in Slg. 2006, I-7995, durch § 8 Abs. 2 AStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 2008 vom 20. Dezember 2007 (BGBl. I 2008, 3058) --AStG n.F.-- für Zwischeneinkünfte geschaffen, welche in einem Wirtschaftsjahr der Zwischengesellschaft entstanden sind, das nach dem 31. Dezember 2007 begann (§ 21 Abs. 17 Satz 1 AStG n.F.). Um solche Einkünfte geht es im Streitfall nicht.

    bb)

    Folge der aufgrund des Anwendungsvorrangs gemeinschaftsrechtlichen Primärrechts (und damit der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten) vor nationalem Recht verbindlichen gemeinschaftsrechtlichen Beurteilung durch den EuGH ist die Nichtanwendung der §§ 7 ff. AStG a.F. Allerdings wirkt sich der gemeinschaftsrechtliche Anwendungsvorrang nicht dergestalt aus, dass von der Hinzurechnungsbesteuerung gänzlich abzusehen ist. Die gemeinschaftsrechtlichen Erfordernisse sind vielmehr in die betroffenen Normen hineinzulesen (vgl. dazu zuletzt Senatsurteil vom 25. August 2009 I R 88, 89/07, DStR 2009, 2295, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, m.w.N.). §§ 7 ff. AStG a.F. sind deshalb gemeinschaftskonform und im Einklang mit den regelungsimmanenten Wertungen (vgl. dazu M. Lang, Steuer und Wirtschaft International 2009, 216, 224 f.) dahin zu interpretieren, dass dem Steuerpflichtigen der gemeinschaftsrechtlich gebotene "Motivtest" über seine tatsächlichen wirtschaftlichen Aktivitäten im Einzelfall zu gewähren ist. Dies deckt sich letztlich mit der Vorgehensweise der Finanzverwaltung vor der Neuschaffung von § 8 Abs. 2 AStG n.F. im BMF-Schreiben in BStBl I 2007, 99 (s. auch Schönfeld in Flick/ Wassermeyer/Baumhoff, a.a.O., Vor §§ 7 bis 14 AStG Rz 321 f. und wiederholend § 8 AStG Rz 403).

    Im Streitfall bestehen nach den tatrichterlichen Feststellungen keine Zweifel daran, dass die Klägerin im Streitjahr aktiv, ständig und nachhaltig im Rahmen ihres Unternehmenszwecks am Wirtschaftsleben in Belgien teilgenommen, über entsprechend qualifiziertes Personal und geeignete Geschäftsräume und damit über genügend wirtschaftliche "Substanz" verfügt und ihre Einkünfte aus eigener Tätigkeit erzielt hat. Auf diese Feststellungen, die den Senat binden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), ist Bezug zu nehmen. Das dagegen gerichtete Vorbringen des FA gibt ebenso wenig Anlass, diese Feststellungen und deren Würdigung in Frage zu stellen, wie die erwähnten, insoweit einschränkenden Erfordernisse nach dem BMF-Schreiben in BStBl I 2007, 99; diese werden den Vorgaben des EuGH-Urteils in Slg. 2006, I-7995 nicht vollen Umfangs gerecht. Der besagte "Motivtest" wird von der Klägerin sonach bestanden; diese ging im Streitjahr im Sinne des EuGH-Urteils in Slg. 2006, I-7995 (dort Tz. 68) in Belgien einer "wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit" nach und ist nicht als "eine rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltung" anzusehen (s. zuletzt auch wieder EuGH-Urteil vom 17. September 2009 C-182/08 "Glaxo Wellcome", IStR 2009, 691).

    cc)

    Infolgedessen verbleibt es dabei, dass §§ 7 ff. AStG a.F. nicht eingreifen, wenn die von der Klägerin erzielten Einkünfte statt von einer Personengesellschaft --unter ansonsten gleichen Verhältnissen-- von einer Kapitalgesellschaft erzielt worden wären. Mithin ist der Tatbestand des § 20 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 und 3 AStG a.F. im Streitfall nicht erfüllt. Die Rechtsfolge dieser Vorschrift tritt deshalb nicht ein, und zwar --entgegen dem nunmehr in § 20 Abs. 2 AStG n.F. enthaltenen Anwendungsausschluss von § 8 Abs. 2 AStG n.F. (und der dazu bekundeten Annahme des Gesetzgebers, vgl. BTDrucks 16/6290, S. 94)-- ungeachtet dessen, dass der dort angeordnete Methodenwechsel von der Freistellung zur Anrechnung als solcher keine gemeinschaftsrechtlich beachtliche Diskriminierung oder Beschränkung nach sich zieht. Ob sich diese Konsequenz des gemeinschaftsrechtlichen Anwendungsvorrangs hätte vermeiden lassen, wenn der angeordnete Methodenwechsel nicht von einer konkreten (fiktiven) Steuerpflicht gemäß §§ 7 ff. AStG a.F. --als "Rechtsgrundverweisung" (s. Rehfeld, a.a.O., S. 473)-- abhängig gemacht worden wäre, sondern --als "Rechtsfolgenverweisung"-- von einem abstrakten Vorliegen der Voraussetzungen jener Vorschriften, kann dahinstehen. Der Gesetzgeber des Außensteuergesetzes in der hier maßgeblichen (ebenso wie der jetzigen) Gesetzesfassung ist diesen Weg nicht gegangen.

    d)

    Der Senat erachtet die aufgezeigte Gemeinschaftsrechtslage in Anbetracht des EuGH-Urteils in Slg. 2006, I-7995 als eindeutig. Einer (abermaligen) Vorlage an den EuGH gemäß Art. 234 Abs. 3 EG --mit anderweitiger Fragestellung als jener des FG Münster in seinem Beschluss in EFG 2005, 1512-- bedurfte es deshalb nicht (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 "C.I.L.F.I.T.", EuGHE 1982, 3415, und zwar unbeschadet des EuGH-Urteils in Slg. 2007, I-10451; die darin vom EuGH gegebene Antwort resultiert ersichtlich allein aus der ihm im Rahmen des Vorabentscheidungsersuchens gestellten Frage, welche die tatbestandliche Verknüpfung zwischen § 20 Abs. 2 und 3 AStG a.F. einerseits und §§ 7 ff. AStG a.F. andererseits und die daraus abzuleitenden Konsequenzen nicht hinreichend verdeutlichte).

    5.

    Die von der Vorinstanz vertretene Rechtsauffassung weicht von derjenigen des erkennenden Senats ab. Ihr Urteil war aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die angefochtenen Bescheide sind antragsgemäß zu ändern. Die Ermittlung und Berechnung der festzustellenden Beträge wird dem FA nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung überlassen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

    RechtsgebieteAStG i.d.F. des StMBG, Schlussurteil "Columbus Container Services"VorschriftenSchlussurteil "Columbus Container Services": § 20 Abs. 2 und 3 i.V.m. §§ 7 ff. AStG a.F. verstößt gegen Gemeinschaftsrecht AStG i.d.F. des StMBG §§ 7 ff., § 20AStG i.d.F. des JStG 2008 § 8 Abs. 2, § 20 Abs. 2EG Art. 43, Art. 48DBA-Belgien Art. 7 Abs. 1, Art. 22 Abs. 2, Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1