08.01.2010
Finanzgericht Bremen: Urteil vom 07.11.2000 – 200209K 2
1. Wird der Prüfungszeitraum auf vorangehende Jahre erweitert, hat das FA grundsätzlich den zeitlichen Umfang der Außenprüfung nach seinem Ermessen zu bestimmen. Das Ermessen des FA ist allerdings durch die BpO eingeschränkt. Die Erweiterung des Prüfungszeitraums muss substantiiert begründet werden.
2. Die Erweiterung des Prüfungszeitraums darf an den bei Vorliegen etwaiger Steuerstraftaten erweiterten Festsetzungsfristen entsprechend § 169 Abs. 2 Satz 2 AO orientiert werden.
3. Eine vom FA erstellte Nachkalkulation in Form einer „Ausbeutekalkulation”, bei der übliche Schank-, Abfall- oder Putzverluste in ausreichendem Maß berücksichtigt sind, ist grundsätzlich geeignet, Grundlagen für die Besteuerung eines Speisegaststättenbetriebs zu ermitteln und damit auch eine Aussage darüber zu treffen, ob die erklärten Umsätze zu niedrig angegeben wurden.
IM NAMEN DES VOLKES
hat das Finanzgericht Bremen, 2. Senat, nach mündlicher Verhandlung am 07.11.2000
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte eine bei der Klägerin laufende Betriebsprüfung auf weitere Zeiträume ausdehnen darf.
Die Klägerin betreibt drei italienische Speiserestaurants (A, B, C). Am 04.09.1998 ordnete der Beklagte eine Betriebsprüfung an, mit der er den Prüfungszeitraum auf die Jahre 1995 bis 1997 bestimmte.
Die Prüfung begann am 26.10.1998. Am 21.01.1999 fand zwischen dem Prüfer und dem steuerlichen Berater der Klägerin in dessen Büro eine Besprechung statt. Danach fanden weitere Prüfungshandlungen nicht mehr statt. Am 02.02.1999 leitete sodann die Bußgeld- und Strafsachenstelle gegen die beiden Gesellschafter der Klägerin ein Strafverfahren ein. Aufgrund des Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts vom 15.02.1999 wurden am 24.03.1999 die Betriebsräume der Klägerin von der Steuerfahndung durchsucht. Daraufhin erließ der Beklagte am 16.04.1999 eine ergänzende Prüfungsanordnung, mit der der Prüfungszeitraum auf die Vorjahre 1989–1994 ausgedehnt wurde. Zur Begründung der Erweiterung führte der Beklagte an, es sei mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen zu rechnen und es bestehe der Verdacht einer Steuerstraftat.
Gegen die ergänzende Prüfungsanordnung legte die Klägerin am 19.04.1999 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 26.05.1999 als unbegründet zurückwies. In dem anschließenden Klagverfahren 200123K 2 vertrat das Finanzgericht die Auffassung, die in der Einspruchsentscheidung enthaltenen Ermessenserwägungen gäben Anlass zu Zweifeln darüber, ob sie hinreichend deutlich machten, aus welchen Gründen die Prüfunganordnung um die vorangegangenen Jahre ergänzt worden sei.
Daraufhin hob am 10.08.1999 der Beklagte die erweiterte Prüfungsanordnung vom 16.04.1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.05.1999 auf und erließ gleichzeitig eine erneute erweiterte Prüfunganordnung. Damit endete das Klageverfahren vor dem Finanzgericht. Auf den Inhalt der erneuten erweiterten Prüfungsanordnung vom 10.08.1999, mit der der Beklagte die Ausweitung der Prüfung auf Vorjahre im wesentlichen mit dem Hinweis auf die nach seiner Meinung feststellbaren Kalkulationsdifferenzen in den Jahren des ursprünglichen Prüfungszeitraums begründete, wird Bezug genommen. Gegen die erneute erweiterte Prüfungsanordnung legte die Klägerin am 18.08.1999 mit der Begründung Einspruch ein, nach ihren eigenen Ermittlungen seien Kalkulationsdifferenzen in den Jahren 1995 bis 1997 praktisch nicht gegeben. Sie bezog sich dazu auf eine von ihr gefertigte Einzelkalkulation des Restaurants A, aus der sich nach ihrer Auffassung lediglich eine geringfügige Differenz zwischen kalkuliertem und tatsächlich erzieltem Umsatz ergeben soll. Die Klägerin meint, der Beklagte sei deshalb nicht berechtigt gewesen, den Prüfungszeitraum zu erweitern. Auf den Inhalt der Einspruchsbegründung wird Bezug genommen.
Mit der Einspruchsentscheidung vom 20.03.2000 beschränkte der Beklagte die Ergänzung der Prüfungsanordnung auf die Jahre 1989–1992, da die Jahre 1993 und 1994 zwischenzeitlich von der Steuerfahndungsprüfung erfaßt wurden. Im übrigen wies er den Einspruch als unbegründet zurück. Er führte aus, aufgrund der bisherigen Betriebsprüfung seien Mängel der Buchführung, geringe Rohgewinnaufschläge und Gelder, deren Herkunft nicht nachgewiesen worden sei, festgestellt worden. Schon danach seien nicht unerhebliche Steuernachforderungen, nämlich mehr als DM 3.000 pro Veranlagungszeitraum, zu erwarten. Aufgrund des sich daraus ergebenden Gesamtbildes der Verhältnisse sei zu erwarten, dass sich dieses Ergebnis auch in den davor liegenden Jahren einstellen werde. Außerdem erhärte die Auswertung der durch die Steuerfahndung beschlagnahmten Registrierkasse den Verdacht einer Steuerhinterziehung. Soweit die Steuerfahndungsstelle wegen der Strafverfolgungsverjährung für die Jahre 1989 bis 1992 kein Strafverfahren eingeleitet habe, führe dies nicht zur Unzulässigkeit der Erweiterung des Prüfungszeitraums. Die Erweiterung werde darauf gestützt, dass mit erheblichen Steuernachforderungen zu rechnen sei. Insoweit werde sie nicht weiter auf den Verdacht von Steuerstraftaten gestützt. Der Festsetzung der erwarteten Mehrsteuern in Anwendung der verlängerten Festsetzungsfrist stehe das rein strafrechtliche Verfolgungshinderniss der Verjährung nicht entgegen.
Zur Untermauerung der von ihr nach den Prüfungsfeststellungen angenommenen Kalkulationsdifferenzen hat der Beklagte eine sogenannte Ausbeutekalkulation exemplarisch für die Lokale der Klägerin A und B für das Jahr 1995 erstellt. Daraus leitete der Beklagte für beide Lokale einen Mehrumsatz von 445.110 DM sowie einen durchschnittlichen Aufschlagssatz von 320 % ab, den er auf die aus der Buchführung zu entnehmenden Wareneinsätze für die Erweiterungsjahre anwendete und auf diese Weise Mehrumsätze in diesen Jahren von durchschnittlich ca. DM 500.000 ermittelte.
Der Beklagte führt weiter aus, die von der Klägerin vorgenommene Nachkalkulation sei nicht geeignet dieses Ergebnis zu ändern. Zu bezweifeln sei insbesondere die von der Klägerin angeführte Möglichkeit, dass verschiedene Einzelbelege innerhalb der EDV nicht mehr dargestellt werden könnten, weil es zu mehreren Computernabstürzen gekommen sei. Dieser Hinweis entkräfte nicht den konkreten Verdacht, dass Umsätze, die durch entsprechende Berechnungen belegt seien, nachträglich im PC gelöscht worden seien. Die Klägerin räume zumindest eine nicht ordnungsgemäße Buchführung selbst ein, wenn sie in diesem Zusammenhang vortrage, vereinzelte Zeiträume seien nachträglich rekonstruiert worden. Auch habe die Klägerin einen Bargeldfund in der Privatwohnung eines ihrer Gesellschafter nicht überzeugend erklären können.
Im übrigen habe es sich bei der Besprechung am 21.01.1999 im Büro des Steuerberaters der Klägerin nicht um eine Schlußbesprechung gehandelt. Die Prüfung sei noch nicht abgeschlossen gewesen.
Am 19.04.2000 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt vor, der Beklagte habe mit seiner Nachkalkulation nicht nachgewiesen, dass die von ihr abgegebenen steuerlichen Erklärungen nicht korrekt gewesen seien. Die Annahme, in den einzelnen Veranlagungszeiträumen des ursprünglichen Prüfungszeitraums sei mit Mehrergebnissen von mehr als DM 3.000 zu rechnen, sei unzutreffend. So habe er bei dem Restaurant B kein Mehrergebnis festgestellt, sondern sogar den von ihr, der Klägerin, angewendeten Aufschlagssatz als angemessen bezeichnet.
Der Beklagte habe auch keine Differenzen zwischen der Summe der Einzelabrechnungen innerhalb der EDV-Anlage der Klägerin für die herausgegebenen Speisen und Getränke einerseits mit den erfassten Tageseinnahmen in den Kassenabrechnungen andererseits beim Restaurant A festgestellt. Er habe lediglich festgestellt, dass verschiedene Einzelrechnungen, die er bei der Betriebsprüfung eines anderen Steuerpflichtigen aufgefunden habe, teilweise nicht in der EDV-Zusammenstellung des A enthalten gewesen seien. Die von ihr erklärten Umsätze seien aufgrund der jeweiligen Tagesumsätze, die nach Abschluss des Tages- und Abendgeschäfts jeweils in die Kassenberichte eingetragen worden seien, ermittelt worden. Das sei im Fall des Restaurants A jedoch deswegen nicht geschehen, weil dort erhebliche Datenverluste eingetreten seien. Deshalb hätten umfangreiche Zeiträume nachträglich rekonstruiert werden müssen.
Der Betriebsprüfung könne lediglich das Ergebnis zugrunde gelegt werden, welches bis zum Tage der Besprechung am 20.01.1999 erzielt worden sei, bei der es sich um eine Schlußbesprechung gehandelt habe. Die damals bekannten Änderungen rechtfertigten jedenfalls nicht die Erweiterung des Prüfungszeitraums.
Die Nachkalkulation des Beklagten sei grundsätzlich falsch, weil jeder einzelne gekaufte Warenposten hochkalkuliert werde, um damit einen Gesamtumsatz zu erreichen. Dadurch werde nicht berücksichtigt, welche Einzelwaren ein Gericht erfordere. Es werde mit einen angenommenen Aufschlagssatz operiert, ohne dabei zusätzliche Fehlmengen und Abfälle und sonstige Hilfsstoffe u.s.w. mit einzubeziehen.
Die Klägerin nimmt weiterhin detailliert Stellung zu den Einzelkalkulationen nach Warengruppen und stellt in jedem dieser Einzelfälle die nach ihrer Auffassung unzutreffenden Kalkulationsgrundlagen und daraus folgend wesentlich niedrigere oder auch teilweise keine Mehrergebnisse fest.
Die Klägerin beantragt,
die Prüfungsanordnung – Ergänzung vom 10.08.1999 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 20.03.2000 betreffend die Jahre 1989–1992 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt er Bezug auf die Einspruchsentscheidung und die prüfungserweiternde Anordnung vom 10.08.1999. Ergänzend trägt er vor, die von ihm erstellte „Ausbeutekalkulation” habe die Beweiskraft der Buchführung der Klägerin widerlegt und die Erwartung nicht unerheblicher Steuernachforderungen begründet. Der Einwand der Klägerin, die Kalkulation sei ohne Rücksicht auf den praktischen Materialverbrauch erstellt worden, treffe nicht zu. Denn beispielsweise die bei der Herstellung von Speisen verwendeten Einzelwarengruppen seien anhand des konkreten Wareneingangs berücksichtigt worden. Dabei deute auch die Einbeziehung branchenüblicher „Mehlverluste” auf eine realistische Kalkulation hin. Die von der Klägerin vorgelegte Nachkalkulation sei ungeeignet, die tatsächlich erzielten Umsätze darzustellen. So sei nicht nachvollziehbar, wie die Klägerin den Wareneinsatz für die einzelnen Gericht ermittelt habe. Insoweit sei ihre Kalkulation gegenüber der präzisen „Ausbeutekalkulation” ungenau.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Dem Senat haben die einschlägigen Steuerakten der Klägerin und die Sonder- und Rechtsbehelfsakten mit den darin enthaltenen Nachkalkulationen für die Restaurants A und B vorgelegen. Soweit in diesem Urteil auf diese Akten und den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen wird, waren sie Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Gründe
Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Entscheidung des Beklagten, den Prüfungszeitraum auf die Vorjahre 1989 bis 1992 zu erweitern, ist nicht zu beanstanden. Denn der Beklagte hat die Erweiterung des Prüfungszeitraums in ausreichender Weise substantiiert begründet und hat das von ihm dabei auszuübende Ermessen weder überschritten noch fehlerhaft ausgeübt.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die ursprüngliche Prüfungsanordnung für den Prüfungszeitraum der Jahre 1995 bis 1997 vom 04.09.1998 rechtmäßig und bestandskräftig ist. Wird – wie im Streitfall – der Prüfungszeitraum auf vorangehende Jahre erweitert, gilt auch insoweit, dass das Finanzamt grundsätzlich den zeitlichen Umfang der Außenprüfung nach seinem Ermessen bestimmt. Das der Finanzbehörde zustehende Ermessen ist allerdings durch die Bestimmungen in der Betriebsprüfungsordnung (BpO) eingeschränkt. Diese für die Finanzverwaltung geltende Selbstbeschränkung ist auch im gerichtlichen Verfahren zu beachten.
Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO gilt die grundsätzliche Beschränkung des Prüfungszeitraums auf die letzten drei Besteuerungszeiträume unter anderem dann nicht, wenn mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen zu rechnen ist oder der Verdacht einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit besteht (vgl. auch BFH-Urteil vom 19.08.1998 XI R 37/97, BFHE 186, 506, BStBl. II 1999, 7). Die Erweiterung des Prüfungszeitraums muß substantiiert begründet werden. Es ist daher stets erforderlich, dass die Finanzbehörde ihre Ermessensentscheidung in Fällen der zweiten Alternative des § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO mit Tatsachen begründet, aus denen sich die Annahme nicht unerheblicher Steuernachforderungen herleitet (BFH-Beschluß vom 04.02.1999 I B 64/97, BFH/NV 1999, 907).
Im Streitfall ist die Voraussetzung des zu erwartenden Mehrergebnisses, auf die der Beklagte die Erweiterung der Prüfungsanordnung in der Einspruchsentscheidung vom 20.03.2000 als der letzten Verwaltungsentscheidung stützt, erfüllt. Dabei hat er den Erweiterungszeitraum in berechtigter Annahme etwaiger Steuerstraftaten an der Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zutreffend auf die Jahre 1989 bis 1992 festgelegt.
Die vom Beklagten erstellte Nachkalkulation in Form einer „Ausbeutekalkulation” ist grundsätzlich geeignet, Grundlagen für die Besteuerung eines Speisegaststättenbetriebes zu ermitteln und damit auch eine Aussage darüber zu treffen, ob die erklärten Umsätze zu niedrig angegeben wurden. Der Beklagte hat bei seiner Nachkalkulation den zwischen den Beteiligten unstreitigen Wareneinsatz der beiden verprobten Restaurants zu Grunde gelegt. Dabei hat er das Angebotssortiment nach Warengruppen wie Getränke, Küchenwaren und Sonstiges entsprechend der von der Klägerin verwendeten Speisekarten einbezogen und im Wege der Einzelverprobung für jede Warengruppe den jeweiligen Bruttoerlös ermittelt. Bei Speisen wurden alle Positionen einer Speisengruppe wie beispielsweise Pizza, Nudel-, Fleisch-, Fischgerichte u.s.w. entsprechend der Karte nach Bezeichnung und Verkaufspreis erfaßt sowie daraus der Durchschnittspreis pro Gruppe ermittelt. Sodann wurde die zu verwendende Warenmenge pro Durchschnittswert je Speise kalkuliert, dem jeweiligen Wareneinsatz pro Gruppe gegenübergestellt und errechnet, wieviele Portionen einer Speisengruppe aus der vorhandenen Warenmenge herstellbar waren. Multipliziert mit dem Durchschnittspreis ergab sich daraus der kalkulierte Bruttoerlös für die jeweilige Speisengruppe. Bei den allgemeinen Küchenwaren (sonstige Zutaten) wurde ein allgemeiner Abzug von 3 % berücksichtigt, bei Salatgemüse ein Putzverlust von 12,87 %.
Getränke wurden unter Berücksichtigung der eingekauften Mengen, Schankverluste, Verkaufspreis laut Karte pro Glas oder Flasche kalkuliert. Für Spirituosen wurden Schankverluste von 10 % und bei alkoholfreien Getränken (Verkauf pro Glas) ebenso wie bei Fassbier 3 % angesetzt.
Im Gegensatz zur Einzelkalkulation der Klägerin, die für jede Einzelposition den Wareneinsatz schätzt und damit unterschiedliche pauschale Aufschlagsätze pro Gericht zugrunde legt, basiert die Nachkalkulation des Beklagten mit dem aus der Gewinn- und Verlustrechnung übernommenen Wareneinsatz auf einem feststehenden Wert. Die darauf aufbauende Ermittlung beispielsweise der Portionen einer Speisengruppe oder der Anzahl verkaufter Getränke begegnet grundsätzlich keinen Bedenken. Zwar mag darüber gestritten werden, ob beispielsweise aus einem Kilogramm Filetfleisch vier verkaufsgerechte Portionen herstellbar sind oder, wie die Klägerin behauptet, auf Grund von Abfällen allenfalls drei oder in der Regel nur zwei Portionen; selbst bei einer Reduzierung der zu errechnenden Positionen im Sinne der Klägerin um ein Drittel oder um die Hälfte verbliebe bei der Position „Fleischgerichte” beispielsweise noch eine erheblich Kalkulationsdifferenz. Bei anderen Warengruppen, insbesondere bei den verkauften Flaschengetränken, dürfte das Ergebnis des Beklagten dagegen exakt ermittelt sein, da der tatsächliche Warenbestand zugrunde gelegt werden konnte.
Schließlich berücksichtigt die Nachkalkulation des Beklagten in ausreichender Weise übliche Schank-, Abfall- oder Putzverluste. Die von ihm zu Grunde gelegten Werte sind jedenfalls nicht so niedrig angesetzt, dass dadurch unrealistische Ergebnisse zu erwarten sind. So mag auch hier darüber zu streiten sein, ob der Schankverlust beispielsweise bei Faßbier höher als die vom Beklagten angesetzten 3 % sind. Gegenüber einem üblichen Schankverlust in der Regel von 5 % (vgl. Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 26.01.1999 XV 118/96) ist bei Anwendung des niedrigeren Wertes keine Verfälschung des Ergebnisses anzunehmen.
Die Nachkalkulation des Beklagten stößt auch insofern auf keine Bedenken, als diese lediglich auf ein geprüftes Jahr für zwei Lokale der Klägerin bezogen ist. Denn es kann davon ausgegangen werden, dass die Erfassung von zwei Dritteln des Gesamtbetriebes der Klägerin über ein ganzes Jahr repräsentativ ist für den Prüfungszeitraum. Die Schlußfolgerung des Beklagten, entsprechende Verhältnisse auch für die Vorjahre annehmen zu können, ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat mit Recht darauf hingewiesen, dass keine Anhaltspunkte für entsprechende grundlegende Änderungen der betriebswirtschaftlichen Strukturen des Betriebes der Klägerin nach Aktenlage erkennbar seien und hat deshalb ebenso mit Recht die Übertragung des ermittelten durchschnittlichen Aufschlagsatzes auf die Vorjahre des erweiterten Prüfungszeitraums übertragen. Nachdem der Beklagte durch seine Nachkalkulation Anhaltspunkte für einen realistischen Aufschlagsatz gewonnen hatte, kann ihm nicht mehr vorgehalten werden, zuvor beim Restaurant B den von der Klägerin angewendeten Aufschlagsatz als angemessen eingeschätzt zu haben.
Im übrigen sind die Einwendungen der Klägerin gegen die Nachkalkulation des Beklagten auch insoweit ungeeignet, deren Fehlerhaftigkeit zu erweisen, als sie detaillierte Einwendungen gegen die Kalkulation innerhalb der einzelnen Warengruppen vorbringt. Sie macht damit praktisch geltend, die Erweiterung einer Prüfungsanordnung sei nur dann zulässig, wenn dieser eine Prüfung der betrieblichen Verhältnisse nach Gründlichkeit und Tiefe wie bei einer Betriebsprüfung vorgeschaltet werde. Diese Argumentation richtet sich gegen das eigene Interesse der Klägerin. Denn sie verlangt damit ein Prüfungsvorgehen des Beklagten, das sie im Sinne ihres Klagbegehrens zugleich für unzulässig hält.
Ist jedoch, wie zuvor festgestellt, das Kalkulationsverfahren dem Grunde nach und in Anwendung auf die betrieblichen Verhältnisse der Klägerin nicht zu beanstanden, wird mit der erweiterten Prüfungsanordnung nicht in Rechte der Klägerin eingegriffen, selbst wenn geringe Ungenauigkeiten vorliegen sollten. Solche Ungenauigkeiten sind ohne Zugriff auf die erst durch die Prüfungserweiterung zu erlangenden Unterlagen unvermeidbar. Sie sind – wie vorstehend dargestellt – erkennbar nicht so gravierend, dass Zweifel an der Zulässigkeit des verwendeten Verfahrens und der angestellten Berechnungen bestehen. Im übrigen bleibt es der Klägerin unbenommen, von ihr angenommene Berechnungs- oder Feststellungsfehler des Beklagten nach Abschluß der Betriebsprüfung geltend zu machen und gegebenenfalls Rechtsmittel gegen ergangene Steuerbescheide einzulegen.
Der Beklagte war auch befugt, die Erweiterung des Prüfungszeitraums an den bei Vorliegen etwaiger Steuerstraftaten erweiterten Festsetzungsfristen entsprechend § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zu orientieren. Er hat zu Recht ausgeführt, auch wenn die Jahre 1989 bis 1992 strafrechtlich nicht mehr aufgegriffen werden könnten, bleibe aber gleichwohl bei Vorliegen einer Steuerhinterziehung die Erweiterung zulässig. Allein das vom Beklagten ermittelte wahrscheinliche Mehrergebnis in den Erweiterungszeiträumen legt es nahe, dass unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht worden seien und deshalb schuldhaft Steuern hinterzogen worden sein könnten. Darüber hinaus ist der Hinweis des Beklagten auf mögliche und im Streitfall nach seinen Ermittlungen auch nicht von der Hand zu weisenden Manipulationen der Klägerin an der beschlagnahmten Registrierkasse geeignet, auch insoweit den Verdacht einer Steuerhinterziehung anzunehmen.
Bestehen demnach keine Zweifel daran, dass der Beklagte bei seiner Entscheidung, den Prüfungszeitraum zu erweitern, das ihm eingeräumte Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt und dargelegt zu haben, war die Klage mit der Kostenfolge aus § 135 FGO abzuweisen.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gem. § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.