08.01.2010
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 19.02.2002 – 11 K 120/00
1. Fehler, die nach dem Verbringen eines Veredlungserzeugnisses in das Gemeinschaftszollgebiet im Zusammenhang mit dem Transport zur ersten Zollstelle, der Gestellung, der vorübergehenden Verwahrung oder den sich anschließenden zollrechtlichen Bestimmungen auftreten, insbesondere Fehler im Versandverfahren nach passiver Veredlung und vor Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr zwischen Grenzzollamt und Empfänger, werden nicht nach Art. 150 Abs. 2 ZK erfasst, sondern sind allein im Rahmen des Art. 204 Abs. 1 Buchst. a ZK i.V.m. Art. 859 ZK-DVO heilbar.
2. Die Beachtung der Förmlichkeiten des Zollverfahrens der passiven Veredlung ist für die Bemessung der Einfuhrumsatzsteuer nach § 11 Abs. 2 UStG von untergeordneter Bedeutung. Vom Vorliegen einer passiven Veredlung aus einfuhrumsatzsteuerlicher Sicht ist auszugehen, wenn eine zollrechtliche Bewilligung erteilt ist, der Bewilligungsinhaber die Veredlungsarbeiten tatsächlich durchführen lässt, die Veredlungserzeugnisse zurück verbracht werden und die Nämlichkeit festgestellt werden kann (hier: Einfuhr einer im Ausland veredelten Karosserie ohne Stellung eines Antrags auf Überführung der Ware in das externe gemeinschaftliche Versandverfahren und bei fehlender Gestellung).
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Finanzrechtsstreit
wegen Einfuhrabgaben
hat der 11. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Februar 2002 durch
Vorsitzenden Richter am Finanzgericht …
Richter am Finanzgericht …
ehrenamtliche Richter …
für Recht erkannt:
I. Der Steuerbescheid des Beklagten vom 23. Februar 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. April 2000 wird geändert. Die Einfuhrabgaben werden auf 475,93 DM = 243,34 EUR (Zoll-EURO 279,06 DM = 142,68 EUR; Einfuhrumsatzsteuer 196,87 DM = 100,66 EUR) herabgesetzt.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 25 %, der Beklagte zu 75 %.
III. Das Urteil ist wegen der dem Kläger zu erstattenden Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig sind die Differenzverzollung und die Einfuhrumsatzsteuerbelastung einer in Slowenien lackierten. Autokarosserie bei fehlender Beantragung eines externen gemeinschaftlichen Versandverfahrens zum Zeitpunkt der Einfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft und mangelnder Gestellung bei einer Zollstelle im Zollgebiet der Gemeinschaft.
Der Kläger führte im Rahmen eines vom Hauptzollamt … – Zollamt … – am 8. Dezember 1998 bewilligten Ausbesserungsverkehrs – Bewilligungsnummer PV … – eine Karosserie für einen PKW des Typs Jaguar E. nach Slowenien aus. Nach Beendigung der dortigen Lackierarbeiten für ein Entgelt in Höhe von umgerechnet 951,35 DM führte er diese Karosserie im Jahr 1999 ohne zollamtliche Abfertigung in das Zollgebiet der Gemeinschaft ein und brachte sie zu einem Restaurateur nach … …. Eine Gestellung erfolgte nicht. Im Dezember 1999 informierte der Kläger das beklagte Hauptzollamt (HZA) fernmündlich über diesen Sachverhalt und teilte mit, dass er den Restaurateur in … mit der weiteren Zollabwicklung beauftragen werde. Am 10. Januar 2000 suchte der Restaurateur, Herr … B. das Zollamt … … des HZA auf und unterbreitete diesem eine Einfuhranmeldung ohne Datum für eine Karosserie eines Jaguar E., den PV-Schein des Zollamts … die Ausfuhranmeldung vom 8. Dezember 1998, die Rechnung des slowenischen Veredelungsbetriebs sowie Durchschriften slowenischer Zolldokumente. Eine nachträgliche Verlängerung des bereits seit dem 31. März 1999 abgelaufenen und nicht verlängerten Veredelungsscheins lehnte das Zollamt ab. Die Nämlichkeit der streitgegenständlichen Karosserie wurde am 11. Januar 2000 durch das Zollamt mittels einer am gleichen Tag im Betrieb des Restaurateurs durchgeführten Beschau festgestellt.
Das HZA erließ am 23. Februar 2000 einen Steuerbescheid gegen den Kläger über Einfuhrabgaben in Höhe von insgesamt 1.315,93 DM (Zoll-EURO 279,06 DM, Einfuhrumsatzsteuer 1.036,87 DM). Der Abgabenberechnung legte es einen Zollwert in Höhe von 6.201,35 DM (Veredelungsentgelt 951,35 DM. Frachtkosten 250,00 DM, Wert der Karosserie 5.000,00 DM) bei einem Zollsatz in Höhe von 4,5 % und einen Einfuhrumsatzsteuerwert in Höhe von 6.480,41 DM (Zollwert zuzüglich Zoll-EURO) bei einem Steuersatz von 16 % zugrunde.
Der hiergegen mit Schreiben vom 13. März 2000 eingelegte Einspruch des Klägers wurde mit Einspruchsentscheidung vom 13. April 2000 zurückgewiesen. Mit seiner am 16. Mai 2000 per Telefax erhobenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend:
Der Kläger habe sich vor Verbringen der Karosserie nach Slowenien telefonisch beim Zollamt … erkundigt, wie der vom ihm beabsichtigte Vorgang zollrechtlich ablaufen müsse. Der damalige Vorsteher des Zollamts, Herr A., habe ihm geraten, die Einfuhrumsatzsteuer beim Zurückverbringen der Ware erst in … abzuführen. Herr A. habe ihn indes nicht darüber aufgeklärt, dass der Kläger ein externes gemeinschaftliches Versandverfahren habe beantragen müssen. Da der Kläger die Notwendigkeit der Durchführung eines derartigen Verfahrens nicht habe kennen können, habe er schuldlos gehandelt. Es könne zudem nicht angehen, dass Abgaben auf Waren (hier: die Karosserie) erhoben würden, die vor Ausfuhr aus der Europäischen Union im Eigentum des Klägers gestanden hätten und nur vorübergehend zu Lackierarbeiten nach Slowenien ausgeführt worden seien. Im Übrigen sei geplant gewesen, die Karosserie bei der Wiedereinfuhr dem Zollamt … zu gestellen. Entgegen der Planung sei die zurück verbrachte Ware indes in eine Restaurationswerkstatt nach … … gebracht worden. Diese Abweichung vom vorgesehenen Geschehensablauf und die mangelnde Gestellung bei einer Zollbehörde werde allerdings durch die telefonische Mitteilung vom Dezember 1999 kompensiert. Auch habe der Kläger nicht beabsichtigt, die Karosserie in das Zollgebiet der Gemeinschaft einzuschmuggeln. Eine Gestellung sei nur deshalb unterblieben, weil er vom Zollamt … nicht auf seine Gestellungspflicht hingewiesen worden sei.
Der Kläger beantragt,
den Steuerbescheid des Beklagten vom 23. Februar 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. April 2000 zu ändern und die Einfuhrabgaben (Zoll-EURO und Einfuhrumsatzsteuer) nur aus dem Veredelungsentgelt zu berechnen.
Das HZA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es ist der Meinung, es sei unerheblich, ob der Kläger ursprünglich die Absicht gehabt habe, die Karosserie beim Zollamt … in den freien Verkehr überführen zu lassen. Er müsse sich sein tatsächliches Handeln zurechnen lassen. Der ehemalige Vorsteher des Zollamts … habe dem Kläger empfohlen, einen Ausbesserungsschein zu beantragen, um einen Nachweis bei der Einfuhrverzollung vorlegen zu können. Auch habe Herr A. dem Kläger geraten, die Abfertigung zum freien Verkehr nicht an der slowenischen-österreichischen Grenze, sondern in … zu beantragen. Der Kläger habe indes nicht verstanden, dass er für die Überführung von der slowenisch-österreichischen Grenze nach … ein Versandverfahren an der österreichischen Zollstelle habe eröffnen müssen. Der Kläger habe den Tatbestand des vorschriftswidrigen Verbringens von einfuhrabgabenpflichtigen Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft erfüllt.
Gründe
I.
Die Klage ist überwiegend begründet.
Der Einfuhrabgabenbescheid vom 23. Februar 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. April 2000 verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit die Einfuhrumsatzsteuer auf 1.036,87 DM festgesetzt wird (dazu unten B.). Dagegen lässt der angefochtene Bescheid keinen Rechtsfehler erkennen, was die Festsetzung der Zollschuld auf 279,06 DM betrifft (dazu nachfolgend A.).
A.
Die am 11. Dezember 1998 erfolgte Ausfuhr der Karosserie aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft hat dazu geführt, dass die ausgeführte Ware zu einer Nichtgemeinschaftsware geworden ist. Gemäß Art. 38, 40 des Zollkodex (ZK) sind Nichtgemeinschaftswaren bei der Einfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft der Grenzzollstelle unverzüglich zu gestellen. Darüber hinaus sind sie nach Art. 48, 59 Abs. 1 ZK vom Verbringer zu einem für Nichtgemeinschaftswaren zugelassenen Zollverfahren anzumelden. Um eine Überführung der Karosserie in den freien Verkehr in … zu ermöglichen, hätte der Transport bis zum Bestimmungsort in Deutschland im Rahmen eines Versandverfahrens (Art. 84 Abs. 1 Buchstabe a, erster Anstrich ZK) erfolgen müssen. Dies hätte der Kläger gemäß Art. 91 Abs. 1 Buchstabe a, Abs. 2 Buchstabe a ZK am Ort des Grenzübertritts von Slowenien nach Österreich beantragen müssen. Weder hat der Kläger die aus Slowenien zurück verbrachte Karosserie etwa beim Grenzzollamt Spielfeld gestellt, noch hat er dort ein externes gemeinschaftliches Versandverfahren beantragt, noch ist eine Gestellung beim Zollamt … erfolgt. Damit ist der Zollschuldentstehungstatbestand nach Art. 202 Abs. 1 UAbs. 1 Buchstabe a ZK erfüllt, da eine Nichtbeachtung der Art. 38, 40 ZK ein vorschriftswidriges Verbringen zur Folge hat (Art. 202 Abs. 1 UAbs. 2 ZK). Nach Art. 202 Abs. 3, erster Anstrich ZK ist der Kläger als Verbringer Zollschuldner.
Auf die Kenntnis oder Unkenntnis des Klägers von den Zollvorschriften kommt es nicht an. Auch ist der einschlägige Zollschuldentstehungstatbestand des Art. 202 Abs. 1 U-Abs. 1 Buchstabe a ZK nicht verschuldensabhängig. Daher ist die dem Kläger vom Zollamt … gegebene Auskunft, wie er die Lackierarbeiten zollrechtlich am besten durchführen könne, rechtlich unerheblich. Letztlich bemängelt der Kläger, das Zollamt habe ihn unvollständig beraten. Dieses geht dagegen von einem Missverständnis auf der Klägerseite aus. Da es indes nicht dem Zollamt obliegt, den Kläger – verbindlich – zu beraten, trägt dieser das Risiko einer unrichtigen, unvollständigen oder missverstandenen Auskunft. Die durch ihn erfolgte nachträgliche Information der Zollbehörden über den tatsächlichen Geschehensablauf wiederum vermag den begangenen Verstoß gegen Art. 38, 40 ZK nicht zu beseitigen, da dadurch die von dem Kläger verursachte Lücke in der zollamtlichen Überwachung nicht mehr ausgeglichen werden kann. Aufgrund dessen kommt es auf die zusätzlich zu beobachtende Fristüberschreitung bei der vorgenommenen passiven Veredelung und die Frage, ob eine Fristverlängerung hätte gewährt werden können, ebenfalls nicht an.
Wenngleich Art. 150 Abs. 2 a.E. ZK die Möglichkeit der vollständigen oder teilweisen Befreiung von den Einfuhrabgaben nach Art. 151 Abs. 1 ZK eröffnet, sofern die Versäumnisse im Rahmen des Verfahrens der passiven Veredelung ohne wirkliche Folgen für das reibungslose Funktionieren dieses Zollverfahrens mit wirtschaftlicher Bedeutung geblieben sind, ist dem Kläger die Berufung auf die Ausnahmeklausel des Art. 150 Abs. 2 a.E. ZK verwehrt.
Nach Art. 150 Abs. 2 a.E. ZK heilbar sind nämlich ausschließlich Verfehlungen, die sich zeitlich zwischen der Überführung der Waren in das Verfahren bei der Ausfuhrzollstelle und der tatsächlichen Wiedereinfuhr der Veredelungserzeugnisse abspielen (Witte, in: Witte, Zollkodex, 2. Auflage 1998, Art. 150 ZK Rn. 11; Fehn, in: Hohmann/John. Ausfuhrrecht, 2002, Art. 150 ZK Rn. 16). Anders macht das Regel-Ausnahme-Verhältnis innerhalb des Art. 150 Abs. 2 ZK keinen Sinn (Fehn, a.a.O.). Die Vorteile der Differenzverzollung sollen grundsätzlich bei einem ordnungsgemäß durchgeführten Verfahren der passiven Veredelung zum Tragen kommen. Dies entspricht den Prinzipien des ZK, wonach auch sonst die Abwicklung des Verfahrens durch den Zollbeteiligten regelmäßig einwandfrei sein muss, um Vergünstigungen in Anspruch nehmen zu können (Witte, a.a.O., Art. 150 ZK Rn. 9; Fehn, a.a.O., Art. 150 ZK Rn. 15). Dem materiellen Recht wird im Rahmen des Art. 150 Abs. 2 ZK nur ausnahmsweise der Vorrang eingeräumt, nämlich dann, wenn sich Unregelmäßigkeiten außerhalb der Einwirkungssphäre des Bewilligungsinhabers abspielen. Dies wiederum betrifft die Phase, in der sich die Waren außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft befinden: Was dort passiert, kann der Bewilligungsinhaber kaum beeinflussen (Witte, a.a.O., Art. 150 ZK Rn. 8; Fehn, a.a.O.).
Ebenfalls in diese Richtung weist der Erlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 6. Dezember 1996, III B 4 – Z 1601 – 93/96, VSF N 67 96 Nr. 568, wonach Art. 150 Abs. 2 ZK nicht auf die Fälle der Zollschuldentstehung nach Art. 202, 203 anzuwenden ist (Fehn, a.a.O., Art. 150 ZK Rn. 16 Fn. 17). Hierfür spricht ferner Art. 859 Nr. 8 der Zollkodexdurchführungsverordnung (ZKDVO), der unter bestimmten Voraussetzungen eine Zollschuld nach Art. 204 ZK bei Verfehlungen im Anschluss an eine passive Veredelung nicht entstehen lässt, um doch noch eine ordnungsgemäße Überführung in den freien Verkehr und eine Differenzverzollung zu ermöglichen (Witte, a.a.O., Art. 204 ZK Rn. 52; Fehn, a.a.O., Art. 150 ZK Rn. 16). Daher muss sich die nach Art. 150 Abs. 2 a.E. ZK heilbare Verfehlung zeitlich vorher abgespielt haben.
Fehler, die nach dem Verbringen des Veredelungserzeugnisses in das Zollgebiet der Gemeinschaft im Zusammenhang mit dem Transport zur ersten Zollstelle, der Gestellung, der vorübergehenden Verwahrung oder den sich anschließenden zollrechtlichen Bestimmungen auftreten, insbesondere Fehler im Versandverfahren nach passiver Veredelung und vor Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr zwischen Grenzzollamt und Empfänger, werden nicht von Art. 150 Abs. 2 ZK erfasst, sondern sind allein im Rahmen des Art. 204 Abs. 1 Buchstabe a ZK in Verbindung mit Art. 859 ZKDVO heilbar. Findet keine ordnungsgemäße Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr statt und entsteht die Zollschuld nach Art. 202 Abs. 1 ZK, scheidet die Differenzverzollung aus (Witte, a.a.O., Art. 150 ZK Rn. 12).
So liegt der Fall hier. Bei der Einfuhr der veredelten Karosserie in das Zollgebiet der Gemeinschaft hätte der Kläger die Ware in den freien Verkehr der Gemeinschaft überführen oder die Abfertigung zu einem Nichterhebungsverfahren – hier die Überführung in das externe gemeinschaftliche Versandverfahren – beantragen müssen. Letzteres war das geeignete Instrument, um die Überführung in den freien Verkehr der Gemeinschaft beim Zollamt … vornehmen zu können. Die Tatsache, dass der Kläger das externe gemeinschaftliche Versandverfahren nicht durchgeführt hat, ist ebenso schädlich für die Inanspruchnahme der Differenzverzollung wie die mangelnde Gestellung. Beide Fehler liegen zeitlich nicht zwischen der Überführung der Karosserie in das Verfahren bei der Ausfuhrzollstelle und der tatsächlichen Wiedereinfuhr der lackierten Karosserie. Zur Klarstellung sei nochmals betont, dass die Überschreitung der Veredelungsfrist, die sich möglicherweise nicht im Verantwortungsbereich des Klägers abgespielt hat, nicht entscheidungserheblich ist.
Eine danach allein noch denkbare Heilung nach Art. 204 Abs. 1 Buchstabe a ZK in Verbindung mit Art. 859 Nr. 8 ZKDVO scheidet indes bereits in Ermangelung der Durchführung eines externen gemeinschaftlichen Versandverfahrens aus. Nur wenn innerhalb eines solchen Verfahrens Fehler begangen worden wären, könnten jene Vorschriften dem Kläger zugute kommen.
Schließlich sind Fehler bei der Berechnung der Zollschuld weder vorgetragen noch sonst wie ersichtlich.
B.
Rechtswidrig ist der angefochtene Bescheid jedoch, soweit er die Einfuhrumsatzsteuer auf 1.036,87 DM festsetzt. Hierbei geht das HZA von einem unzutreffenden Einfuhrumsatzsteuerwert in Höhe von 6.480,41 DM aus, indem es den Zollwert ansetzt und um den geschuldeten Zoll-EURO-Betrag erhöht.
Zwar gelten grundsätzlich hinsichtlich der Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer die Vorschriften für Zölle gemäß § 21 Abs. 2, erster Halbsatz des Umsatzsteuergesetzes (UStG) sinngemäß. Ausgenommen sind jedoch ausdrücklich die Fallkonstellationen der passiven Veredelung (§ 21 Abs. 2, zweiter Halbsatz UStG). Hierfür existiert die Sondervorschrift des § 11 Abs. 2 Satz 1 UStG, der das Veredelungsentgelt zum Maßstab für die zu erhebende Einfuhrumsatzsteuer erhebt.
Dagegen kann nicht mit Erfolg eingewendet werden, der Kläger habe die passive Veredelung nicht ordnungsgemäß beendet, so dass die Ausnahmeregelung des § 21 Abs. 2, zweiter Halbsatz UStG nicht greife, weil anderenfalls die Vorschrift des § 11 Abs. 2 Satz 1 UStG den Steuerpflichtigen zu Unrecht begünstige. Die Beachtung der Förmlichkeiten des Zollverfahrens der passiven Veredelung ist im Rahmen des § 11 Abs. 2 Satz 1 UStG von untergeordneter Bedeutung. Der Wortlaut sowie Sinn und Zweck dieser Norm geben keine Anhaltspunkte dafür, dass formelle Fehler, die ein Zollbeteiligter im Zollverfahren der passiven Veredelung begeht, bei der Berechnung der Einfuhrumsatzsteuer eine wesentliche Rolle spielen sollen. Allerdings kann nicht schlechthin jeder zollverfahrensrechtliche Verstoß bei der Anwendung des § 11 Abs. 2 Satz 1 UStG außer Betracht bleiben. Die steuerbare Leistung muss in jedem Fall in der Einfuhr von Veredelungserzeugnissen im Rahmen des Zollverfahrens der passiven Veredelung zu erblicken sein, damit auch im Einfuhrumsatzsteuerrecht noch von der Fallkonstellation einer passiven Veredelung gesprochen werden kann. Diese Mindestanforderung an das Vorliegen einer passiven Veredelung aus einfuhrumsatzsteuerrechtlicher Sicht ist zu bejahen, sofern eine zollrechtliche Bewilligung erteilt ist, der Bewilligungsinhaber die Veredelungsarbeiten tatsächlich durchführen lässt, die Veredelungserzeugnisse zurück verbracht werden und die Nämlichkeit – wenn auch wie hier nachträglich – festgestellt wird. Dann ist die durch § 21 Abs. 2, erster Halbsatz UStG angeordnete sinngemäße Anwendung der Zollvorschriften hinsichtlich der Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer ausgeschlossen.
Ist aber vorliegend das Veredelungsentgelt (951,35 DM) nach § 11 Abs. 2 Satz 1 UStG der zunächst maßgebliche Einfuhrumsatzsteuerwert, der allerdings noch gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 2 UStG um den Zoll-EURO-Betrag (279,06 DM) zu erhöhen ist, ist die geschuldete Einfuhrumsatzsteuer auf 196,87 DM (1.230,41 DM × 16 %) herabzusetzen. Nach alledem beträgt die Summe der geschuldeten Einfuhrabgaben 475,93 DM = 243,34 EUR (Zoll-EURO 279,06 DM = 142,68 EUR + Einfuhrumsatzsteuer 196,87 DM = 100,66 EUR); die Klage hat überwiegend Erfolg.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 136 Abs. 1 Satz 1, 143 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 2, 151 Abs. 3 FGO sowie § 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
IV.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.
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